This page looks plain and unstyled because you're using a non-standard compliant browser. To see it in its best form, please upgrade to a browser that supports web standards. It's free and painless.

FINANCIAL TIMES DEUTSCHLANDFINANCIAL TIMES DEUTSCHLANDAlles über Konjunktur und Economics
12.10.2008 14:46
       Wirtschaftswunder    FTD.de  

Gästeblock

 
Hier kommentieren Stammgäste und andere renommierte Experten die wichtigsten wirtschaftspolitischen Trends

« | »

Henrik Enderlein - Krisengewinne für Steuerzahler

08. Oktober 2008 13:23 Uhr
Die Bundesregierung sollte die Hypo Real Estate verstaatlichen. Denn nur als Miteigentümer kann der Staat von einer möglichen Erholung der Lage profitieren – anstatt nur die Risiken zu tragen.

Die Bundesregierung sollte die Hypo Real Estate verstaatlichen. Denn nur als Miteigentümer kann der Staat von einer möglichen Erholung der Lage profitieren – anstatt nur die Risiken zu tragenVon Henrik Enderlein

Am Ende der vergangenen Woche wurde deutlich, dass der gemeinsame Rettungsplan der Banken und der Regierung für die taumelnde Hypo Real Estate (HRE) von den Banken torpediert wurde. Viele Banken wollten ihre Kreditzusagen nicht einhalten, weil sie fürchteten, die HRE würde trotz der Bürgschaft Liquiditätsprobleme bekommen. Seit Sonntag steht ein neues Paket, ob es halten wird, ist ungewiss. Deshalb sollte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück nun die einzig wirkliche Schlussfolgerung ziehen: die HRE verstaatlichen.

Wenn ich als Steuerzahler einem Konzern 330 Euro als Garantie zur Verfügung stelle, damit er nicht bankrottgeht, dann will ich dafür ein Mitspracherecht im Management. 330 Euro, das ist die Regierungsbürgschaft für die HRE auf jeden Bürger umgerechnet. Die Bundesregierung muss nun sicherstellen, dass mit meinem Geld kein Schindluder getrieben wird. Das kann sie nur als Anteilseigner.

Würde die HRE zum aktuellen Marktpreis von rund 1 Mrd. Euro vom Bund übernommen, würden Steuerzahler am Ende nur dann schlechter fahren, wenn die Verluste in der Bilanz höher ausfallen als die Regierungsgarantie im aktuellen Rettungsplan von 26,6 Mrd. Euro. Das ist unwahrscheinlich. Denn die Liquiditätsengpässe bei der HRE wurden weniger von faulen Krediten ausgelöst als von einer Fehleinschätzung des Marktes: Sie finanzierte langfristige Kredite über die kurzfristige Aufnahme von Liquidität. Der Zinsanstieg im Geldmarkt setzte die irische HRE-Tochter Depfa unter Druck, sie hatte keine Sicherheiten, um noch Kapital aufzutreiben. Diese Sicherheit stellen nun Regierung und Banken. Doch die HRE kann weiter frei im Markt agieren – und weiter Geld verlieren. Die Gefahr unverantwortlichen Handelns („Moral Hazard“) könnte sogar zunehmen. Wer garantiert, dass die HRE in zwei Wochen nicht noch mehr Geld benötigt?

Eine Verstaatlichung hätte eine Reihe positiver Nebeneffekte, deren monetärer Gegenwert im jetzigen Marktumfeld kaum hoch genug zu bewerten ist: Das systemische Risiko, das von der HRE ausgeht, wäre komplett verschwunden und der Pfandbriefmarkt stabilisiert. Die Bundesregierung hätte die Entscheidungshoheit bei der Abwicklung der HRE. Das Unternehmen könnte aufgespalten werden. Für einen Großteil der Aktiva fänden sich sicherlich gute Käufer am Markt.

Auf den schlechten Risiken würden die Steuerzahler sitzen bleiben – das wäre der Kostenpunkt dieser Aktion. Aber es spricht nur wenig dafür, dass diese faulen Kredite einen großen Teil der HRE-Aktiva ausmachen. Letztlich könnten Steuerzahler sogar profitieren, sollte sich das Unternehmen wieder erholen und sein Aktienkurs steigen. Zugleich wären mit dem Beitrag zur Stabilisierung der HRE Gewinnchancen verbunden.

Der Vorteil der gemeinsamen Rettungsaktion von Regierung und Banken in ihrer jetzigen Form ist sicherlich, dass der Steuerzahler nicht das alleinige Risiko trägt. Deutsche Banken sind mit knapp 23,4 Mrd. Euro beteiligt. Diese Einbindung von Banken erkauft sich die Regierung aber mit dem Verzicht auf jegliche Kontrolle der HRE, die sie bei einer Übernahme erhalten hätte. Die HRE erlaubt sich sogar, den eigenen Retter an den Pranger zu stellen: Das Unternehmen warf Steinbrück per Anwalt unternehmensschädigendes Verhalten vor, weil dieser über die „Abwicklung“ der HRE gesprochen hatte. Das ist absurd.

Letzter Aspekt: Entschlossenheit. Die Bundesregierung sollte darauf achten, dass sie von den Märkten weiterhin als starker Partner wahrgenommen wird, der im Notfall, ohne zu zögern, interveniert – aber nicht, ohne dann Kontrolle zu fordern und an den richtigen Stellen schmerzhafte Spuren zu hinterlassen. Die Übernahme der HRE würde den Aktionären zu Recht Verluste bescheren; das Management müsste zu Recht gehen; die HRE würde zu Recht abgewickelt. Diese Schritte wären auch ein Warnsignal an die Marktteilnehmer, vorsichtiger zu sein.

Warum weigern sich Steinbrück, Merkel und Bundesbankchef Axel Weber, diesen Schritt zu vollziehen? Der eigentliche Beweggrund dürfte politischer Natur sein. Die 26-Mrd.-Garantie lässt sich mit dem Signal vermitteln, die „bösen Banken“ seien verpflichtet worden, sich an der Rettung zu beteiligen. Das Wort Verstaatlichung dagegen wiegt schwer. Und zu vermitteln, dass der Steuerzahler durch eine Verstaatlichung am Ende wahrscheinlich besser dasteht als mit dem Rettungsplan, wäre schwierig.

Vielleicht ist es auch schlicht die Idee der Verstaatlichung, die der deutschen Wirtschaftspolitik widerstrebt. Tenor: Die Planwirtschaft ist vorbei! Das ist richtig, führt aber an der heutigen Problemlage vorbei. Anders als bei den planwirtschaftlichen Illusionen des 20. Jahrhunderts geht es nicht mehr um den Ersatz des Marktes durch die Verstaatlichung von Aufgaben, sondern um einen eng begrenzten Zeitraum, in dem der Staat ins Gewand des Marktteilnehmers schlüpft.

Wir haben in jüngster Zeit Verstaatlichungen in den Niederlanden gesehen, in Großbritannien und den USA. Die verstaatlichten Institute werden bald wieder unabhängig sein. Eine Staatsgarantie ohne Eigentum an der HRE ist ein Bailout, eine Übernahme aber ein klares Signal für Stabilität – und die einzige Möglichkeit für den Steuerzahler, nicht nur potenzielle Verluste zu schultern, sondern auch von Gewinnen zu profitieren.

Wir sollten die Übernahme der Mehrheit an einer bedrohten Bank als eine normale Staatshandlung sehen. Der Staat ist schon lange kein Kreditgeber letzter Instanz mehr, er ist zum Marktteilnehmer letzter Instanz geworden.

Henrik Enderlein ist Professor für politische Ökonomie an der Hertie School of Governance.

Kommentare



Artikel kommentieren

Betreff

Text:

Ihr Name

E-Mail-Adresse (wird nicht veröffentlicht)

Bitte untenstehende Zahlenfolge eingeben:
authimage


.
 
© 1999-2008 Financial Times Deutschland | FTD-Blogs: Nutzungshinweise

Recherche · Zeitung · Abonnement · Meine FTD · Logout · Sitemap · Hilfe
Kontakt · Impressum · Jobs bei der FTD · Disclaimer · Media-Info
Mit ICRA gekennzeichnet



Powered by pLog