Seit Monaten laufen Banken, Fondsgesellschaften und andere Unternehmen Sturm gegen das geplante Gesetz zu Zeitwertkonten. In seltener Einmütigkeit wettern sie gegen den vom Kabinett bereits verabschiedeten Gesetzentwurf zu Arbeitszeitkonten.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes, das am Freitag in einer Ausschusssitzung des Bundesrats behandelt wird, wird im Dezember gerechnet. Die Kritiker monieren vor allem, dass Aktienengagements bei den Zeitwertkonten benachteiligt werden. So dürfen bei bestimmten Modellen künftig nur noch 20 Prozent der Guthaben in Aktien oder Aktienfonds angelegt werden. Generell seien die Regeln rigide, kritisiert der Fondsverband BVI.
Langfristig - zumindest auf Sicht von 20 oder 30 Jahren - könnte die Begrenzung die Rendite von Zeitwertkonten schmälern. Die geplante Beschränkung greife nicht nur die Freiheit der Anleger an, sondern richte sich auch gegen die Aktie als Anlageinstrument, ärgert sich der BVI. "Das ist ein Schlag gegen die Aktienkultur", findet BVI-Präsident Wolfgang Mansfeld. Auch der Zentrale Kreditausschuss und die Arbeitsgemeinschaft Zeitwertkonten, in der sich Unternehmen und Geldverwalter zusammengeschlossen haben, sind erbost. Allerdings können Aktienengagements auch herbe Verluste bescheren, wie die Krise gerade drastisch vor Augen führt.
Rund 2,5 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland haben Zeitwertkonten. Sie sparen Überstunden, Sonderzahlungen oder Urlaub in Geld umgerechnet an. Die Einzahlungen fließen steuerfrei auf ein Konto, das meist aus einer Auswahl von Investmentfonds besteht, die der Arbeitgeber auswählt und anbietet. Zu einem späteren Zeitpunkt nutzen die Arbeitnehmer ihr Guthaben, um eine Auszeit oder - wie in den meisten Fällen - den vorzeitigen Ruhestand zu finanzieren. Dann erst zahlen sie Steuern und Sozialabgaben.
30 Prozent der deutschen Unternehmen verfügen bereits über entsprechende Regelungen, ermittelte eine Studie der Beratungsgesellschaft Rauser Towers Perrin. Dax-Mitglieder wie die Deutsche Bank, Lufthansa und Volkswagen zählen dazu, aber auch das Chemieunternehmen Boehringer Ingelheim, der Flugzeugbauer Airbus, der Handelskonzern Arcandor und die Hamburger Hafenbetriebe HHLA. Weitere knapp 30 Prozent planen die Einführung solcher Konten.
Mitte August hatte die Bundesregierung den Gesetzentwurf zu "Flexi II" verabschiedet, das erste Gesetz war 1998 in Kraft getreten. Vornehmliches Ziel ist es, Arbeitszeitkonten im Insolvenzfall von Unternehmen besser zu schützen. Zudem soll es Arbeitnehmern die Mitnahme ihres Guthabens im Falle des Jobwechsels erleichtern. "Der Gesetzentwurf bringt grundsätzlich auch Verbesserungen", sagt Michael Karst, Direktor bei Rauser Towers Perrin. "Das Hauptproblem aber ist, dass Kapitalanlagen in Aktien limitiert sind und dass es keine Übergangsregelung gibt." Zwar können Unternehmen, gerade in Absprache mit dem Tarifpartner, auch mehr als 20 Prozent der Gelder in Aktien stecken - was sie momentan auch tun. Doch unter welchen Bedingungen das künftig möglich ist, sei nicht geregelt, kritisieren Experten deutscher Fondsgesellschaften. "Schwierig ist, dass der Gesetzentwurf nicht eindeutig zum Ausdruck bringt, wann genau ein Unternehmen die Bestandsgarantien für das Geld auf dem Zeitwertkonto leisten muss. Deshalb sind die Firmen derzeit verunsichert", sagt Karst, der auch Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Zeitwertkonten ist. Der Knackpunkt: Müssen Unternehmen faktisch zu jedem Zeitpunkt einen Verlustschutz garantieren, werden sie Aktien, die stärker Schwankungen unterliegen als andere Anlagen, eher meiden. Dabei wollen die meisten Arbeitnehmer, so zeigen die bisherigen Erfahrungen, erst kurz vor dem Ruhestand an ihr Geld, viele entscheiden sich selbst oft für Aktienfonds.
Die Fondsgesellschaften sehen ein erkleckliches Aktiengeschäft davonschwimmen, zumal Aktien derzeit unter der Vertrauenskrise stark zu leiden haben. Vor allem Privatanleger stehen Börsenengagements seit geraumer Zeit immer skeptischer gegenüber. Die Folge: Aktienfonds verzeichnen seit geraumer Zeit Abflüsse. Die aktuellen Börsenverluste verstärken das Misstrauen der Investoren noch.
Auch wenn die Fondsgesellschaften die künftigen Marktchancen kaum quantifizieren können oder wollen - für die Geldmanager sind die Zeitwertkonten ein einträgliches Geschäft. Sie fürchten nun allerdings, dass die Unternehmen sich kaum für die relativ hochmargigen Aktienfonds entscheiden werden. Momentan verwaltet die Allianz in Zeitkonten für rund 4000 Kunden 900 Mio. Euro. DB Advisors kommt auf 12.000 Kunden, die Deka auf 5000.
Aus der FTD vom 24.09.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD.de
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