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Kolumne

Thomas Fricke - Nach der Krise ist vor der Rezession

von Thomas Fricke

Selbst wenn das Rettungspaket für Banker bald wirkt, steht den Deutschen das größere Desaster noch bevor. Höchste Zeit für ein ebenso spektakuläres Hilfsprogramm für den Rest des Landes.

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Auf den drohenden Bankenkollaps hat die Bundesregierung mit atemberaubenden Entscheidungen reagiert. Die Frage ist, ob das reicht, um den zweiten drohenden Kollaps zu verhindern: den Absturz der realen Wirtschaft. Und ob die Regierung darauf vorbereitet ist, was auf den Rest der Republik derzeit zukommt.

Noch orakelt die Kanzlerin, dass es "nicht zu einem "dauerhaften Konjunktureinbruch" komme. Oder dass die "Unternehmen krisenfest aufgestellt" seien. Das lässt befürchten, dass Angela Merkel das Debakel unterschätzt, das da derzeit naht.

Alle Erfahrungen und aktuellen Krisensignale lassen darauf schließen, dass dem Rettungspaket für die Banken möglichst rasch ein Rettungspaket für den Rest des Landes folgen sollte. Sonst kann aus dem Abschwung schon in ein paar Wochen ein wirklich verheerender Absturz werden.

An den Banken muss das gar nicht liegen. Es ist denkbar, dass das Staatspaket dieser Woche in Kürze dazu beiträgt, die Finanzpanik zu stoppen, dass die Zinsen im Geschäft der Banken wieder sinken - und dass es für Unternehmen gar keine größeren Kreditprobleme gibt. Selbst bei einem so schönen Bankenszenario droht den Deutschen ein böses Erwachen - und die Erkenntnis, dass der Abschwung nur bedingt mit der Finanzkrise zu tun hat. Bis dato gibt es keine Anzeichen, dass Firmen in größerer Zahl keine Kredite mehr für Investitionen bekommen. Die Kreditzinsen sind kaum höher als im Sommer 2007.

Wichtige Handelspartner stürzen ab

Krisensignale überall
 Krisensignale überall

Wenn konjunkturelle Frühindikatoren trotzdem seit Monaten auf Krisenniveaus stürzen, muss das andere Gründe haben. Und womöglich solche, die nicht plötzlich weg sind, sollten die Banken zu Weihnachten wieder vertrauensvoll miteinander umgehen. Etwa ein Ölpreis, der die Deutschen trotz aller Kurskorrekturen dieses Jahr zweistellige Milliarden kostet. Oder ein Euro-Kurs, der selbst bei knapp 1,40 $ noch um fast ein Drittel überbewertet ist und deutsche Waren im Dollar-Raum teils desaströs teuer gemacht hat.

Beides wird ebenso nachwirken wie der Umstand, dass teure Energie und absurde Wechselkurse zeitgleich zum konjunkturellen Absturz bei fast allen wichtigen Handelspartnern in Europa geführt haben - auch bei denen, die keine Immobilienkrise haben. Mehr noch: Bis vor Kurzem gab es in den USA allen Unkenrufen zum Trotz noch Wachstum. Das hat sich im Spätsommer dramatisch geändert. Die größte Wirtschaft der Welt rast nun in eine Rezession. Die Folgen für den Exportweltmeister werden auch hier erst in den nächsten Monaten spürbar. Und: Knapp die Hälfte der deutschen Wirtschaftsleistung hängt mittlerweile am Export. Eher gruselig in einem globalen Abschwung.

Erschreckend ist, dass so gut wie alles stürzt, was die Konjunktur sonst trägt: Exporte, Investitionen, Konsum. Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist zurück (siehe Grafik). Seitdem ist das Risiko mindestens so groß, dass der realwirtschaftliche Absturz zu neuen Problemen bei den Banken führt, wie umgekehrt. Wenn beispielsweise Firmen pleitegehen und ihre Kredite nicht zurückzahlen.

Investitionsnachfrage
 Investitionsnachfrage

Das sei auch bei früheren Bankenkrisen oft so gekommen, sagt Véronique Riches-Flores, Europa-Chefökonomin der Société Générale. Nach Auffassung von Deutsche-Bank-Kollege Thomas Mayer haben gerade die Schweden in der Bankenkrise Anfang der 90er-Jahre erlebt, wie wichtig es ist, neben den Banken auch die Realwirtschaft zu stützen. Auch dort habe man (ziemlich schnell) Banken verstaatlicht, Einlagen garantiert und Bürgschaften verteilt - ohne dass dies die Rezession von 1992/93 verhinderte. Rasch zu Ende sei die anschließend nur deshalb gewesen, weil die Regierung mit Konjunkturstützen im Umfang von mehr als fünf Prozent der Wirtschaftsleistung nachgeholfen habe, sagt Mayer. Zudem wertete die Krone damals drastisch ab.

Japan hatte all dies in seiner Krise Anfang der 90er-Jahre nicht - weder rasche Konjunkturhilfen noch sinkende Zinsen oder eine Yen-Abwertung. Mayer sieht darin den Grund dafür, dass die Krise so lange dauerte.

Alarmierend ist: Was die Deutschen bisher tun, ähnelt eher dem japanischen Vorgehen. Da gibt es einen Finanzminister, der bis vor Kurzem noch über Rezessionssorgen höhnte. Und einen Bundesbankchef, der noch Ende August schwor, "Sorge Nummer eins" sei die Inflation. Und eine Zentralbank, die auf deutsches Drängen ihre Zinsen im Juli erneut anhob, was die Krise noch verstärkt hat.

Da hilft auch der Verweis der Regierung wenig, sie habe die Konjunktur doch über die Unternehmenssteuerreform schon gestützt. Zur Gegenfinanzierung wurde die degressive Abschreibung für Investitionen gekippt. Seitdem sind die Aufträge für Investitionsgüter aus dem Inland um ein Zehntel eingebrochen. "Die Kosten realer Investitionen sind seit der Reform höher", sagt Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft.

Mehr Kindergeld ist keine Krisenhilfe

Erwartete Arbeitslosigkeit
 Erwartete Arbeitslosigkeit

Frau Merkel und Herr Steinbrück haben die Investitionen gebremst und auf Hilfen für Verbraucher mit sinkender Kaufkraft verzichtet - in der "schwersten Bewährungsprobe der Wirtschaft seit der Großen Depression" (Merkel). Ein Traumpaar. Nächstes Jahr wird die Steuer- und Abgabenquote nach Prognose der Forschungsinstitute um ein halbes Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Da hilft auch der Spruch von den gut aufgestellten Unternehmen nicht. Wenn Vitali Klitschko unter eine Dampfwalze kommt (was hoffentlich nie passiert), ist der auch tot.

Will die Regierung das Desaster nach dem Desaster noch verhindern, sollte sie aufhören, 10 Euro mehr Kindergeld als Tat gegen die Krise zu verkaufen. Schnell helfen könnte, die degressive Abschreibung befristet wieder einzuführen. Schnell helfen könnte auch, jedem Deutschen einen Scheck zu geben, am besten an einen guten Zweck gebunden, wie im Fall von Klimaschecks. Ein Teil der Kosten ließe sich decken, wenn potenzielle Gewinne, die der Staat durch den Kauf von Bankaktien künftig macht, in die Tilgung dieser Konjunkturhilfen flössen.

Regierung wie Währungshüter sollten die Konsequenz ziehen aus einem desaströsen makroökonomischen Krisenmanagement. Sonst droht die Krise im Wahljahr diejenigen zu treffen, deren Kontakt zum Banksektor sich sonst darauf konzentriert, am Automaten Geld abzuheben.

Thomas Fricke ist Chefökonom der FTD. Mehr unter: www.ftd.de/wirtschaftswunder

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Aus der FTD vom 17.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD.de

 

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