Vorwurf der Untreue

Razzia bei früheren Hypo-Chefs

von Rolf Lebert (Frankfurt) und Gerhard Hegmann (München)

Der Beinahekollaps der Immobilienbank Hypo Real Estate wird zum Fall für die Justiz. Wie erst am Mittwoch bekannt wurde, durchsuchte die Münchner Staatsanwaltschaft am Dienstag Büros des Dax-Konzerns und Anwesen früherer Topmanager.

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Es gehe um den Verdacht der Marktmanipulation und der "unrichtigen Darstellungen", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Zudem ermittle sie wegen Untreue. Im Zuge der Finanzkrise, in der viele deutsche Geldhäuser durch Fehlspekulationen Milliardenverluste erlitten haben, laufen bereits Ermittlungen gegen die Staatsbank KfW, deren frühere Tochter IKB und die Sachsen LB, die mittlerweile in der Stuttgarter Landesbank LBBW aufgegangen ist. Anzeigen liegen auch gegen weitere Landesbanken vor. Allerdings ermitteln die Staatsanwälte in diesen Fällen noch nicht.

Im Mittelpunkt des Hypo-Verfahrens stehen Ex-Vorstandschef Georg Funke und der frühere Vorstandsvorsitzende Kurt Viermetz. Nach FTD-Informationen nimmt die Staatsanwaltschaft jedoch sämtliche Vorstände unter die Lupe, die zwischen November 2007 und September 2008 im Amt waren - darunter der mittlerweile ausgeschiedene Bo Heide-Ottosen und der noch amtierende Finanzchef Markus Fell. Vorstandsmitgliedern und Aufsichtsräten, die die Lage ihres Unternehmens verschleiern, drohen laut Paragraf 400 des Aktiengesetzes bis zu drei Jahre Gefängnis.

Ehemalige Führungskräfte des angeschlagenen Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate
 Ehemalige Führungskräfte des angeschlagenen Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate

An der Razzia waren neben 15 Staatsanwälten noch insgesamt 65 Beamte des Landeskriminalamts und zwei Mitarbeiter der Finanzaufsicht BaFin beteiligt. Die BaFin hatte bereits nach der Rettung der Hypo Real Estate Anfang Oktober in einem Brief an das Finanzministerium schwere Vorwürfe gegen den damaligen Vorstand erhoben. Später fertigte die Behörde für die Münchner Staatsanwälte ein Gutachten über den Fall an. "Wir haben den Anstoß gegeben", sagte eine Sprecherin der BaFin am Mittwoch.

Die Hypo Real Estate hatte Ende September wegen verfehlter Zinswetten ihrer Tochter Depfa kurz vor dem Zusammenbruch gestanden. In einer nächtlichen Rettungsaktion stellten der Bund und andere Banken dem Institut 35 Mrd. Euro zur Verfügung. Durch weitere Buchprüfungen stellte sich wenige Tage später heraus, dass der Immobilienfinanzierer sogar 50 Mrd. Euro benötigte.

Nach der Rettung räumten Viermetz, Funke und mehrere Depfa-Manager im Oktober ihre Posten. Auch auf die Hilfen des staatlichen Bankenrettungsfonds Soffin hat die Hypo Real Estate inzwischen zugegriffen.

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Der Niedergang der einstigen Vorzeigebank hatte Mitte Januar begonnen. Da gestand Funke erstmals Verluste auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt - nachdem er zuvor stets beteuert hatte, dass sein Institut dort praktisch nicht engagiert sei. Obwohl der Schaden mit 390 Mio. Euro relativ gering ausfiel, war der Vertrauensverlust bei den Investoren enorm: Binnen wenigen Stunden fiel die Aktie um fast 40 Prozent.

Auch die Lage der Depfa wurde vom Hypo-Vorstand lange verschwiegen. Noch Ende August hieß es, die Refinanzierung des Staatsfinanzierers sei nicht gefährdet - einen Monat später war die Tochter praktisch illiquide. Die Hypo-Aktie erholte sich davon nicht mehr. In Kürze muss sie aus dem Dax ausscheiden.

Neben den Untersuchungen der BaFin gab es zahlreiche Anzeigen gegen Hypo-Verantwortliche. So erstattete die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) Strafanzeige wegen des Verdachts auf Betrug und fehlerhafte Kapitalmarktinformation.

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Aus der FTD vom 18.12.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP(2)/Bloomberg

 

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