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Was tun gegen die Krise - und wieviel

Eine Mega-Lawine an Steuergeld soll das Finanzsystem und die Konjunktur retten. Doch nur ein Teil ist notwendig, vieles ist nur ein Vortäuschen von Handlungsmacht, die die Politik nicht hat.

Unvorstellbar viel Geld

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wird derzeit im Finanzsektor benötigt. Von 3 - 4 Billionen Dollar (= 3 - 4 tausend Milliarden in deutscher Bezeichnung) ist die ernsthafte Rede allein in den USA, um die aufgeblähten Bankbilanzen zu sanieren und das Zusammenbrechen des Finanzsystems zu vermeiden. Dazu kommt noch einmal etwa so viel im Rest der Welt. Diese Mittel sollen jene Blase ersetzen, die mit maßlos überhöhten, oft absichtlich versteckten Risken in den letzten Jahren des von der US-Notenbank künstlich verbilligten Geldes entstanden ist, vor allem durch die Transformation der nicht besicherten Risken aus dem zusammen gebrochenen US-Immobilienboom (zu den Ursachen der Krise siehe meine vorigen blog-Einträge).
Passiert das nicht, sind die Folgen so unabsehbar, dass es fast niemanden gibt, der sie sich offen ausmalen mag. Dazu genügte schon der Konkurs der New Yorker Lehman Brothers im August, der „systemischen“ US-Bank, die sich eine der zentralen Funktionen in der internationalen Finanzwelt als Drehpunkt dieser riskanten Papiere „erarbeitet“ hatte (mit abenteuerlichen Vorgängen, wo ein echtes Wertpapier-Paket x-mal in einer „Schachtel“ immer wieder als Sicherheit für viele windige Geschäfte gleicher Höhe durchgereicht wurde).
Dass man keine dieser systemischen Banken, und das sind offenbar fast alle großen, trotz dieser und anderer Fehler nicht mehr zusammen brechen lassen kann, ist inzwischen feste Überzeugung bei allen Politikern, Notenbankern und der Finanzwelt sowieso: Denn dann würde das ganze Kartenhaus aus Papiergeld auch die realen Werte der Wirtschaft noch mehr zu Boden reißen und mit ihr das Grundvertrauen der Bevölkerung in die Währungen usw.. Der schärfste Wirtschaftsabschwung seit 80 Jahren ist nur ein Vorgeschmack davon.

Da muss also ungeheuer viel Staatsgeld her (es gibt keinen anderen „lender of last resort“ als Geldesel mehr), in USA, wo die Blase hauptsächlich entstand, und in Europa, wo die willigen Profiteure sitzen (nicht nur in den Privatbanken: In Deutschland sind die öffentlich kontrollierten, oder besser, nicht kontrollierten, führend beim Verbrennen von Steuergeld durch Übernahme der wertlosen US-Papiere - mangels langfristig tragenden Geschäftsmodells).
Die unendlich vielen Milliarden Dollar und Euro, die die Staaten jetzt ins Bankensystem pumpen, sollten aber nicht ganz verloren sein: Erstens sind viele davon nur Garantien, von den man hoffen darf, dass sie doch nicht in Anspruch genommen werden und vor allem ihren Zweck erfüllen, das total verlorene Vertrauen der Banken untereinander zu stabilisieren.
Das Beispiel der Finanzkrise in Schweden in den Neunziger Jahren zeigt auch, dass bei kluger Abwicklung der Verlust für den Steuerzahler sich in Grenzen halten kann: Nach spontaner Rettung und nachfolgender Sanierung der Banken kann er durch Beteiligung an den wieder wertvoller werdenden Papieren und Instituten sogar mit einem blauen Auge davon kommen.
Abgesehen davon, dass es zur Rettung des Finanzmarktes ohnehin keine Alternative gibt: Das Schmiermittel, die Essenz modernen Wirtschaftens ist Geld, seinen Wert, sein Umlaufen zu sichern, ist eine Aufgabe des Staates.
Und da muss wohl auch in Kauf genommen werden, dass die USA, die Fed, nun massiv Geld druckt und die Geldmenge mit allen Mitteln erhöht. In Europa ist dies dank EZB und Euro augenscheinlich (noch) nicht der Fall.
Also: Die Finanz-Feuerwehr muss zuerst mal löschen, auch wenn der Wasserschaden danach enorm ist und lange braucht, aufgeräumt zu werden.

Konjunkturpakete sind problematischer

Was hier vorgeschlagen wird (USA und Obama) und schon beschlossen wurde (Europa), ist ein Mix aus Zusatz-Investitionen des Staates zur Ankurbelung der Investitionsgüterwirtschaft und Steuererleichterungen zur Ankurbelung des Konsums. Da gibt es vieles, was richtig zu sein scheint, aber auch noch mehr, was nach allen Erfahrungen mit früheren Krisen äußerst problematisch bis falsch ist.
Das, was bis jetzt von Obamas Plänen bekannt ist, leuchtet teilweise ein: Etwa die Hälfte des zweiten riesigen Krisenpakets von 800 Milliarden Dollar soll in Steuererleichterungen gehen, um einen Konsumschub auszulösen. Das ist dreimal so viel wie die im Frühjahr von Bush verteilten 120 Milliarden Steuergutschriften. Diese wurden allerdings nur zu einem Viertel ausgegeben, drei Viertel wurden gespart, was angesichts der rasch steigenden Arbeitslosigkeit und den weiter sinkenden Preisen für Häuser, die ebenso eine Altersabsicherung für viele Amerikaner sind wie dramatisch gefallenen Aktienpreise, kein Wunder ist. Der Konsum von Millionen Menschen lässt sich eben nicht oder nur schwer steuern. Bleibt das Verhältnis von Ausgeben und Sparen gleich, und das ist angesichts der inzwischen noch viel schärferen Krise in USA eher ein frommer Wunsch, dann würden nun bald etwa 90 Milliarden Dollar zusätzlich in den Konsum fliessen. Das ist sehr wenig im Verhältnis zum Gesamtmarkt und nicht mehr als ein Hoffnungsschimmer.
Die zweite Hälfte steckt Obama in Infrastrukturprojekte, die Erneuerung von Brücken, Straßen usw., die in USA teilweise in erschütterndem Zustand sind.
Das ist eine Reminiszenz an die weitgehend guten Erfahrungen der Großen Depression aus den 30er Jahren. Die wirkten damals zwar langsam aber doch (zB.der Hoover Dam in Colorado). Heute ist das aber anders: Der Anteil an Maschinen gegenüber der menschlichen Arbeit ist viel höher und vor allem sind die Genehmigungs- und Planungsphasen viel länger. Die Fachleute des Congressional Budget Office rechnen in einer Untersuchung damit, dass der Großteil des Geldes erst 2011 dort ankommen wird, dann, wenn hoffentlich die Krise großteils wieder vorbei ist.

Leider ist das bei uns in Europa noch weniger aussichtsreich . Vor allem in Deutschland.
Die Regierung plant nur eine marginale Steuersenkung, die mit ihren ca. 20 €/Monat/Durchschnittshaushalt wohl kaum jemanden zu mehr Konsum verleiten dürfte. Grund dafür ist ein praktischer und ein politischer. Die Deutschen zählen mit den Österreichern zu den prinzipiell pessimistischsten Europäern: Die Zukunft scheint ihnen immer noch ein bisschen schlechter als den anderen. Auch ist nirgends der Neid auf den Nachbarn offenbar so groß wie hier. Und das ist ein nicht zu unterschätzendes Element: Lieber verzichtet die Gesellschaft auf Anreize für die Tüchtigen und Wagemutigen, die Ausdauernden und Fleißigen, als dass sie mehr Ungleichheit zu denen zulässt, die diese Talente oder auch nur den Willen dazu nicht haben. Das drückt sich dann in der politischen Blockade einer prinzipiell sinnvollen Steuerreform zugunsten der Leistungsträger aus, die am ehesten noch Konsum-Bereitschaft und die finanzielle Luft dazu hätten. Die Sozialdemokraten in der großen Koalition blockieren sie aus prinzipiellen Gründen: Ihnen ist das Geld in Händen des Staates zum Umverteilen immer lieber als in den Händen derer, die es mühsam erwirtschaften. Doch nur eine echte Steuerreform könnte, wenn sie dauerhaft und stark ist, die Bürger zu mehr Arbeit und mehr Risiko und letztendlich zu mehr Konsum motivieren, selbst wenn sie anfangs noch sparen.
Dazu kommt, dass fremdes, also Steuergeld, immer dazu verleitet, falsch, weil unter politischen, statt wirtschaftlichen Kriterien ausgegeben zu werden.

Das ist besonders bei Investitionsprogrammen der Fall, womit wir beim zweiten Teil der fragwürdigen deutschen und manch anderer Konjunkturprogramme wären. Im baurechtlich überregulierten Deutschland kommen diese Mittel ebenfalls großteils erst in zwei Jahren an. Die Handwerker-Leistungen zur Renovierung der oft katastrophalen Schulen sind nur ein kleiner Teil des Programms.
Sogar Bundeskanzlerin Merkel höhnte im Dezember vor ihrem zweiten Konjunkturprogramm noch halböffentlich darüber, dass ihr SPD-Verkehrsminister keine baureifen Projekte vorlegen könne und nur die Unions- regierten Süd-Länder (Bayern, Baden-Württemberg) die fix und fertig genehmigten Projekte aus der Schublade ziehen könnten. Da würden die anderen Länder, wo die Verwaltung weniger gut arbeite und die selbst ernannten Umweltschützer noch mehr Gehör fänden, sich bald benachteiligt fühlen.

Vor allem aber: Es gibt es keine Ernst zu nehmende wissenschaftliche Untersuchung, die beweist, dass frühere Konjunktur-Programme einen messbaren Erfolg zum Anschub gehabt hätten. Weder auf dem Arbeitsmarkt oder in der Wirtschaft haben die sich ausgewirkt.
Das noch drastischere Beispiel für öffentliche Misswirtschaft bei zuviel Geld in der Hand des Staates sind jene 1,6 Billionen Euro, die bisher Westdeutschland in den Aufbau der von den Kommunisten ruinierten DDR gesteckt hat und weiter steckt. Sie sind ein schreiendes Beispiel dafür, wie oft Steuer-Geld sinnlos und unproduktiv verschleudert wird, weil der Staat glaubt, die Wirtschaft beeinflussen zu können (40 Prozent des Verbrauchs dort wird auch 20 Jahre nach dem Mauerfall noch immer im Westen verdient und transferiert- ohne Dank aus dem Osten allerdings). Gerade in dieser Krise zeigt sich sogar in den bisher erfolgreichen Projekten wie in den Chipwerken in Sachsen, dass fast alles, was anfangs hochsubventioniert ist, langfristig auf tönernen Füßen steht: Die Mär von der Anschubfinanzierung, die dann einen Selbstläufer schafft, bleibt meist (nicht immer) eine.
Volkswirte nennen das Fehlallokation von Geldern, die bei freier Vergabe durch deren Erzeuger (Steuerzahler) mit großer Wahrscheinlichkeit besser, weil nach dem größeren Nutzen für den Geber und damit letztlich wieder für die Allgemeinheit, ausgegeben worden wäre. Die Schaffung der bleibenden Werte der Infrastruktur durch diese Pakete steht in keinem vernünftigen Verhältnis zum finanziellen Aufwand.
Denn der ist gigantisch: Mit den beiden deutschen Konjunkturpaketen von zusammen 80 Milliarden Euro werden lt. Bundesanstalt für Arbeit maximal 250.000 Arbeitsplätze gesichert, das sind über 300.000 €/Beschäftigten oder an die zehn durchschnittliche Jahresgehälter pro Begünstigten (rein rechnerisch). Beschäftigte, die nicht objektiv nach den Kriterien des Wettbewerbs ausgewählt werden, sondern vom Lobbyismus von Gewerkschaften, Lokalpolitikern und Wirtschaftsunternehmen, die die Politik am besten für sich einzuspannen (zu erpressen) vermögen.
Und das Argument, dass allein in die marode Hypo Real Estate-Bank mindestens 100 Milliarden Staats-Euro zu deren Rettung fliessen, ist schwach. Diese Bank war eine wüste Konstruktion zum Verstecken alter, abgeschriebener Milliarden-Schulden aus dem Wiederaufbau der DDR, sie war der schlecht privatisierte Garant der deutschen Pfandbriefe, eines mündelsicheren Spar-Papiers für den kleinen Mann. Diese noch von der DDR verschuldeten Tretminen aus der Vergangenheit gehen nun hoch.

Der Preis ist zu hoch

Und dafür steigt nun die Staatsverschuldung drastisch an. Plötzlich sind die Steuer-Milliarden geradezu Kleingeld. Alle früheren Grundsätze soliden Wirtschftens, vom schon unter Rot-Grün bei geradezu idealem wirtschaftlichem Umfeld verwässerten Stabilitätspakt der EU (Maastricht-Kriterien) angefangen, sind nicht mal das Papier mehr wert, worauf sie einst geschrieben wurden.

Die Lehre aus den 30er-Jahren vom funktionierenden Keynesianismus ist wohl eher eine psychologische: Seht her, der Staat tut was, wir retten die Wirtschaft. Real ist das zumindest bisher schwer absehbar. Die Rettung des Finanzsektors ist ohnehin etwas anderes.
Doch in der Realwirtschaft sind die Streuverluste der Staatsprgramme extrem hoch.
Und am absurdesten ist ohnehin die 2.500 €-Abwrackprämie für Autos, besonders in Deutschland, wo sie schon für nur neun Jahre alte gilt (In Österreich ist sie wenigstens niedriger und gilt nur für mindestens 15 Jahre alte): Wer Volksvermögen so vorsätzlich verschleudert, nur um bekannte Überkapazitäten schon in Boomzeiten zu konservieren, beweist, dass er sich voll den Lobby-Interessen von Industrie und Gewerkschaft ohne jede Gegenwehr ausliefert. Was ganz klar der Fall ist: In Deutschland wird heuer 13 mal gewählt, zuletzt im September der Bundestag und die Kanzlerin.

Das einzige, was man unter gewissen Einschränkungen am deutschen und österreichischen Konjunkturpaket gutheißen kann, ist die Förderung der Kurzarbeit: Mit viel Steuer-Geld wird damit weniger auf Halde produziert, die Beschäftigten aber in Teilzeit-Arbeit gehalten, bis hoffentlich die Kapazitäten wieder besser ausgelastet werden. Das hat auch eine starke soziale Komponente, die sich auch volkswirtschaftlich vertreten lässt.

Für den Rest des (deutschen und der meisten anderen) Konjunkturpakete aber muss man pessimistisch sein: Nichts gewesen außer (extremen) Spesen - und Stimmen von Wählern, die sich a) die Scheinmacht der Politiker über die Wirtschaft und den Konsumenten einreden lassen oder b) die von der Politik ergriffene Gelegenheit für noch mehr Umverteilung honorieren.
Der größte einzelne Schuldenberg der Geschichte aber bleibt, den werden noch unsere Kinder abzahlen, wenn Merkel und ihre Kollegen und Konkurrenten längst schon ferne Geschichte sind.
Die Mehrheit (nicht alle) der anerkannten deutschen Wirtschaftswissenschaftler sind so pessimistisch wie ich und können auch mathematisch beweisen, dass die Kosten der Konjunkturpakete volkswirtschaftlich sich nicht rechnen: Es wäre billiger, auf die meisten (nicht alle, siehe Kurzarbeit-Förderung) Massnahmen zu verzichten und damit ebenso auf die gigantische Belastung der Staatskassen (künftige Zinsen), letztendlich der Steuerzahler-Konsumenten.

Fazit: Die großen Banken müssen um jeden Preis gerettet werden, so weh es auch tut, und trotz der von ihnen ganz maßgeblich mitverschuldeten Exzesse.
Die Konjunkturpakete aber, vor allem in Österreich und Deutschland mit ihrer fehlenden echten Entlastung der Steuerzahler, sind sehr teure Beruhigungspillen mit Placebo-Effekt, weitgehend „politische Symbolik und Handlungsillusion“ (der ehrliche CDU-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter). Eine Illusion, die vor allem wieder die Leistungsträger, die tüchtigen Bürger, bezahlen, also jene (auch politische) Minderheit von 19 Prozent, die 80 Prozent aller Steuern erbringen. Jetzt noch länger und mehr als bisher.


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Artikel vom 22.01.2009, 12:27 | KURIER | Reinhard Frauscher

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Foto vom Autor Reinhard Frauscher Reinhard Frauscher betrachtet das politische Treiben in der deutschen Hauptstadt - und er beobachtet Österreich aus dem Blickwinkel der Nachbarn.



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