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RechtsRock 2007 - Zwischen Definitionsproblemen, weißen Flecken und Besorgnis

Seit Jahren erarbeiten antifaschistische Organisationen und Fachleute quantitative Daten zum Themenbereich RechtsRock. Vor allem Zahlen über Konzerte, aktive Bands und erschienene CDs sollen die Entwicklung der Szene abbilden.

 

Mit 101 in 2007 erschienenen CDs/LPs aus dem Kernbereich des deutschen RechtsRock ist die Zahl der professionell produzierten Veröffentlichungen nach 2005 und 2006 leicht rückgängig. Dafür ist die Qualität einzelner Produktionen gestiegen. Die Cottbusser Band »Frontalkraft« präsentierte etwa im vergangenen Jahr anlässlich ihres 15-jährigen Bestehens eine Box mit drei Langspielplatten im »Stülpkarton mit Golddruck« und limitierter Auflage.

Die Auflage solcher Produktionen variiert nach wie vor. Im Rahmen des Prozesses gegen den RechtsRock-Produzenten Thorsten Heise ist beispielsweise bekannt geworden, dass die Produktion der in Deutschland strafrechtlich relevanten CD »Komm zu uns« der Band »Sturm 18«, die erstmals 2002 erschien, bei der Erst- als auch bei der Zweitauflage jeweils 3.000 Stück betragen hatte. Welche Auflagenhöhe die 101 Produktionen aus 2007 haben, ist nicht bekannt. Sie dürfte bei Newcomern bei rund 1.000 Stück gelegen haben, bei bereits bekannten Bands bei 3.000 Exemplaren oder mehr. Darüber hinaus wird die Musik auch als gebrannte Kopie oder in Form von MP3- Dateien verbreitetet.

 

Die NPD brachte 2007 regional, in Franken, München und Erfurt, neue Variante ihrer »Schulhof-CD« in Umlauf. Für die Landtagswahlkämpfe in Hessen und Niedersachsen produzierte die Partei dagegen – im Gegensatz zu Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern – keinen solchen Tonträger. Dafür setzte das Team um den Spitzenkandidaten Andreas Molau in Niedersachsen auf eine DVD, die aufgrund ihrer Aufmachung mit Redebeiträgen und Liveaufnahmen von Liedermachern allerdings kaum Jugendliche und junge Erwachsene über das NPD-Spektrum hinaus ansprechen dürfte.

 

Legal – illegal

 

Wichtigste Instanz im staatlichen Vorgehen gegen rechte Tonträger ist die »Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien« (BPJM), die auf Antrag prüft, ob Medien (Tonträger, Videos/ DVD, Websites) gegen das Jugendschutzgesetz (JuSchG) verstoßen. Bei positiver Prüfung erfolgt eine Indizierung des Mediums, das damit gemäß § 15 JuSchG bestimmten Abgabe-, Präsentations-, Verbreitungs- und Werbebeschränkungen unterliegt.

Die BPJM indizierte 2007 127 Tonträger, 92 davon aus der Kategorie Rechts. Zwei der inkriminierten Tonträger enthalten Reden und Lieder aus der NS-Zeit, die restlichen 89 sind Rechts- Rock-CDs. Allerdings handelt es sich dabei weniger um aktuelle Tonträger, als vielmehr um Veröffentlichungen aus verschiedenen Jahren. Gerade einmal zwölf der in 2007 erschienenen CDs wurden indiziert. Acht von ihnen sind Titel deutscher Gruppen, dazu kommt eine Split-CD mit drei deutschen sowie zwei Sampler mit deutschen Bands. Aus 2006 wurden im vergangenen Jahr 17 CDs indiziert, aus 2005 waren es 11 CDs. Für die Titel »Niemals« der Band »Stimme der Vergeltung«, »Politiker auf Kneipentour« von »Zensur« sowie die Sampler »Schulhof CD – 60 Minuten Musik gegen 60 Jahre Umerziehung« und »Zu Gast bei uns« als auch die CD »Gift für die Ohren« von »Burn Down« und X.x.X., alle aus 2007, besteht zudem ein Beschlagnahmebeschluss. Letzterer Tonträger ist ein gutes Beispiel für die heutige Flexibilität der Szene. Gut vier Wochen nach der Verfügung gegen die CD brachte der Hersteller »X.x.X.-Produktion« eine entschärfte und legale Version auf den Markt.

 

Zahl aktiver Bands

 

Die Anzahl aktiver Bands ist trotz des Rückgangs der Produktionszahl 2007 angestiegen. Mit Konzerten oder Veröffentlichungen waren im letzten Jahr mindestens 180 RechtsRock-Gruppen aktiv – 2006 waren es 152 und 2005 142 Bands.

 

In die Statistik RechtsRock-Veröffentlichungen und aktive RechtsRock-Bands werden vornehmlich solche Gruppen aufgenommen, die aus dem Kernbestand dieses Spektrums kommen und aus Perspektive der Szene als »ihre Bands« gekennzeichnet werden. Die Liedtexte im RechtsRock enthalten nationalistische Großmachtfantasien, rassistische Ausfälle, antisemitische Verschwörungstheorien, den Nationalsozialismus verherrlichende Passagen und/oder geschichtsrevisionistische Bestrebungen.

 

Lifestyle-Wandel

 

Zum Kernbestand der RechtsRock-Szene gehören Ergüsse extrem rechter Liedermacher sowie die Musik jener Bands, die sich in der Tradition des »Rock against Communism« der 1980er Jahre bewegen, eine politisch mit extrem rechten Texten aufgeladene Variante des Skinhead-Rock, sowie die selbst erklärten Gruppen des NSHC, des »National Socialist Hardcore«. Gerade ihr Anteil am RechtsRock hat deutlich zugenommen. Dieser Boom ist eng verbunden mit dem Aufkommen der »Autonomen Nationalisten«. Diese Strömung innerhalb des militanten Neonazismus tritt mit revolutionärem Pathos auf und entlehnt ihr Auftreten (schwarze Kleidung, Kapuzenpullis, Basecaps, Turnschuhe) sowie ihre Themen (Antiglobalisierung, Antikapitalismus, etc.) der linksradikalen autonomen Bewegung. Diese Ausrichtung trägt dazu bei, dass die extreme Rechte heute in einem sehr modernen und oftmals nicht gleich erkennbaren Outfit auftritt. Gleiches gilt auch für viele NSHC-Gruppen, die Szeneunkundige aufgrund ihrer Aufmachung beziehungsweise der ihrer Tonträger in der Regel nicht eindeutig zuordnen können. Aus diesem Spektrum wurde im vergangenen Jahr auch das erste richtige Musikvideo produziert, das nicht, wie die meisten auf dem Internetportal »Youtube« eingestellten Clips aus Fotos oder Filmmaterial des Nationalsozialismus besteht. Im Video zum Song »USA« der deutschen Band »System Infarkt« schaut ein junger Mann eingangs Fernsehen, gezeigt werden schnell wechselnde Bilder mit eindeutig antiamerikanischer Stoßrichtung. Scheinbar frustriert von dem Gesehenen irrt er zunächst durch die Stadt, vermummt sich schließlich im Stile »Autonomer Nationalisten « und sprüht, passend zu den immer wieder dazwischen geschnittenen Bildern von der Band und deren gegrölter Botschaft »Steh auf zum Widerstand«, die Parole »Kein Blut für Öl! Fuck the USA« an eine Wand. Rund 3.500 Aufrufe erzielte der am 18. November 2007 bei »Youtube« eingestellte Clip binnen von drei Monaten.

 

Definitionsprobleme

 

Verbreitet hat sich in den letzten Jahren in der RechtsRock- Szene ferner die Musik extrem rechter Black-Metal-Bands, die meisten Online-Shops der Szene verfügen heute über eine eigene Rubrik »Black Metal« (BM). Während die Zuordnung von Gruppen des »NS-Black-Metal« (NSBM) aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung leicht möglich ist, wird es bei anderen BM-Gruppen schwieriger. Die von der Szene selbst geschaffene Bezeichnung NSBM findet in der Regel Anwendung bei Bands, die eindeutige neo-nationalsozialistische Texte haben, in ihrer Symbolik und/oder im Layout ihrer Tonträger auf die Bildsprache des Nationalsozialismus zurückgreifen und/oder sich in Interviews eindeutig als Neonazis positionieren. Die Eigenzuschreibung aus der Szene und eine Fremdzuschreibung können jedoch variieren. »Totenburg« aus Gera wird in der BM-Szene beispielsweise in der Regel nicht als NSBM-Band bezeichnet, sondern aufgrund ihrer neo-heidnischen Texte als Pagan-Metal-Band. Doch ist dagegen einzuwenden, dass die Texte stringent völkisch sind, auf einem Tonträger eine Cover- Version eines Songs der neonazistischen Band »Landser« präsentiert wird, die Gruppe 2007 eine Split-Platte mit der griechischen NSBM-Band »Der Stürmer« veröffentlichte und ihr Sänger, Jens Fröhlich, ein altbekannter Neonazi aus Thüringen ist. Was bei dieser Band verdichtet hervortritt, deutet sich bei anderen Gruppen des Genres hingegen nur an, entsprechend schwierig ist eine eindeutige Einschätzung. Gerade im Bereich des Pagan Metal scheint der Übergang zwischen »normalen« und extrem rechten Bands fließend. Sie sind bei gleich scheinenden Texten oftmals nur anhand ihrer Selbstverortung, ihrer Interview-Aussagen, ihres Images und ihrer Konzerte zu bewerten.

 

HipHop im Kommen?

 

Besorgte Eltern und PädagogInnen treibt indes vielmehr die Musik deutscher HipHopper um, vor allem von Interpreten wie »Bushido« als auch anderen Rappern des Labels »Aggro Berlin «. Stetig wiederkehrend formulieren sie die Frage, inwiefern diese Musik Anklang findet in der extremen Rechten und ob es denn auch schon »Nazi-Rap« gebe.

 

In der Regel finden die durchgängig sexistischen und oft auch homophoben Texte der genannten Musiker im Kernbereich des RechtsRock keinen Widerhall, da die Interpreten einen migrantischen Hintergrund aufweisen. Doch schon vor ein paar Jahren orakelte das Rechts- Rock-Fanzine »Rock Nord«, dass Hip- Hop schneller weiß werde, als man denke. Ein Neuling im HipHop ist der Bielefelder Rapper »Bock«. Auch er setzt auf Sexismus und Homophobie und bezeichnet sich als »Headhunter«, der Schwulen das Genick bricht. Zudem lässt er rassistische und nationalistische Elemente in seine Reime einfließen. So singt er im Intro seiner CD »Walther- Steinar-Königssee« von »Kanaken« und: »Ihr betet nach Osten und wollt Deutsche sein«. Derweil scheint sich in Ostdeutschland mit Protagonisten wie der Cottbusser Band »Ostmob« eine am Gangster-Rap à la »Bushido« orientierte Szene zu entwickeln, die nicht explizit der extremen Rechten zuzuordnen ist, deren Songs jedoch anschlussfähig an die Lebenswelt der extremen Rechten sind. Nun versucht auch diese, mit eigenen Produktionen im rechten Spektrum zu fischen. Aus den Reihen der »Autonomen Nationalisten« kommt das »Projekt X«, das bei »Youtube« derzeit mit den Titeln »Ich hasse das System« und »Mach mit bei den Autonomen Nationalisten « präsent ist. Die aus musikalischer Perspektive zwar dilettantischen Stücke deuten indes an, dass sich die Szene durchaus bewusst ist, hier möglicherweise ein Potenzial erschließen zu können.

 

Eventkultur

 

RechtsRock-Konzerte sind die zentralen Events des Spektrums. Nach derzeitigem Stand hat die Zahl der Musikveranstaltungen mit extrem rechtem Hintergrund im vergangenen Jahr abgenommen. »Nur« 160 Veranstaltungen konnten bisher für 2007 gezählt werden, 36 davon waren Liederabende, der Rest Konzerte. Von diesen wurden 22 im Verlauf aufgelöst, 11 zusätzliche konnten im Vorfeld verhindert werden. Im Vergleich: 2006 waren es mindestens 230 und 2005 ca. 255 derartige Veranstaltungen. Die Zahlen sind stets mit Vorsicht zu genießen; die Events finden in der Regel im Verborgenen statt. Sie werden unter Geheimhaltung vorbereitet und erst kurz vor der Durchführung wenden sich die Organisatoren an einen, zumeist kleinen Kreis innerhalb der Szene. Die Werbung für derartige Konzerte wird zudem mit dem Verweis versehen, sie nicht in öffentliche Foren einzustellen oder unkontrolliert zu verbreiten. Entsprechend schwierig gestaltet es sich, dieses Dunkelfeld auszuleuchten. Im Vergleich zu den Vorjahren war die Informationslage 2007 eher mäßig, es ist deutlich festzustellen, dass auch im Nachhinein weniger über die Veranstaltungen berichtet wurde. Das führte vermutlich zu einer deutlichen Verzerrung der Zahlen.

 

Auf Statistiken der »Landesämter für Verfassungsschutz« ist im Übrigen nur bedingt Verlass, immer wieder zeigt sich, dass deren Zahlen zu niedrig angesetzt werden. Auch eine Auswertung polizeilicher Verlautbarungen bringt nur wenige Hinweise, denn die Behörden informieren die Öffentlichkeit zumeist nur, wenn sie einen erfolgreichen Abbruch vermelden können oder wenn bereits durch antifaschistische Akteure oder JournalistInnen Öffentlichkeit hergestellt wurde.

 

Hinzu kommt, dass der Skandal um den 2007 aufgeflogenen V-Mann Sebastian Seemann des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes zum wiederholten Male zeigt, mit welchen Methoden diese Behörden arbeiten. Seemann organisierte über Jahre Konzerte in Belgien für die in Deutschland verbotenen Organisation »Blood & Honour «, zu denen teilweise 1.000 bis 1.500 Besucher kamen. Gleichzeitig behauptete die Behörde im Verfassungschutzbericht des Landes NRW für 2006, dass »bis heute keine Aktivitäten in NRW festzustellen [seien], die den Fortbestand von Strukturen der ›Blood & Honour‹-Organisation belegen würden «.

 

Legal und parteinah

 

Festhalten lässt sich für 2007, dass die NPD als Veranstalterin eine immer wichtigere Position einnimmt. Mindestens 32 Veranstaltungen wurden direkt oder mit großer Unterstützung der NPD organisiert und konnten so nicht klandestin, sondern mehr oder weniger öffentlich vorbereitet und beworben werden. Die »NPD-Sommerfeste« in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Saarland und Bayern gehörten neben dem »Fest der Völker« in Jena mit seinen rund 1.600 Besuchern zu den Großveranstaltungen des vergangenen Jahres. Doch auch kleinere Konzerte, vor allem Liederabende, organisierte die NPD in steigendem Umfang. Damit und mittels der Gratis-CDs verschaffte sich die Partei in weiten Teilen der RechtsRock-Szene ein positives Ansehen.

 

Aus: Der Rechte Rand, Nummer 111, März/April 2008, S. 25-26.





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