Berlin

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Prozess

Oberfeldwebel soll Soldatin misshandelt haben

Bundeswehr brutal: Er schlug sie mit einem Lineal, trat sie und gab sie mit sexistischen Kommentaren der Lächerlichkeit preis. Jetzt muss sich ein Berufssoldat vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten. Er bezeichnet sein Verhalten als Neckerei.
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Der Berufssoldat saß lässig auf dem Stuhl des Angeklagten und bekam die Zähne kaum auseinander. „Ich verstehe nicht, wie man Tatsachen so verdrehen kann“, beschwerte er sich vor dem Amtsrichter. „Wir sind stets freundschaftlich miteinander umgegangen“, behauptete der 34-jährige Oberfeldwebel. Die Staatsanwaltschaft aber geht davon aus, dass er eine Soldatin und einen Soldaten entwürdigend behandelt sowie die Frau körperlich misshandelt hat.

Es geht um Geschehnisse in einer Fernmeldetruppe in Gatow. Die 22-jährige Anja K., Hauptgefreite, war erst ein paar Monate dort, eingesetzt als Geschäftszimmer-Soldatin. Nach ihrer Version fingen die üblen Sprüche Ende 2006 an. „Nehmen Sie eigentlich die Pille?“, soll Torsten W. (Namen geändert) unvermittelt gefragt haben. Ihren Angaben nach folgten sexuelle Beleidigungen wie „Tanzen Sie am Wochenende an der Stange“ oder „Ich dachte, Sie strippen jetzt mal für uns“.

Als besonders erniedrigend habe sie einen Vorfall beim Schießen empfunden, sagte die Soldatin. Als der Befehl „Antreten in Linie zu zwei Gliedern“ kam, habe der Oberfeldwebel vor versammelter Mannschaft erklärt: „Tja, da haben Sie Pech gehabt, Sie haben ja keines.“ Sie sei die einzige Frau gewesen. „Alle standen da und lachten.“ Mehrfach sei es auch zu körperlichen Angriffen gekommen. „Im Büro schlug er mir mit einem Lineal aufs Handgelenk“, erzählte Zeugin K. „Mit der flachen Hand schlug er mir auf den Hinterkopf, einmal trat er mir mit seinem Kampfstiefel gegen das Schienbein.“ Privat habe sie nie mit ihm gesprochen.

Aus Angst vor dem Oberfeldwebel will sie monatelang geschwiegen haben. „Manchmal habe ich mich auf dem Klo eingeschlossen und geweint“, schluchzte die Zeugin. Der Angeklagte reagierte kopfschüttelnd. Nur „Späße“ will er gemacht haben. „Bei uns ist es eher locker“, meinte der Oberfeldwebel. Flotte Sprüche seien auch von Anja K. gekommen. Doch er habe nichts vom „Strippen“ gesagt oder die Frau geschlagen. „Nur einmal saß ich am Schreibtisch und drehte mich um, da habe ich sie versehentlich getreten.“ Der Prozess wird am 13. März fortgesetzt. K. G.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 21.02.2009)
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Kommentare [ 5 ] Kommentar hinzufügen »

Comment
von   bln777 | 20.02.2009 18:27:40 Uhr
Widerlich!
Da wird einem ja speiübel! Hoffentlich wird der Kerl ordentlich bestraft und unehrenhaft entlassen. Die Soldatin hat Anspruch auf Schmerzensgeld und sollte gehörig entschädigt werden. Wenn man das liest, dann fragt man sich, wie unsere Bundeswehr in den Kriegsgebieten mit den Frauen umspringt, die noch weniger ernst genommen werden als hierzulande und oft keine Beschützer mehr haben. Ist die Frauenverachtung bei der Bundeswehr an der Tagesordnung? Einfach widerlich!
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von   eli_genf | 20.02.2009 19:11:35 Uhr
Die Wahrheit wird ans Licht kommen
Ich wünsche der Frau viel Kraft und dem OFw, dass er gerecht behandelt wird. (ich habe da auch so einen Verdacht, deswegen wünsche ich ihm bei aller Unschuldsvermutung auch noch eine gewisse Erleuchtung).

Ich persönlich freue mich aber über jeden, der trotzdem in der Armee ist um das Niveau dort zu heben. Insgesamt ist der Verein zu wichtig um dem Pöbel überlassen zu werden.

Schöne Grüße,
Eli (selber OLt in einem anderen Land)
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von   balkonien | 21.02.2009 05:39:44 Uhr
mißhandlung
Hierzu fällt mir ein: "sein gewissen ist rein...er hat es nie benutzt" (stanislaw jerzy leck > polnischer schriftsteller.
Unglaublicher Vorgang,ich hoffe auf strengste Richter.
Comment
von   andrae | 21.02.2009 11:23:52 Uhr
Abwarten und....
Tee trinken, bis ein Urteil gesprochen wurde. Schwarze Schafe gabs und gibts nicht nur bei der Bundeswehr in der heutigen Zeit.Nagold,Fallschirmjägerbataillon,da ging die Post ab. Anschliessend harte Bestrafung. Man sollte nicht alles überbewerten. Die Truppe ist in ihrer Gesamtheit ok.Und alle müssten dankbar sein für den schweren Job den sie verrichten, deshalb mein Gruss an die Soldatinnen u.Soldaten besonders im Auslandseinsatz aus Berlin.
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von   marie0101 | 21.02.2009 14:23:24 Uhr
Schwere Anschuldigung..
es ist erschreckend wie sich hier mancher äußert, obwohl die verhandlung noch nicht einmal abgeschlossen ist. es ist nach unserer rechtssprechung so lange von der unschuld eines beklagten auszugehen bis seine schuld bewiesen wurde. deshalb wird mir speiübel und ich finde es einfach widerlich, dass hier strenge richter und schon jetzt strafen gefordert werden. wir leben immerhin in einem rechtsstaat. ich bin selbst bei der bundeswehr und kann mir nicht vorstellen, dass solche vorfälle nicht schon vorher ans licht kommen, zumal ja wohl auch andere dabei waren. falls diese das duldeten müssen sie auch zur rechenschaft gezogen werden. schade dass in dem artikel (welcher hier noch relativ sachlich betrachtet wird) nicht darauf eingegangen wird was zeugen dazu gesagt haben. ich bin auf die fortsetzung gespannt und hoffe dass darüber dann auch berichtet wird und wünsche beiden einen fairen richter...


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