Der Ritterliche Orden St. Johannis vom Spital zu Jerusalem ist der älteste
geistliche Ritterorden. Die Anfänge liegen im Dunkel. Nach den Quellen gründeten
Kaufleute aus Amalfi zwischen 1048 und 1071 in Jerusalem ein Hospital für arme
und kranke Pilger, das eine Laienbruderschaft leitete. Die Eroberung Jerusalems
durch die Kreuzfahrer (1099) war für das Hospital zunächst ohne Einfluss. 1113
konnte es von Papst Paschalis II. ein Schutzprivileg erlangen, das bereits
sieben Filialhospitäler in Bari, Otranto, Tarent, Messina, Pisa, Asti und Saint
Gilles (Südfrankreich) erwähnt.
Unter Raimund von Puy (1120-1160), der dem ersten bekannten Meister Gerhard
nachfolgte, vollzog sich der Wandel von der Spitalbruderschaft zum geistlichen
Ritterorden. Über die diakonischen Tätigkeiten hinaus übernahm er militärische
Aufgaben.
1206 wurden als nationale Zusammenschlüsse sogenannte Zungen gebildet.
Innerhalb dieser Zungen bestanden (Groß-) Priorate, die wiederum in Balleyen und
Kommenden unterteilt waren. Eine Balley fasste mehrere Kommenden eines (Groß-)
Priorats zusammen. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts blieb diese
Organisationsstruktur im wesentlichen unverändert. Der Johanniterorden lässt
sich als erste übernationale Gemeinschaft Europas bezeichnen.
Nach dem Fall Akkós (1291) und dem damit verbundenen endgültigen Verlust des
Heiligen Landes für die Kreuzfahrer war vorübergehend Limassol auf Zypern,
sodann Rhodos (1306 - 1522) Hauptsitz des Johanniterordens. Infolge der
Aufhebung des Templerordens (1312) erwarb der Johanniterorden in Europa
zusätzlichen Besitz. Der Johanniterorden konnte seine Herrschaft von Rhodos aus
auf andere Inseln des Dodekanes und bis auf das kleinasiatische Festland
ausdehnen. Obwohl der Johanniterorden mehrere osmanische Angriffe erfolgreich
abwehren konnte, ging Rhodos 1522/23 verloren. 1530 wurde der Johanniterorden
von Kaiser Karl V. mit Malta belehnt. Die Reformation führte zum Verlust von
Besitzungen vorwiegend in England und Skandinavien. Gleichwohl verblieben die
protestantischen Ritter der Balley Brandenburg weiterhin im Johanniterorden.
Die seit 1351 nachgewiesene Balley Brandenburg, aus der sich der heutige
evangelische Johanniterorden entwickelte, nahm schon im Mittelalter eine
Sonderstellung innerhalb des deutschen Großpriorats und des Gesamtordens ein.
Dadurch überdauerte sie die Reformation und blieb bis zum 19. Jahrhundert, auch
wenn nur lose eingebunden, im Gesamtverband des Ordens. Die Befürchtungen der
norddeutschen Ritterbrüder, die sich aus der Veräußerung einiger Ordensgüter
durch das deutsche Großpriorat in Pommern und Pommerellen ergeben hatten,
führten 1382 zum Vergleich von Heimbach mit dem deutschen Großprior. In diesem
Vertrag, den das Generalkapitel des Johanniterordens bestätigte, errang die
Balley Brandenburg weitgehende Autonomie. So durften die Ritter der Balley ihr
Oberhaupt, den Herrenmeister, frei wählen. Dieser Selbständigkeit im Orden stand
eine enge Verbindung mit den Kurfürsten von Brandenburg gegenüber.
1810/11 säkularisierte der preußische Staat alle geistlichen Güter, auch die
des Johanniterordens, der als Rechtspersönlichkeit fortbestand. Sie war fortan
nur noch ein vermögensloser Personenverband. Von 1811 bis 1852 gab es in Preußen
als Verdienstorden den Königlichen St. Johanniter-Orden. 1852 stellte König
Friedrich Wilhelm IV. den Johanniterorden als selbständigen geistlichen
Ritterorden wieder her. Dieser nunmehr rein evangelische Johanniterorden
(amtlich "Balley Brandenburg des Ritterlichen Ordens vom Spital zu Jerusalem,
genannt "Der Johanniterorden") widmet sich diakonischen Aufgaben und tritt für
den christlichen Glauben ein. Dem Johanniterorden (heutiger Sitz Berlin) gehören
weltweit in 18 deutschen und fünf ausländischen Genossenschaften bzw. Kommenden
3.300 Ritter an.
An der Spitze des Johanniterordens steht der Herrenmeister. Seit 1693 wurden
ununterbrochen Hohenzollernprinzen zu Herrenmeistern gewählt. Die
Ordensregierung führt unter Leitung des Ordenskanzlers die Geschäfte des
Johanniterordens. Oberstes Organ des Johanniterordens ist das OrdenskapiteI.
Ihm gehören u.a. der Herrenmeister, der Ordensstatthalter, die Kommendatoren
(Leiter der Genossenschaften bzw. Kommenden) und die Mitglieder der
Ordensregierung an.
Der Johanniterorden trägt Alteneinrichtungen und Krankenhäuser. Als
Ordenswerke bestehen die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. (1,2 Mio aktive und
fördernde Mitglieder), die Johanniter-Schwesternschaft e.V. und die
Johanniter-Hilfsgemeinschaften. Die diakonischen Tätigkeiten des
Johanniterordens haben unter dem von1958 bis 1999 amtierenden 36. Herrenmeister,
S.K.H. Wilhelm-Karl Prinz v. Preußen, einen bedeutenden Aufschwung genommen.
Seit 1999 ist sein Sohn S.K.H. Oskar Prinz von Preußen sein Nachfolger.
Der Johanniterorden arbeitet nicht nur mit dem Malteserorden, sondern auch
mit den drei protestantischen Orden des Hl. Johannes in Großbritannien (Order of
St. John; Neugründung des 19. Jahrhunderts mit dem jeweiligen britischen
Monarchen als Oberhaupt), den Niederlanden (Johanniter Orde in Nederland; seit
1946 selbständig) und Schweden (Johanniterorden i Sverige; seit 1946
selbständig) eng zusammen.