14.04.2010, 14:00
Aktienmarkt: Chinas Kurstafeln zeigen Leuchtkraft
Vor zehn Jahren noch belächelt, hat Schanghais Börse die Konkurrenz abgehängt. Heute sammelt sie mehr Geld ein als New York. Doch fühlt der Westen sich nicht bedroht, denn Chinas Börsen sind Ausländern verschlossen.
von Claudia Wanner
Seit Ende Januar lebt und arbeitet Michael Geoghegan nicht mehr in London, sondern in Hongkong. Der Umzug des Vorstandschefs von
HSBC offenbart, wie wichtig das Asiengeschäft mittlerweile für die Großbank ist. Keine vier Wochen später verkündete das Kreditinstitut, dass es einer der ersten an der Börse Schanghai gelisteten Auslandswerte werden will. Auch das ist ein klares Signal an die asiatische Klientel. "Wir sind bereit", sagt Banksprecher Gareth Hewett. Was noch fehlt, ist die Zustimmung der Behörden.
Ein Investor in Wuhan betrachtet Kurse in Hongkong
Vor zehn Jahren war das noch unvorstellbar. Damals hatten die Börsen der Volksrepublik China in Schanghai und Shenzhen gerade ihren neunten Geburtstag gefeiert. Sie kämpften mit den Folgen der Asienkrise und galten eher als Kuriosum. Lediglich Hongkong war damals als Finanzplatz etabliert.
Heute lassen sie die internationale Konkurrenz weit hinter sich: Mit insgesamt 59,7 Mrd. $ lag das Volumen der Neuplatzierungen in Hongkong, Schanghai und Shenzhen um 150 % über dem Vorjahr. Damit haben sie nicht nur sich selbst, sondern auch die USA übertroffen: Dort sammelten 61 IPOs rund 27 Mrd. $ ein. Hongkong war mit einem Platzierungsvolumen von 27 Mrd. $ der führende Handelsplatz der Welt, auf Platz zwei folgte mit 21,6 Mrd. $ Schanghai - trotz des von der Zentralregierung wegen der Krise erlassenen Moratoriums für Börsengänge.
Kursinformationen und Charts
Hauptgrund für den Optimismus: China will ein neues internationales Segment einführen. Neben Geoghegans HSBC lockt das unter anderem die in Hongkong beheimatete Bank of East Asia an sowie zahlreiche sogenannte Red Chips - so heißen Aktien von Unternehmen, die einen Großteil ihres Geschäfts in der Volksrepublik machen, dort aber keine Börsennotierung haben, da ihr Firmensitz außer Landes liegt.
Lenovo und
China Mobile , beide in Hongkong notiert, gehören zu den Bekanntesten.
Ist die Zeit der Finanzplätze in Europa und Nordamerika abgelaufen? "Angesichts der zahlreichen Restriktionen in China sehe ich bisher noch keine Bedrohung für die westlichen Märkte", sagt Charles-Edouard Bouée, Asienexperte bei der Unternehmensberatung Roland Berger. Klar ist nur, dass China viel vor hat. Im vergangenen Jahr beschloss Peking, dass Schanghai bis 2020 zu einem internationalen Finanzplatz ausgebaut werden soll.
Doch möglicherweise steht sich das Land dabei selbst im Weg: Chinas Börsen sind, genau wie die Währung, nach wie vor streng reguliert. Ausländern ist der Zugang zu chinesischen Aktien in der Volksrepublik grundsätzlich verwehrt. Nur eine Handvoll institutioneller Investoren darf in beschränktem Umfang an der Börse investieren. Der Rest kann nur über die Hongkonger Börse mitmischen. Dort gibt es neben den Red Chips zahlreiche sogenannte H-Aktien - das sind Papiere, die in Schanghai und Hongkong angeboten werden.
Umgekehrt können Chinesen keine Auslandsaktien kaufen - auch nicht in Hongkong. Dabei wäre das für viele attraktiv. Denn H-Aktien kosten in Hongkong zum Teil nur halb so viel wie in Schanghai. Wann es so weit ist, dass In- und Ausländer gleiche Bedingungen erwarten, lässt sich laut Bouée schwer vorhersagen. "Zurzeit besteht keine Not für den chinesischen Aktienmarkt, sich dem Rest der Welt weiter zu öffnen, da innerhalb des Landes ausreichend Liquidität vorhanden ist", sagt er. Doch irgendwann müsse sich China dieser Aufgabe stellen.
Teil 2: Hongkongs Sonderstatus
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14.04.2010
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