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Zurück zum Kerngeschäft: Pirelli beendet Finanzabenteuer
Pirelli konzentriert sich wieder voll auf das Reifengeschäft. Doch die Rückkehr in die Formel 1 hat Tücken: Die Entwicklungszeit ist eng, mehr Geld darf nicht fließen - und die Fahrer bekommen einen Maulkorb.In diesem Büro wird gearbeitet, nicht repräsentiert. Der Kunststoffboden hat Noppen wie ein Lego-Spiel. Die Automodelle im Regal sind verstaubt, die Fensterscheiben schmutzig.
Hier steht der Schreibtisch von Francesco Gori, der beim italienischen Hersteller Pirelli die Reifensparte lenkt. Und der viele Dinge nüchterner sieht als andere in dem Mailänder Konzern. Die Rückkehr als Reifenlieferant in die Formel 1 etwa, die von der Mitarbeiterzeitung als "neues Abenteuer" gefeiert wird. "Ich bin da kühl", sagt Gori. Enthusiasmus überlässt er anderen.
Pirelli steht vor einem großen Umbruch. Kürzlich beschlossen die Aktionäre die Abspaltung der Immobiliensparte Pirelli RE - und beendeten damit das letzte Finanzabenteuer des Konzerns. Im November will Pirelli erklären, wie das Stammgeschäft mit Reifen wachsen soll. Die Formel 1 soll dabei eine wichtige Rolle spielen: als Eintrittskarte in Märkte Lateinamerikas, des Nahen Ostens und Asiens.
Die Reifensparte ist wieder im Zentrum der Unternehmenspolitik. Dabei genügte Pirelli-Präsident Marco Tronchetti Provera genau das in der Vergangenheit nicht: Der Manager hat Pirelli zeitweise zu einer Holding ausgebaut, die sogar den Telefonriesen Telecom Italia beherrschte. Für den Sportfan Tronchetti schien die Formel 1 nur eine Spielwiese zu sein. Und Gori muss die Alltagsarbeit machen.
Der Hersteller gehört mit Bridgestone , Michelin , Goodyear und Continental zu den fünf Großen der Branche. Dieses Jahr hat der Markt zu starkem Wachstum zurückgefunden. Nachdem Umsatz und Gewinn im zweiten Quartal stark gestiegen sind, erhöhte Pirelli vergangene Woche die Jahresprognose: Das Unternehmen will bis zu 15 Prozent mehr erlösen und operativ mindestens 360 Mio. Euro verdienen.
Die Rückkehr in die Formel 1 soll weiteren Schwung bringen. Schon heute erzielt Pirelli knapp die Hälfte des Umsatzes in Schwellenländern. "In Europa ist die Formel 1 nett. In den Schwellenländern ist sie unerlässlich", sagt Gori, der vor allem an Russland und China denkt. Indien vernachlässigt Pirelli derzeit. Brasilien zählt dagegen schon zu den traditionellen Kernmärkten.
Das Formel-1-Projekt wirbelt viel durcheinander. Erst seit Ende Juni steht fest, dass Pirelli 2011 den Rivalen Bridgestone, der sich aus Kostengründen zurückzieht, als exklusiven Lieferanten aller Teams ablösen wird. Doch schon diesen November müssen erste Testreifen ausgeliefert werden. "Die Zeit ist das größte Problem", sagt Maurizio Boiocchi, Chefentwickler von Pirelli. Wie viele seiner Mitarbeiter hat er den Sommerurlaub verkürzt, um die Arbeit voranzubringen.
Gori ist überzeugt, dass er weniger für die Rennserie aufwenden wird als Bridgestone. "Was unsere Meinung zur Formel 1 geändert hat, war die Kostenfrage", sagt Gori. "Zum ersten Mal werden sich ab 2011 die Rennteams an den Kosten für Reifen und Logistik beteiligen." Formel-1-Chef Bernie Ecclestone beziffert den Beitrag auf 1,35 Mio. Euro pro Team. Gori betont, dass sich Pirellis Werbeausgaben auf keinen Fall erhöhen: Was in die Formel 1 fließt, wird woanders eingespart.
Experten bewerten das Projekt positiv. Denn die Formel 1 hat hohes Werbepotenzial: 2009 verfolgten 1,5 Milliarden Zuschauer die Rennen im Fernsehen. Ein früherer Reifenmanager erklärt, Bridgestone sei erst mit der Formel 1 zu globaler Bekanntheit gekommen. Und Christoph Stürmer vom Analysedienst Global Insight sieht darin auch ein gutes Mittel zur Motivation der Pirelli-Mitarbeiter.
Frei von Risiken ist der Rennsport nicht - auch nicht für Pirelli. Die Fachpresse orakelt, wie gut die Reifen sein werden und welche Fahrer profitieren. Pirelli kann schnell zum Sündenbock werden, wenn es für einen Piloten nicht gut läuft. "Wir sind uns dessen bewusst", sagt Gori. Mit den Teams sei vereinbart, dass Fahrer nicht schlecht über die Reifen reden. Gori bezweifelt, dass sich die Piloten daran halten.
Aber eines könne man sicher sagen, meint er: Als exklusiver Ausrüster fahre Pirelli nicht nur als Letzter, sondern auch als Erster über die Ziellinie. Bei jedem Rennen.
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02.08.2010
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