Harsche Kritik für Kanzlerin: Habermas nennt Merkel "kühl kalkulierend"
Deutschlands wohl einflussreichster Geisteswissenschaftler findet harte Worte für die Politik von Bundeskanzlerin Merkel. Sie sei eine Euro-Skeptikerin und nur auf den nächsten Wahlerfolg bedacht. Der 81-Jährige sieht den europäischen Einigungsprozess in Gefahr.Der Soziologe Jürgen Habermas sieht den Machterhalt als einziges wesentliches Ziel der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Man kann nicht mehr erkennen, worum es geht; ob es überhaupt noch um mehr geht als um den nächsten Wahlerfolg", schrieb der 81-Jährige, der als einer der einflussreichsten Geisteswissenschaftler gilt, in der "Süddeutschen Zeitung".
Besonders deutlich habe sich dies in Merkels Unterstützung für Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gezeigt. Obwohl der Verteidigungsminister als Plagiator überführt gewesen sei, habe sie ihn aufgrund seiner Beliebtheit noch im Amt halten wollen: "Kühl kalkulierend hat sie für ein paar Silberlinge, die sie an den Wahlurnen dann doch nicht hat einstreichen können, das rechtsstaatliche Amtsverständnis kassiert." Habermas spricht davon, dass sie damit "die politische Kultur des Landes berlusconisierte".
Habermas, der sich in seinen Werken seit jeher für einen "streitbaren Bürger" stark macht, beschränkt sich in seiner Kritik jedoch nicht auf Merkel, sondern wirft der deutschen Politik insgesamt vor, dass sie ihr Handeln ganz von Stimmungen, Umfragen und Wahlterminen abhängig mache. Die Politiker folgten "schamlos dem opportunistischen Drehbuch einer demoskopiegeleiteten Machtpragmatik". Die Bürger spürten das, was eine neue Protestbereitschaft wie bei Stuttgart 21 zur Folge habe.
Unter der Verzagtheit und Perspektivlosigkeit der politischen Eliten leide unter anderem das europäische Einigungsprojekt. Geboten wäre nach Habermas' Einschätzung eine Stärkung des europäischen Parlaments in Straßburg. Doch die Politiker schreckten vor solch grundsätzlichen Veränderungen zurück und blieben stattdessen lieber im Ungefähren. "Der europäische Einigungsprozess, der immer schon über die Köpfe der Bevölkerung hinweg betrieben worden ist, steckt heute in der Sackgasse", meint er und beklagt einen "erbärmlichen Zustand" der EU.
Dazu komme, dass Deutschland unter Merkel so klar wie noch nie einen Führungsanspruch in Europa erhebe und nationale Interessen verfolge. "Der Vorrang nationaler Rücksichten ist nie zuvor so blank in Erscheinung getreten wie im robusten Widerstand einer Kanzlerin, die die europäische Hilfe für Griechenland und den Rettungsschirm für den Euro wochenlang blockierte." Habermas spricht in diesem Zusammenhang über "Europaskeptiker wie Angela Merkel".
- © 2011 Financial Times Deutschland
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