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Merken   Drucken   06.01.2012, 18:53 Schriftgröße: AAA

Kolumne: Thomas Fricke - Bitte nur noch erfreuliche Prognosen!

Zum Jahresstart gibt es eine Flut besinnlicher Aufrufe, mit schlimmen Vorhersagen endlich mal aufzuhören. Das Problem: Schönreden hilft auch nicht weiter. Ein Ausblick.
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Zum Jahresstart gibt es eine Flut besinnlicher Aufrufe, mit schlimmen Vorhersagen endlich mal aufzuhören. Das Problem: Schönreden hilft auch nicht weiter. Ein Ausblick. von Thomas Fricke 
Es mag am nachwirkenden Fest der Liebe liegen oder an den guten Vorsätzen, die man zu Jahresbeginn halt so aufstellt. Die Stimmungslage in den ersten Tagen 2012 scheint jedenfalls klar: Nach so vielen Krisen, Gipfeln und Abstürzen ist die Lust auf schlechte Nachrichten weg. Da gibt es in seriösen Zeitungen Appelle "wider den Pessimismus". Und Bundesbankchef Jens Weidmann ätzt gegen den "populären Wettlauf", sich "in Schwarzmalerei zu überbieten".
Das klingt menschlich nachvollziehbar. Wer ist schon für einen Wettlauf im Schwarzmalen? Farblos. Und wer hat schon noch Lust auf diese Krise? Fragt sich nur, ob die Krise darauf Rücksicht nimmt; ob es tatsächlich Grund zur Zuversicht gibt. Oder ob hinter der verordneten Zuversicht nicht auch ein bisschen Schönreden steckt, vielleicht sogar ein Stück politisch motivierter Zweckoptimismus.
Weggelächelte Abstürze
Klar wäre es nicht gut, eine gute Lage schlechtzureden, bis sie schlecht wird. Allerdings spricht die Erfahrung eher dagegen, dass sich Prognosen wirklich von selbst erfüllen und Konjunkturzyklen derart stark Stimmungen folgen. Dagegen spricht, dass Rezessionen im Gegenteil fast immer beginnen, wenn Unternehmensvertreter noch auf ewiges Wachstum schwören und die Arbeitslosigkeit sinkt. Umgekehrtes gilt im beginnenden Aufschwung.
Bundesbankchef Jens Weidmann ätzt gegen Schwarzmalerei   Bundesbankchef Jens Weidmann ätzt gegen Schwarzmalerei
Nach fast fünf Jahren Finanz- und Schuldenkrise wirkt die Befürchtung ohnehin eher wie Realsatire, dass schlimme Prognosen die Krise machen. Die Krise ist ja eine Aneinanderreihung von Abstürzen, die kaum ein Ökonom so vorhersah - vom Lehman-Crash übers Griechenland-Debakel bis zum Marktabsturz Italiens, den Experten bis zum Tag seines Eintretens weglächelten. Da ist es ja nicht unbedingt schlecht, wenn der eine oder andere versucht, daraus zu lernen und wenigstens die nächste böse Überraschung vorweg zu erkennen.
Solche Prognosen sind ja auch kein Selbstzweck. Hätte der Bundesbankchef im Frühjahr 2011 den Skeptikern geglaubt, die vor neuen Turbulenzen warnten, hätte er im Herbst keine Zinserhöhung zurücknehmen müssen, die er auf Basis falscher Prognosen damals mitentschied. Hätte Angela Merkel auf die gehört, die vor einer Privatgläubigerbeteiligung in Zeiten tiefer Finanzmarktpanik warnten, hätte sie im Dezember nicht peinlich korrigieren müssen, was sie im Juli noch sturköpfig diktierte. Dann hätte sich die Krise Ende 2011 nach mittlerweile gängiger Erkenntnis nicht so zugespitzt, es keine so verquer-gehebelten Rettungsschirme und keine strukturell so zweifelhafte Geldflut für Banken geben müssen. Da hätten die Kanzlerin und ihr Bundesbankchef mal auf die Horrorwarner hören sollen; dann wäre der Horror auch ausgeblieben.
Nüchtern betrachtet gibt es zum Start 2012 durchaus ein paar Hoffnungswerte. Ein Konjunkturschock wie nach der Lehman-Pleite blieb bisher aus, ebenso die voreilig prophezeite US-Doppelrezession. Und die Notenbanken haben via Geldflut die Panikspirale der Investoren zumindest vorübergehend gestoppt. Richtig ist auch, dass die deutsche Wirtschaft an sich in einer konjunkturellen Lage ist, in der es weder Überhitzungen noch sonst große Fehlentwicklungen gibt, die ein Ende des Aufschwungs jetzt schon nahelegten. Da bräuchte es einen Schock von außen. Die Frage ist nur, ob all das reicht, um Warnungen vor bösen Überraschungen als plumpe Schwarzmalerei abzutun.
Den Hoffnungswerten steht gegenüber, dass der Stress unter den Banken enorm ist, selbst in Deutschland die Geschäfte de facto nicht mehr so gut laufen und die Wirtschaft im Winter schrumpfen dürfte. Und dass es eine Menge Faktoren gibt, die abrupt dazu führen können, dass die Märkte wieder in Panik geraten.

Teil 2: Eher ein Himmelfahrtskommando

  • Aus der FTD vom 07.01.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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Kommentare
  • 07.01.2012 03:59:14 Uhr   Tetraodon: Psychologie

    endloses Wachstum durch konntinuierliche und konsequente Reinvestition von Ersparnissen und Gewinnen “uebersieht”, heilt man nicht durch Psychologie. Man muss die Ursachen der Probleme verstehen und dann beheben. Wenn man die Zeit, die durch geldpolitische Massnahmen erkauft wurde, ungenutzt verstreichen laesst, wird der grosse Knall irgendwann unausweichlich. Siehe auch: http://goo.gl/9O5om

  • 06.01.2012 15:14:00 Uhr   Potzblitz: Was lese ich gerade in der FTD
  • 06.01.2012 14:51:20 Uhr   Potzblitz: Alles kein Zufall
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