FTD.de » Unternehmen » Versicherungen » Zeitgeist ist kein Erfolgsgarant

Merken   Drucken   24.02.2012, 00:00 Schriftgröße: AAA

Versicherungskolumne: Zeitgeist ist kein Erfolgsgarant

Kommentar Seit Monaten überschlagen sich Politik und Verbraucherschützer mit Vorschlägen, im Finanz- und Versicherungsbereich die "unabhängige" Honorarberatung voranzubringen. Dabei haben wir im Versicherungsbereich ein bewährtes Modell der unabhängigen Beratung - den Versicherungsmakler. von Peter Wesselhoeft 
Peter Wesselhoeft ist geschäftsführender Gesellschafter des Versicherungsmaklers Gossler, Gobert & Wolters und Präsident des Verbands Deutscher Versicherungsmakler
Im Sommer 2011 veröffentlichte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner ein Eckpunktepapier zur Schaffung des Berufsbildes des Honorarberaters. Dieser solle nicht von Produktgebern abhängig sein, seiner Beratung einen ausreichenden Marktüberblick zugrunde legen, die empfohlenen Produkte auch vermitteln dürfen und könne nur vom Kunden vergütet werden. In die gleiche Richtung geht ein Antrag der SPD-Fraktion vom 14. Dezember 2011 unter dem Titel: "Verbraucherschutz stärken - Honorarberatung etablieren".
Verbraucherschutz stärken? Hat der Verbraucher heute keinen Zugang zu unabhängiger Beratung? Kommt es bei der unabhängigen Beratung darauf an, wie honoriert wird oder ist nicht entscheidender, ob der Berater im Lager des Kunden steht? Ist der Rechtsanwalt, der von der Gegenseite im Verfahren bezahlt werden muss, danach nicht mehr unabhängig? Rechtsprechung und Gesetz haben dem Versicherungsmakler genau die Rolle als von Versicherern unabhängiger Interessenvertreter seines Kunden seit Jahren zugewiesen. Und er erfüllt diese Aufgabe zuverlässig, wie jede Auswertung der Beschwerden beim Ombudsmann für das Versicherungswesen schnell ergibt. Da er aber seine Vergütung als Courtage von dem Versicherer bezieht, bei dem er die Deckungen platziert, wird dem Versicherungsmakler unterstellt, ihm sei es unmöglich, unabhängig zu sein. Den so entstehenden vermeintlichen Interessenkonflikt könne er nicht managen.
Ist der Politik verborgen geblieben, dass Versicherungsmakler bereits heute auf Honorarbasis arbeiten, wenn ihre Kunden dieses wünschen? Im größeren Industriegeschäft ist die Alternative Honorar nicht unüblich. Lediglich gegenüber dem Privatkunden ist Maklern die reine Honorarberatung bisher gesetzlich untersagt. Mit welcher Begründung eigentlich? Um die rund 200 registrierten auf Honorarbasis arbeitenden Versicherungsberater in Deutschland zu schützen? Ja, diesen Berufsstand gibt es bereits seit Jahren, nur dass er heute nur beraten, nicht auch vermitteln darf. Die geringe Zahl der Versicherungsberater zeigt aber, dass sich ihr Berufsmodel im freien Wettbewerb bisher nur begrenzt behaupten konnte. Das schwant auch der Politik, die bereits beabsichtigt, die Akzeptanz des neuen Honorarberaters mit werblichen Mitteln "beim Verbraucher" zu fördern - finanziert aus Staatsmitteln, ein ordnungspolitisch fragwürdiges Vorhaben.
Nach den Vorstellungen der Politik könnte der Eindruck entstehen: Den Versicherungsmakler brauchen wir nicht mehr, er kann sich entscheiden, ob er künftig Honorarberater werden oder in das Lager der Versicherungsagenten wechseln will. Kann das gewollt sein? Die Fälle von Falschberatung, wesentlicher Anlass für die Bemühungen der Politik, wurden weit überwiegend von besonderen Vertrieben und Banken ausgelöst und sind mit dem Thema Abschlussprovisionen verquickt. Wer trotzdem Handlungsbedarf zum Managen von vermeintlichen Interessenkonflikten sieht, sollte alle Vermittlergruppen zur Transparenz über ihre Vergütung verpflichten, es dem Versicherungsmakler ermöglichen, auch Verbraucher auf Honorarbasis zu beraten und es ansonsten den Parteien überlassen, auf welcher Vergütungsbasis - Courtage oder Honorar - die Dienstleistung eines Maklers oder Beraters eingekauft wird. Der VDVM als Spitzenverband der deutschen Versicherungsmakler vertritt die entsprechenden Positionen bereits seit Jahren. Die Devise sollte lauten: Weiterentwicklung eines bewährten Berufsbildes statt bruchhafte Veränderungen, ohne dass Klarheit über die damit verbundenen Auswirkungen besteht.
Gerade Versicherungen, die der langfristigen persönlichen Absicherung dienen, erfordern eine detaillierte Beratung nicht nur zum Zeitpunkt ihres Abschlusses. In Zeiten, in denen persönliche Lebens- und Erwerbsbiographien immer öfter Brüche aufweisen, steigt der Beratungsbedarf während der Laufzeit der Verträge. Wenn dann zusätzliche Beratungshonorare aufzuwenden sind, wenn zum Beispiel durch Arbeitslosigkeit Geldprobleme auftreten, steht zu befürchten, dass viele Betroffene auf Beratung verzichten und bei ganzheitlicher Betrachtung dadurch ein großer Schaden eintritt. Die Vergütung des Maklers über Courtage hat daher eine sinnvolle Ausgleichsfunktion und deckt auch die Bemühungen auf der Strecke, insbesondere auch die Schadensassistenz ab.
In Finnland wurde den Versicherungsmaklern die ausschließliche Tätigkeit auf Honorarbasis aufoktroyiert, was dazu führte, dass ihr Marktanteil in kürzester Zeit um 40 Prozent fiel. Nicht mehr und bessere, unabhängigere Beratung wurde erreicht, sondern deutlich weniger. Macht die Politik so weiter, besteht die Gefahr, genau die Klientel zu schädigen, die sie mit ihren Vorstößen schützen will.
  • FTD.de, 24.02.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
Jetzt bewerten
Bookmarken   Drucken   Senden   Leserbrief schreiben   Fehler melden  
Kommentare
  • 24.02.2012 16:47:03 Uhr   Andreas Wöhrle: Kommentar Expertenschreck

    Ich stelle leider immer wieder fest, dass die meisten abweisenden Kommentare aus den Ecken kommen, wo sich noch niemand wirklich in der Tiefe mit der Materie beschäftigt hat.
    Lieber Herr Expertenschreck, ich teste es nicht seit 2 Jahren, ob das Volk bereit ist für offene und transparente Beratung eine ordentliche Vergütung zu erbringen, ich mache es aus Überzeugung seit 2 Jahren nicht mehr anders. Bei einer fairen Beziehung zum Gegenüber ist es in erster Linie die Transparenz, die überzeugt. Die finanziellen Vorteile sind natürlich ein weiterer gewichtiger Grund. Als Honorarfinanzberater bin ich in der Lage, meine Kunden auch ohne das höchstverprovisionierteste Produkt wirklich zufriedenstellen zu können. Ihre gewünschte Offenlegung der Kosten ist tatsächlich der eigentlich wunde Punkt, aber dann bitte ALLE Kosten, nicht nur die Provisionen selbst. Auch die externen Anlagekosten sind nämlich vorhanden und mindern die Rendite der Kunden. Allerdings kennt diese kaum ein Berater und deshalb fehlen dem Kunden auch elementare Informationen, um eine wirklich qualifizierte Entscheidung treffen zu können.
    Aber was solls, ich genieße den Status, dass meine Mandanten mich ordentlich honorieren und darüber hinaus trotzdem noch mehr haben, als vorher und auch noch wissen, warum das so ist. Und dazu brauche ich auch keine Bundestagsdebatten, ob, wie, was und wann mit der Honorarberatung geschehen soll. Der Kunde entscheidet letztendlich selbst.

  • 24.02.2012 12:00:46 Uhr   Expertenschreck: Realitätsschwund
  • 24.02.2012 07:44:01 Uhr   Dirk Fenselau: Kernproblem: kein Verkauf, kein Verdienst
Kommentar schreiben Pflichtfelder*




FTD-Versicherungsmonitor
FTD-Versicherungsmonitor

Der FTD-Versicherungsmonitor hat alle wichtigen Namen und Nachrichten auf dem Radar und bündelt die wichtigsten Informationen aus verschiedenen Quellen. So erhalten Sie einen exzellenten Überblick über die Assekuranz, analytisch kommentiert von FTD-Versicherungskorrespondent Herbert Fromme.

Jetzt kostenlos abonnieren
Tweets von FTD.de Unternehmens-News

Weitere Tweets von FTD.de

  14.02. Pleiten, Pech und Pannen Kennen Sie Skandalbanken und Bankenskandale?

Finanzinstitute legen Wert auf Seriösität - werden aber immer wieder von Skandalen umrankt. Manche Bank legte eine spektakuläre Pleite hin. Kennen Sie sich aus in der schrägen Welt der Hochfinanz?

Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper sorgte 1994 für das Unwort des Jahres, als er die Schulden an Kleinunternehmen, die der Pleitier Jürgen Schneider angehäuft hatte, verbal abtat. Mit welchem Naturprodukt verglich er sie?

Pleiten, Pech und Pannen: Kennen Sie Skandalbanken und Bankenskandale?

Alle Tests

Tools für Unternehmer
 
Gründung Finanzierung Steuern Firmenwert Vorlagen
Verträge und Vorlagen Sie benötigen Dokumente und nützliche Arbeitshilfen für Ihren Geschäftsalltag? Wählen Sie aus fast 5.000 rechtssicheren und aktuellen Verträgen, Vorlagen, Checklisten, Rechentabellen oder Ratgebern. mehr

Newsletter:   Eilmeldungen Unternehmen

Autobauer unterschreibt milliardenschwere Übernahme? Mit uns wissen Sie es, bevor die Tinte trocken ist.

Beispiel   |   Datenschutz
  • Ausstand auf dem Flugfeld: Der Streik der Maßlosen

    Natürlich setzen die Vorfeldbeschäftigten alles daran, die Auswirkung ihres Streiks zu maximieren. Dabei darf aber nicht jedes Mittel recht sein. Dazu gehört eine Ausweitung auf die Fluglotsen. mehr

  •  
  • blättern
  Bilderserie Weltraumtourismus Wettlauf ins All

Bilderserie

  16:32 Wirtschaft Streik am Frankfurter Flughafen zu Ende
Wirtschaft: Streik am Frankfurter Flughafen zu Ende (00:01:14)

Gericht erklärt Ausstand der Vorfeld-Mitarbeiter am Frankfurter Airport wegen Verletzung der Friedenspflicht für illegal mehr

FTD-Blogs
Weitere FTD-Blogs

alle FTD-Blogs

 



markets
  DAX 6856,08  [-31.55 -0,46%
  Dow Jones 12952,07  [-53.05 -0,41%
  Nasdaq Composite 2966,89  [-19.87 -0,67%
  Euro Stoxx 50 2512,11  [-7.61 -0,30%
VERSICHERUNGEN

mehr Versicherungen

INDUSTRIE

mehr Industrie

FINANZDIENSTLEISTER

mehr Finanzdienstleister

HANDEL+DIENSTLEISTER

mehr Handel+Dienstleister

 
© 1999 - 2012 Financial Times Deutschland
Aktuelle Nachrichten über Wirtschaft, Politik, Finanzen und Börsen

Börsen- und Finanzmarktdaten:
Bereitstellung der Kurs- und Marktinformationen erfolgt durch die Interactive Data Managed Solutions AG. Es wird keine Haftung für die Richtigkeit der Angaben übernommen!

Über FTD.de | Impressum | Datenschutz | Disclaimer | Mediadaten | E-Mail an FTD | Sitemap | Hilfe | Archiv
Mit ICRA gekennzeichnet

VW | Siemens | Apple | Gold | MBA | Business English | IQ-Test | Gehaltsrechner | Festgeld-Vergleich | Erbschaftssteuer
G+J Glossar
Partner-Angebote