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02.03.2012, 14:20
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Parlamentswahlen:
Die Rache von Ahmadinedschads Ziehvater
Die Parlamentswahlen im Iran sind auch ein Zweikampf zwischen dem amtierenden Präsidenten und seinem Förderer Chamenei. Der hat Ahmadineschad lange in Schutz genommen, sich mittlerweile aber abgewendet.
von Silke Mertins Teheran
Über die Kandidaten weiß Aghdas Tawakkolian nicht allzu gut Bescheid. Aber sie ist eine fromme Frau, hat acht Söhne großgezogen und hilft gern, wenn sie dazu aufgefordert wird. Deshalb steht sie im Süden der iranischen Hauptstadt Teheran vor einer Moschee und verteilt Flugblätter für die Parlamentswahlen am Freitag. "Für mein Land", sagt die 58-Jährige.
Bei der Wahlkampfveranstaltung geht es um die Liste der konservativen Gegner des Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Doch das hat Tawakkolian nicht so recht mitbekommen. Unter dem schwarzen Tschador zuppelt sie an den Enden ihres Kopftuchs herum, freudig erregt sagt sie: "Also, den Präsidenten, den mag ich wirklich sehr." Ahmadinedschad sorge für die sozial Schwachen, besonders in den Dörfern. "Ich habe Verwandte auf dem Land, und deren Lage hat sich wirklich verbessert."
Genau das ist immer Ahmadinedschads Kalkül gewesen: Mit Wohltaten und Barauszahlungen hat er sich die Loyalität der Armen gesichert. Wie kein anderer hochrangiger Politiker ist er durch Provinzen und Kleinstädte getingelt. Und schließlich hielt er sich für so populär, dass er Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei herausforderte - ein Tabubruch, für den er nun teuer bezahlen muss.
Der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei
Der Urnengang am Freitag, zu dem 48 Millionen Wähler aufgerufen sind, ist deshalb mehr als das Ringen von rund 3000 Kandidaten um 290 Mandate im iranischen Parlament, der Madschlis. Es ist gleichzeitig ein Zweikampf: Ahmadinedschad gegen Chamenei. Der oberste geistliche Führer hat in der Islamischen Republik in allen Dingen das letzte Wort. Er ist der politische Ziehvater des Präsidenten, hat ihn lange unterstützt und in Schutz genommen. Nach den wohl gefälschten Präsidentschaftswahlen von 2009 hat Chamenei ihn zum Sieger erklärt und sich damit gegen die Reformbewegung gestellt. Doch der Schützling wurde undankbar. Und der Ziehvater rächt sich nun.
Das zeigt sich etwa an der Auswahl der Kandidaten. Ihre Eignung überprüft der Wächterrat. Sechs seiner zwölf Mitglieder sind Geistliche, die direkt vom Revolutionsführer in das Gremium berufen werden. Waren die Überprüfungen für Anwärter aus Ahmadinedschads Lager früher fast ein Selbstläufer, wurde nun ein Teil von ihnen disqualifiziert.
Darauf angesprochen, schaut Abbad Ali Kadchodai eiskalt hinter der Brille hervor. "Das Gesetz erlaubt nicht, Gründe für die Disqualifizierung zu nennen", sagt der Sprecher des Wächterrats kühl. "Aber ausschlaggebend ist allein das persönliche Verhalten des Bewerbers."
Teil 2: Es geht um Ahmadineschads politisches Erbe
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FTD.de, 02.03.2012
© 2012 Financial Times Deutschland,
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