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Merken   Drucken   01.03.2012, 12:52 Schriftgröße: AAA

Drei-Jahres-Tender: Wie die 530-Mrd.-Euro-Spritze wirkt

Die EZB hat den Markt mit billigem Geld geflutet. Die Banken Italiens haben beim Drei-Jahres-Tender kräftig zugelangt: Mehr als 130 Mrd. Euro fließen allein in das Euro-Sorgenland. FTD.de erklärt die EZB-Strategie.
© Bild: 2010 Bloomberg
Die EZB hat den Markt mit billigem Geld geflutet. Die Banken Italiens haben beim Drei-Jahres-Tender kräftig zugelangt: Mehr als 130 Mrd. Euro fließen allein in das Euro-Sorgenland. FTD.de erklärt die EZB-Strategie. von André Kühnlenz  , Stefan Schaaf  , Marcell Haag  und Heinz-Roger Dohms  Frankfurt
Größte Nutznießer der Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB) sind die Banken in Italien: Sie sicherten sich nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg ein Viertel der Dreijahreskredite, die die EZB am Mittwoch ausreichte. Von den Darlehen im Volumen von 529,5 Mrd. Euro seien 139 Mrd. Euro an italienische Geldhäuser geflossen, schreibt Bloomberg unter Berufung auf Finanzkreise. Der Marktführer Unicredit  habe sich weniger als 12,5 Mrd. Euro geborgt, die drittgrößte italienische Bank Intesa Sanpaolo  zwischen 10 und 15 Mrd. Euro.
Auch der spanische Staat profitierte indirekt von der Geldspritze der EZB: Madrid zahlte am Donnerstag für die Aufnahme frischer Milliardenkredite deutlich niedrigere Zinsen als noch vor wenigen Wochen. Die hohe Nachfrage bei der Anleihe-Auktion dürfte damit zusammenhängen, dass sich auch spanische Banken mit EZB-Geld vollsogen. Die BBVA  hatte schon vorab angekündigt, sie wolle sich etwa 11 Mrd. Euro leihen.
Der Immobilienfinanzierer Aareal Bank AG sagte Bloomberg, er habe das dreijährige Refinanzierungsgeschäft genutzt, um sich rund 1 Mrd. Euro zu leihen. Die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) bestätigte ebenfalls eine Teilnahme, nannte jedoch keinen konkreten Betrag - es habe sich um eine moderate Summe gehandelt.
Commerzbank-Chef Martin Blessing   Commerzbank-Chef Martin Blessing
Deutsche Bank  und Commerzbank  wollten sich nicht dazu äußern, ob sie vom Angebot der EZB Gebrauch machten. Beim ersten Drei-Jahres-Tender im Dezember hatten die beiden Geldhäuser nach eigenen Angaben nicht mitgemacht. Commerzbank-Chef Martin Blessing hatte in der vergangenen Woche allerdings angedeutet, sein Haus könnte sich dieses Mal beteiligen. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann äußerte sich noch zu Monatsbeginn zurückhaltend, schloss eine Inanspruchnahme der Dreijahreskredite aber nicht aus.
Italien und Spanien - die dritt- und viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone - waren vergangenen Sommer in den Sog der Verschuldungskrise geraten. Die Risikoprämien auf Staatsanleihen der beiden Länder stiegen dramatisch an, weil Anleger an der Rückzahlung der Papiere zweifelten. Zugleich wurde es für die Geldhäuser in Südeuropa immer schwieriger, sich frische Liquidität auf dem Interbankenmarkt - also direkt von anderen Instituten - zu besorgen. Vor allem Banken aus Deutschland waren kaum noch bereit, ihren Pendants im Süden Geld zu leihen.
Was von der Geldspritze der EZB bei den Banken übrig bleibt   Was von der Geldspritze der EZB bei den Banken übrig bleibt
Besonders im November spitzte sich die Lage zu: Investoren zweifelten, ob Europas Banken 2012 fällige Schuldverschreibungen komplett tilgen könnten. Laut Schätzungen ging es dabei um eine Summe von 500 Mrd. Euro, wobei noch 360 Mrd. Euro vom zweiten bis vierten Quartal 2012 auslaufen dürften.
Der Effekt der jüngsten EZB-Geldspritze beläuft sich netto auf rund 310 Mrd. Euro. Denn von der Bruttosumme von 529,5 Mrd. Euro sind ältere Darlehen abzuziehen, die jetzt auslaufen. Im Dezember hatte die Zentralbank netto 210 Mrd. Euro in den Markt gepumpt.
Angesichts des drohenden Finanzierungsengpasses und der Kreditklemme, die daraus hätte erwachsen können, entschloss sich die EZB, den Geschäftsbanken für maximal drei Jahre so viel Geld zu leihen, wie diese brauchen. Die Verzinsung wird nachträglich aus dem Durchschnitt des Leitzinssatzes über die Gesamtlaufzeit des Kredits berechnet. Derzeit liegt der Leitzins bei 1,0 Prozent. Vor einer Erhöhung können sich die Banken schützen, indem sie das Darlehen vorzeitig zurückzahlen - das ist nach Ablauf von zwölf Monaten jederzeit möglich. Wegen dieser günstigen Konditionen sind die Dreijahreskredite auch für Banken attraktiv, die nicht zwingend auf EZB-Geld angewiesen sind.
Die Summe, die sich die Banken bisher geliehen haben, entspricht ungefähr dem, was sie in diesem Jahr brauchen, um sich zu refinanzieren. Einige Institute dürften die Mittel tatsächlich zur Tilgung ihrer eigenen auslaufenden Anleihen genutzt haben, damit sie erst einmal von privaten Investoren unabhängig sind. Wie viel Geld genau in die Refinanzierung geflossen ist, lässt sich gleichwohl nicht beziffern.
Die Refinanzierungskosten Italiens sind zuletzt wieder gesunken   Die Refinanzierungskosten Italiens sind zuletzt wieder gesunken
Ein weiterer, von Politik und Notenbankern durchaus beabsichtigter Effekt der EZB-Spritze: Rund ein Viertel der im Dezember geliehenen Nettosumme floss in europäische Staatsanleihen. Allein Banken aus Italien und Spanien kauften im Januar 44 Mrd. Euro an staatlichen Schuldtiteln. Die Refinanzierungskosten der beiden Länder sind spürbar gesunken, von der Panik im November ist momentan nichts mehr zu spüren.
So fand Spanien am Donnerstag problemlos Abnehmer für Staatsanleihen im Volumen von 4,5 Mrd. Euro. Dreijahresläufer platzierte das Land zu einer Rendite von 2,617 Prozent, rund 0,7 Prozentpunkte weniger als vor zwei Wochen. Für Investitionen in Vierjahrespapiere forderten Anleger 3,376 Prozent Rendite, bei der letzten vergleichbaren Auktion am 19. Januar hatten sie noch 4,021 Prozent verlangt.
Die Summe aller ausstehenden Euro-Geschäfte ist am Mittwoch auf 1175 Mrd. Euro gestiegen. Gut ein Zehntel wird davon noch in diesem Jahr fällig.
Die Dreijahreskredite können die Banken, wenn sie es denn möchten, bereits teilweise oder komplett nach einem Jahr zurückzahlen. Der Rest wird Anfang 2015 fällig. Da die Notenbank derzeit jedoch jede Woche 220 Mrd. Euro dem Markt entzieht - indem sie sich diese Summe von der Geldhäusern leiht - haben die Banken aktuell nur Euro-Schulden über rund 950 Mrd. Euro bei der Notenbank. Der Grund für den Liquiditätsabzug: Die EZB möchte vermeiden, dass ihr Aufkaufprogramm von Anleihen der klammen Euro-Staaten die Inflation anheizt.
Anfang 2015 müssen die europäischen Banken die rund 1000 Mrd. Euro an die EZB zurückzahlen. Dies ist problemlos für jenen Teil des Geldes, den die Institute etwa in Anleihen mit drei Jahren Laufzeit stecken. Werden die Papiere getilgt, können sie das Geld der EZB rücküberweisen. Keine Schwierigkeiten bestehen auch mit Anlagen mit einer Laufzeit von ein bis drei Jahren. Kauft etwa eine Bank mit EZB-Geld eine spanische Staatsanleihe mit zwei Jahren Restlaufzeit und bekommt im Lauf des Jahres 2014 das Geld von dem Königreich zurück, so kann sie der EZB das Geld vorzeitig wiedergeben. Denn die Notenbank verlangt nur, dass die Banken das Geld mindestens ein Jahr lang behalten.
Die EZB hofft langfristig auf eine Entspannung am Interbankenmarkt   Die EZB hofft langfristig auf eine Entspannung am Interbankenmarkt
Allerdings dürfte nur ein kleiner Teil der beiden Drei-Jahres-Tender in Anlagen mit maximal drei Jahren Laufzeit fließen. Problematisch wird es zum Beispiel bei einem mit Notenbankgeld gekauften Pfandbrief mit fünf Jahren Laufzeit oder gar Anlagen in Aktien oder Rohstoffen, die keine Laufzeitbegrenzung haben. Treiben die Käufer hierfür zum Jahreswechsel 2014/15 keine Refinanzierung auf, so müssen sie die Anlagen auf den Markt werfen. Die Folge könnte ein Kursrutsch sein, zumal das billige Geld ohnehin zu einer Blase führen könnte.
Die EZB hofft also darauf, dass die Banken sich in drei Jahren wieder am Markt refinanzieren können. Sollte jedoch bei der Rückzahlung die Unsicherheit stark ansteigen, ist eine Refinanzierung der Banken über den Markt wohl sehr schwer. Die Alternative wäre eine Verlängerung der Refinanzierungsgeschäfte der Notenbank selbst. Eine solche Option hat diese bislang aber nicht signalisiert.
  • Aus der FTD vom 01.03.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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