Wolfgang Thurner ist Gewerkschaftssekretär von Verdi und Mitglied des Aufsichtsrats der Neckermann.de GmbH
Dies zeigte sich auch in der Weigerung der Geschäftsführung, den ursprünglich geplanten Abbau von 1500 Beschäftigten sozial abzufedern. Es lässt sich kaum klären, ob das Management im Wissen um die tatsächliche Geschäftssituation Abfindungen vermeiden wollte oder ob der Eigentümer, der amerikanische Finanzinvestor Sun Capital Partners, die Geduld verloren hatte. Jedenfalls hat sich selten zuvor ein Arbeitgeber so hartnäckig geweigert, den Beschäftigten in ihrer dramatischen Lage finanziell durch Abfindungen entgegenzukommen. Aus Sicht von Verdi war damit eine neue Qualität in der Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite im Handel erreicht.
"There is no guarantee ...", erwiderte Paul Daccus, Manager bei Sun, Anfang Mai 2012 in einer Gesprächsrunde Arbeitnehmervertretern auf die Frage, ob Neckermann die Zahlung der Gehälter bis zum Ende der Kündigungsfrist verbindlich zusichern könne, wenn die Arbeitnehmervertreter im Gegenzug eine Massenentlassung ohne Abfindungen akzeptieren würden.
Die Positionen standen sich von Anfang an diametral gegenüber. Die Geschäftsführung wollte durch eine Restrukturierung eine Fokussierung des Unternehmens auf den Onlinehandel mit Technik und Möbeln erreichen. Nur rund 500 Arbeitsplätze sollten in Frankfurt erhalten bleiben. Die Restrukturierung wollte der Eigentümer mit 25 Mio. Euro zusätzlichem Kapital unterstützen. Für eine soziale Abfederung war hingegen kein Cent vorhanden.
Verdi und Betriebsräte stemmten sich gegen diese Kahlschlagpläne. Notwendige Bedingung waren dabei Abfindungen und die Errichtung einer Transfergesellschaft. Die Arbeitnehmervertreter legten ferner ein eigenes Fortführungskonzept vor. Es sah den forcierten Umbau von Neckermann zu einem Onlinehändler mit Printunterstützung vor. Das Textilsortiment sollte erhalten bleiben, weil damit höhere Margen erzielt werden können als im ausschließlichen Verkauf durch Vertriebspartner. Den Erhalt der Logistiksparte wollten die Arbeitnehmervertreter mit der Hereinnahme von Drittgeschäft durch andere Unternehmen ermöglichen. Summa summarum waren hierfür 50 bis 60 Mio. Euro zu investieren. Das Fortführungskonzept wurde abgelehnt, weil der Eigentümer seine kurzfristigen Renditeerwartungen über die mittelfristigen Ziele des Arbeitnehmervorschlages stellte.