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Merken   Drucken   02.10.2012, 13:09 Schriftgröße: AAA

Geplante Einheitsabgabe: Meuterei gegen die neue Rundfunkgebühr

Ab 2013 soll die neue Einheitsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhoben werden. Kritiker halten sie für eine massive Gebührenerhöhung. Richter könnten die De-facto-Steuer noch stoppen - und auch Karlsruhe wird sich damit möglicherweise bald befassen.
© Bild: 2012 DPA/Uli Deck
Ab 2013 soll die neue Einheitsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhoben werden. Kritiker halten sie für eine massive Gebührenerhöhung. Richter könnten die De-facto-Steuer noch stoppen - und auch Karlsruhe wird sich damit möglicherweise bald befassen. von Benno Stieber, Karlsruhe
Es sind nur acht dünne Seiten, doch sie bergen eine Gefahr. Sie bedrohen die künftige Finanzierung von ARD und ZDF. Verfasst hat die Papiere Ermano Geuer, ein junger Rechtsassessor aus Passau. Jetzt liegen sie als Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Geuer will damit erreichen, dass das Gericht in letzter Minute die neue Gebührenordnung der öffentlich-rechtlichen Sender kippt, die 2013 in Kraft treten soll. Im Oktober werden die Richter über seine Klage beraten. Sollten sie ihm recht geben, wäre Bayern gezwungen, den Staatsvertrag zu kündigen und mit den anderen Bundesländern eine neue Gebührenordnung auszutüfteln.
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Der neue Rundfunkstaatsvertrag sieht vor, dass von 2013 an jeder Haushalt eine Einheitsgebühr von 17,98 Euro  zur Finanzierung von ARD, ZDF, Deutschlandradio sowie der neun Landesmedienanstalten zahlen soll - und zwar unabhängig davon, wie viele Fernseher, Radios und andere Empfangsgeräte vorhanden sind. Und auch, ob in einem Haushalt beispielsweise nur ein Radio genutzt wird und kein TV-Gerät, soll in Zukunft nicht mehr mit einer ermäßigten Gebühr berücksichtigt werden. Wer nur ein Radio (und eventuell zusätzlich noch einen internetfähigen Computer) nutzt, zahlt bislang den reduzierten Satz von 5,76 Euro pro Monat. Kommt ein Fernseher dazu, wird 17,28 Euro fällig. Die Reform soll die leidige Schnüffelei der Gebühreneinzugszentrale, kurz GEZ, beenden. Zudem wird die Finanzierung der modernen Mediennutzung angepasst: Da heute auch mit Computer oder Smartphone ferngesehen werden kann, soll der neue Tarif pauschal alle Geräte und Nutzungen abdecken.
Das mag praktisch sein, aber nicht für Kläger Geuer. Er hält die Einheitsgebühr für verfassungswidrig. Da sie jeder Bürger zu entrichten habe, sei die Abgabe eigentlich eine Steuer - und die dürfe gar nicht von den Ländern eingezogen werden, argumentiert er. Zumindest aber müsse die Gebühr all jenen erlassen werden, die gar kein rundfunkfähiges Gerät besitzen.
Mit seinen Bedenken steht Geuer nicht allein da. Auch der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart hält die geplante Gebührenreform für verfassungswidrig und prüft gerade eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Er kritisiert, dass die Nutzer gleich mehrfach zur Kasse gebeten werden, etwa wenn sie noch eine Zweitwohnung besitzen. "Das Modell ist aus meiner Sicht inkonsistent", sagt Degenhart. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes.
Einwände hatten schon einzelne Länder erhoben, als die Reform noch in Arbeit war. Im Protokoll der entscheidenden Sitzung der Länderchefs vom Oktober 2010 heißt es: "Thüringen weist auf die problematische Nähe des geplanten Wohnungs-/Betriebsstättenbeitrags zu einer Steuer hin." Die Kritiker bezogen sich auf ein Gutachten des Staatsrechtlers Christian Waldhoff. Dieser hatte auch vorgeschlagen, Menschen ohne Empfangsgeräte von der Gebühr zu befreien und die Abgabe für wenig genutzte Zweitwohnungen deutlich zu senken. Die Einwände Thüringens blieben jedoch ohne Folgen.
Durchgesetzt hatte sich dagegen die Rechtsauffassung des Verfassungsrechtlers Paul Kirchhof. Er teilte die Bedenken der Kritiker nicht: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfülle mit seinem Informationsauftrag eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Er sei für alle da und müsse deshalb auch von allen bezahlt werden; Ausnahmen sollte es keine geben. Den Landesrundfunkanstalten gefiel diese Argumentation. Das sei das "Prinzip Kurtaxe", sagte ein Sprecher. Die Verfassung erlaube pauschale Abgaben für Leistungen, die alle nutzen können - auch wenn das nicht alle machen.
Doch nicht nur für Medienverweigerer, vor allem für Unternehmen wird die Reform teuer. Ihr Beitrag bemisst sich künftig nach der Anzahl der Mitarbeiter, Betriebsstätten und -fahrzeuge mit Radio. Besondere Regeln sind für Autovermieter und Hoteliers vorgesehen. Bei ihnen kommt es auf die Zahl der Mitarbeiter, Betriebsstätten, der Hotelzimmer oder Autos mit Radio an. Autovermieter Erich Sixt hat selbst ein Gutachten in Auftrag gegeben. Es bestätigt seine Befürchtungen: Sixt  rechnet mit erheblichen Mehrkosten - und vermutet, dass die Öffentlich-Rechtlichen nach der Reform, die eigentlich aufkommensneutral sein soll, wesentlich besser dastehen werden. "Die Reform", sagt Sixt, "ist nichts anderes als eine gigantische Gebührenerhöhung."
00:20:46 Kursinformationen und Charts
Name aktuell  absolut  
Sixt 14,85 EUR   +0,10%  0.015
Euro 1,3016 USD   +0,73%  0.00944
  • Aus der FTD vom 02.10.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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