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Merken   Drucken   13.10.2012, 09:04 Schriftgröße: AAA

Fußball-Nationalmannschaft: Die Rückkehr der Leichtigkeit

Happy Hour für Joachim Löw in Dublin: Mit einem überzeugenden 6:1 gegen Irland ist der DFB-Auswahl ein Befreiungsschlag gelungen. Überbewerten sollte man den Sieg aber nicht.
© Bild: 2012 Reuters/CATHAL MCNAUGHTON
Happy Hour für Joachim Löw in Dublin: Mit einem überzeugenden 6:1 gegen Irland ist der DFB-Auswahl ein Befreiungsschlag gelungen. Überbewerten sollte man den Sieg aber nicht. von Klaus Bellstedt, Dublin
Mit Hymen aus dem Dudelsack fing der Abend in Dublin an. Und er endete auch musikalisch. Als der deutsche Mannschaftsbus um kurz vor 23 Uhr Ortszeit den Bauch der Aviva-Arena verließ, stand ein einsamer irischer Fans mit diesem doch etwas eigenartigen Instrument an der Stadionausfahrt und dudelte Joachim Löw und seiner Mannschaft noch ein kleines Abschiedsliedchen hinterher. Eines in Moll. So sind die melancholischen Iren eben. Dabei hätten Schweinsteiger und Co. durchaus einen fröhlicheren Song verdient gehabt. Der Ausflug auf die Insel, mit dem krönenden 6:1-Sieg im dritten WM-Qualifikationsspiel, war nämlich ein voller Erfolg. Für die Spieler. Aber vor allem auch für den Bundestrainer.
Seit dem Ausscheiden bei der EM gegen Italien war bei der DFB-Auswahl ein bisschen der Wurm drin. Das lag gar nicht mal an den Ergebnissen. Gegen die Färöer und auch in Österreich siegte die Nationalmannschaft zum Auftakt der Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien. Glanz wurde dabei aber selten bis nie versprüht. Die ernüchternden Darbietungen wurden in erster Linie Joachim Löw angekreidet. Hinzu kamen immer wieder Störfeuer wie zuletzt von Uli Hoeneß, der dem Trainer vorwarf, die Spieler zu verhätscheln. Ja selbst im eigenen Lager wurde quergeschossen. Bastian Schweinsteiger prangerte in einem Interview den mangelnden Teamgeist bei der EM an. Löw kam gar nicht mehr hinterher mit dem Rechtfertigen. Er wirkte dünnhäutig und schwer genervt. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte die Nationalmannschaft das Spiel gegen Irland vergeigt. Nun aber saß Joachim Löw nach der Partie als großer Gewinner auf dem Podium im Pressesaal. Und nicht mal ein Hauch von Genugtuung war dem Bundestrainer anzumerken. Nur eine Erkältung.

Matschwinner Reus und Schweinsteiger - und Löw

"Wir haben heute von Beginn an sehr konzentriert gespielt, waren präsent und hatten eine gute Organisation auf dem Platz", sagte Löw im Anschluss an den locker herausgespielten Triumph. Es war vor allem die Mischung, die im deutschen Spiel passte. Endlich mal wieder. So sah das auch der Coach: "Die Balance war genau richtig. Man muss auch mal geduldig warten können." In Dublin dauerte es gegen die erschreckend limitierten Iren ein bisschen länger als eine halbe Stunde, bis wirklich was passierte. Bis dahin war es ein Sicherheitsspiel der deutschen Mannschaft gewesen. Sie spielte sich in diesen Anfangsminuten frei - auch im Kopf. Als Mut und Selbstbewusstsein schließlich zurück waren, ging alles ganz schnell. Die Tore fielen wie reife Früchte von den Bäumen. Von allem war etwas dabei: wunderschön herausgespielte Treffer, Einzelaktionen, tolle Schüsse und ein Elfmeter. Marco Reus (32./40.), Mesut Özil (55./FE), Miro Klose (58.) sowie Toni Kroos (61./83.) hießen die Torschützen, wobei sich vor allem der überragende Dortmunder Marco Reus Bestnoten verdiente.
Der dritte Matchwinner nach Löw und Reus war Bastian Schweinsteiger. Der Mittelfeldspieler, in Dublin wegen der Sperre von Philipp Lahm Kapitän der DFB-Auswahl, war der unumstrittene Chef auf dem Rasen. Er lenkte, war allgegenwärtig, aber er tadelte auch. Und zwar immer dann, wenn die Mitspieler seiner Meinung nach zu nachlässig waren. Das war ja einer der Hauptkritikpunkte zuletzt. Den Machtkampf mit Sami Khedira im defensiven Mittelfeld konnte Schweinsteiger jedenfalls klar zu seinen Gunsten entscheiden. "Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn Bastian auf dem Platz steht", sagte Löw über die Rückkehr seines emotionalen Leaders.
Schweinsteiger selbst hatte hinterher schon wieder das große Ganze im Blick. Dabei dämpfte er geschickt die nach Kantersieg automatisch einsetzende Euphorie und ordnete den Irland-Trip wohltuend nüchtern ein - indem er gar nicht groß über das Spiel sprach: "Ich denke, dass wir eine erfolgreiche Zeit haben in der Nationalmannschaft. Wir sind insgesamt auf einem sehr guten Weg, ich möchte aber sagen, dass wir den einen Schritt mehr gehen müssen, um Titel zu gewinnen. Wir müssen an jedem kleinen Rad gut sein, um die großen Spanier auch mal zu schlagen." Es zeichnet Schweinsteiger als Führungsspieler aus, wenn er in der Stunde eines großen Sieges schon wieder an Spanien denkt. Darauf muss man erst mal kommen.

"Es ist normal, dass man schwere Phasen durchmacht"

Eines dieser kleinen Räder, die Schweinsteiger vermutlich meinte, sprach auch Miro Klose hinterher in der Mixed Zone an: "Wenn wir uns richtig auf ein Spiel vorbereiten so wie heute und wir den Ball laufen lassen, kommt so ein Ergebnis dabei raus." Da war schon ein bisschen Selbstkritik herauszuhören. Die rechte Einstellung war der Mannschaft nach der EM abhandengekommen. In den vergangenen Tagen, das betonten Spieler und Trainerteam immer wieder, wurde hart trainiert. Und siehe da: Die spielerische Leichtigkeit ist zurück. Auch wenn man dieses Mal von den ultra-schwachen Iren dazu eingeladen wurde.
"In sechs oder sieben Jahren Amtszeit ist es normal, dass man schwierige Phasen durchmacht. Wir hatten im September nicht den Rhythmus, den wir jetzt haben", sagte der Bundestrainer angesprochen auf die Probleme der vergangenen Wochen und Monate. Das waren ehrliche Worte eines Mannes, der gemeinsam mit seiner Mannschaft in Irland den ersten Schritt aus dem Sommerdepressionsloch gemacht hat. Weitere werden folgen. Müssen folgen. Die nächste Chance bietet sich schon am Dienstag, wenn in Berlin im letzten WM-Qualifikationsspiel des Jahres der Gegner Schweden heißt. Dann wird die DFB-Auswahl mit Sicherheit mehr gefordert werden, als es gegen die in jeder Beziehung unterlegenen Iren der Fall war. Joachim Löw weiß das selbst am besten.
Vielleicht auch deshalb setzte er noch in der Nacht bereits für Samstagfrüh um 10.45 Uhr die nächste Trainingseinheit an. Der einsame irische Dudelsackspieler wird dann im Zweifel nicht wieder als Zuschauer mit dabei sein. Als der deutsche Mannschaftsbus langsam in der Dunkelheit der Dubliner Nacht verschwand, genehmigte sich der Rentner im grünen Trikot und mit Kilt noch einen großen Schluck aus seiner Bierdose. Und dann brüllte er ihnen noch leicht bierselig hinterher: "Cheers you germans, I loved watching you play football." Für den Moment konnte und wollte man ihm nicht widersprechen.

Gefunden bei: stern.de

  • stern.de, 13.10.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland
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