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(...) Dieses Vorhaben ist Heer wegen methodenwidriger Arbeitsweise, weitestgehender Literaturunkenntnis und oftmaligen Verfälschens von Quellen derart gründlich mißlungen, daß das einzig bemerkenswerte in dem ihm überzeugend gelungenen Nachweis der Nichtigkeit seiner Ergebnisse besteht.

Nadel, grün

Gutachten: Dr. phil. Hartmut Schustereit (Teil 1/2)

zur Einleitung von Heer, Hannes / Naumann, Klaus (Hg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944, Hamburg 1995 und den Beiträgen Heer:

  • Killing Fields. Die Wehrmacht und der Holocaust, S. 55-77 sowie:
  • Die Logik des Vernichtungskrieges. Wehrmacht und Partisanenkampf, S. 104-138

I. Gegenstand der Untersuchung

Es hat nicht nur Angehörige und Einheiten der SS, sondern auch einzelne Angehörige und einzelne Einheiten der Wehrmacht gegeben, die an der Erschießung politischer Funktionäre der Roten Armee und von Angehörigen der Zivilbevölkerung in der Sowjetunion beteiligt gewesen sind. Dies ist ebenso eine historische Tatsache wie diejenige, "daß es eine völlige Entsprechung auch auf sowjetischer Seite gab, wurden doch auch hier Wehrmachtsangehörige, insbesondere Offiziere, deren Mitgliedschaft in der NSDAP bekannt geworden war meist ebenfalls sofort liquidiert."1

Unter Berücksichtigung dieser historischen Tatsachen geht es um die Prüfung und Beantwortung der Frage, ob die Aussagen und Ergebnisse, zu denen Heer gelangt ist, wissenschaftlich einwandfrei und sachlich haltbar sind oder nicht.

II. Formale und sprachliche Darstellung

II.1. Selbstentwertung durch sprachliche Nachlässigkeit und ungenaue oder unzutreffende Formulierungen

Nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 habe der Nationalsozialismus mittels der "erbeuteten Bürokratien" (Heer, S. 28) die Ausschaltung jeglicher Opposition durchsetzen können. Außerdem sei es ihm gelungen, "den elitären Terror der Freikorps" durch bestimmte Maßnahmen "in der Gestalt des Krieges zu vergesellschaften". (S. 75) Über einen "real existierenden Rassismus" (S. 67) hinaus habe es "die völkisch und rassisch definierte Ethik des Nationalsozialismus (S. 30) gegeben. (Wie diese mit der von ihm ausgemachten "Vernichtungsmoral" (S. 115) zusammengepaßt haben soll, läßt Heer offen.). Bei passender Gelegenheit sei "auf der Klaviatur historischer Ressentiments und rassistischer Vorurteile" (S. 114) gespielt worden. Im Nationalsozialismus sei zu bestimmten niederen Zwecken "die Grammatik von Befehl und Gehorsam" (ebd.) erweitert worden. Die zitierten Formulierungen reichen von sprachlicher Hilflosigkeit über die Verwendung eines zur damaligen Zeit nicht gebräuchlichen Vokabulars ("rassistisch") und über die Vermengung von Begriffen unterschiedlicher Bedeutungsinhalte bis zur Widersprüchlichkeit ("elitärer" Terror) und zu gänzlicher Unverständlichkeit ("Grammatik von Befehl und Gehorsam") sowie zum fälschlichen Gebrauch von Begriffen: die Nationalsozialisten haben keine "Ethik", sondern eine Ideologie besessen.

II.2. Unkenntnis der militärischen Fachterminologie

Für Heer gibt es den "Standort militärischer professioneller Eliten" (S. 25), "Führungskader" (der Wehrmacht) (S. 30) sowie Wehrmachtführer. Ebenso habe die SS über "Spitzenkader" verfügt (S. 70). Neben der "Himmlertruppe" (ebd.) wurde aus - zunächst korrekt so genannten - Luftwaffensoldaten die "Göring-Truppe" (S. 128). Ein (genannter) General sei "der oberste Militär" in einem bestimmten Gebiet gewesen (S. 70). Gelegentlich seien "Maßnahmen zur militärischen Sicherung der rückwärtigen Frontgebiete" ergriffen worden (S. 118). Ein bestimmtes Massaker habe "in den Führungsetagen der Besatzungsorgane Furore" gemacht (S. 69). Seine mangelhaften Kenntnisse der militärischen Fachsprache ist die Ursache für Heers falsche Ausdrucksweise. In der Wehrmacht hat es weder 'Spitzen' - noch 'Führungs'-Kader gegeben, sondern Angehörige verschiedener Führungsebenen. Die obersten dieser militärischen Führungsebenen wurden mit dem Begriff "Spitzengliederung" erfaßt. Außerdem hat es kein "rückwärtiges Frontgebiet" gegeben. Es wurde zwischen Front / Rückwärtigem Heeresgebiet (Bereich der Militärverwaltung) und - noch weiter zurück - dem Bereich der Zivilverwaltung unterschieden. Die übrigen Ausdrücke, die Heer in diesem Zusammenhang verwendet, sind unmittelbar als so oberflächlich zu erkennen, daß sie keiner besonderen Erwähnung bedürfen.

II.3. Reißerisch-propagandistische anstelle sachlicher Ausdrucksweise

Aus deutschen Soldaten werden bei Heer "Ostkrieger" (S. 58) oder auch die "sieggewohnten Blitzkrieger" (S. 107). Bei den Besatzer(n)" (S. 73) habe es "räsonierende Befehlshaber" (S. 122) und auch "wild gewordene Unterführer" (S. 126) gegeben. Und in den Kriegstagebüchern sei es zu "Manipulationen und Versteckspiele(n)" (S. 114) gekommen. Die Soldaten der Wehrmacht und die "Killerkommandos des SD und der Waffen-SS" (S. 66) hätten, nachdem sich die "Dampfwalze des deutschen Überfalls" (S. 107) in Bewegung gesetzt hätte, angeblich "Lust am Krieg" (S. 119) gehabt. Mit diesem meint Heer nicht etwa den Krieg zwischen Wehrmacht und Roter Armee, sondern den Partisanenkrieg, der durch die "Entgrenzung des Krieges" (S. 30) gegeben gewesen sei. Im übrigen sei die "Pluralität der Kriege ... im Vernichtungskrieg aufgehoben" gewesen (S. 34). Um dessen Durchführung und der Darstellung der "Entgrenzung" - nur auf deutscher Seite - geht es Heer vor allem. Es habe einen "Kampf um die Seele der Truppe" (S. 115) gegeben, durch dessen - im Sinne des Nationalsozialismus - erfolgreichen Ausgang deren "Kampfmoral" zur "Vernichtungsmoral" (sic!) (S. 115) gesteigert worden sei, die Hitler für seinen Krieg benötigt habe.

Nachdem Heer auf diese gänzlich unzulängliche Weise die Ideologisierung "der" Wehrmacht ausgemacht zu haben meint, spricht er nicht mehr nur von dieser oder jener "Mordaktion" d e r Wehrmacht oder von "Mordaktionen" (S. 71), sondern behauptet nun: "Die Wehrmacht mordet im großen Stil" (S. 69). Wenn jedoch "Teile der Truppe" die Vernichtungsabsichten noch nicht ganz erfaßt zu haben schienen, habe sich die "Wehrmachtsführung genötigt" gesehen, "die Terrorschraube um einige Windungen weiterzudrehen." (S. 112). Es sei zu "großen Partisanenjagden" gekommen (S. 130). Ein höherer SS-Führer (Bach-Zelewski), ein "brutaler und verantwortungsloser Hardliner'', sei beim Partisanenkampf "als Nothelfer unverzichtbar" (S. 127) gewesen. Und Himmler sei nicht nur "Volkstumsingenieur", sondern auch ,,Ausrottungsspezialist'' (S. 123) gewesen.

Aber auch bei der Wehrmacht habe es für ein bestimmtes Dorf einen "Kommandeur des Geiselmordes" (S. 128) gegeben. Es ist von "erlegten Feinden" die Rede, die "abgeschlachtet" (S. 71) worden seien. Dieses "Abschlachten" (ebd.) sei auch im "Geiselreservoir" (S. 128) Bach-Zelewskis fortgesetzt worden. Andererseits töteten Partisanen bei einem Überfall einen Bahnhofsvorsteher und "ein paar Kollaborateure''. Möglicherweise waren damit Eisenbahner gemeint, die "bei einer Sauferei'' überrascht (S.127f.) worden seien.

II.4. Verwendung sowjetrussischen Agitations- und Propaganda-Vokabulars

"Der'' Wehrmacht hätten ,,Opfergruppen'' (S. 29) einschließlich der "politischen Aktivisten'' (S. 58) gegenüber gestanden. Diese hätten die "Sowjetmacht" (S. 123) unterstützt und seien ihrerseits von "loyalen Kadern" (S. 107) unterstützt worden. Die "von der Partei" - gemeint ist die KPdSU - "bei Kriegsbeginn improvisierten Untergrundsorganisationen" (S. 119) hätten sich im Laufe des Krieges stabilisiert. Nach den Erfolgen der Roten Armee im Winter 1941/42 sei die "Rückkehr der Sowjetmacht" (ebd.) wieder als möglich erschienen; das habe den "Spielraum der übriggebliebenen Widerstandskerne" (ebd.) vergrößert. -

Zu diesem in der sowjetrussischen Literatur gebräuchlich gewesenen Vokabular gehören auch die Begriffe "Führungskader" und "Spitzenkader". Bereits im Herbst 1941 diskreditierte der Kriegskommissar Musev von der Politischen Hauptverwaltung der 22. Armee "das deutsche Heer als eine zuchtlose Bande von Räubern, Dieben und Säufern, dazu aufgerufen, 'straflos zu plündern, die wehrlose Bevölkerung zu töten, Frauen zu vergewaltigen, Städte und Dörfer zu zerstören und zu verbrennen'."2 Mit diesen agitatorischen Aussagen stimmt Heer inhaltlich überein, wenn er unterstellt, "große Teile der Truppe" hätten "Mordlust und Sadismus, Gefühlskälte und sexuelle Perversionen" bereits mitgebracht. Befehle ihrer Kommandeure hätten ihr die Gelegenheit gegeben, "dieses Triebpotential auszureagieren." (S. 64)

II.5. Selektive Darstellung eines Sachverhaltes mit Anspruch auf allgemeine Gültigkeit

Um seine Behauptung über "das Wahnbild vom Juden" , das "der Truppe", angeblich "durch tägliche Wiederholung, unauslöschlich" eingeprägt worden sei, nennt Heer Berichte von einzeln genannten Verbänden zu einem bestimmten Zeitpunkt. Es wird aufgeschlüsselt gesagt, wann es zu wievielen Tötungen gekommen ist. (S. 117) Als Nachweis werden zehn Berichte angeführt, die zwischen dem 14. Juli und Anfang Oktober 1941 verfaßt worden sind. Es kann Heer nicht entgangen sein, daß zwischen einzelnen Berichten oft nicht nur Tage, sondern eine oder gar mehrere Wochen gelegen haben.

Dennoch behauptet er , daß die Indoktrination "der Truppe" t ä g l i c h wiederholt worden sei. Die von Heer genannten zehn Berichte, die sich über einen Zeitraum eines knappen Vierteljahres erstrecken, zeigen jedoch, daß es n i c h t täglich zu Aktionen gegen Partisanen und Juden gekommen ist. Somit handelt es sich hier um eine wahrheitswidrige Ausdeutung von Quellen wider besseres Wissen. Im übrigen vermeidet es Heer, konkret die Größe des rückwärtigen Gebietes der Heeresgruppe Mitte im 2. Halbjahr 1941 anzugehen. Dadurch bleibt sein bedeutender Umfang verborgen. (Es umfaßte mit ca. 145.000 Quadratkilometern3 mehr als 40 % der Fläche der heutigen Bundesrepublik Deutschland!). In einem derartig großen Gebiet das bei weitem kein so gut ausgebautes Straßennetz wie das Deutsche Reich, wohl aber ein riesiges Sumpfgebiet (Pripjet) besaß, war es schon aufgrund der ebenso weiten wie unwegsamen Strecken, zumal mit dem wenigen verfügbaren Personal (vgl. III.6.), gar nicht möglich, ununterbrochen Partisanen zu bekämpfen.

II.6. Verleumdungen

Die von Heer/Naumann verfaßte Einleitung enthält ebenso wie die Beiträge Heers etliche Verleumdungen:

"Die Mannschaftsdienstgrade der Wehrmacht unterschieden sich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr von der Mentalität der Himmler-Truppe." (S. 30) Heer/Naumann verleumden a 1 1 e Mannschaftsdienstgrade der Wehrmacht, also auch alle diejenigen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Sie sprechen ihnen das soldatische Ethos ab, indem sie sie auf die gleiche Stufe der SS-Einheiten stellen, die nachweislich Kriegsverbrechen begangen haben. Eine Gleichsetzung wäre nur dann zulässig, wenn zwischen diesen und denjenigen Mannschaftsdienstgraden der Wehrmacht die ebenfalls erwiesenermaßen solche Verbrechen verübt haben, verglichen worden wäre.

Des weiteren wird behauptet, daß "am täglichen Rassismus der Mannschaften" angeblich "kein Zweifel" bestehe. (S. 67) Auch diese - in ihrer Pauschalität nicht bewiesene - Unterstellung stellt eine Verleumdung a l 1 e r Mannschaften dar. Diese Verleumdung wiegt besonders schwer, weil Heer nur "Anhaltspunkte, wieweit die 'verbrecherischen Befehle' von der Truppe getragen wurden", (S. 62) gefunden hat. Er muß daher selbst eingestehen, daß sich aus ihnen "kein (!) repräsentativer Mentalitätsquerschnitt" (ebd.) für das Verhalten der Mannschaften ergibt. Nur "Anhaltspunkte" genügen inhaltlich bei weitem nicht, um a 1 1 e n Mannschaftsdienstgraden der Wehrmacht ernsthaft "täglichen Rassismus" vorwerfen zu können. "Das Vernichtungsprogramm der Wehrmacht war in Zielsetzung und Begründung rassistisch." (S. 74)

Heer ist außerstande nachzuweisen, daß es ein derartiges Programm d e r Wehrmacht, noch dazu in der von ihm behaupteten Art, gegeben hat. Noch schwerwiegender ist sein Eingeständnis, daß für einen "täglichen Rassismus" des Offizierkorps ein "ähnlich evidentes Beweismaterial" wie angeblich für die Mannschaften f e h 1 t . "Erst recht fehlen quantifizierbare Untersuchungen zur Mentalität der Wehrmachtsführung." (S. 68) Obwohl sich Heer zweifelsfrei darüber im klaren ist, daß er kein "Vernichtungsprogramm der Wehrmacht" und damit auch keine "rassistische" Zielsetzung und Begründung aus den Quellen nachweisen kann, unterstellt er es dennoch unverantwortlicherweise wider besseres Wissen.

Wenn Heer "die aktive Beteiligung der Truppenführer am 'Vernichtungskrieg' im Osten" (S. 73) unterstellt, verleumdet er pauschal a 1 l e Truppenführer, d.h. a l 1 e Offiziere des deutschen Ostheeres. "Zu Beginn hatten sie (=die Befehlshaber) den Hitlerschen Krieg aus freien Stücken und emphatisch unterstützt. Kein Mordbefehl, den sie nicht freudig weitergegeben, keine Greueltat, die sie nicht streng gefordert hatten". (S. 129) Mit dieser Verleumdung wertet Heer a 1 1 e Befehlshaber , d.h. a 1 1 e höheren Offiziere in entsprechenden Stellungen, als amoralisch ab, obwohl er keinen Nachweis geführt hat, der sie alle konkret belastet. Es werden nicht nur einzelne Dienstgradgruppen, sondern die meisten oder gar alle Angehörigen der Wehrmacht und insbesondere des deutschen Ostheeres verleumdet: "Der Angehörige der bewaffneten Macht darf alle die Kriege führen, die er schon immer führen wollte - gegen die Frauen, gegen die Juden, gegen Kinder und Greise, gegen die eigene Angst und das eigene Gewissen." (S. 31). "Mordlust und Sadismus, Gefühlskälte und sexuelle Perversionen (...) brachten große Teile der Truppe mit." (S. 64) "Die Wehrmacht mordet im großen Stil". (S. 69)

Mit diesen Tatsachenbehauptungen verzerren Heer (und z.T. auch Naumann) den deutschen Soldaten zu einem Typus, der so amoralisch wirken soll, daß er außerhalb der zivilisierten Welt steht. Mit diesen rücksichtslos wirkenden Abwertungen verunglimpft Heer das Andenken unzähliger gefallener oder verstorbener deutscher Soldaten, denen er nicht das geringste Vergehen nachgewiesen hat. Die von ihm in seinen Beiträgen öffentlich verbreiteten Tatsachenbehauptungen, die sich auf die meisten oder alle Soldaten der Wehrmacht beziehen, sind geeignet, sie alle trotz ihrer persönlichen Unbescholtenheit in der öffentlichen Meinung posthum herabzuwürdigen. Diese schwerwiegende Folge ist bereits eingetreten. In einer Rezension zu dem von Heer und Naumann herausgegebenen Buch wird zwar gesagt, daß die Verbrechen "mit Berserkern, nicht aber den deutschen Durchschnittsgemütern zu verbinden" seien (mit ihnen sind offenbar die normalen Landser gemeint). Doch dann heißt es - und hier zeigt sich die schwerwiegende Folge aus den Verleumdungen Heers (und Naumanns) - unmittelbar darauf: "Der schockierte Leser kann nicht anders als beides gleichsetzen." Und wenig später: es müsse erschüttern, daß die (!) Wehrmacht damals Kinder hinrichtete, weil sie der Sabotage oder Spionage verdächtigt oder überführt waren."4

II.7. Zwischenergebnis

Wortwahl und Darstellungsweise lassen gleichermaßen erkennen, daß Heer eine der Grundlagen jeden geschichtswissenschaftlichen Arbeitens, das Objektivitäts-Gebot, ständig mißachtet. Er hat differenziertes Fragen und, in einem deutlich kenntlich gemachten Bezugsrahmen, sachlich begründetes Antworten und Beurteilen durch pauschalisierendes Verunglimpfen ersetzt. Somit ist es offenkundig, daß es Heer nicht um das Erkennen historischer Wahrheiten, sondern um die Verleumdung der gesamten Wehrmacht geht. Dies ist sachlich unhaltbar, weil die von ihm behaupteten Tatsachen, die er auf große Teile der Wehrmacht oder auf sie insgesamt bezieht, erweislich nicht wahr sind.

III. Inhaltliche Behandlung des Themas

III.1. Die Einordnung in die Geschichte des Zweiten Weltkrieges fehlt

In der älteren Literatur zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges wird dieser hauptsächlich als eine Reihe einzelner kriegerischer Auseinandersetzungen gesehen. Aus dem räumlich und zeitlich begrenzten Feldzug gegen Polen im September 1939 wurde nur zwei Tage nach Angriffsbeginnt am 3.9.1939, ein europäischer Krieg. Der Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939 hatte seine von Hitler gewollte Funktion, Großbritannien und Frankreich zur Neutralität zu veranlassen, nicht erfüllt. Beide Mächte erklärten vielmehr dem Deutschen Reich den Krieg.

Die nächste große kriegerische Auseinandersetzung war der deutsche Angriff auf Dänemark und Norwegen im April 1940. Mit ihm waren die Deutschen dem von den Westalliierten gleichen Vorhaben nur um wenige Tage, wenn nicht Stunden zuvorgekommen. Für beide Seiten waren wehrwirtschaftliche Motive ausschlaggebend gewesen, weil der Verlust der skandinavischen Erzvorkommen rasch Kriegsentscheidend zuungunsten des Deutschen Reiches hätte werden können.5

Aus der britisch-französischen Kriegserklärung vom 3.9.1939 ergab sich am 10. Mai 1940 der deutsche Angriff gegen Frankreich. Entgegen allen Erwartungen - nicht nur auf deutscher, sondern auch auf westalliierter und sowjetrussischer Seite - kam es nicht erneut, wie im Ersten Weltkrieg, zu einem jahrelangen Kampf. Im Gegenteil, nach sechs Wochen kapitulierte die französische Armee am 20. Juni 1940.6 Da sich Großbritannien trotz der Niederlage seines Verbündeten nicht friedensbereit zeigte, wollte Hitler die britische Insel (Unternehmen "Seelöwe") besetzen lassen. Als sich die Undurchführbarkeit dieser Absicht herauszustellen begann, verfiel er auf den Gedanken, London über Moskau zu schlagen: er ließ einen Feldzug gegen die Sowjetunion vorbereiten.

Vorher hatte Hitler vergeblich versucht, deren Ambitionen nicht länger auf den Balkan, sondern gegen englische Interessengebiete zu lenken. Die Sowjetunion verfolgte jedoch weiterhin so sehr ihre eigenen Interessen, daß sie dem am 27. September 1940 geschlossenen Dreimächtepakt zwischen dem Deutschen Reich, Italien und Japan nicht beitrat. Mißlich für Hitler war es, daß Italien am 28. Oktober 1940 Griechenland angegriffen hatte, ohne sich vorher mit ihm abgesprochen zu haben. Nachdem sich der italienische Angriff festgelaufen hatte, entschloß sich Hitler, seinem Bundesgenossen Mussolini beiseite zu springen. Im März 1941 wurde die 12. deutsche Armee in Bulgarien bereitgestellt, um im Balkankrieg gegen Griechenland (und die ihm helfenden Engländer) einzugreifen.

In diesem Krieg geriet Jugoslawien, weil wenige Tage nach seinem Beitritt zum Dreimächtepakt die Regierung in Belgrad gestürzt wurde und mit der Sowjetunion am 5. April 1941 ein Freundschafts- und Nichtangriffspakt geschlossen wurde. Der siegreiche "Doppelfeldzug" gegen Jugoslawien und Griechenland dauerte nur anderthalb Wochen, vom 6.-17. April 1941. Auch wenn durch diese Ereignisse der ursprüngliche Termin für den Angriff auf die Sowjetunion um sechs Wochen auf Mitte Juni 1941 verschoben wurde, war dies kein entscheidender Grund für das Mißlingen des Ostfeldzuges.7

Diese sachgerechte Darstellung, die sich in der älteren Literatur findet, wurde durch eine Sichtweise bekämpft die in allen Feldzügen nur Vorläufer-Kriege für den angeblich "eigentlichen" Krieg Hitlers, den gegen die Sowjetunion sah. In marxistisch-leninistischen Arbeiten wurde der Standpunkt vertreten, daß Hitler aus k l a s s e n ideologischen Motiven einen Krieg gegen die Sowjetunion langfristig geplant, vorbereitet und dann durchgeführt hatte.8 War der erste Band der "Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion" 1962 erschienen, lag nur drei Jahre später im Westen eine Arbeit vor , in der - ebenso irrig - durchaus vergleichbare Thesen vertreten wurden. Der Hauptantrieb für Hitlers Angriffsabsicht wurde allerdings in seinen rassenideologischen Auffassungen gesehen.9

Beide Theorien haben inzwischen ihre Gültigkeit grundsätzlich verloren. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wird in Rußland deren Rolle im Zweiten Weltkrieg neu betrachtet. Das bis dahin gültig gewesene Dogma vom "faschistischen Überfall" wird heftig diskutiert.10 - Die westliche "Stufenprogramm"- Theorie ist bereits einige Jahre früher als unlogisch und mit dem Nachweis widerlegt worden, daß Hitler weder einen Stufenplan noch einen langfristigen Kriegsplan für den Angriff gegen die Sowjetunion besessen hat.11

Die neueste Literatur zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges wendet sich erneut - und im verstärkten Maße - der Auffassung zu, daß sein Verlauf nicht langfristig vorbereitet worden ist. Er wird vielmehr wieder als Kette kriegerischer Einzelereignisse gesehen. "Bei der Analyse der Vorgeschichte und Vorbereitung des Unternehmens "Weserübung" hat sich kein Hinweis ergeben, daß die Besetzung Dänemarks und Norwegens Bestandteil eines 'Stufenplans' gewesen ist". Auch bei "der Sichtung der Quellen für die Vorbereitung und Durchführung der Operation" hat sich kein einziger derartiger Hinweis ergeben.12 Wurde bei diesem militärischen Unternehmen noch gefragt, ob es ein "Stufenprogramm" gegeben hatte, wurde beim Frankreich-Feldzug sogleich gesagt, daß Hitler "zwar über einen von seinen Generalen perfekt ausgearbeiteten Operationsplan gegen Polen verfügte, jedoch über keinen gesamtstrategischen Kriegsplan für eine Auseinandersetzung mit den Westmächten."13 Das wohlbegründete Ergebnis lautet, daß der Westfeldzug "kein geplanter Eroberungsfeldzug" gewesen ist, sondern "eine operative Verzweiflungsaktion, um aus einer verzweifelten strategischen Situation herauszukommen."14

Darüber hinaus ließ, wie ein weiterer Fachmann urteilt, eine Analyse des Verlaufes des Krieges von seinem Beginn bis zum Juni 1941 "erkennen, daß die deutsche Gesamtstrategie ab 1939 viel eher einer großangelegten Improvisation glich, als daß sie die Verwirklichung eines längerfristig angelegten Kriegsplanes oder 'Stufenprogramms' darstellte." Daraus wurde geschlossen, daß "die 'Stufenprogramm'-Theorie mit der Formulierung von 'Endzielen' Hitlers" kaum dazu dienen konnte, die Entschlußfassung zum Ostfeldzug 1941 zu erläutern.15

Die hier skizzierten Forschungsergebnisse werden von Heer/Naumann in keiner Weise berücksichtigt. Statt dessen verharren sie auf einem dreißig Jahre alten Stand der Forschung, der nachweislich falsch ist. Sie glauben nach wie vor , daß der Ostkrieg Hitlers 'eigentlicher' Krieg gewesen sei, den er - neueren geschichtswissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz - angeblich seit dem Tag der 'Machtergreifung' vorzubereiten begonnen habe. Darüber hinaus versteigen sich Heer/Naumann zu Behauptungen, die an ihrem Beurteilungsvermögen zweifeln lassen. Die Kriege in Polen, Skandinavien und Frankreich (der Balkan-Krieg kommt bei ihnen nicht vor) schrumpfen für sie zu "bewaffneten Überfalle(n)", die die vorher erfolgten unbewaffneten Annexionen" abgerundet hätten. Sie alle hätten nur der "logistischen, ökonomischen, Politischen Vorbereitung" des Ostkrieges gedient. Insofern sei es "richtig", den Kriegsanfang auf 1941 (!) zu datieren". (S. 29) Diese Sichtweite offenbart ein derartiges Maß an sachlicher Kenntnislosigkeit und gedanklicher Begrenztheit, daß sie sich selbst außerhalb jeder diskussionswürdigen Position stellt. Denn trotz aller noch so kontroversen Auffassungen ist bisher noch nicht versucht worden, die ersten eindreiviertel Jahre des europäischen Krieges vom September 1939 bis zum Juni 1941 auf bewaffnete "Überfälle" zu minimieren.

III.2. Die Einarbeitung in die Geschichte der deutsch-sowjetischen Beziehungen ist unterblieben

Das Verfahren, die Motive allein der deutschen Seite zu nennen führt bei Heer/Naumann - wieder einmal - zur Verzerrung des Sachverhaltes durch Einseitigkeit. Zunächst kritisieren sie die Vertreter einer Sichtweise, die sich mit dem Ansatz ihrer Darstellung für den "Standort professioneller militärischer Eliten, ihrer Vorstellung von Strategie und Taktik, Defensive und Offensive, Krieg und Frieden" entschieden hätten. (S. 25) Aus dieser Sichtweise könne jedoch "das Geschehen im Osten in den Jahren 1941 bis 1944 nur ungenügend eingesehen werden".

Statt dessen meinen Heer/Naumann, daß Hitler "anders gemessen" werden m ü s s e , weil er sich an "anderen Standards" orientiert habe. Dann vermuten sie allerdings nur, daß Hitlers im Herbst gescheiterter "'improvisierter Kriegsplan' und seine Geringschätzung operativer Festlegung nicht das Scheitern einer Stragegie beweisen, sondern einen Hinweis liefern (könnten) für die Existenz eines gänzlich anderen Konzeptes vom Kriegführen." (S. 25f.) Obwohl sich Heer und Naumann als Historiker bezeichnen, ist ihnen offenbar die Methodik geschichtswissenschaftlichen Arbeitens grundsätzlich verborgen geblieben. Ein Historiker, der sich von den (oben zitierten) Vorstellungen der Soldaten leiten lassen würde, würde gegen das Objektivitäts-Gebot als einem der Leitwerte jeglichen geschichtswissenschaftlichen Arbeitens verstoßen und parteilich werden.

Deswegen könnte er keine Darstellung bringen, die die von ihm behandelten Vorgänge wirklich objektiv, d.h. verschiedene, selbst gegensätzliche Positionen gegeneinander wägend beurteilt. Er würde vielmehr parteilich werden und daher alles so sehr aus der Sicht einer einzigen Seite bringen, daß er zu keiner sachgerechten Beurteilung auch nur einer einzigen anderen Position gelangen kann.

Bei diesem Thema kommt es darauf an, ob und, wenn ja, in welcher Absicht sich die Vorstellungen Hitlers von denjenigen der Soldaten in Führungspositionen unterschieden haben. Wenn sich Unterschiede feststellen lassen (sie sind feststellbar , doch ihre Darstellung fehlt bei Heer/Naumann), können die unterschiedlichen Auffassungen herausgearbeitet und in Relation zueinander gesetzt werden. Dann kann verglichen werden, was sich tatsächlich daraus ergeben hat - wie z.B. aus Hitlers Absicht, zunächst den Schwerpunkt nicht, wie es der Generalstab des Heeres gewollt hat, auf den Mittelabschnitt der Gesamtfront zu legen und Moskau zu erobern, sondern auf die Heeresgruppe Nord, um das Baltikum frei zu bekommen und Leningrad zu erobern. An welchen "anderen Standards" sich Hitler orientiert und welches angeblich gänzlich andere Konzept zur Kriegführung er gehabt haben soll, bleibt unklar. Statt dessen sprechen Heer/Naumann von einem improvisierten Kriegsplan Hitlers, obwohl dieser gar keinen Kriegsplan besessen hat. Außerdem ist dieser Begriff auch deswegen unbrauchbar, weil er unlogisch zusammengesetzt ist.16

Die beiden Autoren sehen eine verblüffend wirkende Parallele, die sich für sie aus dem Vergleich von Hitlers - nicht einmal andeutungsweise genannten - Verhalten bei Planung und Durchführung des Ostkrieges17 und Ludendorffs Versuch, im März/April 1918 das Kriegsglück zu wenden und Frankreich niederzuwerfen, ergibt. Der Versuch, zwei so unterschiedliche historische Situationen wie diese miteinander zu vergleichen, erscheint nur dann nicht als abstrus, wenn das Vorverständnis der beiden Autoren berücksichtigt wird. Sie gehen davon aus, daß bei Ludendorff mit seinem "Programm der effektiven Organisierung von Gewalt und der optimalen Mobilisierung von Gewaltbereitschaft" (S. 27) die gleiche Mentalität wie bei Hitler vorgeherrscht hat. Einen entsprechenden Nachweis erbringen sie nicht.

Überhaupt versuchen Heer/Naumann, die Gründe für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges - wiederum nur für eine, nämlich die deutsche Seite - mentalitätsgeschichtlich zu erklären. Hitler habe "den Gegner" nicht aus "der Frontenkonstellation'' des Ersten Weltkrieges bestimmt, "sondern aus einem umfassenden und weit in die Geschichte zurückreichenden Antagonismus." (S. 27) Worin dieser bestanden hat, wird inhaltlich nicht einmal angedeutet. Es wird nur gesagt, daß er für Hitler "durch die Umstände der Niederlage in Deutschland und durch den Sieg der russischen Revolution"18 erneut und gefährlich zugespitzt worden sei, und zwar durch "die Juden" und "den Bolschewismus" (ebd.). Seine Vorstellungen habe Hitler , zusammenfassend ausgedrückt, so hoffähig gemacht, daß sie bereits in der Weimarer Republik von Teilen der ehemals staatstragenden Schichten akzeptiert worden seien. Nach der Machtergreifung im Januar 1933 habe "der Nationalsozialismus" durch bestimmte Maßnahmen "Krieg als gesamtgesellschaftliches Projekt" vorbereitet. (S. 28)

Dieser altbekannte mentalitätsgeschichtliche Erklärungsversuch hätte interessant werden können, wenn er auch für den Sowjetkommunismus gemacht worden wäre. Die innenpolitischen, alle Lebensbereiche erfassenden Umbrüche in ihm waren für die unter seiner Herrschaft lebenden Menschen schwerwiegender als die Umbrüche in Deutschland nach 1918. Ausgehend von der von Marx und Engels entwickelten Kriegstheorie bis zu ihrer unter Stalin gültigen Fassung hätten sich die Autoren damit beschäftigen können, wie in der Sowjetunion die Bevölkerung auf Krieg eingestellt worden ist und worin sich diese psychologischen Vorbereitungen im nationalsozialistischen und im kommunistischen Machtbereich unterschieden oder geglichen haben. Nicht nur denkbar, sondern geradezu unausweichlich war Krieg für den Gründer der Sowjetunion, Lenin, ebenso wie für seinen Nachfolger Stalin, weil es nach ihrer Überzeugung keinen Frieden zwischen ,,Imperialismus/Kapitalismus'' einerseits und "Sozialismus'' andererseits geben konnte.

Eine derartige Darstellung haben Heer/Naumann nicht gebracht. Nicht einmal die deutsch-sowjetischen Beziehungen, über die es genügend Literatur gibt, haben sie skizziert. Folgerichtig beschäftigen sie sich erst recht nicht mit den Forschungsergebnissen, durch die sich seit Anfang der 1980er Jahre das Bild von der "friedliebenden'' Sowjetunion als ahnungslosem Opfer eines "Überfalles" zu einem hochgerüsteten aggressiven Staat gewandelt hat, der das Deutsche Reich bei ihm günstig erscheinender Lage angreifen wollte. Entstehung und Aufbau des dazu erforderlichen Instrumentes, der Roten Armee mit ihrer aggressiven Militärdoktrin, sowie ihr Verhalten bis zum Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges19 schildert Hoffmann bereits in einem 1983 erschienenen Beitrag.

Die zwei Jahre später vorgelegte grundlegende Arbeit Topitschs20 nahm bereits einiges Wesentliche von dem vorweg, was Suworow 1989 öffentlich darlegte: Die Sowjetunion sei kriegs- und fast angriffsbereit gewesen, so daß der deutsche Angriff im Juni 1941 mitten in den Offensivaufmarsch der Roten Armee hineingestoßen sei.21 In dem Krieg, der damals begann, kam es zu Greueltaten auf beiden Seiten. Während Hoffmann dies immer wieder erwähnt,22 wird von Heer - wie so vieles andere - verschwiegen, daß die "Ermordung deutscher Soldaten und verwundeter ... schlagartig am ersten Kriegstage, dem 22. Juni 1941," begann, "und zwar auf der ganzen Linie der Front.

III.3. Der Ostkrieg wird nicht dargestellt

Dem schweren konzeptionellen Fehler, ihr Thema nicht in die Geschichte des Zweiten Weltkrieges eingeordnet zu haben, fügen Heer/Naumann einen ebenso schweren zweiten Fehler hinzu. Sie haben es - sachlich ebenfalls ungenügend - versäumt, ihr Thema in die Geschichte der Vorbereitung und des Verlaufes des Ostkrieges einzufügen. In ihrer Darstellung findet sich nichts über seine militärische, rüstungsmäßige und wirtschaftliche Planung und Durchführung. Daher wird von Heer/Naumann der jahrelange Krieg zwischen dem deutschen Ostheer und der Roten Armee nicht einmal in seinen Grundzügen skizziert. Er wird nur an wenigen Stellen nur flüchtig erwähnt, obwohl erst eine prägnante Schilderung zumindest der Hauptlinien zu einer einwandfreien Behandlung ihres Themas hätte führen können.

Dieser konzeptionelle Fehler ermöglicht es Heer/Naumann allerdings, zwei zwar gegensätzliche, aber gleichermaßen bedeutsame historische Tatsachen zu umgehen: Die Kriegsverbrechen von Rotarmisten an Wehrmachtssoldaten einerseits und den gemeinsamen Kampf ehemaliger Rotarmisten vor allem in der Wlassow-Armee gegen Stalin andererseits. Diese aus kriegsgefangenen Russen bestehende Armee wuchs im Laufe des Krieges innerhalb des deutschen Ostheeres auf ungefähr eine Million Mann an.24 Arbeiten über die Ostlegionen25 und die Beziehungen zwischen dem deutschen Ostheer und den Orientvölkern der Sowjetunion26 widerlegen zusätzlich die Behauptungen vom bedingungslosen Gegeneinander, das keineswegs immer in der gegenseitigen Vernichtung bestanden hat.

III.4. Das deutsche Ostheer ist nicht "die" Wehrmacht

Vor Angriffsbeginn im Juni 1941 sind Teile der Wehrmacht als Besatzungstruppen in Polen, in Norwegen und Dänemark, in den Niederlanden und in Belgien, in großen Teilen Frankreichs, in Jugoslawien und in Griechenland stationiert gewesen. Außerdem gab es ein Ersatzheer in der Heimat. Da alle diese Truppen mit hunderttausenden von Soldaten nicht zum Ostheer gehört haben, ist es sachlich unrichtig, von Einsatz "der" Wehrmacht gegen die Sowjetunion zu sprechen. Das deutsche Ostheer umfaßte bei Angriffsbeginn am 22. Juni 1941 3,4 Millionen Mann (hinzu kamen ca. eine halbe Million Verbündeter, die hier jedoch außer Betracht bleiben können). Es bestand aus 153 Divisionen, aus denen drei Heeresgruppen (Nord, Mitte, Süd) gebildet worden waren.

III.5. Die Heeresgruppe Mitte ist nicht "das" Ostheer

Nun behandelt Heer allerdings nicht das gesamte deutsche Ostheer, sondern er beschäftigt sich nur mit dem Gebiet einer der drei Heeresgruppen, dem der Heeresgruppe Mitte. Diese bestand am 2. Oktober 1941 aus 74 Divisionen (von denen sich eine in Zuführung befand) und vier Brigaden.27 Bei einer Kopfzahl von ca. 12.000 Mann je Division (Soll-Stärke) umfaßte die Heeresgruppe Mitte zu diesem Zeitpunkt ca. 900.000 Mann. Da Heer es unterlassen hat, die Kampfhandlungen zwischen dem deutschen Ostheer und der Roten Armee oder auch nur diejenigen zwischen der Heeresgruppe Mitte und ihrem sowjetrussischen Gegner zu skizzieren, gibt es die deutschen Frontsoldaten in seiner Darstellung grundsätzlich nicht.

III.6. Einige Verbände sind nicht "die'' Heeresgruppe Mitte

Heer spricht lediglich davon, daß es je Heeresgruppe drei Sicherungsdivisionen gegeben habe. Für den Bereich der Heeresgruppe Mitte nennt er nur fünf Divisionen (oder Teile von ihnen) sowie vier kleinere Verbände oder Einheiten.28 Wenn man deren Kopfstärken zusammenrechnet, kommt man auf eine Gesamtzahl von ungefähr 75.000 Mann S o l l -Stärke. Da jedoch nur in seltesten Ausnahmefällen ein Verband personell vollständig aufgefüllt ist, liegt seine personelle I S T -Stärke erheblich niedriger. So betrug die Verpflegungs- d.h. die Ist-Stärke der - von Heer wiederholt genannten - 221. Sicherungsdivision 9.500 Mann;29 damit lag sie um 20 % unter der Soll-Stärke. Wird - realistischerweise - bei den anderen von Heer genannten Verbänden eine ungefähr gleiche personelle Ist-Stärke zugrunde gelegt, ergibt sich eine Gesamtzahl von ca. 60.000 Mann.

Nun besteht kein militärischer Großverband ausschließlich aus Kampfeinheiten, sondern er umfaßt auch andere Teile wie z.B. Versorgungstruppen und Sanitätseinheiten. Diese werden nicht zum Kampf eingesetzt, weil sie für die Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit der Kampfeinheiten verwendet werden. Deswegen verringert sich die angenommene Gesamtkopfzahl von 60.000 Mann bei einem Verhältnis von einem kämpfenden zu drei - im weitesten Sinne des Wortes - versorgenden Soldaten auf ca. 15.000 Mann. Das sind - je nachdem, ob man die Soll- oder eine um 20 % verringerte lst- Stärke der gesamten Heeresgruppe Mitte annimmt - zwischen 1,66 % und 2 % aller ihrer Soldaten. Dennoch sind es für Heer nicht diese vergleichsweise wenigen, die kriegsrechtswidrig gehandelt haben (können), sondern für ihn ist es "die'' Wehrmacht! Obwohl Heer die große Mehrzahl der deutschen Frontsoldaten im Osten - insgesamt über drei Millionen Mann - weder nennt noch gar ihnen irgendetwas Ehrenrühriges oder Verbrecherisches nachweisen kann, verunglimpft er sie pauschal auf unflätigste Weise.

III.7 Die Problematik des Partisanenkrieges wird nicht abgehandelt

Selbst den für ihn besonders wichtigen Punkt "Partisanenkrieg" behandelt Heer weder in grundsätzlicher Hinsicht noch objektiv. Er beschäftigt sich, wie sonst auch, hauptsächlich mit deutschen Untaten, während er die vergleichbaren sowjetrussischen entweder gar nicht erwähnt oder sie in ihrer Bedeutung herunterspielt. Vor allem aber unterläßt er es, auf die rechtliche Seite des Partisanenkrieges einzugehen, obwohl diese für dessen Beurteilung entscheidend wichtig ist.

Während im älteren Völkerrecht irregulären Truppen der Schutz des Kriegsrechtes oft nicht zuerkannt worden ist, unterstellt die Haager Landkriegsordnung von 1899/1907 auch die Freischaren dem Kriegsrecht. (Unter ihnen werden Formationen verstanden, die sich im Kriege auf Veranlassung einzelner oder politischer Verbände durch freiwilligen Zuzug bilden.) Außerdem erkennt die Haager Landkriegsordnung die Bevölkerung eines noch n i c h t besetzten Gebietes, die sich von sich aus gegen den herannahenden Gegner zum bewaffneten Kampf erhebt, als Teil der kriegsführenden Macht an.

Da die Freischaren den regulären Streitkräften angegliedert sind, sind sie nach dem Haager Landkriegsabkommen von 1899 als deren Bestandteil zu behandeln - allerdings nur , wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen: sie müssen einen verantwortlichen Führer haben, ein bestimmtest von fern zu erkennendes Abzeichen tragen, ihre Waffen offen führen und die Kriegsbräuche achten.-

Vom jeweils verantwortlichen Führer abgesehen, haben diese Bestimmungen die Tätigkeit der sowjetrussischen Partisanen in erheblichem Umfange nicht gedeckt. Zwar haben die Haager Abkommen vom 12. August 1949 - also erst n a c h dem hier abgehandelten Zeitraum - den Schutz des Kriegsrechtes auf organisierte Widerstandsgruppen in einem vom Feinde besetzten Gebiet erweitert - allerdings wiederum nur für diejenigen von ihnen, die die - genannten - Voraussetzungen für Freischaren erfüllen. "Personen, die außerhalb dieser Voraussetzungen im besetzten Gebiet den Gegner bekämpfen, insbesondere durch heimliche Überfälle und Attentate, genießen den Schutz des Rechts nicht und fallen der Strenge des Kriegsrechts anheim."30

Diese Bestimmungen haben bereits früher und damit auch für die sowjetrussischen Partisanen gegolten, die nach Angriffsbeginn gegen Soldaten der Wehrmacht vorgegangen sind. Und: "Die sowjetische Seite war es, die den völkerrechtswidrigen Partisanenkrieg entfesselt hatte."31 Die Darstellung des Partisanenkrieges als einer kampfweise, "die in der Regel ohnehin nur aus zusammenhanglosen Einzelaktionen'' besteht, ist schwierig, weil "die Bevölkerung in den besetzten Landesteilen den deutschen Truppen, wenn sie diese nicht gar als Befreier begrüßte, so ihnen doch mit Neugier und in abwartender Haltung, auf jeden Fall aber ohne Haß und Feindschaft entgegensah."32

Trotz der großen Wirksamkeit der Partisanentätigkeit nach 1918 hatte der Partisanenkrieg in der Sowjetunion danach in der Theorie so sehr an Bedeutung verloren, daß um die Mitte der 1930er Jahre die praktische Vorbereitung für ihn endgültig aufhörte. Die Gründe lagen zum einen "in dem dieser Kriegsform innewohnenden Geist der Ungebundenheit", den Lenin und mehr noch Stalin bekämpften, und zum anderen in der sowjetischen Militärdoktrin. Diese war so sehr gen feindlicher Heere auf das eigene Territorium ausgeschlossen wurde. Als dieser als unmöglich angenommene Fall mit dem deutschen Angriff im Juni 1941 praktisch doch eintrat, konnte sich die Partisanenbewegung nur unter großen Schwierigkeiten entwickeln.33

Das "geringe Ausmaß des Partisanenkampfes'' und die - bis zum Frühjahr 1942 - "schwache Wirksamkeit des Partisanenkrieges'', der "in der Regel durch Hinterhalte und Überfälle, selten durch offene Angriffe bewaffneter Zivilpersonen'' gekennzeichnet war,34 lag neben den genannten Gründen vor allem daran, daß die Partisanen keinen sicheren Rückhalt in der Bevölkerung besaßen. Zu der weitverbreiteten allgemeinen Unzufriedenheit mit dem sowjetischen Herrschaftssystem kam folgendes hinzu: Die Bewohner der westlichsten Landesteile, d.h. diejenigen Gebiete Polens, die Stalin als Ergebnis seines Paktes mit Hitler seit August 1939, und die baltischen Staaten, die er im Juni 1940 der Sowjetunion einverleibt hatte, fühlten sich in keiner Weise dem sowjetischen Herrschaftssystem zugehörig und zur Unterstützung veranlaßt. Im Gegenteil, zunächst sahen sie in den Deutschen die Befreier. Deren Verhalten wirkte auf sie allerdings verschiedentlich so negativ, daß es "die Bevölkerung stellenweise den Partisanen in die Arme" trieb.35

Wie wenig wirkungsvoll die Partisanentätigkeit in den ersten Monaten des deutsch-sowjetischen Krieges auch gewesen ist - es ist eine historische Tatsache, daß der Partisanenkrieg gleich nach Beginn des deutschen Angriffs im Juni 1941 begonnen hat.

Diese historische Tatsache wird von Heer geleugnet. Er behauptet, daß es im zweiten Halbjahr 1941 einen "Partisanenkampf ohne Partisanen" (S. 107, 109, 11) gegeben hat. Die Direktive, die der Rat der Volksbeauftragen und das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) am 29.6.1941, also bereits eine Woche nach Beginn des deutschen Angriffs, erlassen hatte, erwähnt Heer nicht. In ihr "wurden die Partei- und Sowjetorgane der frontnahen Bereiche in allgemeiner Form aufgefordert, alle Kräfte der sowjetischen Bevölkerung zum Kampf gegen die Deutschen zu mobilisieren und einen allumfassenden Volkskrieg im Hinterland des Feindes zu organisieren."36

Erst der entsprechende Aufruf, den Stalin am 3. Juli 1941 über den Rundfunk an die Völker der Sowjetunion richtete, wird von Heer genannt. Dann spricht er von dem Beschluß des Zentralkomitees der KPdSU am 18. Juli 1941, daß der Kampf "im Hinterland der deutschen Truppen" zu organisieren war. Die hierauf fußende Tätigkeit der Zentralkomitees der KPdSU in den Unionsrepubliken und der ihnen nachgeordneten Parteiinstanzen schlugen sich in der Herausgabe zahlreicher, die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Einzelanweisungen nieder. Sie bleiben in Heers Darstellung unerwähnt.

Statt dessen nennt Heer Gründe, warum kein Gedanke an Widerstand habe entstehen können: einmal "die Dampfwalze des deutschen Überfalls". (S. 107) Was mit diesem ebenso unsachlichen wie unverständlichen Ausdruck gemeint sein könnte, läßt sich nur vermuten: vielleicht war die Schnelligkeit des deutschen Vormarsches gemeint. Außerdem: "Wegen der erst zweijährigen Zugehörigkeit des ehemals polnischen Gebietes zum Sowjetstaat waren Partei und Massenorganisationen noch schwach und wenig verankert." (Ebd.) - Diese beschönigende Aussage wird den Verhältnissen, die damals geherrscht haben, in keiner Weise gerecht. Vom Herbst 1939 bis zum Juni 1941 wurden etwa 1,5 Millionen Menschen aus den polnischen Ostgebieten, die die Sowjetunion annektiert hat, in die Sowjetunion deportiert.37

Die übrige polnische Bevölkerung hatte keinerlei Veranlassung, die sowjetischen Unterdrücker zu unterstützen.38 Dies wird von Heer stillschweigend übergangen. Er spricht nur einmal - an anderer Stelle - davon, daß sich die Bevölkerung nach den Berichten der Einsatzgruppen in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten "in der Mehrheit abwartend-freundlich" (S. 108) verhalten habe. Seine Behauptung vom Partisanenkampf ohne Partisanen im zweiten Halbjahr 1941 widerlegt Heer selbst, weil er sich ständig in Widersprüche verwickelt. Die sogenannten Vernichtungsbataillone, die nach den Anrufen Stalins und den Organen der KPdSU im Juni/Juli 1941 aufgestellt wurden, hatten vor allem das Hinterland der Roten Armee zu sichern, "notfalls auch den Kampf im Rücken des Feindes aufzunehmen."39

Neben den Vernichtungsbataillonen nennt Heer "Diversionsgruppen'', die von sowjetrussischen Flugzeugen hinter den deutschen Linien abgesetzt worden sind. Er bezeichnet sie als "Sprengstoffspezialisten, die erste Angriffe auf Nachrichten- und Nachschubverbindungen unternahmen." (S. 107) Obwohl die Angehörigen dieser "Diversionstrupps" aufgrund ihrer Tätigkeit im Hinterland des deutschen Feindes Partisanen waren, verschweigt Heer dies.

Um seine irrige Auffassung vom "Partisanenkampf ohne Partisanen" zu retten, meint Heer abwiegelnd nur, daß diese Trupps "als wandernde bewaffnete Gruppen maßgeblich zum Entstehen einer späteren (!) Partisanenbewegung" beigetragen hätten. (S. 107f .) Heer vermeidet es geflissentlich zu klären, welchen Status die Angehörigen dieser Gruppen besessen haben und ob sie unter den Schutz des Kriegsrechtes gefallen sind oder nicht. Bei den Angehörigen dieser Gruppen hat es sich bereits um Partisanen gehandelt. So sieht es Heer - allerdings an anderer Stelle - selbst: "eine erste Orientierung über die Absichten der Partisanen und die Methoden, sie zu bekämpfen", habe Himmlers Kommandostab schon am 6. Juli 1941 formuliert; am 17. Juli folgten Anweisungen über Feindaufklärung und Erkundung, wenig später kursierten die übersetzten "Kampfanweisungen für Partisanengruppen der Roten Armee", im August und September lagen die ersten umfassenden Erfahrungsberichte der Einsatzgruppe A vor, auf deren Grundlage Himmler am 18. November 1941 seinen Kommandobefehl Nr. 42 erstellte." (S. 124) Dies alles wertet Heer als "die erste fundierte Einschätzung der sich abzeichnenden zweiten Front" und schlüssigen "Versuch einer wirksamen Abwehr." (Ebd.) - Alles in der zweiten Jahreshälfte 1941!

Daher zeigen alle diese Vorgänge, deren ersten Heer auf den 6. Juli 1941, d.h. auf nur zwei Wochen nach Angriffsbeginn datiert, daß es eine (wenn auch zunächst noch geringe und wenig erfolgreiche) Partisanentätigkeit - durch "Diversionsgruppen" u.a. - gegeben hat. Die verharmlosenden Bemerkungen, daß die Partisanenbewegung, von der angeblich "im ersten Halbjahr der Besatzung keine Rede" sein konnte (S.108) "bestenfalls im Stadium des Aufbaus", "improvisiert'', "unkoordiniert", "weitgehend isoliert" (ebd.) gewesen sei, bestätigen alle letztlich nur, daß es sie damals schon gegeben hat. Anderenfalls wären alle diese sie beschreibenden Merkmale gegenstandlos. In diesem Zusammenhang ist die Gedankenführung Heers so sprunghaft und brüchig, daß sie noch weniger beweiskräftig ist als sonst. Zunächst spricht er nur davon, daß der "von der Moskauer Zentrale improvisierte Widerstand hinter der Front ... schon im Herbst (1941) gescheitert" sei. (S. 108) Damit gibt er ein weiteres Mal zu verstehen, daß es eben diese Art von Widerstand gegeben hat; sonst hätte er ja nicht scheitern können.

Doch dann geht es nicht etwa mit dem Thema 'Partisanen' weiter, sondern unvermittelt wird davon gesprochen, daß zehntausende von Rotarmisten überlebt und sich versteckt hätten oder unentdeckt geblieben seien. (Ebd.) Ihr Motiv, den deutschen Kapitulationsaufrufen nicht zu folgen, wird als "unpolitisch'' bezeichnet; er sei dem "Selbsterhaltungstrieb" entsprungen.

Diese Ausführungen sind so unklar, daß sie nicht erkennen lassen, was Heer eigentlich mitteilen will. Sie werden noch verworrener durch die unmittelbar anschließende Aussage: "Auch die meisten Überfälle folgten dieser Logik", wonach die Masse der - nun wieder Partisanen - überzeugt sei, nach ihrer Gefangennahme erschossen zu werden. Warum er diesen Gruppen, zu denen er offenbar nicht nur versprengte Rotarmisten, sondern auch Partisanen zählt, einen "unpolitischen Charakter" bescheinigt, während "die'' (!) Wehrmacht "offensichtlich die Existenz eines politischen Widerstandes'' gewollt und gebraucht habe, hält Heer verborgen. - Es ist zwecklos, Aussagen interpretieren zu wollen, die inhaltlich so konfus sind, daß Heer sie nicht verständlich ausdrücken kann.

Andere abgerissene Meinungssplitter lassen sich aus dem Kontext erschließen. Bei dem Versuch, "sich ein Bild über das Ausmaß der deutschen Maßnahmen im rückwärtigen Heeresgebiet zu machen, stößt man auf erhebliche Schwierigkeiten." (S. 108) Damit könnte - nur im Bereich des Rückwärtigen Gebietes der Heeresgruppe Mitte - die Behandlung der eben genannten, angeblich unpolitisch motivierten Gruppen gemeint sein. Heer stellt nämlich fest: "Tabellen mit den Zahlen von Erschossenen sucht man vergebens." (Ebd.) In den "zum Teil lückenhaften Monatsberichten des Befehlshabers" (welches?) fänden sich "nur die Zahlen der Gefangenen."

Nun meint Heer ohne Nachweis, daß der "Terminus" Gefangener täuscht. In Wirklichkeit verlangten die Befehle, jeden Gefangenen nach kurzem Verhör zu erschießen." (S. 108f. ) - Heer sagt weder, ob die Gefangenen Kombattanten- Status besaßen, d.h. ob sie kriegsrechtlich geschützte Kriegsgefangene oder ob sie kriegsrechtlich nicht geschützte Partisanen waren noch um welche Befehle es sich gehandelt und wer sie erteilt hat noch gibt er direkt Auskunft darüber, ob diese Befehle immer befolgt worden sind und ob es in jedem Fall zu Erschießungen gekommen ist. (Sie gibt es - möglicherweise unbedacht - unauffällig erst etwas später).

Die Schlußfolgerungen Heers können nicht mehr überraschen: "Geht man, wie die Berichte der im rückwärtigen Heeresgebiet operierenden Sicherungs-Divisionen zeigen, davon aus, daß fast zwei Drittel der Gefangenen erschossen wurden, so kann man die oben zitierte Gefangenenliste als Totenliste lesen." (S. 109) - Mit dieser Art zu argumentieren hat sich Heer selbst vollends abqualifiziert: Er muß eingestehen, daß seine Suche nach Zahlentabellen von Erschossenen vergeblich geblieben ist. Kurzerhand erklärt er den Begriff Gefangener unbewiesen zur Täuschung, verquickt ihn, sachlich unhaltbar, mit dem Verlangen nach undifferenzierter Gefangenentötung und konstruiert dann aus einer Gefangenen- eine Totenliste.

Diese Vorgehensweise kann nicht einmal mehr als unseriös, den einfachsten Regeln allgemein sachlichen oder gar wissenschaftlichen Arbeitens Widersprechend, sondern nur noch als hemmungslose Geschichtsklitterung bewertet werden.


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