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Zur Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944"

Können 8 Gutachter ihr Glaubwürdigkeit verleihen?

Eine Studie über wissenschaftliches Fehlverhalten / A study of scientific misconduct - © Mai 2000 - Ergänzungen und Anfragen an den Herausgeber erbeten Meinrad Frhr. von Ow, Trautenwolfstr. 8, D 80802 München. Fax 089-397198

Meinhard Frhr. von Ow
Meinrad Frhr. von Ow
Nadel, grün

Wehrmachtsausstellung: Können 8 Gutachter ihr Glaubwürdigkeit verleihen? (Teil 1/2)

Inhalt:

Einführung
Die Ausstellung des Jan Philipp Reemtsma und seine Gutachter
Professor Dr. Omer Bartov - ein Wehrmachtsexperte aus USA
Omer Bartov als Buchautor
Bartov und das Hamburger Institut für Sozialforschung

Dr. Cornelia Brink - Analyse der "Ikonen der Vernichtung"
Prof. Dr. Gerhard Hirschfeld - Bibliothek für Zeitgeschichte
Prof. Dr. Friedrich Kahlenberg - Präsident des Bundesarchivs
Professor Dr. Manfred Messerschmidt, Leitender Historiker - Militärgeschichtliches Forschungsamt
Ein Gütesiegel für die Ausstellung aus dem MGFA
Die Lüge von der Lust am Töten, die Lüge vom straffreien Töten
Selektive Geschichtsschreibung
707. Division: in einem Monat 10.940 Gefangene davon 10.431 erschossen?
Die Rechtsgarantien des Minsker Prozesses 1946?
Kriegsgeschichte interpretiert durch Manfred Messerschmidt

Professor Dr. Reinhard Rürup
Dr. Christian Streit - Kriegsgefangene waren keine Kameraden
Die Veröffentlichungen von Christian Streit
Christian Streits Verwertungskette
Christian Streit und die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht"

Professor Dr. Hans-Ulrich Thamer
Andrej Angrick und Peter Klein - die Zuarbeiter
Zusammenfassung und Schlussfolgerung

von Meinrad Frhr. von Ow

Einführung

Diese Dokumentation will zusammen mit der vorausgegangenen Schrift: "Korrekturen und Kommentare zur Ausstellung ,Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944'" zu einer sachlichen Analyse der umstrittenen Ausstellung beitragen. Ausgangspunkt ist die Frage nach der historischen Wahrheit. Präziser formuliert: nach der wissenschaftlichen Wahrheit ohne ideologische oder politische Scheuklappen.

"Die Wissenschaft ist immer in der Pflicht, sich um die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu bemühen." Diese Maxime hat der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Prof. Dr. Hubert Markl, im Oktober 1999 als Leitmotiv der Internationalen und Interdisziplinären Ringberg-Konferenz "Ethos der Forschung" bezeichnet.1 Schon zwei Jahre vorher hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nach dem Skandal um die Krebsforscher Herrmann und Brach eine Internationale Kommission eingesetzt, die eine Denkschrift zur "Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" mit 16 Empfehlungen formuliert hat.2 Einleitend stellt sie fest, dass Unredlichkeit - anders als Irrtum - fundamental den Grundsätzen der Wissenschaft widerspricht und das Vertrauen der Öffentlichkeit untergräbt. Unter den Begriff "wissenschaftliches Fehlverhalten" (sientific misconduct) fallen Behinderung der freien Forschung, Plagiat, Verfälschung, Fälschung, Betrug, selektive Auswahl von Grundlagen Quellen und Gutachtern, Verschweigen von Befangenheit und Diffamierung von Kritikern.

Auch in den Geisteswissenschaften lassen sich gravierende Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit nachweisen. Politik und Ideologie spielen dabei oft eine entscheidende Rolle. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften hat dafür in einem Themenheft "Lug und Trug in der Wissenschaft" den Fall der Anthropologin Margaret Mead angeführt, die in ihrem Buch "Kindheit und Jugend in Samoa" eine angeblich von sexuellen Tabus freie Gesellschaft und eine glückliche repressionsfreie Erziehung schildert. Es wurde zum Kultbuch der 68er Generation, denn es zeigt eine real existierende "Befreite Gesellschaft", die die Auffassungen der Kritischen Theorie von Herbert Marcuse und des "Frankfurter Instituts für Sozialforschung" zu bestätigen schien. Die schöne Seifenblase platzte jedoch, als 1978 Derek Freeman die Fälschung entdeckte. Er verstand im Gegensatz zu Mead die Sprache der Eingeborenen von Samoa und fand dort eine hierarchische Gesellschaft mit rigiden sexuellen Tabus und hoher Jugendkriminalität.

Bei der Ringberg-Konferenz beschäftigte sich ein Vortrag mit dem Thema "Geisteswissenschaften zwischen Politik und wissenschaftlichem Ethos". Der Redner beschränkte sich dabei auf die Rolle deutscher Historiker im NS-Systems. Es ist jedoch müßig, nachzuweisen, dass in totalitären Systemen die Wissenschaft von der Genetik bis zur Geschichte in den Dienst einer Ideologie gestellt wird und sich dazu auch willige Vollstrecker finden. In der Sowjetunion standen dafür Namen wie Mitschurin oder Lyssenko, während Pawel Florenskij im Gulag erschossen und Andrej Sacharow nach Gorki verbannt wurde. Die heutige Ethik-Diskussion kann sich nur auf eine Gesellschaft beziehen, in der Meinungsfreiheit herrscht und selbst religiöse Tabus, soweit sie nicht moralischer Natur sind, die Forschung nicht mehr behindern. Gerade das macht ihre Ernsthaftigkeit und ihre Brisanz aus.

Die Debatte über die Ausstellung des Jan Philipp Reemtsma, die gegen Ende des Jahres 1999 geführt wurde, hat aufgedeckt, in welchem Ausmaß die Aussteller gegen die Maximen der DFG und damit gegen die Redlichkeit in der Wissenschaft verstoßen haben. Die nachstehende Analyse will der Frage nachgehen, ob die seit sechs Monaten im Gang befindliche Überprüfung der Ausstellung den "Grundprinzipien der wissenschaftlichen Arbeit, die in allen Ländern und in allen wissenschaftlichen Disziplinen gleich sind" (DFG) entspricht und eine glaubhafte neue Ausstellung über "Verbrechen der Wehrmacht" ermöglicht.

München, im Mai 2000


Die Ausstellung des Jan Philipp Reemtsma und seine Gutachter

Am 5. März 1995 wurde in Hamburg die Wanderaustellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" des Hamburger Instituts für Sozialforschung (HIS) unter Leitung von Hannes Heer eröffnet. Gründer und Finanzier dieses privaten Unternehmens und Initiator der Ausstellung ist Jan Philipp Reemtsma, der vermögende Erbe eines Grossindustriellen.

Die Thesen, die der Ausstellung zugrunde liegen, sind laut der ZEIT vom 3. März 1995:

  1. Die Wehrmacht war neben der Partei die zweite Säule des NS-Regimes. Ihre Führung hat die Kriegspolitik Hitlers in den 30er Jahren massiv vorangetrieben. Die Generalität war nicht Werkzeug, sondern ein Bundesgenosse Hitlers.

  2. Mit dem Krieg im Osten begann ein Rassen- und Vernichtungskrieg gegen die slawische Bevölkerung. Soldaten der Wehrmacht waren aktiv am Völkermord an Juden und Zigeunern beteiligt.

  3. Schätzungsweise 3 Millionen sowjetische Soldaten sind in deutscher Kriegsgefangenschaft umgekommen bzw. systematisch umgebracht worden. Für diese Verbrechen trägt allein die Wehrmacht die Verantwortung.

In einer Resolution des Verbandes Deutscher Historiker aus dem Jahr 1994 stehen die Sätze: "Es gibt Missbrauch zeithistorischer Informationen im tagespolitischen Kampf. Die Leichtfertigkeit, mit der bisweilen alle Grundsätze der Quellenkritik und der historischen Wahrheitsfindung über Bord geworfen werden, ist geeignet, die politische Kultur des Landes zu beschädigen."

Diese Sätze lassen sich auch auf die gravierenden Mängel, den unwissenschaftlichen Umgang mit Bildern und Texten und die zahlreichen nachgewiesenen Verfälschungen der Ausstellung anwenden. Sie hat damit den Eindruck erweckt, die deutsche Wehrmacht habe im Osten mehrheitlich verbrecherisch gehandelt. Vielfach wurde mit dem Hinweis auf Forschungsergebnisse, auf das vorhandene Quellenmaterial und die Akten von Nachkriegsprozessen Kritik geäußert, die jedoch eine breitere Öffentlichkeit nicht erreichte. Jahrelang haben auch renommierte Historiker diese Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit gedeckt, geduldet oder nicht energisch genug angeprangert.

Die Ausstellung stand deshalb kontraproduktiv einer glaubhaften Darstellung der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg und einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der schuldhaften Verstrickung der Wehrmachtführung in Hitlers Konzept des "Vernichtungskampfes zweier Weltanschauungen" und ihrer Auswirkung auf die Truppe entgegen. Zur Vollständigkeit des Bildes fehlte auch der Kontext mit der Kriegführung des Gegners, um Phänomene verständlich zu machen, also Vergleich nicht als Entlastung von Schuld oder als "Aufrechnung".

Den Höhepunkt erreichte die Ausstellung bei Ihrer Rückkehr von der Wanderung durch 32 Städte und dem Besuch von 900.000 Menschen nach Hamburg. Dort verkündete der Ausstellungsleiter Hannes Heer am 31. Mai 1999 triumphierend:

"Vor vier Jahren hatten wir die Ausstellung auf eigene Verantwortung gezeigt, heute kommen wir als Gäste der Stadt... Unter Helmut Schmidt als Kanzler hätte diese Ausstellung keinen Tag überlebt. Heute aber bestimmen andere Eliten ihren Fortgang... Die Ausstellung hat es auch geschafft, diesen Vernichtungskrieg in die Familien zu ,kippen', wo die Soldatenrolle der Väter und Großväter heute hinterfragt und in einem ganz anderen Licht gesehen wird3."

Am 1. August 1999 übergab das HIS die Ausstellung dem Verein zur Förderung der Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1945" eV., in dessen Kuratorium als Wortführer der ehemalige SPD-Vorsitzende und Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel auftritt. Der Verein soll sich um die Präsentation der Ausstellung in den etwa 50 Ausstellungsorten kümmern, die sie noch zeigen wollen. Die Urheberschaft bleibt jedoch beim HIS.

Im Oktober 1999 erschienen in deutschen Fachzeitschriften drei wissenschaftliche Beiträge, zwei davon aus der Feder junger ausländischer Historiker, die sich kritisch mit der Ausstellung befassten und Verfälschungen nachwiesen, die zum Teil schon seit längerem bekannt waren. Diese Veröffentlichungen fanden ein breites Medienecho, sehr zum Erstaunen ihrer Autoren, die die Aussteller und die Presse über die meisten ihrer Ermittlungen schon frühzeitig informiert hatten. Unter dem Eindruck der in den Medien geäußerten Zweifel und Fragen trat am 4. November um 10 Uhr Jan Philipp Reemtsma in einer Pressekonferenz vor die Öffentlichkeit und gab die sofortige Schließung der Ausstellung bekannt. Für den nächsten Standort hatte die Stadt Braunschweig nach Zeitungsberichten bereits 140.000 DM bereitgestellt. Reemtsma rang sich auch dazu durch, die für Dezember vorgesehene Präsentation in New York zurückzuziehen. Hans-Jochen Vogel, der in der Pressekonferenz neben Reemtsma saß, erklärte: "Der Schaden durch punktuelle Korrekturen ist größer als durch ein Zurückstellen" und sprach die Hoffnung aus, dass die Ausstellung ihre Krise überwindet und nach der auf drei Monate angesetzten Schließung "ihrer eigentlichen Aufgabe von Neuem gerecht werden kann."

Ein wissenschaftliches Gutachtergremium, das sich am 22 November 1999 konstituiert hat, soll die Exponate der Ausstellung prüfen und überarbeiten. Seine Mitglieder sind: Prof. Dr. Omer Bartov, New Brunswick, USA; Dr. Cornelia Brink, Freiburg; Prof. Dr. Gerhard Hirschfeld, Stuttgart; Prof. Dr. Friedrich Kahlenberg, Koblenz; Prof. Dr. Manfred Messerschmidt, Freiburg; Prof. Dr. Reinhard Rürup, Berlin; Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer, Münster. Jan Philipp Reemtsma hat sie im einzelnen ausgewählt und verpflichtet, bei der Neupräsentation der Ausstellung solle weiterhin "der zugrundeliegende Verbrechensbegriff hinsichtlich Täter, Mittäterschaft und Verantwortlichkeit ... thematisiert" werden. Keiner der Gutachter hat dieser Forderung widersprochen. Anfang 2000 ist Dr. Christian Streit dem Gremium beigetreten. Dr. Peter Klein und Andrej Angrick arbeiten ihm zu. Die "Antifaschistischen Nachrichten" Nr.24/99 schreiben dazu: "Die Fehlerkorrektur ... liegt nun außerhalb des Institutes bei einem wissenschaftlichen Beirat. Ihm gehören Kritiker der Ausstellung (F.P. Kahlenberg) sowie dem Institut gegenüber freundlich gestimmte Militärhistoriker (Bartov, Messerschmidt) an.

Es gab aber auch Stimmen, die das Unterfangen, die Ausstellung zu überarbeiten, für aussichtslos halten. So schrieb die "Berliner Zeitung" in einem Kommentar wenige Tage nach der Schließung der Ausstellung, dass die Historiker Lothar Gall, Hans-Peter Schwarz und Horst Möller die endgültige Schließung fordern und die "Süddeutsche Zeitung" vom 7. Dezember meldete: "Viele Historiker schlagen hinter vorgehaltener Hand vor, das Institut solle lieber eine ganz neue Ausstellung zum Thema machen, Verbesserungen allein nutzten wenig." Auch einer der acht Experten, Prof. Thamer, hat gegenüber im SPIEGEL 45/1999 seine Skepsis gegen eine nur dreimonatige Überprüfungszeit geäußert.

In den sechs Monaten seit der Schließung wurden die Kritiker Dr. Musial und Dr. Ungväry gehört, die ihre bisher nicht widerlegten Befunde vortrugen. Auch die Ausstellungsmacher Hannes Heer, Dr. Boll und Dr. Manoschek kamen ausführlich zu Wort. Auf der letzten Sitzung am 8. April trug Reemtsma den Gutachtern einen Entwurf für eine mögliche Transformation der Ausstellung vor. Mit einem Abschlussbericht der Kommission ist nicht vor Oktober 2000 zu rechnen.

Der Verfasser will nachstehend den Leser über die einzelnen Mitglieder des wissenschaftlichen Gremiums und ihre beiden Zuarbeiter, ihre Kompetenz und ihre Einstellung zum Gegenstand ihrer Gutachtertätigkeit informieren.

Professor Dr. Omer Bartov - ein Wehrmachtsexperte aus USA

Der Militärhistoriker Omer Bartov ist 1954 in Israel geboren, aufgewachsen und nach seiner Schulzeit in die Armee eingetreten. 1973 wurde er zum Offizier befördert. Nach vier Jahren quittierte er den Dienst und begann an der Universität von Tel Aviv ein Studium in Geschichte mit Schwerpunkt Militärgeschichte. Er setzte seine Studien in Oxford als Student des St. Anthony's College fort und promovierte dort mit einer Arbeit über die Wehrmacht im Ostfeldzug. Nach einer Lehrtätigkeit an den amerikanischen Universitäten Princeton und Harvard war er als Alexander von Humboldt-Stipendiat 1985/86 am Militargeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg tätig. Dort betreute ihn Prof. Dr. Manfred Messerschmidt, der Leitende Historiker des Amtes. Dessen Studie "Die Wehrmacht und der NS-Staat" bezeichnet Bartov als wegweisend für seine Arbeit. Heute lehrt er an der Rutgers University in New Jersey.

Omer Bartov als Buchautor

Omer Bartovs Dissertation mit dem Titel "The barbarisation of warfare. German officers and soldiers in combat on the Eastern Front 1941 - 1945", Oxford 1983, umtaßt 320 Seiten. Sie befasst sich mit drei an der Ostfront eingesetzten Divisionen stellvertretend für die Wehrmacht als Ganzes und erschien 1986 in überarbeiteter Form in New York unter dem Titel "The Eastern Front. German troops and the barbarisation of warfare". 1992 veröffentlichte Omer Banov in London das Buch "Hitler's Army. Soldiers, Nazis and War in the Third Reich", das 1995 unter dem Titel "Hitlers Wehrmacht. Soldaten, Fanatismus und die Brutalisierung des Krieges" in Hamburg in deutscher Übersetzung erschienen ist. Einleitend stellt Bartov fest, dass er mit seinen Überlegungen das "Verständnis der Nazifizierung deutscher Soldaten verbessern" will. Um seine These von der Brutalisierung des Krieges im Kampf zwischen Deutschland und der Sowjetunion zu begründen, operiert er mit vier ungewöhnlichen soziologischen Begriffen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll:

  1. Die Entmodernisierung der Front.
  2. Die Zerstörung der Primärgruppe.
  3. Die Pervertierung der Disziplin.
  4. Die Verzerrung der Wirklichkeit.

Das Bild, das Bartov von der deutschen Wehrmacht zeichnet, lässt sich mit nachstehenden Zitaten aus seinem Buch definieren.

Das Vorwort beginnt mit den Feststellungen: "Die Truppe wurde auf der einen Seite dazu angestachelt, mit auserordentlichem Einsatz zu kämpfen, auf der anderen beispiellose Verbrechen zu begehen ... Die vorliegende Arbeit soll verstehen helfen, wie aus normalen Männern hochqualifizierte und entschlossene Soldaten gemacht werden können, Werkzeuge einer barbarischen Politik und ergebene Anhänger einer mörderischen Ideologie." Und: "Solange viele verbrecherische Maßnahmen des Heeres von oben angeordnet wurden, kamen Soldaten ungestraft davon, wenn sie trotz ausdrücklichen Verbotes plünderten und wahllose Erschießungen durchführten ... Der Zusammenhalt der Truppe beruhte auf einer Pervertierung der moralischen und rechtlichen Grundlagen des Kriegsrechts" (S. 21).

Im Abschnitt "Die Pervertierung der Disziplin" ergänzt dies Bartov mit widersprüchlichen Sätzen wie: "Es war leichter die Brutalität der Offiziere zu ertragen, wenn man andere brutal behandeln durfte" (S. 112). "Das Ostheer wurde also durch eine Kombination aus eiserner Disziplin im Feld und einer allgemeinen Lizenz zur barbarischen Behandlung des Feindes zusammengehalten" (S. 113) und es "war klar, dass die Versuche, die Truppe im Zaum zu halten, fehlschlagen mussten, wenn man ihr gleichzeitig eine Lizenz zum Morden ausstellte" (S. 134). Nach Bartov "bot der Krieg im Osten dem Landser zahllose Gelegenheiten, mit oder ohne Erlaubnis zu morden und zu zerstören, zu rauben und zu plündern, zu vergewaltigen und zu foltern, Vergehen, für die er selten bestraft und nicht selten von seinen Vorgesetzten gelobt wurde" (S. 143). Für die letzte Phase des Krieges meint er: "Voller Furcht vor den Vorgesetzten und außerstande, den Feind zu besiegen, ließen die Soldaten ihre Frustration zunehmend an den Zivilisten und Kriegsgefangenen in den besetzten Gebieten aus" (S. 95). Anders verhielt sich laut Bartov die sowjetische Armee: "Selbst die Rote Armee hielt ihre Männer nach dem Einmarsch in Deutschland besser im Zaum, als es die Wehrmacht in Russland tat" (S. 134). Er greift deshalb den Historiker Andreas Hillgruber an, der behauptet, "die Rote Armee beging genau die Barbareien, die die nationalsozialistische Propaganda prophezeit hatte." Folglich brauche Hillgruber keine Bedenken zu haben, "die deutschen Opfer der ,bolschewistischen Racheorgien' zum Objekt seines Rankeschen Mitgefühls zu machen" (S. 212).

Bartov verzerrt die Wirklichkeit ausgerechnet in seinem Kapitel "Die verzerrte Wirklichkeit", indem er seine Aussage im Vorwort von den Wehrmachtsoldaten als "ergebene Anhänger einer mörderischen Ideologie" zu bekräftigen sucht mit Sätzen wie: " Die Legalisierung der am Feind begangenen Verbrechen durch die Armee, die Tolerierung von Disziplinlosigkeiten der Truppe im Umgang mit eben diesem Feind ... bezogen ihre Legitimität aus der Akzeptanz der nationalsozialistischen Weltanschauung" (S. 148) und "Die Propaganda der Wehrmacht ... porträtierte Hitler und die Nationalsozialisten als Werkzeuge Gottes", um Deutschland vor dem Kommunismus zu schützen (S. 189). Bartov meint, dass zu Haus wohl noch etliche unempfänglich für eine Indoktrination geblieben wären, aber, sobald sie die Uniform überstreiften von der " Wehrmacht verschluckt und zu Hitlers Werkzeugen geschmiedet wurden ... Auch die Arbeiter im Ruhrgebiet ... gehörten zu denen, die viele Beobachter zu Hitlers treuesten Anhängern rechneten" (S. 271 f.). Er kritisiert die Historiker, die diese Thesen bezweifeln wie Hans Mommsen, Andreas Hillgruber und sogar seinen Mentor Manfred Messerschmidt. Bartovs Argumentationsmuster erinnern unwillkürlich an die von ihm angeprangerte Darstellung der Feinde als "gläubige" Kommunisten und nicht als Berufssoldaten oder Patrioten, die ihr Vaterland verteidigten, durch Hitler. Hätte dieser damit Recht gehabt, wäre Stalin nicht gezwungen gewesen, den "Großen Vaterländischen Krieg" zu propagieren und mit einer Kehrtwendung die orthodoxe Kirche vor seinen Karren zu spannen.

Bartov und das Hamburger Institut für Sozialforschung

Omer Bartov ist mit dem Hamburger Institut und mit dessen Mitarbeitern engverbunden. Hannes Heer hat schon während der Vorbereitungsphase Kontakt zu ihm gesucht. Bartov hat bereits 1994 in Nr. 5 der Institutszeitschrift "Mittelweg 36" S. 5-21 einen Beitrag "Wem gehört die Geschichte? Wehrmacht und Geschichtswissenschaft" geschrieben, der die gleichen Urteile über die Wehrmacht enthält wie seine Bücher. Bartov war zumindest 1994 der Ansicht, dass in Deutschland die Militärgeschichte im wesentlichen weiterhin in der Hand von Traditionalisten liegt, auch wenn inzwischen Fortschritte erzielt wurden. Er spricht von ausgeprägten apologetischen Tendenzen und Beiträgen von traditioneller, konservativer Machart. Er bewundert das Werk "Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg", vor allem Band IV, kritisiert aber die "Rankesche Mixtur aus Geschichte von oben und rigidem Festhalten an - letzten Endes doch höchst verdächtigen - Dokumenten". Bartov bemängelt eine nur "dürftige Berücksichtigung der Sozial- und Kulturgeschichte" und die Vernachlässigung der "Massen-Mitwisserschaft" der Soldaten bei der Verwirklichung der "Endlösung". Heute, sechs Jahre später, dürfte dieses Defizit an Zeitgeist behoben sein. Das "Festhalten an höchst verdächtigen Dokumenten" ist - anders als von Bartov gesehen - der entscheidende Vorwurf gegen die Aussteller durch ihre Kritiker.

Später hat Bartov die Ausstellung in Stuttgart, Dresden und Salzburg mit Vorträgen über "Hitlers Armee" begleitet. Bartov war Mitglied des Organisationskomitees, das die amerikanische Version der Ausstellung "Vernichtungskrieg" mit dem zugehörigen, vom Goethe-Institut mitveranstalteten Symposium vorbereitete. Er arbeitete seit Frühsommer 1999 an der amerikanischen Fassung des Begleitbuches und des Kataloges, der bereits vor dem Moratorium der Ausstellung gedruckt und ausgeliefert wurde.

In der New Yorker Zeitung "Aufbau" vom 9. Juli 1999 stimmt er seine Landsleute auf die kommenden Veranstaltungen ein und spricht davon, dass die Bilder der Ausstellung die millionenfachen im Osten verübten Mordtaten der Wehrmacht in Erinnerung zurückrufen, denn "diese Verbrechen waren die Regel und der Alltag, ... Millionen von Soldaten waren an Millionen von Morden beteiligt ... Wir sehen Bilder von Soldaten aufgenommen, die Soldaten zeigen, die fasziniert von Mordtaten sind" und in denen er "einen Genuss am Töten erkennt". Er kritisiert die Aussage des Potsdamer Historikers Rolf-Dieter Müller, dass weniger als fünf Prozent der Wehrmachtssoldaten an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen seien, als schlichten Blödsinn. Leitmotiv seiner Arbeit sei die Frage, wer "die 27 Millionen Bürger der Sowjetunion, die meisten von ihnen Zivilisten, Frauen, Kinder und alte Männer," umgebracht hat. Dieser Zahl stellt er in der "Welt" vom 3. Dezember 1999 vier Millionen tote Deutsche im Zweiten Weltkrieg gegenüber, von denen mehr als drei Millionen Soldaten waren. Woher Bartov diese unhaltbaren Zahlen nimmt, verrät er allerdings nicht.

In einem Interview mit der "Welt" vom 29. Oktober 1999 bekräftigte Bartov seine Auffassung, dass die Vorwürfe gegen die Aussteller von extrem geringer Bedeutung seien: "Die Beweise sind absurd. Es wird so getan, als sei ein Meteor eingeschlagen." Von "schweren Zweifeln" an der ganzen Ausstellung zu sprechen, sei "absoluter Unsinn". Heer hätte das große Verdienst, "die Arbeit über Wehrmachtsverbrechen von deutschen, britischen, amerikanischen und israelischen Forschern einer breiten Öffentlichkeit nahe gebracht zu haben." Bartov behauptet, dass 80 Prozent der deutschen Soldaten an den Massentötungen im Osten beteiligt waren oder davon gewusst hätten. Er beschuldigt "auch westliche Historiker, die meist selbst Soldaten waren, hätten ihren Teil getan zur Reinwaschung der Wehrmacht."

Ähnliche Behauptungen finden sich in Bartovs Beitrag in der "Welt" vom 3. Dezember 1999. Er spricht von der Wehrmacht, die alle Schichten des Volkes repräsentierte, als dem "entscheidenden Instrument zum Vernichtungskrieg in Hitlers Hand, ohne dessen willige, ja sogar enthusiastische Kooperation keiner seiner Pläne umgesetzt worden wäre." Er reitet schaffe Attacken gegen deutsche Historiker, nicht nur "unter neuen Konservativen wie Horst Möller und Rolf-Dieter Müller", sondern noch stärker gegen solche "aus dem liberalen und linken Spektrum der deutschen Politik, Universität und Intelligenz." Er wirft Ihnen vor: "Die neu inthronisierten Professoren, die einst zu den Jeans tragenden Mitgliedern der 68er-Generation gehörten, wandeln sich zu deutschen Patrioten." Es ist ihm unverständlich, dass sogar "scharfsinnige Zeitgenossen, wie Ulrich Herbert aus Freiburg und Norbert Frei aus Bochum sich genötigt fühlten, ihre Kritik an den konservativen Angriffen mit kritischen Bemerkungen zum Hamburger Institut für Sozialforschung einzuleiten."

"Balsam für Reemtsma" überschreibt die "Süddeutsche Zeitung" vom 7. Dezember 1999 einen Beitrag über ein Symposium, das im Dezember in New York von der Cooper Union University und dem Goethe-Institut veranstaltet wurde und ursprünglich als Begleitveranstaltung zur Ausstellung vorgesehen war. "Es ist ein Fehler, die Ausstellung zurückzuziehen", sagte Bartov zu Beginn seines Vortrages und viele Zuhörer "fanden es unglaublich, dass eine erfolgreiche und weitgehend fundierte Ausstellung aus dem Verkehr gezogen wird, weil ein Dutzend Bilder falsch beschriftet ist." Bartov sieht in der Diskussion um die Ausstellung eine neue Form des Revisionismus, der "eine neue Schlacht, wenn nicht den Krieg gewonnen hat."

Zusammenfassend zeigen die Aussagen Bartovs einen Historiker, dem die Distanz und die Unvoreingenommenheit zum Thema seiner Forschungen völlig fehlt. Unverdrossen stellt er die ihm offensichtlich verhasste Wehrmacht als einen integralen Bestandteil, ja als wirkungsvollste Stütze des nationalsozialistischen Systems dar. Er weist immer wieder und pauschal auf eine Größenordnung von Verbrechen hin, die selbst einem oberflächlichen Kenner der deutschen Zeitgeschichte und einem nüchternen Denker unglaubhaft erscheinen muss. Dies ist umso unverständlicher, als Bartov selbst als Israeli Offizier einer Armee war, die damals einen Krieg führte und als Besatzungsmacht einer feindseligen Bevölkerung gegenüberstand.

Dr. Cornelia Brink - Analyse der "Ikonen der Vernichtung"

Die von Prof. Reinhard Rürup betreute Dissertation von Frau Cornelia Brink "Ikonen der Vernichtung: öffentlicher Gebrauch von Fotografien aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern nach 1945" ist in der Schriftenreihe des Fritz-Bauer-Instituts, Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, 1998 erschienen. Frau Brink hat damit einen ganz wesentlichen Beitrag zur Rezeption zeitgeschichtlicher Dokumente in Deutschland geleistet. Prof. Dr. Reemtsma und die Mitarbeiter des HIS haben leider versäumt, die 266 Seiten dieser Analyse zur Vorbereitung ihrer Ausstellung zu lesen. Denn die "Schockpädagogik" der unmittelbaren Nachkriegszeit wird mittlerweile mit der Erfahrung abgelehnt, dass Gräuelfotos die falschen Emotionen auslösen. Sie stehen für Schuld statt für Verantwortung, für Schock, Lähmung und Sprachlosigkeit; aus ihnen lässt sich keine Handlungsperspektive für aktuelle Probleme gewinnen, erst recht nicht, wenn die Bildlegenden falsch sind.

Die Wiener Historikerin Gabriele Anderl hat in ihrer lesenswerten Rezension in der "Süddeutschen Zeitung" vom 7. Dezember 1998 die Erkenntnisse Cornelia Brinks im Kapitel "Das Scheitern der optischen Entnazifizierung 1945" folgendermaßen zusammengefasst:

"Der Anspruch der Alliierten, mit ihrer ,Strategie der Wahrheit'... ,unwiderlegbare Fakten' zu präsentieren, überdeckte die Tatsache, dass sehr wohl eine Auswahl der Fotos getroffen und durch Bildunterschriften und begleitende Texte eine Deutung vorgegeben wurde und die ,Wirklichkeit' der Lager, wie sie damit zum Ausdruck kam, ein Konstrukt war: selektiv, fragmentarisch und interessengeleitet. So konnten die Fotos von Frühjahr 1945 nur eine bestimmte Phase - das letzte Stadium - der KZs abbilden, während der ,reguläre' Betrieb und die komplexe Struktur des Lagersystems ausgespart blieben."

Abschließend weist Gabriele Anderl auf die besondere Bedeutung der Arbeit Brinks hin,

"weil gerade im Umgang mit Fotografien aus der NS-Zeit die in der historischen Forschung übliche Quellenkritik vielfach gänzlich vermisst werden muss. Nicht selten werden noch heute diese Bilder in sorgloser, beliebiger Weise rein illustrativ verwendet. Noch deutlicher hätte ausgesprochen werden können, dass manche Bildbände und Ausstellungskataloge darüber hinaus von Fehlern - zeitlich und räumlich falschen Zuordnungen von Bildern - geradezu strotzen."

Wenn Frau Brink den Maßstab, den sie in ihrem Buch fordert, auch bei der Überprüfung der Ausstellung anlegt, werden die Aussteller so manche liebgewonnene "Ikone" entfernen müssen, die inzwischen als Beleg für (die!) "Verbrechen der Wehrmacht" gilt.

Prof. Dr. Gerhard Hirschfeld - Bibliothek für Zeitgeschichte

Professor Dr. Gerhard Hirschfeld, geboren 1946, studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Germanistik. Er promovierte 1980 in Düsseldorf mit dem Thema "Fremdherrschaft und Kollaboration. Die Niederlande unter deutscher Besatzung 1940 -1945" (1984 als Buch erschienen). 1974 - 1976 war er Lektor für deutsche Literatur in Dublin, von 1978 - 1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in London. Seit 1989 ist Hirschfeld Leiter der Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart, die über 31.000 Bände und 700 Zeitschriften verfügt. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen zählen die Bücher "Der Führerstaat" 1981, "Exil in Großbritannien" 1983, "Kollaboration in Frankreich" 1991 u.a.

Als Herausgeber des 1986 nur in Englisch erschienenen Buches "The policies and genocide. Jews and sowjet prisoners of war in Nazi Germany" bringt Hirschfeld u. a. Beiträge von Hans Mommsen, Jürgen Förster und Christian Streit, dem Autor "des mit viel Beifall aufgenommenen Buches ,Keine Kameraden"'. Streit teilt dem englischen Leser mit, die SS-Einsatzkommandos hätten 580.000 bis 600.000 von der Wehrmacht übergebene sowjetische Kriegsgefangene liquidiert (S. 7). Diese Zahl ist völlig aus der Luft gegriffen. Jürgen Förster übernimmt diese Zahl, "die wir aus dokumentarischen Beweisen wissen", auch wenn Streits Behauptung, alle wären exekutiert worden, nicht immer mit wissenschaftlichen Gründen heftig bestritten wurde (S. 21). Von Hirschfeld stammt nur die Chronologie der Ereignisse, in der er die später widerrufene Behauptung von Streit zum dritten Mal im Buch plaziert (S. 151) und den Kommissar- und Barbarossabefehl als Tötungslizenz für alle Soldaten der Ostfront in den Raum stellt, auch das eine unhaltbare Unterstellung.

1995 hat Professor Hirschfeld mit seiner Mitarbeiterin Irina Renz das Buch "Besiegt und befreit. Stimmen vom Kriegsende 1945" herausgegeben. Die nachstehenden Argumente aus seiner Einleitung zu einer Sammlung von Aussagen aus dem Jahr 1945 entsprechen einer heute weitverbreiteten einseitigen Sicht, die dem Leser ein völlig eindimensionales Geschichtsbild vermittelt. Viele Deutsche wollten nicht einsehen, dass die "Terrorangriffe" der alliierten Luftstreitkräfte gegen Berlin, Dresden, Würzburg und andere Städte und das brutale Vorgehen der Roten Armee auch eine Antwort auf die deutsche Kriegführung war, bemängelt Hirschfeld und schreibt: "Ohne den in der Weltgeschichte beispiellosen Vernichtungsfeldzug der Wehrmacht, der SS ... ohne die Massenmorde ... an der Bevölkerung, ohne den ,Kommissarbefehl' und das von der Wehrmacht billigend in Kauf genommene Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen ... wäre es nicht zu den furchtbaren Ereignissen ... im Osten Deutschlands gekommen" (S. 13). So werden von einem Deutschen die Verbrechen auf deutscher Seite noch übersteigert durch ein Herunterspielen von alliierten und sowjetischen Untaten. Muss denn ein Deutscher heute das Wort Terrorangriffe in Anführungszeichen setzen, wenn es sich dabei um den brutalen Mord an zahllosen Zivilisten und um die sinnlose Vernichtung von Glanzpunkten des europäischen Kulturerbes in Stadtzentren wie Würzburg und Dresden handelt, die keinerlei militärische Ziele aufwiesen?

Im übrigen können die 136 angeführten Brief- und Tagebuchauszüge nicht, wie der Verlag schreibt, "die letzten Tage vor der Kapitulation" dokumentieren. Etwa 25 von ihnen stammen aus Orten wie Lugano, Hollywood, Haifa oder Auckland und von Emigranten wie Bert Brecht, Thomas Mann, John Heartfield u.a., ebensoviele von bekannten Schriftstellern der "Inneren Emigration".

Im Januar 2000 kam es zu einem Streit zwischen den Grünen und dem württembergischen CDU-Landtagsabgeordneten Arnold Tölg, der in einem Interview die Ansicht vertrat, dass die Oststaaten durch den Verlust der deutschen Ostgebiete, Reparationen, Zwangsarbeit und Milliardenzahlungen vollauf entschädigt worden seien. Hirschfeld schaltete sich in die Kontroverse ein und prangerte das Interview in den "Stuttgarter Nachrichten" vom 14. Januar 2000 als "unausgegorene Melange auf gehobenem Stammtischniveau" an. Denn der lange Arbeitseinsatz deutscher Kriegsgefangener, den Tölg als Beispiel für alliierte Verfehlungen genannt hatte, sei völkerrechtlich korrekt gewesen.

Prof. Dr. Friedrich Kahlenberg - Präsident des Bundesarchivs

Prof. Dr. Friedrich Kahlenberg ist 1935 in Mainz geboren und studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und evangelische Theologie. 1963 promovierte er mit einer Arbeit über die kurmainzische Militärpolitik im 17. und 18. Jahrhundert und habilitierte sich 1970. 1964 begann er seine Laufbahn beim Bundesarchiv in Koblenz und wurde 1989 dessen Präsident. 1999 trat er in den Ruhestand. Er ist Mitglied des Beirats des Fritz-Bauer-Instituts, Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Landesgeschichte und über das Archivwesen stammen aus seiner Feder.

Am 13. April 1997 hält Prof. Kahlenberg die Rede zur Eröffnung der Ausstellung in der Frankfurter Paulskirche, für die das Fritz-Bauer-Institut und das Kulturdezernat der Stadt als Veranstalter zeichnen. Er spricht von der inzwischen eingetretenen, alle Erwartungen übertreffenden Wirkung der Ausstellung in der Öffentlichkeit und empfiehlt den Besuchern sich von der Intensität der fotografischen Quellen selbst zu überzeugen. Diese Konfrontation mit authentischem Quellenmaterial sei bei unvorbereiteten Besuchern sicher ein schmerzlicher Prozess. Kahlenberg will deshalb jenen widersprechen, die die Authentizität der gezeigten zeitgenössischen Zeugnisse leugnen und sogar als Motiv der Ausstellungsmacher primär das Anliegen sehen, die Wehrmacht als eine verbrecherische Organisation anzuklagen. Für sie sei die Konfrontation mit den Verbrechen der Wehrmacht eine zutiefst widerwärtige Erfahrung, die um so mehr schmerzt, je intensiver, je unausweichlicher die Anerkennung der Echtheit der gezeigten Aufnahmen sich Ihnen offenbart.

Und noch einmal unterstreicht Kahlenberg: "Ein jeder Zweifel an der Authentizität der gezeigten Bildquellen aus dem Bundesarchiv ist unbegründet, die in der Ausstellung gezeigten Aufnahmen sind echt. Für die Bildquellen aus dem Russischen Staatsarchiv für Film- und Fotodokumente in Dscherschinsk, aus dem Museum des Großen Vaterländischen Krieges in Minsk und jenen aus dem Foto- und Filmarchiv der Staatlichen Archivverwaltung der Ukraine in Kiew, die ich im Juli 1992, im Juni/Juli 1993 bzw. im Oktober 1994 selbst gesehen habe, kann ich das ebenso bezeugen."

Schließlich greift Kahlenberg die 1997 geäußerten Vorwürfe der Historiker Eberhard Jäckel und Horst Möller gegen das einseitige Bild der Ausstellung auf. Er bestätigt zwar, dass vielfach Informationen zuden Bildern fehlen, meint aber "Gewiss, in einer quellenkritischen Edition von Bildmaterial wären diese Informationen zu liefern, ob sie in jedem Fall in die Ausstellung gehören, ist eine andere Frage." Zur Rolle der Medien stellt er zu Recht fest: "In der überwiegenden Mehrzahl der publizistischen Berichte über die Ausstellung findet sich der durchschnittliche Besucher in seiner beschriebenen selektiven Wahrnehmung bestätigt: Im Medienalltag ist eben nur von der ,Wehrmachtsausstellung' die Rede."

Kahlenbergs Gütesiegel auch für die Bilder aus sowjetischen Archiven war den Ausstellern hochwillkommen. Sie hielten dies schon zehn Tage später in einer Presseerklärung ihren Kritikern entgegen und erklärten: "Den Vorwurf einer Fälschung könne man nicht erheben. Fälschungen, Verfälschungen oder Beugungen der historischen Sachlage setzen eine Absicht und niedrige Beweggründe voraus. Dies dem Hamburger Institut für Sozialforschung unterstellen zu wollen, ist absurd."

Im Herbst 1998 wurden Prof. Dr. Kahlenberg einige Textfälschungen und falsche Zuschreibungen von Bildern der Ausstellung, die nicht aus dem Bundesarchiv stammen, vorgelegt. Er wies für die im Bundesarchiv verwahrten Aufnahmen diese Vorwürfe zurück, die auch schon von anderen Kritikern erhoben wurden, und fügte hinzu: "Nach meinem Kenntnisstand gibt es auch für die nicht aus den Bundesarchiv stammenden Bilder keinen Beweis für Manipulation und Fälschung."

Wesentlich kritischer als in Frankfurt hatte sich Prof. Kahlenberg schon bei der Eröffnung der Ausstellung in Koblenz am 12. Juli 1998 und 1999 in Zeitungsinterviews geäußert Laut FOCUS vom 7. Juni 1999 erwartet Prof. Kahlenberg, dass nach dem Übergang der Trägerschaft der Ausstellung an einen Verein, dass "die eine oder andere Sache verbessert und ergänzt wird. Es bedarf einer Nachbearbeitung, Präzisierung und genauer Quellenangaben, um die Aussage der Ausstellung als solche glaubwürdig zu machen." So könne man einen großen Teil der Kritik abfangen. In einem Interview mit dem Koblenzer "Super Sonntag" vom 4. Juli 1999 meint er, dass Fälschungsvorwürfe in vielen Fällen unberechtigt sind. Es gäbe in der Tat aber einzelne Fälle, bei denen die Beschriftung nur pauschal sei. Er empfiehlt deshalb als erster der Redner bei einer Ausstellungseröffnung einfach einmal eine Ruhepause einzulegen, um solche Dinge nachzuarbeiten.


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