Begraben: Zisterzienserkloster Loos bei Lille
Ältester Sohn des Grafen
Ludwig II. von Nevers-Flandern und der Margarete
von Frankreich, Tochter von König
Philipp V.
Lexikon des Mittelalters: Band V Seite 2196
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Ludwig von Male, Graf von Flandern 1346-1384
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* 29. November 1330, + 30. Januar 1384
Brügge
St-Omer
Sohn von Graf Ludwig II. von Nevers und Margarete von Frankreich
1.7.1347
oo Margarete, Tochter Herzog Johanns III. von
Brabant
Weit mehr als sein Vater war Ludwig
von Anfang an bestrebt, ein gutes Verhältnis zu seinen Untertanen
herbeizuführen und die für Flandern lebenswichtigen internationalen
Handelsverbindungen wiederherzustellen. Dennoch konnte er in seinen späten
Regierungsjahren einen Konflikt mit der Hanse nicht vermeiden (1377). Auf
internationaler Ebene vermochte er im französisch-englischen Konflikt
eine neutrale, für die Wirtschaft der Grafschaft günstige Haltung
zu wahren. Er zögerte nicht, wegen der Heirat seiner einzigen Tochter
Margarete
sowohl mit dem englischen als auch mit dem französischen König
zu verhandeln, um sie schließlich 1356 mit Philipp
(Philippe
de Rouvres, + 1361), Herzog von Burgund,
zu vermählen. Nach dessen Tod (die Ehe war kinderlos geblieben) erhielt
Herzog
Philipp der Kühne von Burgund, ein Sohn König
Johanns, die Hand der flandrischen Erbtochter (1369), was wieder
zu nachhaltiger Verstärkung des französischen Einflusses führte:
Ludwigs
Schwiegersohn
griff, gestützt auf die französische Militärmacht, in den
Konflikt des Grafen mit seinen Untertanen (1379-1385) ein, 1382 militärisch
(West-Rozebeke), 1385 (schon nach Ludwigs
Tod)
diplomatisch (Friede von Tiurnai). In seiner inländischen Politik
hat Ludwig es verstanden, einen stark
zentralisierten Regierungs- und Verwaltungsapparat (Finanzwesen, Justiz)
aufzubauen.
Ludwig III. von Maele wurde in der Schlacht von Crecy, in der sein Vater fiel, verwundet und folgte als französischer Vasall und Parteigänger im Hundertjährigen Krieg. Er unterwarf 1349 endgültig Gent und besetzte im Brabant-Erbkrieg 1355 zeitweise Brabant und erzwang die Herausgabe von Mecheln und Antwerpen als Erbteil seiner Frau. 1358-1360 führte die Hanse einen Handelskrieg gegen Flandern zugunsten Hollands und verlegte das Hansekontor von Brügge nach Amsterdam. Ludwig wurde 1361 Graf von Freiburgund-Besancon und Artois und bekam 1369 auch den wallonischen Teil von Artois zurück, wofür er der Heirat seiner Tochter zustimmte und damit den Grundstein für das burgundische Großreich legte. Er regierte als Kronvasall über französisches Gebiet, dessen Bewohner aus wirtschaftlichen Gründen mit England sympathisierten. Deshalb bekriegte er ständig die Städte, die de facto von jeder gräflichen Hoheit unabhängig waren, so daß bis zuletzt bürgerkriegsähnliche Zustande im Lande herrschten. 1382 führte eine Steuererhöhung zu heftigen Revolten mit Philipp van Artevelde an der Spitze. Diesen Aufstand konnte Ludwig von Maele erst niederschlagen, nachdem die Streitkräfte Karls VI. von Frankreich bei Roosebeke am 27.11.1382 das gegnerische Heer besiegt hatten. Bei Dünkirchen wurde Ludwig von den Städten mit englischer Hilfe besiegt und 1384 kam durch französische Vermittlung ein Frieden zu Stande.
Calmette, Joseph: Seite 44,51,55,61
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"Die großen Herzöge von Burgund"
Enttäuscht von dem unerwarteten Tod des ersten verlobten
seiner Tochter, hatte der Graf von Flandern in der Zwischenzeit die Ännäherungsversuche
eines anderen Prinzen, Edmund von Langley,
des Sohnes Eduards III., freundlich
aufgenommen. Die Heirat zwischen Margarete und
Edmund von Langley, dem Grafen von Cambridge und zukünftigen
Herzog von York, hätte es England erlaubt, Flandern zu gewinnen: eine
schwere Bedrohung für Frankreich. Da die junge Flämin nicht nur
ihren Vater, sondern auch ihre Großmutter beerben sollte, wären
durch diese Heirat zahlreiche Lehen in die Hände des Hauses
PLANTAGENET gefallen: das Artois, das Nivernais, Rethel, die
Freigrafschaft und zahlreiche kleinere Lehnsherrschaften. Karl
V. geht folgerichtig zu Werke. Er wendet sich an den Papst von
Avignon, Urban V., da der Klerus bereits seine Zustimmung erteilt hat,
welche die anglo-flämische Heirat ermöglichen soll, denn Margarete
und
Edmund
sind
ja bereits verlobt. Doch der Papst macht einen Strich durch die Rechnung.
Die beiden jungen Leute sind Vetter und Cousine, zwar nur entfernt, aber
gleichwohl in einem für die Ehe kirchlich verbotenen Grade. Der Heilige
Stuhl ist der Ansicht, daß man sich darüber nicht hinwegsetzen
kann. Urban widerruft die bereits ausgesprochene Dispens; er verbietet
dem Klerus sowohl in Frankreich als auch in England, zum Sakrament zu schreiten.
Vor solch entschlossener Haltung sehen sich Ludwig
von Maele und Eduard III. gezwungen,
sich zu beugen. Das Projekt wird fallengelassen. So wird Margarete ein
zweites Mal um ihre Verlobung gebracht.
Welch bessere Vorbereitung der französischen Sache
gab es, als Philipp den Kühnen
zum Erben Margaretes von Frankreich
und Ludwigs von Maele zu machen? Das Mittel liegt auf der Hand:
man muß die ehemals Philipp von Rouvre versprochene
Tochter Margarete von Flandern zur Frau des Nachfolgers ihres ersten
Verlobten machen. Ludwig von Maele sträubt sich allerdings
lange. Zweifellos wird von London nach bestem Wissen ein nachhaltiger Druck
ausgeübt und das neue Heiratsobjekt bekämpft. Offenbar hat die
Intervention Margaretes von Frankreich,
der Großmutter der jungen Prinzessin, die Entscheidung herbeigeführt.
Die KAPETINGERIN Margarete, eine gute
und loyale Französin, spielte die Sache des Königtums geschickt
aus, und es gelang ihr schließlich doch, ihren Sohn zu überzeugen.
Karl
V. wurde nach zähem Feilschen gezwungen, ein unendlich
schmerzliches Opfer zu bringen: nichts Geringeres als die Wiederabtretung
der seinerseits von Philipp dem Schönen
so mühsam erworbenen Annexionen in Flandern. Der dritte VALOIS
fügte sich darein, dem Grafen das wallonische Flandern zurückzugeben:
die Burgvogteien von Lille, Douai und Orchies, welche von
dem letzten der großen
KAPETINGER-Könige
mit der Krone vereinigt worden waren.
Diese Versöhnungsmaßnahme scheint Ludwig
von Maele sehr verstimmt zu haben, allein er starb am 30. Januar
1384 und hinterließ Philipp dem Kühnen
sein imposantes Erbe: die Grafschaften Flandern, Artois, Rethel und
Nevers, die Baronien (Seigneurien) Mecheln und Salins, die Ländereienvon
Isle in der Champagne, von Villemaur und Jully.
Ehlers Joachim: Seite 257,264,271-275
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"Geschichte Frankreichs im Mittelalter"
In Flandern zeigte sich der Sohn des bei Crecy gefallenen
Grafen
Ludwig von Nevers, Ludwig von Male, englischen Angeboten aufgeschlossen,
bei Änderung der traditionell Frankreich zugewandten Politik des Grafenhauses
bessere Bedingungen für den Wollimport zu erhalten und damit die alten
Spannungen zwischen gräflicher Regierung und städtischen Interessen
aufzuheben. Vor allem aber wurde der Graf seiner Erbtochter Margarethe
wegen
umworben, und schon im Jahre 1363 hatte Eduard
III. eine Heiratsverbindung zwischen ihr und seinem Sohn Edmund,
Herzog von York, vorgeschlagen. Der drohenden Einkreisung arbeitete
Karl
V. mit Hilfe des Papstes entgegen, der einen kirchenrechtlich
notwendigen Dispens verweigerte. Statt der englischen Heirat kam es schließlich
im Juni 1369 zur Ehe Margarethes mit Herzog
Philipp dem Kühnen von Burgund unter der Bedingung, daß
die Städte Orchies, Douai und Lille an Flandern zurückgegeben
würden.
Während der Wat Tyler-Aufstand die französische
Monarchie entlastete, wurde sie von den Ereignissen in Flandern direkt
berührt, weil Philipp von Burgund schon
im eigenen Interesse zu Reaktionen gezwungen war. Graf Ludwig von Maele
hatte versucht, den westflandrischen Handel von Gent und dem brabantischen
Antwerpen nach Brügge umzuleiten und damit schon im Jahre 1379 Unruhen
ausgelöst, die bald darauf in Gent Philipp van Artevelde zur Herrschaft
brachten. Artevelde konnte den Grafen von Flandern bei Beverhoutsveld nahe
Brügge besiegen, vertrieb ihn auch aus dieser Stadt und hatte im Herbst
1382 fast die ganze Grafschaft auf seine Seite gebracht. Aus Lille, wohin
er sich geflüchtet hatte, rief Ludwig von Male seinen Schwiegersohn
Philipp
von Burgund zu Hilfe. Im August 1382 verlangte der Herzog im
Conseil einen Feldzug nach Flandern. Karl VI.
selbst
setzte sich an die Spitze eines Heeres, das die Genter am 27. November
bei Roosebeke nordwestlich von Kortrijk schlug und Philipp van Artevelde
den Tod brachte. Ludwig von Male verzichtete um eines freidlichen
Ausgleichs willen auf strikte Bestrafung der Schuldigen und handelte damit
im Sinne des Herzogs von Burgund, der kein kriegszerstörtes, unruhiges
Land erben wollte.
Am 30. Januar 1384 starb Ludwig von Male
in St-Omer und wurde vier Wochen später mit großer Pracht im
Zisterzienserkloster Loos bei Lille bestattet.
Erbe Michael: Seite 42,45,60
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"Belgien, Niederlande, Luxemburg. Geschichte des niederländischen
Raumes."
Ludwig II. von Male war 1346 seinem Vater Ludwig
I. nachgefolgt, der bei der Niederlage des französischen Heeres
gegen die Engländer bei Crecy den Tod gefunden hatte. Anders als sein
Vorgänger setzte er auf Neutralität, was dadurch erleichtert
wurde, daß das französische Königtum in den folgenden Jahren
mit starken inneren Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Damit bekam
Ludwig
II. freie Hand zur Einmischung in die Sukzession im benachbarten Brabant.
Da er mit der jüngeren Tochter des 1355 verstorbenen Herzogs Johann
III., Margarethe,
verheiratet war, forderte er von der älteren, Herzogin Johanna, die
Herrschaften
Antwerpen und Mecheln, die ihm 1357 abgetreten wurden. 1382 erbte er
von seiner Mutter Margarethe von Artois
(aus einer Nebenlinie der CAPETINGER)
[Richtigstellung: Margarethe von Artois
oder
richtiger Margarethe von Frankreich entstammte
als Tochter
König Philipps V. des
Langen von Frankreich selbstverständlich
der Hauptlinie der KAPETINGER.]
diese
Grafschaft und die Franche-Comte. Da er ohne legitime männliche
Nachkommen war, fiel sein gesamter Besitz 1384 an seine Tochter Margarethe
von Male, die seit 1369 mit dem Herzog Philipp
dem Kühnen von Burgund verheiratet war, dem jüngeren
Bruder König Karls V. von Frankreich,
der anläßlich dieser Heirat die Kastellaneien Lillie, Douai
und Orchies wieder an Flandern zurückgegeben hatte. Mit dem Anfall
dieser Territorien nach Ludwigs II. Tod konnte das Haus
BURGUND somit zum ersten Mal im niederländischen Raum Fuß
fassen.
Schon vorher hatte Herzog Philipp
in Flandern politisch eingegriffen, und zwar als sein Schwiegervater sich
erneut mit einer von Gent ausgehenden Widerstandsbewegung konfrontiert
sah. Dort erboste man sich über die Begünstigung, die der Graf
vor allem den kleineren Städten angedeihen ließ. 1379 töteten
die Genter den gräflichen Baljuw, 1382 wählten sie den Sohn Jacobs
van Artevelde, Philipp (der nach der Ermordung seiens Vaters nach England
gegangen war und erst 1360 zurückgekehrt war), zu ihrem ersten Hauptmann.
Der von ihm geleitetet Aufstand war zunächst erfolgreich. Im Mai 1382
schlugen die Genter ein von den Brüggern unterstütztes Heer des
Grafen auf dem "Biberholzfeld" bei Brügge und erzwangen den Anschluß
der Stadt. Damit geriet fast ganz Flandern in Aufruhr. Auch Philipp van
Artevelde wurde zum Ruwaard des Landes ausgerufen. Jedoch
eilten nun französische Truppen unter der Fürung des Burgunders
[Richtigstellung: Das königlich-französische Heer stand
unter dem Befehl von König Karl VI. von Frankreich.]
herbei. In der Schlacht von Westrozebeke wurden die Genter im November
1382 geschlagen, und ihr Anführer fiel.
Stoob Heinz: Seite 57,209
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"Kaiser Karl IV. und seine Zeit"
Das bedeutete aber nur die Festigung der Macht Edwards
auf dieser Seite des Kanals; er zwang im Herbst 1348 den Grafen Ludwig
von Flandern, Frankreichs wichtigsten Parteigänger in den niederen
Landen, in einem für die flämischen Städte, namentlich Gent
und Ypern, sehr vorteilhaften Frieden zu willigen. Andererseits hatte er
ungefähr gleichzeitig den englischen Wollstapel von Brügge nach
Middelburg im Rheindelta verlegt, ein scharfes Druckmittel gegen den zentralen
flämischen Handelsplatz.
Inzwischen starb nun aber 1361 die alte burgundische
Nebenlinie der französischen KAPETINGER
mit Philipp de Rouvre aus, der durch
seine Heirat mit der nach ihrer noch lebenden Großmutter benannten
Margarethe
von Flandern seit 1356 die Freigrafschaft Burgund mit dem Artois
und dem Herzogtum Burgund vereinigen konnte Über das Herzogtum verfügte
das Haus VALOIS, da es ja französisches
Kronlehen war. Die Freigrafschaft dagegen beanspruchte
Philipp
de Rouvres Schwiegervater,
Graf Ludwig III. von Flandern,
zurück, der uns bekannte Gegner des Kaisers und seine
luxemburgischen Halbbruders Wenzel
im
Kampf um Brabant.
6.6.1347
oo Margarethe von Brabant, Tochter des Herzogs
Johann III.
9.2.1323-
1368/vor 26.4.1380
Kinder:
Margarete II. Malana
13.4.1350-16./21.3.1405
Literatur:
-----------
Calmette, Joseph: Die großen Herzöge
von Burgund. Eugen Diederichs Verlag München 1996 Seite 28,31,44,51,55,61,184,295,305
-
Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter.
W. Kohlhammer GmbH 1987 Seite 257,264,271-275,277,284,286,292,295 - Ehlers
Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller Bernd: Die
französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII.
888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 296,298,306 - Erbe
Michael: Belgien, Niederlande, Luxemburg. Geschichte des niederländischen
Raumes. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1993 Seite 42,45,60
- Favier, Jean: Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft 1000-1515.
Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1989 Seite 357,360 - Hoensch,
Jörg K.: Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche Dynastie
gesamteuropäischer Bedeutung 1308-1437. Verlag W. Kohlhammer 2000
Seite 138,153,205 - Leo Heinrich Dr.: Zwölf Bücher niederländischer
Geschichten, Eduard Anton Verlag Halle 1832 Seite 272-339 - Stoob
Heinz: Kaiser Karl IV. und seine Zeit. Verlag Styria Graz Wien Köln
1990 Seite 57,166,209,270,305 -
Der Sohn des bei Crecy gefallenen Grafen Louis von
Nevers, der ebenfalls Louis, und nach seinem Geburtsorte:
von Maele genannt ward, hatte auch der Schlacht beigewohnt, war aber
aus derselben glücklich mit dem König von Frankreich nach Amiens
entkommen und blieb auch die nächstfolgende Zeit am französischen
Hof.
Dagegen lehnte er aber auch seinerseits entschieden die
vorgeschlagene eheliche Verbindung mit einer Tochter des Königs von
England ab, wodurch seine Untertanen, welche seine Neigung, sich mit der
schönen BRABANTERIN zu verheiraten, bemerkt haben mochten,
bewogen wurden, ihn geradezu zu bewachen, damit er weder nach Frankreich
zurückkehren, noch nach Brabant entkommen könnte.
Hierauf brachten die Dreistädte den Grafen, gewissermaßen
gegen seinen Willen, zu einem Tage nach Bergues in das Kloster von St.
Vinoques am 1. März, wohin auch König Eduard mit seiner Gemahlin
und Tochter kam, und in seinem unfreien Zustande musste sich Louis
sogar zu der Verlobung mit Isabella von England
verstehen.
Als er sich so behandelt sah, griff er zur Verstellung, als dem einzigen
Mittel der Rettung, gelobte bald nach Ostern die Hochzeit zu halten, suchte
alle sicher zu machen, und entkam, trotzdem, dass die Genter ihn überall
scharf beobachteten glücklich am Mittwoch vor Ostern auf der Reiherbeize,
indem er angeblich dem Falken folgte, den er auf den Reiher stoßen
ließ, nach Frankreich.
Graf Louis heiratete nun wirklich im Juni Margaretha
von Brabant zu Vilvorde, deren Schwester Maria damals eben Reginald
von Geldern zum Gemahl erhielt. Die Flucht des Grafen hatte die größte
Unordnung in Flandern zur Folge.
Mehr und mehr war es nun dem Grafen Louis gelungen,
den ganzen flämischen Adel und alle angesehenen Stände an sein
Interesse zu knüpfen. Er suchte endlich die letzten Monate des Waffenstillstandes
auch zur Gewinnung der Städte und zwar zuerst zur Gewinnung von Brügge
zu benutzen.
So tüchtig sich der junge Herr von Flandern in Beziehung
auf öffentliche Verhältnisse bewies, so ausgelassen war
er in seinem Privatleben. Musiker, Kunstsänger und Komödianten,
welche zu begünstigen damals in deutschen und auch in flämischen
Landen einem Fürsten für unanständig angerechnet wurde,
hielt er nach französischer Weise, so wie er dem Frauenzimmer sehr
ergeben war. Die Gräfin nahm dafür an einer seiner Geliebten
deutsche Rache, und ließ ihr in Maele, während Louis’
Abwesenheit die Nase abschneiden.
Im Jahre 1351 nahm Graf Louis den alten Streit
mit Hennegau wegen Flobeke und Lessen wieder auf, und ließ
ersteren Ort für sich besetzen. Auch die alten Prätensionen auf
Lille, Douay und Orchies nahm er wieder auf, bei Gelegenheit des Regierungswechsels
in Frankreich, ohne sich jedoch durchsetzen zu können.
Ein neuer Vertrag über Lessen und Flobeke
ward am 13. April 1353 zu Lessen zwischen Graf Louis von Flandern
und Gräfin Margaretha von Hennegau dahin
geschlossen, dass Margaretha diese
Orte, aber als flämische Lehen, behalten sollte, dagegen sollte der
Graf von Flandern für Blaton und Tigni hennegauischer
Lehnsmann sein. Im folgenden Jahr 1354 hatte die Verlobung des Prinzen
Philippe von Burgund (des nachmaligen Herzogs von Burgund) mit
des Grafen noch sehr junger Töchterlein Margaretha statt.
Um 10.000 Gulden jährlicher Einkünfte, welche
Herzog Johann von Brabant seiner Tochter Margaretha von Flandern,
ausgesetzt hatte, und welche Johanns Nachfolger, Wenzel
von Luxemburg, nicht mehr zahlen wollte, begann im Jahre 1356
zwischen Flandern und Brabant Fehde. Auch hatte der Handel um Mecheln,
insofern Anlass zu Streitigkeiten, nachgelassen, als die Zahlung noch nicht
stattgefunden hatte. Louis rückte, von den Dreistädten
hinlänglich unterstützt, gegen Mecheln und die Stadt ergab sich
sofort; der Graf bestätigte der Stadt ihre Freiheiten und mehrte sie.
In einem Treffen am 17. August bei Scheut, in der Nähe von Brüssel,
siegten die Fläminger über das vom Grafen von Berg geführte
brabantische Heer und drangen mit den vor ihnen Fliehenden zugleich in
Brüssel ein. Die Herzogin Johanna konnte mit Mühe entkommen;
die Stadt wurde geplündert und zum Teil niedergebrannt. Löwen,
Tervuren, Nivelles, Thienen (Tirlemont) und Sout-Leuuw (Leau) ergaben sich
ohne Widerstand. Bald nachher siegten die Fläminger nochmals bei Zantvliet
im Antwerpischen, worauf sich außer Putten, Lille und andere benachbarte
Orte ergaben und Louis den Titel eines Herzogs von Brabant
annahm. Als während des Winters Besatzungen das Land in des Flämingers
Gewalt halten sollten, erhoben sich die Brüsseler gegen denselben
und riefen Wenzel, der sich inzwischen
in Maastricht aufhielt, wieder als ihren Fürsten aus.
Wilhelm der Bayer von Holland
trat
als Vermittler auf und brachte zu Ath in Hennegau am 3. Juli einen Vertrag
unter folgenden Bedingungen zustande:
„Löwen, Brüssel, Nivelles und Thienen sollen,
weil sie dem Grafen Louis schon gehuldigt, gehalten sein, ihm, so
lange er lebt, jährlich sechs Wochen auf des Herzogs Kosten, jede
mit 25 Reisigen zu dienen unter ihren besonderen Bannern. Mecheln
soll ganz bei Flandern bleiben und Louis auf Lebenszeit den Titel
eines Herzogs von Brabant führen dürfen. Zur Abfindung
für die Forderungen seiner Gemahlin soll der Graf Antwerpen und
dessen Gebiet haben, aber der von diesem Besitz herrührende Titel
eines Markgrafen des heiligen römischen Reiches soll dem Herzog verblieben.“
Bedeutendere und verwickeltere Verhältnisse, auch
für Flandern, traten erst ein, als Margarethas von Flandern noch
sehr junger Gemahl, Philippe de Rouvre,
der letzte Herzog von Burgund älterer Linie, 1361 starb und die Erbschaftsregulierung
Schwierigkeiten brachte.
Von Philippes Besitzungen
war das Herzogtum Burgund unstreitig ein Fahnenlehen des Reiches, was überhaupt
auf angeheiratete Verwandte, am wenigsten aber auf die 11-jährige
Margaretha
von Flandern übergehen konnte, mit welcher die Ehe
Philippes
bis
dahin nur zeremoniell, nicht wirklich vollzogen war; allein
Philippes
Großvater, Herzog Odo von Burgund,
war mit einer Prinzessin Johanna von Frankreich
vermählt
gewesen, welche eine Tochter
Philipps
und der Königin Johanna, durch
diese aber eine Enkelin Margarethas von Artois
und Odos, Freigrafen von Burgund, war: und so waren für das burgundische
Haus Erbansprüche auf Artois und
Franche-Comte, - durch
Philippes
Vater, Philippe, der mit Johanna von
Bourbon, Gräfin von Boulogne und Auvergne, vermählt war, waren
für dasselbe Haus Erbansprüche auf die Grafschaften Boulogne
und Auvergne erworben worden, und Philipp von
Rouvre war vor seinem Tod wirklich in Besitz aller dieser Herrschaften
gekommen.
Da die zuletzt genannten vier Herrschaften durch Weiber
mit Burgund verbunden worden waren, fielen sie auch nicht mit dem Herzogtum
an die Krone zurück, sondern kamen an die repsektiven nächsten
Erben jener Herzoginnen, welche dem Hause BURGUND
dieselben
zugebracht hatten; auf Artois und Franche-Comte aber hatte
die nächsten Ansprüche die fürstliche Familie von Flandern,
und wirklich behielt des Grafen Louis’ Mutter, Margaretha
von Frankreich, beide Herrschaften, so wie seine Tochter die
ihr als Wittum zugesicherten Einkünfte in allen Territorien ihres
verstorbenen Gemahles; doch konnte Louis selbst den mannigfachen
und zum Teil sehr verwickelten Unterhandlungen über die Teilung dieser
Nachlassenschaft Philippes von Rouvre
nicht fremd bleiben. In diese Unterhandlungen griffen aber Gesandte des
Königs von England ein, welcher die junge Witwe Philippes
von Rouvre für seinen Edmund zur
Gemahlin zu gewinnen suchte. Es führte dies Vorhaben zu um so schwierigeren
Lagen für Louis, als dieser sowohl als seine Mutter und der
König von Frankreich die Verbindung mit einem englischen Prinzen nur
ungern sehen konnten, die flämischen Dreistädte dagegen entschieden
ihren Vorteil dabei wahrnahmen.
Um die Dreistädte nicht von sich abzuwenden, musste
der Graf scheinbar das Interesse des Königs von England bei dieser
Sache nehmen, während seine Mutter Margaretha
das
französische wahrnahm, und der französische Hof eine Heirat der
jungen Witwe Philippes von Rouvre
mit
dem neuen Herzog von Burgund, der ebenfalls Philipp
hieß und ein Sohn König Jeans
war, in Vorschlag brachte und wirklich durchsetzte [Ein Tag ward für
diese Heiratsverhandlungen gehalten im August 1361 zu Oudenaerde in der
Kirche der heiligen Walpurg. Meyer fol. 161,b. Im folgenden Jahre ward
in Dover unterhandelt zwischen Eduard
und Louis, und letzterer musste um der Städte willen ersteren
zusagen; allein der Papst gab keine Dispensation. Meyer fol. 162.a. Froissart
cap. 258.]. Im September 1368 kam König Karl
selbst
nach Doornyk, wohin er außer dem Herzog von Brabant und dem Grafen
von Hennegau auch den Grafen Louis von Flandern einlud, welcher
sich jedoch bewogen fand, wegen Kränklichkeit nicht zu erscheinen,
um die Städte nicht zu verletzen; seine Mutter Margaretha
führte an seiner Stelle die Sache und drohte ihm dann, sich ein Leides
anzutun, falls er seine Opposition gegen die französische Verbindung
bestehe. Scheinbar notgedrungen gab er nach, erreichte aber durch dies
Benehmen, dass der König, um ihm die Mittel zu Besänftigung seiner
Fläminger an die Hand zu geben, auf einem späteren wegen dieser
Heirat im April 1369 zu Gent gehaltenen Tage durch seine Botschafter
Lille, Douay und Orchies an Flandern zurückgeben ließ gegen
Vernichtung mehrerer Schuldforderungen, welche Graf Louis noch an
ihn hatte [Froissart sagt, der Graf von Flandern habe nicht eher bestimmt
in die französische Heirat gewilligt, bis ihn König
Eduard seines früher gegebenen Wortes entbunden habe.].
Im Jahre 1366 war Fehde ausgebrochen zwischen Flandern
und Hennegau, weil Albert von Bayern,
welcher Hennegau verwaltete, Jean von Enghien, einen Verwandten Louis’
[Robert von Bethune Graf von Flandern – Jolande oo Gaultier
d’Enghien – Philippe – Jean d’Enghien] hatte hinrichten lassen. Die Fehde
dauerte unter Rauben und Brennen, bis sich Albert
von Bayern mit der Familie von ENGHIEN und dem Grafen durch
Geld abfand.
Im Jahre 1368 starb auch Louis’ Gemahlin, Margaretha
von Brabant, von welcher er nur die einen Tochter hatte und nach deren
Tode er nicht wieder heiratete.
Gerade zu jener Zeit fand am 12. Juli 1369 die erwähnte
Rückgabe der drei, Flandern früher entrissenen Städte statt;
denn schon hatte der Krieg zwischen Frankreich und England wieder begonnen,
und Flandern blieb nun, seit am 19. Juni 1369 die Hochzeit des
Herzogs Philippe von Burgund und Margarethas von Flandern
statt gehabt, bei Frankreich.
Damals reiste Graf Louis zuvörderst mit seiner
Mutter
Margaretha nach Paris an den
Hof und gewann sich des Königs Gnade wieder.
Graf Louis, der glücklich nach Lille gekommen
war, setzte seine ganze Hoffnung auf seinen Schwiegersohn, den Herzog von
Burgund, und beschränkte sich zunächst auf die Verstärkung
Oudenaerdes von Lille und Doornyk aus. Obwohl er durch seiner Mutter Tod
(sie war am 13. April gestorben) Graf von Artois und Herr der
Freigrafschaft geworden war, schien er doch allein völlig außerstande,
gegen Artevelde obsiegen zu können.
Zwischen Frankreich und England wurde unterhandelt; da
der Graf von Flandern darauf bestand, man möge nun Waffenstillstand
oder Frieden schließen, so müßten doch die genter ausgeschlossen
bleiben, die Engländer dagegen unter dieser Bedingung nicht abschließen
wollten, zogen sich die Unterhandlungen eine Zeit lang hin, bis Graf
Louis im Zorn den Kongreß, welcher zwischen Calais und Boulogne
abgeschlossen wurde, in welchem auch die Geneter aufgenommen waren bis
zum 1. Oktober 1384.
Etwas später führte der Streit um die Grafschaft
Boulogne, über welche Graf Louis als Graf von Artois
die Lehnshoheit ansprach, und welche der Herzog von Berry als selbständige
Herrschaft erheiratet zu haben behauptete, beide Fürsten so hart aneinander,
daß der Herzog von Berry sein Messer dem Grafen in die Brust warf.
Graf
Louis starb an der Wunde am 9. Januar 1384 und wurde zu Lille
in der Peterskirche begraben [Meyer fol. 200. a. So erzählt Meyer
den Tod des Grafen Louis nach einer alten Chronik. Es scheint aber,
daß der Messerwurf des Herzogs von Berry durch den Einfluß
von dessen Bruder, dem herzog von Burgund, der den Grafen Louis
beerbte, verheimlicht ward. - Man vergleiche auch Barante 1. c. p. 234.].