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Die Überlinger Fasnet / Der Überlinger Hänsele

 

     Die Überlinger Fasnet

      VON REINER RAMMELT / PETER HALLER

Überlinger HänseleDie Überlinger Fasnacht wird 1430 erstmals in Niederschriften der Überlinger Stadtkanzlei erwähnt. Im Jahre 1474 ist "Von der vasnacht vrtin" (Gelage) die Rede. Eine sieben Punkte umfassende Fasnachtsordnung, die Bestandteil eines städtischen Archivbandes der Jahre 1496 bis 1518 ist, enthält u.a. folgende Verbote: das Küchlin zu holen, den Block zu ziehen, sich gegenseitig rähmig (rußig) zu machen, die Mädlin umzustülpen und in den Brunnen zu werfen, das Teufelshäs zu tragen, nachts mit Trommeln und Pfeifen umzugehen.

Der Hänsele wird erstmals 1766 erwähnt. Im Jahr 1863 beginnt der Verein "Liederkranz", eine  Vorstufe der Narrenzunft, das heute noch geführte, wertvoll handgemalte Narrenbuch. Im gleichen Jahr tauchen erstmals die Narreneltern auf. 1885 wird in Überlingen der erste Narrenbaum gesetzt. Die Gründung der Narrenzunft in der heutigen Form erfolgt 1921.

Noch nicht ganz Weihnachten hinter sich lassend, die heiligen drei Könige ziehen ja erst zum Christkind, beginnt in Überlingen das, was mit Recht die fünfte Jahreszeit genannt wird. Zunächst scheinbar zögerlich, dann aber mit riesigem Getöse. Zögerlich zunächst deshalb, weil der Betrachter nur wartende Männer am Straßenrand sieht; dann mit Getöse, weil eben diese Männer auf allen Straßen und Plätzen der Stadt mit ihren Karbatschen (kurzstieligen, 3 bis 5 Meter langen Peitschen) um Punkt 12 Uhr ein ohrenbetäubendes Knallen verursachen - die Fasnet beginnt.

Was mit soviel Radau begonnen hat, scheint dann wieder in sich zusammenzusinken. Von gelegentlich mit der Karbatsche übenden Buben einmal abgesehen, scheint die kleine Stadt am Bodensee, zumindest fasnächtlich, in einem Dornröschenschlaf. Doch hinter dicken Mauern hat die Narrenzunft, an deren Spitze die "Narreneltern" (auch die "Narrenmutter" wird von einem Mann verkörpert) stehen, längst damit begonnen, ihr Narrenkonzert vorzubereiten. Narrenkonzert, das ist Mundarttheater, in dem vor allem der politischen Obrigkeit in selbstverfaßten Einaktern der Narrenspiegel vorgehalten wird. Nach diesem immerhin sieben mal aufgeführten Saalspektakel sind es nur noch wenige Tage bis zum Beginn der Straßenfasnet am "Schmotzige Dunnschtig".

Schon früh am Morgen ziehen Scharen von Schülern durch die Straßen um mit "Musik", Krach wäre sicher ein treffenderer Ausdruck, ihre Lehrer zu wecken. Aber auch die Mitglieder der Narrenzunft treffen sich schon zu recht früher Stunde, um einigen Behörden und Ämtern die Referenz zu erweisen. Der erste Umzug des Tages ist der aller Überlinger Kindergärten. Ein schier endloser Lindwurm des Narrensamens bewegt sich durch die engen Gäßchen der Altstadt, um auf der Hofstatt von der Narrenmutter begrüßt und von den Narrenräten mit Brezeln beschenkt zu werden. Danach erfolgt die Absetzung des Oberbürgermeisters im Rathaus und die Übernahme der Amtsgewalt durch die Narreneltern. Am Nachmittag findet ein Umzug mit anschließendem Narrenbaumsetzen statt. Er beginnt wie fast alle Umzüge am Hänselebrunnen und endet auf der Hofstatt.

Im Umzug fahren die Narreneltern in einem offenen, zweispännigen Landauer mit, gefolgt von zahlreichen großen und kleinen "Mäschgerlen". Hier treten auch die Kinderhänsele, die alten Wieber sowie die Überlinger Löwen, beides reine Frauenmasken, in Erscheinung. Auf der Hofstatt angekommen, wird der Narrenbaum mit viel Hau-Ruck durch die Zimmermannsgilde aufgerichtet und von den Narreneltern eingeweiht und mit einem Walzer betanzt, wird er doch von allen Narren als Sinnbild der Fasnet verstanden.

Am Abend des "Schmotzige Dunnschtig" sind phantasievoll kostümierte Schnurrgruppen in den Lokalen unterwegs. Deren Schnurraden zeigen dem einen oder anderen Fehler auf, die er während des vergangenen Jahres begangen hat, oder machen sich über lokale Ereignisse lustig.

Der Fasnetsamschtig ist sicherlich der Höhepunkt der Überlinger Straßenfasnet. Nach dem Preiskarbatschenschnellen amKarbatschenschnellen Nachmittag und dem anschließenden Dämmerschoppen beginnt um19 Uhr, von bengalischer Beleuchtung in Szene gesetzt, der Hänselejuck. Es ist dies der Narrensprung der eigentlichen Überlinger Fasnetsfigur. Schellend und juckend, juchzend und schnurrend, schnellend und tanzend bewegt sich die tausendköpfige Heerschar der Hänsele vom Hänselebrunnen zur Hofstatt. Auch nach diesem Umzug findet fröhliches Narrentreiben in allen Gassen und Lokalen statt.

Am Nachmittag des Fasnetssunntig steht ein Umzug mit Wagen und Fußgruppen auf dem Überlinger Narrenfahrplan. Auch hier ist es so, daß lokale Ereignisse des vergangenen Jahres durch die Narrenbrille gesehen werden. Selbstverständlich nehmen auch die Hänsele, die alten Wieber und die Überlinger Löwen an diesem Umzug teil. Genannt sei an dieser Stelle auch einmal die Stadtkapelle und alle anderen Musikgruppen, ohne die ein Umzug schlicht unvorstellbar wäre. Die Stadtkapelle tritt zu den Umzügen in ihrer historischen Uniform, einer napoleonischen Montur, an.

Der Fasnetsmentig bringt abends abermals einen Umzug in die Straßen Überlingens. Es ist der Hemdglonkerumzug. Tausende, ja wirklich tausende von in Nachthemden gekleidete Narren hüpfen und rennen zu den Klängen des Überlinger Narrenmarsches den nun schon mehrfach genannten Umzugsweg in die Stadt hinunter und veranstalten dabei mittels Topfdeckeln, Pfeifen und sonstigen Lärminstrumenten ein Höllenspektakel, das wiederum auf der Hofstatt seinen krönenden Abschluß findet. Daß danach allgemeines Narrentreiben herrscht, braucht ja kaum noch erwähnt zu werden.

Der Fasnetszieschtig ist dann ein schon eher stiller Tag. Man hat ja nun schon die Vorahnung auf das traurige Ende der jeweiligen Fasnet. Am Abend ziehen Musikgruppen von Lokal zu Lokal, die Akteure sind in Frack und Zylinder gekleidet. An unterschiedlichen Stellen der Stadt wird dann um Punkt 24 Uhr die Fasnet beerdigt. Ein wahrhaft trauriger Akt, der hier gespielt wird.

Einzige Gewißheit ist: Ab dieser Sekunde "goht's degege". Will sagen, mit jedem Tag, der vergeht, kommt man der Fasnet des kommenden Jahres ein Stück weiter entgegen.

© 2000 NarrenSpiegel, aktualisiert 1/2004
© Bild 1 Narren-Spiegel
© Bild 2 H. Gertz

 

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