Einleitung.
Flüchtlingstreck aus Schlesien (Bild: bpk)

Schlesier auf der FluchtNachdem am 19. Januar 1945 die sowjetische Armee die Grenze nach Schlesien überschritten hat, machen sich Tausende Deutsche auf den Weg in den Westen.

Übersicht.

19.01.1945, Breslau, Vertreibung:

Sowjet-Armee dringt nach Schlesien vor

Am 19. Januar 1945 packt Wanda Gielisch in Breslau ihre Habseligkeiten und verlässt zusammen mit ihrer Familie die Stadt. Mit Fahrrädern begeben sie sich mitten im strengen Winter auf die verschneite und vereiste Straße, die sie in den Westen bringen soll. Sie glauben, dass es nur ein Abschied auf Zeit ist, in zwei Wochen wären sie wieder zu Hause. Doch für Wanda Gielisch wird es Jahrzehnte dauern, bis sie ihre Heimatstadt wiedersieht.

Vormarsch auf Breslau

An diesem kalten Januartag rufen die militärischen Befehlshaber zu der Räumung der Ortschaften östlich der Oder auf. Die sowjetische Armee hat die nordöstliche Grenze zu Schlesien überschritten. Sie erobert die Stadt Kreuzburg und zieht weiter in Richtung der Gauhauptstadt Breslau. Auf ihrem Weg hinterlässt sie eine Spur der Verwüstung. Dörfer und Ortschaften werden zerstört, Flüchtlingstrecks überrollt, es kommt zu Vergewaltigungen und Erschießungen. Vor allem die nachrückenden Einheiten nehmen Rache an den Deutschen und verschonen weder Frauen noch Kinder. Es ist eine Reaktion auf den Feldzug der Deutschen Wehrmacht in der Sowjetunion, bei dem über 1.700 Städte und 70.000 Dörfer, im Ganzen etwa sechs Millionen Gebäude, zerstört wurden. Bereits 1941 hat Adolf Hitler den "Kriegsgerichtsbarkeitserlass" verabschiedet. Danach durften deutsche Soldaten sowjetische Zivilisten ermorden, ohne dass ihnen eine Strafe drohen würde. Insgesamt hatte die Sowjetunion bei Kriegsende rund 25 Millionen Tote zu beklagen.

Rache für die NS-Gräueltaten

In den Truppenzeitungen der Roten Armee wird gezielt der Hass gegen Deutsche geschürt. Vor dem Überschreiten der Reichsgrenzen heißt es in Befehlen an die Soldaten: "Wir werden uns rächen für die in Teufelsöfen Verbrannten, für die in Gaskammern Erstickten, wir werden uns grausam rächen für alles." Bei den Soldaten, die auf ihrem Vorstoß nach Westen überall auf die Zeugnisse von Verwüstungen und Gräueltaten der Wehrmacht und der Sicherheitsdienste in den besetzten Gebieten der Sowjetunion treffen, eskaliert die Gewalt.

Überstürzte Flucht der Schlesier

In Schlesien treffen die Soldaten der Roten Armee an diesen Januartag auf Menschen, die kaum auf den Angriff vorbereitet sind. Bis zuletzt haben die Bürgermeister, Kreis- und Gauleiter propagiert, dass die Ostgrenze niemals fallen könne. Selbst als die ersten Flüchtlingstrecks aus dem "Reichsgau Wartheland" nach Schlesien kommen, zögern die Menschen. Oftmals ist ihnen eine Flucht untersagt. Der Befehl dazu kommt in vielen Ortschaften erst nach dem 19. Januar. Die Menschen brechen mit Schlitten, Fahrrädern, Handwagen und Pferdekutschen auf, oftmals überstürzt, mitten in der Nacht, bei Temperaturen weit unter null Grad.

Im Herbst 1947 wird die große Mehrheit von einstmals 4,7 Millionen Deutschen aus Schlesien geflohen oder dem Krieg zum Opfer gefallen sein. Bis Kriegsende machen sich 3,2 Millionen Menschen auf den Weg in den Westen, die meisten ziehen über Görlitz nach Sachsen und durch das Sudetenland Richtung Bayern. Fast eine halbe Million Zivilisten verlieren während Flucht und Vertreibung ihr Leben.

Bettina Meier, NDR Online

Einführung

Einführung

Flucht und Vertreibung

Als Folge des vom "Dritten Reich" begonnenen Zweiten Weltkriegs wurden Millionen von Menschen vertrieben, zwangsumgesiedelt oder mussten flüchten. 1941 vertrieben die Nationalsozialisten rund 900.000 Polen aus dem seit 1939 besetzten ehemaligen westlichen Westpreußen in das so genannte Generalgouvernement. Den Platz in der als "Warthegau” bezeichneten Provinz sollten Deutsche "Umsiedler" einnehmen. Diese kamen aus Gebieten, die nach dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt und der Niederlage Polens unter sowjetische Herrschaft gelangt waren. Erst nach der Befreiung Anfang 1945 kehrten die Polen in ihre Heimat zurück. mehr

Weitere Informationen

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Breslau wird zur "Festung" erklärt

Gauleiter Karl Hanke ruft am 21. Januar 1945 zur Evakuierung von Frauen und Kindern auf - die Männer sollen die Stadt verteidigen.

Quelle: NDR

Autor: Bettina Meier, NDR Online
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LITERATUR

LITERATUR

Flucht und Vertreibung

Europa zwischen 1939 und 1948 - Flucht und Vertreibung aus Schlesien

Autor: Arno Herzig
ISBN/Best.-Nr.: 3-83190-173-2
Verlag: Ellert & Richter Verlag 2004, Hamburg