Mistra 1
Detailaufnahme der am Burgberg von Mistra eng aneinander liegenden Palast-, Wohn- und Kirchengebäude.
Weitere Aufnahmen aus Mistra (Burgberg, Kapelle Agios Georgios) im Folgetext.
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Das 14. Jahrhundert

Es gilt als die "Krisenzeit" des Mittelalters wegen der Bevölkerungseinbrüche infolge von Mißernten, daraus resultierenden Hungerjahren, Epidemien und vor allem wegen der großen Pestwellen. Der Bevölkerungsschwund bewirkte auch einschneidende wirtschaftliche und soziale Wandlungen. Auf all dies werden wir im Kapitel über den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel im Spätmittelalter zu sprechen kommen. Für Westeuropa, speziell Frankreich und England, war der sogenannte "Hundertjährige Krieg" das prägende Ereignis, für Osteuropa die einsetzende "Sammlung der russischen Erde", das heißt die beginnende Vergrößerung des Großfürstentums Moskau mit allmählicher Ablösung aus tatarischer Herrschaft. Obwohl die osmanischen Türken unter Umgehung der Stadt Konstantinopel in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts große Teile Bulgariens und Serbiens eroberten und die Ostgrenze Ungarns bedrängten, erlebte byzantinische Herrschaft und Kunst eine letzte Blüte in Griechenland. Mistra auf der Peloponnes wurde zu einer reich ausgestatteteten Zweitresidenz der Kaiserdynastie der Palaiologen; daher auch das Leitbild zu diesem Kapitel. Trotz Wiederaufnahme des Kaisertums durch die römisch-deutschen Könige gingen Deutschland und Italien weiterhin getrennte Wege. Die Könige in Deutschland konzentrierten sich auf den Ausbau und die Erweiterung ihres Hausbesitzes. Die definitive Regelung der Königswahlfrage in der Goldenen Bulle von 1356 erweiterte und festigte die Stellung der Kurfürsten. Die wirtschaftliche Entwicklung verstärkte die politische Stellung der Städte. Neue Strukturen entwickelten sich nicht auf Reichsebene, sondern in den Territorien. Kirche und Papsttum erfuhren grundlegende Veränderungen nicht nur dadurch, dass die Päpste, die Kardinäle und die Kurie Rom verließen und seit 1309 in Avignon Residenz bezogen, sondern auch durch die Papstwahl von 1378, deren Resultat ein Schisma war mit einem Papst, der in Rom und einem zweiten, der in Avignon residierte. In der Zeit des Schismas enstanden zugleich neue häretische Bewegungen.

Westeuropa

Der kapetingische König Philipp IV. ( "der Schöne", 1285-1314) und seine rechtskundigen Berater bauten Ranganspruch und Vormachtstellung des französischen Königtums aus, indem sie auch harte Konflikte mit mächtigen kirchlichen Institutionen in Kauf nahmen. Der vom königlichen Berater Nogaret 1303 gefangen genommene Papst Bonifaz VIII., der sich gegen die Besteuerung des französischen Klerus und gegen den Versuch Philipps IV. zur Wehr gesetzt hatte, die königliche Gerichtsbarkeit auch gegenüber einem Bischof zur Anwendung zu bringen, und der den päpstlichen Primatsansprch 1302 in der Bulle "Unam sanctam" auf einen bis dahin nicht erreichten Höhepunkt getrieben hatte, musste zwar aufgrund des Drucks der Bevölkerung wieder frei gelassen werden, starb aber wenige Wochen später. Bei der fälligen Papstwahl traten die Gegensätze im Kardinalskollegium offen zu Tage. Der zunächst gewählte Benedikt XI. starb nach kurzer Zeit (1304); erneut brachen die Parteiungen im Kardinalskollegium aus. Der schließlich 1305 gewählte neue Papst Clemens V. war Südfranzose, blieb in seiner südfranzösischen Heimat, nahm nach Jahren des Herumreisens ab 1309 feste Residenz in Avignon und bestellte Verwandte und südfranzösische Familiare zu Kardinälen und zu seinen Legaten und Vertretern (Rektoren) im italienischen Kirchenstaat. Das damit einsetzende "Avignonesische Papsttum" (auch die Nachfolger Clemens V. blieben in Avignon) stand unter stärkerem Einfluss der französischen Könige und zugleich in Rivalität mit der Repräsentation ihres Hofstaates. Dem Ansinnen Philipps IV., den Templerorden, der reichen Besitz in Frankreich hatte, als häretisch zu verurteilen, seine Mitglieder, sofern man ihrer habhaft wurde, hinzurichten und den Besitz des Ordens zu konfiszieren, widersetzte Clemens V. sich nicht; den Löwenanteil des konfiszierten Besitzes brachte der König in seine Hand.

Auf Philipp IV. folgten nacheinander seine drei Söhne Ludwig X. (1314-1316), Philipp V. (1316-1322) und Karl IV. (1322-1328). Bei der Nachfolgesituation von 1316 wurde auf Druck des Prinzen Philipp (der nachfolgende König) der Erbanspruch von Königstöchtern als dem alten ( "salischen") Recht widersprechend abgewiesen. Von dieser Entscheidung wurde auch bei den Erbfällen von 1322 und 1328 nicht abgewichen, so dass 1328 die Königswürde an Philipp (VI.) aus der männlichen Nebenlinie der Valois ging (sein Vater Karl von Valois war ein Bruder Philipps IV. gewesen). Dagegen machte der englische König Eduard III. (1327-1377), Sohn einer mit Eduard II. verheirateten Tochter Philipps IV., Thronfolgeansprü che in Frankreich geltend, freilich nicht sofort - als Kind stand er unter Regentschaft und es gab zunächst andere Probleme zu lösen -, aber mit zunehmender Eigenständigkeit seit 1337. Dies wurde der Anlass für den seit 1339 geführten "Hundertjährigen Krieg" zwischen den englischen und französischen Königen, der tiefere Ursachen auch in den nicht aufgegebenen englischen Festlandansprüchen und im Gegensatz beider Könige um den Einfluss in Flandern hatte. Die letzte Feldschlacht dieses Krieges wurde 1453 geschlagen, danach hörten die Kampfhandlungen einfach auf, ohne dass es je einen formellen Friedensschluss gegeben hätte. Von Anfangs- und Schlussdatum her gerechnet dauerte der Krieg länger als hundert Jahre, war jedoch durch lange Zeiten von Waffenruhen immer wieder unterbrochen. Entscheidend für den Verlauf des Krieges im 14. Jahrhundert war, dass es den Engländern mit Hilfe der Flandrer am Anfang gelang, die gesamte französische Flotte zu zerstören oder zu kapern, so dass die französische Küste ungeschützt der Invasion offen lag und der gesamte Krieg (auch im 15. Jahrhundert) nur auf französischem Boden verlief.

Die großen Feldschlachten der ersten Phase dieses Krieges im 14. Jahrhundert (Crécy 1346, Maupertuis 1356) gingen für das französische Heer verloren. Das französische Heer bestand aus im Zweikampf erprobten ritterlichen Lehnsverbänden, beritten und schwer gepanzert. Diese trugen den Angriff; die Fuß truppen griffen verstärkend ein. Die gefährlichste Waffe des englischen Heeres dagegen waren die von den Wallisern übernommenen, trainierten Langbogenschützen, deren Bögen eine auf dem Kontinent unerreichte Reichweite besaßen und denen es gelang, die schwer gepanzerten französischen Ritter von einer von diesen völlig unerwarteten Entfernung aus von den Pferden zu schießen. Am Boden waren die gepanzerten Ritter absolut wehrlos. Der Blutzoll für Frankreichs Adel war enorm. Dagegen stellte die Besetzung Frankreichs den siegreichen englischen König vor riesige Probleme: nur in einer begrenzten Anzahl von befestigten Orten konnte eine begrenzte Zahl von Besatzungstruppen stationiert werden. Die französischen Rückeroberungen zwischen 1360 und 1380 vollzogen sich in vielen kleinen Einzelaktionen gegen diese von den Engländern besetzten Stützpunkte. Hierbei griffen die Valois-Könige zunehmend auf Soldtruppen zurück, was neue Probleme schuf, weil diese nach erledigtem Auftrag sich verselbständigten und marodierend durchs Land zogen.

Die finanziellen Lasten des Krieges waren für beide Länder hoch, wenn auch unterschiedlich verteilt. Da der Krieg während seiner gesamten Dauer sich nur auf französischem Boden ereignete, wurden Dörfer und Städte vor allem in den Durchzugslandschaften an der Garonne, der Loire und im Nordosten immer wieder wirtschaftlich geschädigt. Die französischen Könige versuchten, sich von den (nicht erfolgreichen) Lehnsheeren zunehmend unabhängiger zu machen und erschlossen sich für diesen Zweck neue wirtschaftliche Ressourcen durch die Einführung von Steuern, die von der sonst gebräuchlichen Zustimmung durch die Ständevertretungen frei waren. Erstmals hatte Philipp IV. 1302 in seinem Konflikt mit dem Papst Bonifaz VIII. Generalstände nach Paris einberufen (auf Provinzebene gab es Ständevertretungen schon frü her). Die Valois-Könige nutzten die Generalstände, um sie für den Krieg zu verwendende Hilfsgelder (aides) bewilligen zu lassen, machten aber zugleich die Erfahrung, dass dies nur widerwillig und nicht im gewünschten Umfang funktionierte. Die Einführung einer Herdsteuer (taille, = am Boden- oder Gewerbeertrag orientierte, pro Familie zu zahlende Steuer) über Steuerpächter, die dem König für eine bestimmte Summe zu garantieren hatten, vergrößerte nicht nur die Einnahmen der Krone, sondern verlieh diesen eine halbwegs kalkulierbare Stetigkeit. Darüber hinaus wurde Salzgewinnung und -handel zum königlichen Monopol erklärt. Die vom König vergebenen Konzessionen wurden angesichts der Rolle von Salz als Konservierungsmittel für Lebensmittel und wegen des entwickelten Salinengewerbes an der französischen Westküste zu einer beachtlichen Einnahmequelle. Auf den Ankauf des "königlichen" Salzes war überdies die Salzsteuer (gabelle) zu entrichten. Durch diese Maßnahmen und durch die Kriegsereignisse stiegen die Lasten für die vorwiegend bäuerliche Bevölkerung in Frankreich. Die Unzufriedenheit entlud sich 1358 im ersten großen Bauernaufstand, der "Jacquerie", dem königliche und adlige Truppen jedoch aufgrund ihrer besseren Bewaffnung schnell ein blutiges Ende bereiteten. Auch ein Versuch der nach den Adelsverlusten stark von den Bürgern geprägten Generalstände unter der Führung des Pariser Kaufmanns Etienne Marcel, eine stärkere Mitsprache der Stände bei politischen Angelegenheiten zu erwirken, scheiterte.

Die Bevölkerung Englands hatte zwar nicht unter Kriegsverwüstungen zu leiden, wohl aber unter den finanziellen Forderungen des Königs. Die Mitsprache des seit Eduard I. etablierten Parlaments, vor allem des seit Eduard III. immer selbstbewußter werdenden House of Commons, blieb erhalten. Parlamentsrechte wurden sogar ausgebaut, worauf gleich zurückzukommen ist. Dies hinderte aber auch in England nicht Unruhen der ärmeren Bevölkerung, die dort aber anders als in Frankreich nicht nur soziale und wirtschaftliche sondern auch religiöse Ursachen hatten. Die Residenznahme der Päpste in Avignon, die französische Herkunft von Päpsten und Kardinälen und das den Armutsidealen zuwider laufende Verhalten eines Großteils des Klerus hatten Verselbständigungstendenzen innerhalb der englischen Kirche verstärkt. Diese fanden ihren Ausdruck in Statuten des englischen Parlaments seit 1351, die die Besetzungsrechte der Kurie und die Appellationsmöglichkeiten an den Papst beschnitten. Lehre und Predigten des Oxforder Theologen John Wyclif stießen nicht nur auf Widerstand in der Amtskirche sondern wurden von Teilen des niederen Klerus in England aufgenommen und popularisiert. Bei Bauern und Landarbeitern im Süden Englands fanden die Predigten des John Ball seit 1360 begeisterte Aufnahme, der das bäuerliche Dienstsystem mit biblischen Argumenten attackierte. 1381 entlud sich die Spannung in Form einer großen Bauernrevolte, die auch auf die Städte übergriff und sich gegen die neueingeführten Gesetze richtete, gegen die Kopfsteuer (poll tax), die Lohnbeschränkungen, den verschärften Arbeitszwang. Anführer der Revolte wurde Wat Tyler. Der junge König Richard II. bot den Aufständischen die Stirn. Mit der Ermordung des Wat Tyler fand der Aufstand ein schnelles Ende. Das religiös motivierte sozial-revolutionäre Gedankengut aber lebte in den Gruppen der Lollarden weiter.

Der zweite Valois-König, Sohn und Nachfolger Philipps VI. (1328-1355), Johann II. (1350-1364), befand sich seit 1356 bis zu seinem Tod in englischer Gefangenschaft. Erst unter seinem Sohn Karl V., der den Vater während dessen Gefangenschaft vertreten hatte und ab 1364 selbständig herrschte, erholte sich das Land dank des 1360 geschlossenen Waffenstillstands und der trotzdem bis zum Todesjahr des Königs 1380 vorangetriebenen Rückeroberungen. Erst als der Sohn und Nachfolger Karls V., Karl VI. (1380-1422) seit 1392 mental erkrankte, setzte eine Schwächung des Königtums als Folge der rivalisierenden Tätlichkeiten von Adelsfraktionen am Hof ein, an deren Spitze Prinzen aus königlichem Geblüt standen (Burgund gegen Orléans-Armagnac).

In England folgte dem lang regierenden Eduard III. (1327-1377), der die Ansprüche auf die Thronfolge in Frankreich angemeldet hatte, dessen Enkel Richard II., da der älteste Sohn Eduards III. noch vor dem Vater gestorben war. Die beiden jüngeren Söhne Eduards III. wurden die Ahnherren der Häuser Lancaster und York, die im 15. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielen sollten. Trotz vielversprechender Anfänge (s. o.) geriet Richard II. immer stärker unter den Einfluss schlechter Berater. Durch das Haupt der Lancaster-Fraktion, Heinrich Bolingbroke, und mit Unterstützung des Parlaments wurde der König 1399 gestürzt und Bolingbroke als Heinrich IV. zum neuen König erhoben. Die lange Zeit der Plantagenet-Herrschaft (seit Heinrich II. 1154) wurde durch die Lancaster abgelöst. Richard II. starb 1400 eines gewaltsamen Todes.

Die Bestätigung des Umsturzes von 1399 durch das Parlament illustriert dessen Bedeutung. Auch die Lancaster-Könige haben mit dem House of Commons, wie schon Eduard III., zusammenarbeiten müssen. Seit etwa 1350 nahmen die Commons ihre Gesetzgebungskompetenzen energisch wahr, griffen mit ihren Gesetzen auch in Kirchenfragen ein, wurden seit den 60iger Jahren unter anderm durch Einführung des Amtes des Speakers und durch den Gebrauch des Englischen als Verhandlungssprache zum Repräsentativorgan des Königreiches. Der sich sprunghaft entwickelnden mittelenglischen Schriftsprache erwuchs in Geoffrey Chaucers Canterbury Tales ein erstes literarisches Meisterwerk.

Für die Königreiche der iberischen Halbinsel war nach den Erfolgen der Reconquista im 12. und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts das 14. Jahrhundert die Zeit der institutionellen Stabilisierung. Wie in Frankreich die Provinzialstände bildeten sich die Ständevertretungen der Cortes auf der engeren regionalen Ebene aus und erprobten ihre Mitspracherechte gegenüber den Königen. Das durch Jahrhunderte tradierte und weiter entwickelte Gewohnheitsrecht aus römischen und westgotischen Wurzeln wurde in den regionalen Fueros fixiert. Kastilien erlebte unter König Johann I. (1379-1390) wichtige Reformen, unter anderem die Schaffung eines Obersten Gerichts, das vom König unabhängig war, die Reservierung von Kronland für den Unterhalt eines stehenden Heeres und auch kirchliche Reformen.

Mitteleuropa

Die Kurfürsten hatten 1298 mit der Absetzung Adolfs von Nassau und der Wahl Albrechts I. ihre Bedeutung noch einmal unterstrichen. Der ständische Charakter des Reiches, getragen von König/Kaiser, Kurfürsten und - mit Abstand - Reichsfürsten und Reichsstädten, festigte sich im 14. Jahrhundert. Die gegenseitigen Rechte von König und Kurfürsten wurden in der Goldenen Bulle von 1356 fixiert. Die vom König angesagten und bestimmten Hoftage wandelten sich definitiv zu Reichstagen, die bei politischem Bedarf anberaumt wurden, stets in Städten stattfanden und die von den Reichsständen entsprechend ihren eigenen Interessen aufgesucht wurden. Teilnahme, Verfahrenspraxis und inhaltliche Kompetenzen dieser Reichstage entwickelten sich gewohnheitsrechtlich und wurden weder klar definiert noch schriftlich verankert. Entsprechend dominierte auch das Gewohnheitsrecht auf der Landesebene, wo die je nach der historischen Entwicklung der Region recht unterschiedlich zusammengesetzten Landtage höchst differenzierte Mitspracherechte an Politik und Finanzgebaren der Fürsten realisierten. Auf der Ebene der Territorien gab es Ansätze zu ersten Institutionen für die Gerichtsbarkeit, für die Finanzverwaltung (Kammer), für den Rat (adlige und zunehmend auch juristisch, d. h. römisch-rechtlich geschulte Berater der Fürsten), für die Kanzlei. Während auf Reichsebene der König nicht auf Steuern zurückgreifen konnte - es existierten nur die unregelmäßig festgesetzten und eingetriebenen Steuern der Reichsstädte und Reichsorte -, hatten die Fürsten Einnahmen nicht nur aus den ihnen überlassenen Regalien (Zoll-, Münz-, Gerichtsbarkeits-, Markt-, Geleitsrechte), sondern schufen sich, da die Wahrnehmung der Regalienrechte einen Stab von fürstlichen Zuarbeitern erforderte, zusätzliche Steuern (meistens Bede genannt), deren Erhebung der Zustimmung der Landstände bedurfte bzw. von diesen "erbeten" werden musste (daher der Name). Zwischen Kosten für die Hofhaltung, die Auszahlung von Mitgiften, Dotierungen von Ehefrauen, Erbabfindungen, Ausgaben für Landesangelegenheiten, Besoldung von Geleitstruppen usw. wurde nicht unterschieden. Gegebenenfalls konnte sich Zustimmung, Ablehnung oder Änderungswünsche der Landstände indirekt auf all diese Fragen auswirken.

Die Städte hatten seit Ende des 12. Jahrhunderts Organe ausgebildet, die sich im 13. Jahrhundert verfestigten. Der sich aus den "besseren" (meliores) Bürgern zusammensetzende Rat übte Ordnungsrecht, Polizeihoheit, Verteidigung, Finanzhoheit, delegierte Gerichtsbarkeit, regulierte das Wirtschaftsleben. Der Gegensatz zwischen Fürsten und Städten (die sich den fürstlichen Hoheitsansprüchen zu entziehen suchten), den wir schon aus dem 13. Jahrhundert kennen, bestand fort.

In Deutschland begann das 14. Jahrhundert mit zwei kurzen Königsherrschaften, Albrecht I. von Habsburg (1298-1308) und Heinrich VII. von Luxemburg (1308/09-1313). Heinrich VII., der erste König aus dem luxemburgischen Grafenhaus, schaffte es nach langer "kaiserloser" Zeit, von Dante lebhaft begrüßt, nach Italien zu ziehen und sich in Rom durch einen Legaten des (bereits in Avignon residierenden) Papstes zum Kaiser krönen zu lassen. Er gewann für sein Haus auch das Königreich Böhmen durch die Eheschließung seines Sohnes Johann mit der jüngeren Schwester des 1306 verstorbenen letzten Böhmenkö nigs aus przemislidischem Haus, Wenzel III. Bei der nach dem Tod Heinrichs VII. notwendig gewordenen Königswahl waren die Kurfürsten uneins. Zu den politischen Gegensätzen kam, dass zwei Kurstimmen strittig waren. Für das Königreich Böhmen beanspruchte sowohl der junge Luxemburger Johann die Kurstimme, der mit der jüngeren Schwester Wenzels III. verheiratet und von seinem Vater, König/Kaiser Heinrich VII. mit Böhmen belehnt worden war, als auch Herzog Heinrich von Kärnten, der mit der älteren Schwester Wenzels III. verheiratet, noch von Albrecht I. mit Böhmen belehnt aber vom böhmischen Adel vertrieben worden war. Der zweite Fall war das Herzogtum Sachsen, das einer Erbteilung unterzogen worden war. Es gab fortan eine Linie Sachsen-Wittenberg und eine Linie Sachsen-Lauenburg, die beide die Kurstimme beanspruchten. Das Ergebnis all dieser Mißhelligkeiten war 1314 eine Doppelwahl. Sowohl Herzog Ludwig von Oberbayern, ein Wittelsbacher, als auch Friedrich von Habsburg beanspruchten die Königswürde. Die Anhängerschaft Ludwigs war von Anfang an größer und wuchs noch in den folgenden Jahren, aber die offene Rechtsfrage öffnete erneut (wie nach 1198) dem Papst die Möglichkeit, sich in die Entscheidung einzuschalten. Der in Avignon residierende Papst Johann XXII. (1316-1334) forderte auf den Rechtsgrundlagen, die sein Vorgänger Innozenz III. im Thronstreit nach 1198 gelegt hatte, für sich das Recht, die "Kandidaten" zu prüfen und zu approbieren und in der Zeit der "Vakanz" bis zur Approbation stellvertretend Reichsrechte ( "Vikariatsrechte") wahrzunehmen; das letzte beanspruchte der Papst vornehmlich im Hinblick auf die Ernennung von (päpstlichen) Reichsvikaren für Norditalien. Da Ludwig dem Papst die beanspruchten Rechte verweigerte, ging Johann XXII. gegen ihn mit kirchenrechtlichen Prozessen vor, gegen deren Entscheidungen Ludwig Appellationen einlegte. Die Situation eskalierte, weil der Papst auch mit einem Teil des Franziskanerordens und mit anderen namhaften Theologen in Streit geriet, und andererseits die Ansprüche des Papstes nicht nur Ludwig sondern auch die Rechte der Kurfürsten betrafen. Mit dem Habsburger Friedrich fand Ludwig einen Kompromiss, und nach dessen Tod 1330 war Ludwigs Stellung in Deutschland ohnehin unangefochten. Eine klare Provokation des Papstes stellte Ludwigs Italienzug und 1328 in Rom ohne den Papst durch einen führenden Stadtadligen und mit vorheriger akklamatorischer Zustimmung des Stadtvolkes vollzogene Kaiserkrönung dar, die Ludwig durch die Erhebung eines Gegenpapstes abzusichern suchte, den er freilich bald wieder fallen ließ. Obwohl die Nachfolger Johanns XXII., Benedikt XII. (1334-1342) und Clemens VI. (1342-1352) Verhandlungsbereitschaft zeigten, waren sie doch nicht gewillt, die Ansprüche zurückzunehmen. Die Vorboten des "Hundertjährigen Krieges" komplizierten seit 1337 die Situation. Dennoch stellten sich in mehreren Versammlungen von Reichsständen 1338 verschiedene Gruppen hinter Ludwigs Forderungen. Außer den Bischöfen tagten auch breite Ständeversammlungen ("Reichstage") und die Gruppe der Kurfürsten. Die Beschlüsse der letzten, die sich in Rhens trafen, waren besonders wichtig, da sie deklarierten, dass der von der Mehrheit der Kurfürsten Gewählte rechtmäßiger König sei, ohne päpstlicher Zustimmung zu bedürfen. Damit fixierten sie erstmals das Mehrheitsprinzip für die Königswahl und wiesen den päpstlichen Approbationsanspruch ab. Der Spruch wurde als "Weistum", d. h. als Findung alten Gewohnheitsrechtes, deklariert.

Dennoch verschlechterte sich Ludwigs Stellung seit 1342. Verschiedene Faktoren wirkten gegen ihn. Im englisch-französischen Krieg bezog er trotz anfänglicher Bündniszusagen an Eduard III. von England eine schwankende Stellung. Der 1342 gewählte Papst Clemens VI. war ein enger Vertrauter der Luxemburger und unterhielt gute Beziehungen zum französischen Hof. Entscheidend war aber wohl Ludwigs Hausmachtpolitik. Nach und nach hatte Ludwig seine Ausgangsposition, die nur auf einem Teil des bayerischen Herzogtums (Oberbayern) beruhte, ausbauen können. 1319 starb der Markgraf Woldemar von Brandenburg, der letzte aus dem Haus der Askanier. Ludwig konnte die Mark Brandenburg als Lehen einziehen und schließlich an seinen Sohn ausgeben. 1340 konnte er ganz Bayern nach Erlöschen der niederbayerischen Linie in seine Hand bringen. Ab 1341/42 zog ihm jedoch die Tiroler Eheaffäre die Feindschaft der Luxemburger zu. Die Grafschaft Tirol grenzte südlich an das Herzogtum Oberbayern und kontrollierte die wichtige Brennerpassstraße nach Italien. Das Grafenhaus pflegte enge Beziehungen zu den Habsburgern. Neben dem selbstbewussten Adel existierte ein wohlhabendes, freies Bauerntum, das sogar zu den Landtagen entboten wurde. Die Erbin von Tirol Margarete ( "Maultasch") war mit einem Luxemburger, einem Sohn König Johanns von Böhmen verheiratet, der luxemburgische Vertraute, unter anderen seinen Bruder Karl (den späteren König Karl IV.), in die Alpengrafschaft mitgebracht hatte. Weil deren Vorgehensweise nach Meinung des Adels seine Rechte verletzte, baute sich eine adlige Oppositionsgruppe auf. Im übrigen kam es bald zu Mißhelligkeiten zwischen den gräflichen Eheleuten, die schließlich dazu führten, dass Margarete ihren luxemburgischen Ehemann mitsamt seinem Anhang und mit Hilfe ihres Adels Ende 1341 aus dem Lande trieb. Außerdem betrieb sie die Lösung ihrer Ehe wegen Nichtvollzugs. Da der mit den Luxemburgern befreundete Papst ihre Forderung ablehnte, wandte sie sich an den Kaiser. Am Münchener Hof Ludwigs waren eine Reihe prominenter Theologen versammelt, die im Streit mit der avignonesischen Kurie lagen. Auf ihren Rat hin erklärte Ludwig, so zu sagen als Stellvertreter des als häretisch angesehenen Papstes, die Ehe der Gräfin von Tirol für nichtig. Dies war ein gravierender Eingriff ins kirchliche Eherecht, den die meisten Bischöfe des Reiches, unter ihnen auch die drei kurfürstlichen Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, trotz ihrer noch 1338 vertretenen politischen Unterstützung Ludwigs nicht mehr mitzutragen bereit waren. Dass Margarete von Tirol wenig später den Sohn Ludwigs heiratete, bildete den Gipfel der Affäre. Von nun an standen nicht nur die Luxemburger - und das waren mit Johann von Böhmen und dem einflussreichen Erzbischof Balduin von Trier immerhin zwei Kurfürsten - sondern auch die Habsburger, die ihre Tiroler Interessen gefährdet sahen, gegen Ludwig. 1345 schließlich zog Ludwig nach dem söhnelosen Tod des Grafen von Holland-Seeland-Hennegau dessen niederrheinisches Lehen zugunsten seiner Frau ein, die eine der Schwestern des Verstorbenen war. Ludwigs Schwäger, der Markgraf von Jülich und der englische König Eduard III. reklamierten die übergangenen Erbansprüche ihrer Frauen. Von da an bereiteten die Luxemburger die Wahl eines Gegenkönigs vor.

Ludwigs Hausmachterwerbungen machen keinen vorüberlegten Eindruck. Nur die Grafschaft Tirol ließ sich sinnvoll mit dem Stammland Bayern verbinden. Die Markgrafschaft Brandenburg und die niederrheinischen Gebiete ließen sich nur delegieren und brachten von daher eher Belastungen für die Wittelsbacher ein. Beide gingen ihnen auch bald wieder verloren, die Mark Brandenburg schon in den 60iger Jahren des 14. Jahrhunderts unter Karl IV. (zunächst an die Luxemburger), die niederrheinischen Gebiete in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts an die Burgunderherzöge.

Nach Verhandlungen mit dem Papst, in denen die Luxemburger den päpstlichen Ansprüchen hinsichtlich Italiens nachkamen, die Anerkennung eines päpstlichen Vikariats- und Approbationsrechtes für Deutschland aber vermieden, wurde Karl (IV.), der Sohn Johanns von Böhmen im Juli 1346 von einer Mehrheit der Kurfürsten zum König gewählt; nur die wittelsbachischen Kurfürsten, der Pfalzgraf bei Rhein und der Markgraf von Brandenburg, fehlten. Die sächsische Kurstimme nahm der Herzog von Sachsen-Wittenberg wahr. Bevor Karl sich im November (in Bonn - Aachen stand auf der Seite Ludwigs) krönen ließ, wartete er die päpstliche Approbation ab. In der Zwischenzeit war Johann von Böhmen auf französischer Seite im August 1346 in der Schlacht von Crécy gefallen. Das Königreich Böhmen und die Markgrafschaft Mähren, Erbe und Hausmachtbasis Karls IV., waren von Johann stark heruntergewirtschaftet worden. Um die Ressourcen dieser Gebiete zu nutzen, musste Karl nach seiner Krönung zum König von Böhmen 1347 hier zunächst reformieren und aufbauen. Karls Stellung als römisch-deutscher König war auch nach Ludwigs Tod im Oktober 1347 nicht gesichert, vielmehr gelang es dem Wittelsbacher-Anhang im Januar 1349 den Grafen Günther von Schwarzburg zum Gegenkönig wählen zu lassen; neben den beiden Wittelsbacher-Fürsten stimmten der Herzog von Sachsen-Lauenburg und der vom avignonesischen Papst abgesetzte Erzbischof von Mainz für ihn. Höchst geschickt setzte Karl den Gegenkönig matt: die Stimme des abgesetzten Mainzer Erzbischofs war von Anfang an anfechtbar; die Stimmberechtigung des Brandenburger Wittelsbachers bestritt Karl, indem er die Rechte eines Mannes anerkannte, der 1348 mit der Behauptung auftauchte, er sei der von langer Pilgerfahrt zurückgekehrte, fälschlich seit 1319 für tot gehaltene askanische Markgraf Woldemar; den Herzögen von Sachsen-Lauenburg wurde das Recht auf die sächsische Kurstimme abgesprochen; den wittelsbachischen Pfalzgrafen bei Rhein gewann Karl, frisch verwitwet, durch die Eheschließung mit dessen Tochter im März 1349. Der erkrankte Günther von Schwarzburg ließ sich mit einer Geldsumme abfinden und starb im Juni 1349. Unmittelbar danach ließ sich Karl nochmals und jetzt einstimmig zum König wählen und im Juli 1349 in Aachen noch einmal krö nen (und stellte damit die Berechtigung der ersten Bonner Krönung in Frage). Den falschen Woldemar von Brandenburg ließ er nunmehr fallen.

Prag
Blick auf die im Auftrag Karls IV. erbaute Moldaubrücke, im Hintergrund Veitsdom und Prager Burg.
Der Brückenbau war eine der Maßnahmen, die Prags Funktion als Wirtschafts- und Verkehrszentrum verstärken sollten.

Für Karls Zeit vor der Königswahl besitzen wir eine singuläre Quelle: seine Autobiografie. Freilich gibt sie nur begrenzt Einblick in seine Persönlichkeit: Persönliches wird im Mittelalter von Rastern eingeübter, erwarteter und ritualisierter Verhaltensweisen überdeckt. Man begegnet in der Schrift religiösem Wunderglauben und ritualisierter Meditation. Immerhin macht sie deutlich, dass Böhmen-Mähren das Land von Karls Kindheit war. Als Sohn eines Luxemburgers und einer Przemislidin sprach er Tschechisch, Deutsch, Französisch und lernte Latein. Die Lebensspanne vom 7. bis 14. Lebensjahr verbrachte er am französischen Hof. Der französische König Karl IV. (1322-1328) wurde sein Firmpate; von ihm übernahm er den Namen Karl, der an die Stelle seines Taufnamens Wenzel trat. Politische Erfahrungen sammelte er in der ihm übertragenen Markgrafschaft Mähren und im Auftrag seines Vaters in Norditalien und in der Grafschaft Tirol bis zur Vertreibung seines Bruders. Mit der Darstellung der Tiroler Eheaffäre endet seine Autobiografie. Wie Ludwig "der Bayer" betrieb Karl eine dezidierte Hauptstadtpolitik; wie Ludwig München, baute Karl Prag aus. 1344 ließ er das Prager Bistum zum Erzbistum erheben und gründete hier 1348 die erste Universität auf Reichsboden - auch zur Ausbildung des benötigten Beamtenstabes. Die Bautätigkeit (Ausbau der Prager Neustadt, Bau des Veitsdoms und der Moldaubrücke) diente repräsentativen und wirtschaftlichen Zielen. Dass Karl nicht nur ein geschickter Diplomat und Politiker sondern auch ein Herrscher war, der mit Finanzen umzugehen wusste, wird noch deutlicher, wenn man die wirtschaftlich desolate Ausgangssituation in Böhmen berücksichtigt, die Einbrüche durch die seit 1348 in Europa grassierenden Pestepidemien, und wenn man sein Finanzgebaren mit dem anderer zeitgenössischer Reichsfürsten vergleicht: er war in der Lage, Länder zu kaufen, Kredit zu geben und Pfandschaften, die ihm daraus entstanden, gewinnbringend für seine Hausmachterweiterung zu nutzen, während viele seiner Standeskollegen sich bis zum Verlust ihrer Territorien verschuldeten.

Die Gewinnung des Kaisertitels ist sehr früh als Ziel Karls auszumachen. Die Rivalitäten der norditalienischen Stadtregimenter waren ihm aus eigener Anschauung bekannt. Cola di Rienzo, der sich in einem Volksaufstand 1347 gegen die vom avignonesischen Papst bestätigten Adels-Senatoren zum Herrn Roms aufgeschwungen hatte, reiste nach seinem Sturz 1350 zu Karl, der seine rhetorischen Fähigkeiten schätzte ihn aber in milder Haft hielt. Nach kurzer, vom Papst gebilligter Wiedereinsetzung in Rom, wurde Cola 1354 erneut gestürzt. Den Aufbruch Karls nach Italien begrüßten sowohl Cola als auch Petrarca. Im Januar 1355 wurde Karl in Mailand zum König von Italien, zu Ostern 1355 in Rom von einem Kardinallegaten zum Kaiser gekrönt. Auf eine wirkliche Herrschaftsausübung in Italien verzichtete er, auch um Ansprüche des Papstes nicht zu verletzen. Ende 1355 nach Deutschland zurückgekehrt, ging er unabhängig von konkreten Anlässen auf einem Reichstag die grundsätzliche Regelung der Königswahl und des Status der Kurfürsten an. Im Januar 1356 wurde das Ergebnis der Beratungen als mit Goldbulle besiegeltes feierliches Reichsgesetz vom Kaiser erlassen. Die Goldene Bulle von 1356 ist eines der wenigen Reichsgesetze des späten Mittelalters. Prinzipiell blieb sie bis zum Ende des "Alten Reiches", d. h. bis 1806 gültig, wenn auch Einzelheiten in der frühen Neuzeit verändert und ergänzt wurden. Der Papst erkannte sie nicht an, was ihrer Wirkung aber keinen Abbruch tat.

In der Goldenen Bulle wurde die Siebenzahl der Kurfürsten (Erzbischöfe von Trier, Köln, Mainz; König von Böhmen, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Sachsen-Wittenberg - die Lauenburger wurden definitiv ausgeschlossen -, Markgraf von Brandenburg) festgeschrieben, die Stimmfolge bei der offenen Abfragewahl, die der Mainzer Erzbischof durchzuführen hatte und bei der er als Letzter zu stimmen hatte, festgelegt. Die Bestätigung, dass wie von den Kurfürsten schon 1338 beschlossen, die Mehrheit der Stimmen eine rechtmäßige Wahl begründe, verlieh dem zuletzt stimmenden Mainzer ein besonderes Gewicht (das seiner traditionellen Erzkanzlerstellung entsprach) und beendete die Streitigkeiten um Einstimmigkeit. Kurfürstentümer durften fortan nicht mehr geteilt werden; dies sollte Doppelstimmen (wie z. B. im Fall Sachsen-Wittenberg und Sachsen-Lauenburg) vorbeugen, verlieh aber den Kurfürstentümern zugleich eine Sonderstellung gegenüber allen anderen Fürstentümern des Reiches, in denen Erbteilungen mit den daraus resultierenden nachteiligen Konsequenzen üblich waren. Bei den Laien-Kurfürstentümern (nur die waren ja durch Erbteilung gefährdet) sollte die männliche Primogeniturfolge gelten und nur im Fall, dass überhaupt kein Sohn vorhanden war, das Kurfürstentum vom König als Reichslehen neu vergeben werden. Eine Ausnahme bildete Böhmen: hinterließ der König hier keinen Sohn, sollten die Stände (der Adel) das Königswahlrecht haben. Das den böhmischen Ständen verbriefte Sonderrecht trug der historischen Tradition in Böhmen Rechnung und hatte wiederholt im 15. Jahrhundert und noch einmal 1618 politische Konsequenzen. Als Wahlort für den römisch-deutschen König wurde Frankfurt, als Krönungsort Aachen festgeschrieben, Ladung und Geleit zur Wahl genau festgelegt, auch alle zeremoniellen Fragen für den Krönungsverlauf und das Krönungsmahl, die die Kurfürsten betrafen, geregelt.

Außer den rechtlichen Besonderheiten der Kurfürstentümer, die mit dem Wahlrecht der Kurfürsten zusammenhingen, verfügte die Goldene Bulle eine zusätzliche Festigung und Ausweitung der kurfürstlichen Rechte; von besonderer Bedeutung waren die ihnen zugestandenen Berg- und Judenschutzrechte, sowie die Befreiung kurfürstlicher Gerichtsbarkeit von jeder Appellationsmöglichkeit gegen sie. Dies trieb die Territorialisierung der Hoheitsrechte im Reich voran, eröffnete den Kurfürsten zusätzliche Einnahmequellen und unterstrich ihre Sonderstellung gegenüber den anderen Reichsfürsten. Der vorgesehene regelmä ßige Kurfürstenrat, der Reichsangelegenheiten beraten sollte und damit als Reichsorgan neben den König getreten wäre, schlief allerdings bald wieder ein. Dennoch war besiegelt, dass König/Kaiser und Kurfürsten gemeinsam das Reich repräsentierten.

Ohne dass die Ansprüche, die die Päpste in den letzten Jahrzehnten erhoben hatten, explizit erwähnt worden wären, wies die Goldene Bulle diese indirekt zumindest für Deutschland ab, indem sie bestimmte, dass die erste Amtshandlung des gewählten Königs (also ohne päpstliche Approbation) die Bestätigung der Kurfürstenrechte sein sollte, und indem sie das Vikariat für die Zeit der Vakanz in Deutschland zugunsten des rheinischen Pfalzgrafen und des Herzogs von Sachsen regelte. Herrschaftsrechte in Italien thematisierte die Goldene Bulle nicht.

Mit der Goldenen Bulle war das Wahlkönigtum für Deutschland definitiv verankert. Dennoch gelang es Karl noch zu eigenen Lebzeiten (1376), die Kurfürsten zur Wahl seines ältesten Sohnes Wenzel zum Nachfolger zu bewegen: so gefestigt war die kurfürstliche Macht, dass die Kurfürsten nunmehr sogar einer de-facto-Erblichkeit der Königswürde zustimmten. Und tatsächlich kamen nach Karl IV. zunächst vornehmlich die Luxemburger und nach deren Aussterben im 15. Jahrhundert die Habsburger für die rö misch-deutsche Königswürde in Frage.

Neben der Regelung des Königswahlrechtes ist die Erweiterung des Hausmachtbesitzes eine hervorragende Leistung Karls IV. Schon Karls Vater Johann hatte przemislidische Erbansprüche gegenüber dem polnischen Herrscherhaus der Piasten geltend gemacht, schließlich aber 1335 gegenüber König Kasimir III. von Polen (1333-1370) auf die polnische Krone verzichtet, sich aber im Gegenzug Herrschaftsrechte über den größten Teil der schlesischen Fürstentümer übertragen lassen. Den schlesischen Besitz rundete Karl IV. durch seine Ehe mit der Erbin von Schweidnitz-Jauer ab. Mit der Unterstellung Sclesiens unter die böhmische Krone wurde diese Landschaft auch ein Bestandteil des Reiches. Durch Kauf, Tausch und Pfandnahme erweiterte Karl in mühsamer Kleinarbeit das böhmische Königreich nach Norden und Westen, bis zur Lausitz, dem Eger- und Vogtland und bis nach Oberfranken. Die zerstrittenen und wenig fähigen Wittelsbacher manövrierte er in der Mark Brandenburg aus. und setzte dort seinen jüngeren Sohn Sigismund als Markgrafen ein, während er für den älteren, Wenzel, die Nachfolge in Böhmen und im Reich vorsah. Die Rückendeckung durch die Habsburger sicherte er sich dadurch, dass er ihnen 1363 gegen wittelsbachische und luxemburgische Ansprüche Tirol übertrug und mit ihnen 1364 einen Erbvertrag schloss, durch den Luxemburger und Habsburger beim Aussterben der jeweils anderen Linie deren Territorien übernehmen sollten; damit war jede potentielle Opposition der Habsburger gegen die luxemburgische Erwerbspolitik neutralisiert. Langfristig sollte dieser Erbvertrag freilich für die Habsburger, nicht für die Luxemburger, zu Buche schlagen - aber das konnte Karl natürlich nicht vorhersehen. Rudolf IV. von Habsburg, Schwiegersohn Karls IV., Herzog von Österreich und Steiermark, traf für Wien ähnliche Ausbaumaßnahmen wie Karl IV. für Prag mit der Gründung der Universität und dem Neubau des Stephansdomes.

In Polen war 1370 nach König Kasimirs Tod dessen Neffe, König Ludwig I. von Ungarn auf den Thron gefolgt, der die beiden Königreiche zum Mißfallen einflussreicher Gruppen im ungarischen wie polnischen Adel in Personalunion miteinander verband. Der Adel beider Königreiche erstrebte deren Trennung nach Ludwigs Tod. Karl IV. verlobte seinen jüngeren Sohn Sigismund mit Ludwigs I. zweiter Tochter und erhoffte für diese Schwiegertochter in spe (und damit für Sigismund) die Nachfolge in Polen. Mit Polen und der Markgrafschaft Brandenburg wäre unter Sigismund eine im Reich verankerte luxemburgische Sekundogenitur entstanden. Die Geschichte freilich verlief anders, als Karl es erhofft hatte. Die älteste, für die Nachfolge in Ungarn vorgesehene Tochter Ludwigs I. starb noch vor Karl IV., ohne dass er Zeit gefunden hätte, die Verhältnisse neu zu regeln. Nach dem Tod Ludwigs I. von Polen-Ungarn 1382, erhob der ungarische Adel die Braut Sigismunds, nach dem Tod der ältesten Schwester nunmehr älteste Erbin, zur Königin von Ungarn, und Sigismund sicherte sich mit seiner Braut auch die ungarische Königswürde. Der polnische Adel hingegen erhob die jüngste Tochter Ludwigs I., Hedwig-Jadwiga, die noch im Kindesalter stand, zur Königin und suchte für sie einen Ehemann. Sigismunds Erbe, die Mark Brandenburg, war nicht dauerhaft sinnvoll mit Ungarn zu verbinden. Er setzte vielmehr in der Mark Brandenburg die den Luxemburgern befreundeten Burggrafen von Nürnberg aus dem Haus der Hohenzollern zunächst als Stellvertreter ein, bis er sie definitiv 1415 mit diesem Kurfürstentum belehnte.

1376 kehrte Papst Gregor XI. (1370-1378) von Avignon nach Rom zurück. Nach seinem Tod brach in der westlichen Kirche ein Schisma aus mit einem in Rom und einem in Avignon residierenden Papst. Karl IV. hinterließ dieses Problem seinem Sohn Wenzel, der daran wie auch bei anderen Schwierigkeiten im Reich scheiterte. Das kirchliche Schisma stand auch einer Kaiserkrönung Wenzels im Wege. Es formierte sich eine kurfürstliche Opposition, die im Sommer 1399 Wenzel wegen Unfähigkeit absetzte und ihren Anführer, den rheinischen Pfalzgrafen Ruprecht, zum neuen römisch-deutschen König wählte. Die böhmische Königswürde behielt Wenzel bis zu seinem Tod im Jahr 1418.

Nord-, Ost- und Südosteuropa

Die innere Situation in den skandinavischen Königreichen war im 14. Jahrhundert durch Konflikte zwischen Adel und Königshaus geprägt, die besonders im Fall von unmündigen Königen Konjunktur hatten. In Dänemark, dem bis dahin stärksten der drei Reiche, führte dies zu einer deutlichen Schwächung des Königtums; Krongut wurde in erheblichem Umfang an den Adel verpfändet und verkauft. Als der Dänenkönig Waldemar IV. Atterdag (1340-1375) gegenzusteuern begann und die Herrschaft am Ostufer des Sundes und in Schonen zurückgewann, die Zölle und Abgaben erhöhte und 1361 sogar die Insel Gotland eroberte, empfanden die Kaufleute der Hansestädte dies als eine Bedrohung ihrer Handelsinteressen. Die Hanse war seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nach und nach als lockerer Zusammenschluss von Kaufleuten west- und norddeutscher Städte aus deren gemeinsamen Wirtschaftsinteressen entstanden. Vor allem die gemeinsame Nutzung von Außenstandorten verband die Kaufleute, in London, in Brügge/Flandern, in Bergen/Norwegen, in Visby auf Gotland, in Nowgorod. Mit der Ausweitung der Handelsunternehmen, dem Einsatz von Agenten, die im Auftrag des Kaufherrn handelten, der Verschriftlichung der Handelsabläufe und der Einbindung der Kaufherren in die Politik ihrer Heimatstädte entwickelte sich die Hanse von einer Kaufleutegemeinschaft zu einer Städtegemeinschaft, ohne dass es gemeinsame Organe des Städtebundes oder eine formelle Mitgliedschaft in ihm gegeben hätte. Gemeinsame Angelegenheiten wurden auf sogenannten Tagfahrten beraten. Die Aktivitäten des Dänenkönigs Waldemar IV. führten zur einzigen politisch-militärischen Aktion des Städtebundes, die mit einem Erfolg der Hanse im Frieden von Stralsund 1370 endete. Eine neue Situation entstand, als 1397 die drei skandinavischen Königreiche unter König Erich in Personalunion zusammengeschlossen wurden. Bei allen strittigen Fragen um das "Unionsdokument" dieser Kalmarer Union ist doch eindeutig, dass die Union als dauerhafter Zusammenschluß der drei skandinavischen Reiche intendiert war; so wurde sie bis zum 16. Jahrhundert verstanden.

Die Einschnitte des 14. Jahrhunderts für die polnische Geschichte wurden bereits erwähnt: trotz der Abtretung Schlesiens an die luxemburgischen Könige Böhmens die Festigung polnischer Königsmacht unter König Kasimir III. (1333-1370), nach seinem Tod die Verbindung von Ungarn und Polen unter Ludwig I. (bis 1382), danach die erneute Verselbständigung beider Reiche entsprechend dem Willen des ungarischen und polnischen Adels unter Ludwigs I. Töchtern. Der Bräutigam, dann Ehemann der älteren, Maria, die Königin von Ungarn wurde, war der Luxemburger Sigismund, der jüngere Sohn Karls IV. Für die jüngere, Hedwig, suchte der polnische Adel einen Ehemann. Als solcher bot sich der Großfürst Jagiello von Litauen an. Unter der Voraussetzung seiner Taufe und der Christianisierung Litauens willigte der polnische Adel in sein Angebot ein. Mit der Taufe Jagiellos 1386 und seiner Eheschließung mit Hedwig-Jadwiga begann die polnisch-litauische Union.

Bislang waren Missionsversuche der russisch-orthodoxen Kirche bei dem baltischen Volk der Litauer ebenso gescheitert wie die vom deutschen Ritterorden und seinem Ordensstaat unternommene "Schwertmission". Entsprechend dem durch Wald- und Sumpfgebiete untergliederten Siedlungsraum gab es in Litauen keine stark ausgeprägte übergeordnete Herrschaftsgewalt, vielmehr mehrere Teilfürsten, unter denen sich gegebenenfalls einer als Großfürst durchsetzte. Im 14. Jahrhundert hatten die litauischen Fürsten in kriegerischen Aktionen von dem Zentralraum um Vilnius aus ihre Herrschaft bis Wolhynien, an den mittleren Dnjepr (Kiew) und bis Smolensk ausgeweitet, das heißt in ostslavische (russische) Gebiete, die sich der Tributpflicht gegenüber den Tataren der Goldenen Horde zunehmend entzogen. Die litauische Vorherrschaft deckte also schon vor 1386 ein ethnisch und sprachlich heterogenes Gebiet ab, zumal deutsche Kaufleute in einigen litauischen und polnischen Städten, die zum Teil deutsche Stadtrechte (Magdeburg) übernahmen, eine nicht unerhebliche Rolle spielten. Die polnisch-litauische Union von 1386 schuf insofern keine neue Situation und die gegliederte Herrschaftsform kam den Eigenständigkeitsbestrebungen des polnischen Adels entgegen. Das kulturelle Gewicht Polens in der Union zeigte sich aber zum Beispiel in der Rolle von Krakau als Residenz der Jagiellonen. Für den Staat des Deutschen Ritterordens im Preußenland waren die Konsequenzen gewaltig: nicht nur, dass mit der Taufe Jagiellos und seiner Untertanen die Missionierungsaufgabe des Ritterordens erlosch, der Ordensstaat hatte jetzt einen geeinten mächtigen Nachbarn an seiner Süd- und Ostgrenze. Zwar ist es richtig, dass die Union von 1386 nur einen lockeren Verbund darstellte. Dieser war aber nicht nur stark genug zur Abwehr von Angriffen aus dem Ordensland, wie sich im 15. Jahrhundert zeigte, er prägte das Bewusstsein der litauischen und polnischen Führungsschichten, so dass im 16. Jahrhundert mit der Lubliner Union von 1569 der Zusammenschluss erneuert und verstärkt werden konnte.

Der ostmitteleuropäische Raum, von den baltischen Ländern an der Ostseeküste über Polen, Böhmen, Ungarn bis ins mittlere Dnjepr-Gebiet entzieht sich im späten Mittelalter einfachen ethnischen Zuordnungen. Baltische Pruzzen, Liven und Litauer lebten neben Deutschen, die im Ordensland schnell die Mehrheit wurden, in Livland und Litauen aber im wesentlichen auf die Städte beschränkt blieben. Bäuerliche deutsche Siedler wurden noch von den Piastenherrschern ins westliche Polen gerufen, wo sie in den schlesischen Teilfürstentümern bald Mehrheiten oder starke Minderheiten bildeten. Anlässlich der schlimmen Judenverfolgungen im Reich im Zuge der Pestepidemien Mitte des 14. Jahrhunderts öffnete König Kasimir von Polen sein Königreich den Vertriebenen und Abwandernden, von denen er sich eine Stärkung des Kleinhandwerks und des Kleinhandels erhoffte. Von Polen, vor allem Südpolen (Galizien) aus wanderten diese jüdischen Exulanten weiter bis ins südliche Russland. Ihre Sprache, das Jiddische, nahmen sie mit und bewahrten sie in ihrer neuen slavischen Heimat. Deutsche (sächsische) Bergleute wurden von den böhmischen und ungarischen Königen zur Erschließung der Erzvorkommen in ihre Reiche geholt. Kein Fürst, der durch Privilegierung der Neusiedler oder durch Eroberungen an dieser Heterogenität des östlichen Mitteleuropa teil hatte, dachte "national" - das anzunnehmen, wäre ein Anachronismus. Die Fürsten selbst stammten ja teilweise aus westeuropäischen Dynastien: die Böhmenkönige waren nach Aussterben des vom 10. Jahrhundert an herrschenden, einheimischen Przemislidengeschlechtes (Wenzel III. 1306) seit König Johann (ab 1310) Luxemburger; in Ungarn setzten sich nach dem Aussterben der einheimischen Arpaden, die seit der Jahrtausendwende die ungarischen Könige gestellt hatten, nach kurzer Zeit der Thronrivalitäten zwischen Fürstenhäusern, die alle über die weibliche Linie mit den Arpaden verwandt waren, die süditalienischen Anjou (Karl Robert seit 1308) als Könige durch. "Nationale" Vorstellungen waren dem Adel, der in all diesen Ländern eine starke Stellung hatte und diese Königsherrschaften stützte, fremd.

Landesausbau, Neusiedlungen und die Abwehr äußerer Feinde standen im Vordergrund. Für die nordrussischen und litauischen Fürsten hieß das vor allem die Auseinandersetzung mit den Tataren, für Ungarn und die Balkanfürstentümer der Kampf gegen die osmanischen Türken. Der Sieg des Litauerfürsten Olgerd über die Tataren im Jahr 1362 an einem Nebenfluß des südlichen Bug leitete die litauische Herrschaft über das ostslavische Kiew, das älteste der russischen Großfürstentümer ein. Dass den Fürsten von Moskau im Machtkampf mit den anderen russischen Teilfürsten vor allem denen von Tver im Lauf des 14. Jahrhunderts der Vorrang zuwuchs, verdankten sie einer Fülle von Faktoren: dem Ausscheiden Kiews durch die litauische Herrschaft, einer rabiaten und geschickten Diplomatie gegenüber den Tataren, der Unterstützung durch die Adelsrepublik Nowgorod, dem effektiven Einsatz von erworbenem, erbeutetem und konsequent gehandhabtem Reichtum, einigen glücklichen Zufällen und der Unterstützung durch den Metropoliten von Moskau. Seit Dimitri Ivanovic (1359-1389) führten die Moskauer Großfürsten den Titel "Großfürsten von ganz Russland" wie zuvor schon die Metropoliten von Moskau sich als Metropoliten von ganz Russland titulierten. Damit war der Moskauer Anspruch auf Führung der russischen Orthodoxie in der Nachfolge von Kiew verbunden. Mit seinem Sieg über die Tataren im Jahr 1380 am oberen Don unterstrich Fürst Dimitri diesen Anspruch.

Für Ungarn und Südosteuropa brachten die osmanischen Eroberungen auf dem Balkan in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entscheidende Veränderungen. Um 1300 war bereits der größte Teil des vormals byzantinischen Ost-, Mittel- und Nordkleinasien von den osmanischen Türken unter ihrem Anführer Osman (1289-1326), der den (seldschukischen) Sultantitel annahm, erobert worden; türkisch-muslimische Bauern siedelten neben der griechisch-orthodoxen oder christlich-armenischen Bevölkerung oder - und dies zunehmend - unterwarfen und vertrieben diese. Das Byzantinische Reich, von inneren Unruhen und chronischer Finanznot mitgenommen, hatte den Unterhalt der östlichen Grenzbefestigungen eingestellt und leistete den osmanischen Eroberungen keinen effektiven Widerstand. Am längsten hielten sich die byzantinischen Städte, vor allem die Hafenstädte an der Ägäis, während die Agrarlandschaften Inner-Kleinasiens schon seit dem Ende der Komnenenzeit nur unzureichend durch Byzanz kontrolliert wurden. Aber in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nahmen die Osmanen unter Ausnutzung der innerbyzantinischen Auseinandersetzungen Brussa, Nikaea und Nikomedia ein; Brussa wurde Sultanresidenz.

Gleichzeitig vollzog sich auf dem Balkan und in Nordgriechenland auf Kosten byzantinischer Ansprüche und ebenfalls unter Ausnutzung der inner-byzantinischen Probleme der Aufbau des großserbischen Reiches unter Stefan Dusan (1331-1355). Ungarn und Bulgarien, die beide vom Verfall der byzantinischen Kaisermacht unter den letzten Komnenen und den Angeloi (Ende 12./Anfang 13. Jahrhundert) und von den Folgen des 4. Kreuzzugs für Byzanz Nutzen hatten, erlitten um 1240 erhebliche Einbußen durch die Mongoleneinfälle. Von ihrer Schwäche profitierte das serbische Adelsgeschlecht der Nemanjiden. Stefan Dusan dehnte die serbische Herrschaft über Bosnien und Albanien bis zur Adria und in Nordgriechenland bis zum Golf von Korinth aus. Der serbische Patriarch krönte ihn 1346 in Skopje zum "Kaiser und Autokrator von Serbien und Romania", womit Dusan Anspruch auf die Nachfolge der byzantinischen Kaiser erhob. Doch brach sein ethnisch und sozial heterogenes großserbisches Reich bald nach seinem Tod zusammen. Die politisch instabile Situation auf dem Balkan kam der osmanischen Expansion entgegen. Schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts machten die Osmanen den Venezianern und Genuesen die Seeherrschaft in der Ägäis und im östlichen Mittelmeerraum streitig. 1354 setzten sie sich in der Festung Gallipoli auf der europäischen Seite des Marmarameeres fest und begannen von dort aus unter Umgehung Konstantinopels, das durch seinen Mauerring geschützt war, die Eroberung des Balkans. 1361 nahmen sie Adrianopel, 1389 schlugen sie den serbischen Adel im Kossowo (Amselfeld) und bedrohten fortan die ungarische Grenze. Ein Verteidigungsversuch des Ungarnkönigs Sigismund aus dem luxemburgischen Haus, Sohn Karls IV., scheiterte 1396 bei Nikopolis.

Mistra 2
Burgberg von Mistra (Peloponnes). Mitte des 13. Jh. wurde auf dem Berg eine Kreuzfahrerburg errichtet,
die die Byzantiner 1262 eroberten. Seit Ende des 13. Jh. entstanden im Schutz der Burg byzantinische
Verwaltungs-, Wohn- und Kirchengebäude. Sitz eines Despotats wurde Mistra 1348.
Mitglieder des Palaiologenhauses residierten hier. Türkische Eroberung 1460.

Das Byzantinische Reich war im 14. Jahrhundert nichts anderes mehr als eine ägäische Mittelmacht. Kleinasien und Teile des Balkans waren an die Osmanen verloren. In anderen Teilen des Balkans hielten sich nach dem Zerfall des großserbischen Reiches kleine slavische Fürstentümer. Teile der Peloponnes und der Inseln standen unter venezianischer oder genuesischer Herrschaft. Neben Konstantinopel entwickelte sich in den von den Byzantinern zurückeroberten Teilen der Peloponnes (Morea) als neuer politischer und kultureller Mittelpunkt seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts das Despotat von Mistra (heute eine Ruinenstadt in der Nähe des antiken Sparta). Die Fresken der Kirchen des Burgberges legen Zeugnis ab von der Bedeutung der Residenz. Der Hof von Mistra zog Wissenschaftler an, die das philosophische und naturwissenschaftliche Erbe der griechischen Antike pflegten und es an den lateinischen Westen vermittelten. Gelehrte aus Mistra spielten eine wichtige Rolle für die Entstehung des Humanismus in Italien im 14. und 15. Jahrhundert.

Mistra 3
Mistra. Kapelle Agios Georgios.

Die byzantinische Kirche blieb auch im 14. Jahrhundert nicht von inneren Auseinandersetzungen verschont. Die schnelle Islamisierung Kleinasiens im Gefolge der osmanischen Expansion wurde begünstigt sowohl durch das schon jahrhundertelange Nebeneinander christlicher Bevölkerung mit muslimischen Seldschuken als auch durch die Flucht hoher kirchlicher Würdenträger vor den Osmanen. Die Stellung des Patriarchen von Konstantinopel in der Ostkirche war nie so stark gewesen wie die des Papstes in der lateinischen Kirche. Autokephaliebestrebungen hatten in der orthodoxen Kirche eine lange Tradition: einzelne Metropoliten vor allem slavischer Fürstentümer (Bulgarien, Serbien, Russland) beanspruchten gelegentlich eine Sonderstellung, die vor allem ihre Wahl betraf, nämlich nicht wie üblich durch eine Synode der Metropoliten in Konstantinopel, sondern unabhängig im jeweiligen Fürstentum. Autokephale Metropoliten in diesem Sinn waren zeitweise die Erzbischöfe von Ochrid, Skopje, Kiew, Moskau. Trotz aller theologischen Streitigkeiten und Diversifizierung war die griechische Orthodoxie aber ein wichtiges Identifikationselement des spätbyzantinischen Reiches.

Kirche, Papsttum, Universitäten

Die Aufeinanderfolge von aus Südfrankreich stammenden Päpsten im 14. Jahrhundert und ihre Residenznahme in Avignon seit 1309 hatte wichtige Konsequenzen für die lateinische Kirche. Bedingt war sie durch den Einfluss sowohl der französischen Könige als auch der französisch-stämmigen Anjou-Könige von Neapel auf das Kardinalskollegium, durch wiederholte Unruhen in Rom, die praktisch schon im 13. Jahrhundert zur Residenznahme der Päpste außerhalb der Stadt an anderen Orten des Kirchenstaates geführt hatten, und durch Vorlieben der "avignonesischen" Päpste von Clemens V. bis zu Gregor XI. Der Ausbau der Hofhaltung (orientiert am Repräsentationsbedürfnis laikaler Fürstenhöfe der Zeit) ermöglichte die Versorgung zahlreicher Familienmitglieder der Päpste mit kurialen Ämtern, war jedoch zugleich sehr teuer. Die Verlegung der Papstresidenz verursachte enorme Kosten durch den Ankauf von Grundstücken und Gebäuden sowie die eingeleiteten Baumaßnahmen. Gleichzeitig musste der Kirchenstaat in Italien durch päpstliche Stellvertreter verwaltet werden; die Einnahmen aus dem Kirchenstaat stagnierten. Dies alles führte dazu, dass die avignonesischen Päpste neue Einnahmen schufen, deren Basis päpstliche, den bisherigen Kirchenrechtsbestimmungen hinzugefügte Dekrete waren. Für viele dieser kirchenrechtlichen Neuerungen gab es bereits Ansätze im 13. Jahrhundert, doch wurden sie erst in der Zeit des avignonesischen Papsttums zu einem "System" ausgebaut.

Nachdem die römisch-deutschen Könige im Thronstreit nach 1198 ihre Mitwirkung bei Bischofswahlen im Reich zurückgenommen hatten und Friedrich II. darauf 1213 formell verzichtete, nachdem König Johann für England in der Magna Carta von 1215 der englischen Kirche die Freiheit der Bischofswahlen garantierte, war die Wahl der Bischöfe in diesen beiden Ländern eine Angelegenheit der jeweiligen geistlichen Institutionen (Domkapitel), auf deren Entscheidungen je nach den örtlichen Gegebenheiten unterschiedliche politische Kräfte einwirkten. In Frankreich bestand eine (informelle) Mitwirkungsmöglichkeit des Königs ohnehin nur in etwa zwei Dritteln der Bistümer. Eine Mitwirkung des Papstes bestand im Hochmittelalter nur bei der Anerkennung der Erzbischöfe in Form der Pallium(= Ehrengewand)-Vergabe. Lediglich im Kirchenstaat und in Süditalien (nicht aber in Sizilien) wirkte der Papst bei Bischofserhebungen mit. Durch sogenannte Reservationen weiteten die Päpste seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ihre Mitwirkungsmöglichkeiten bei kirchlichen Stellenbesetzungen aus: auf alle Bistümer bis zur Entfernung von Zwei-Tages-Reisen von Rom, auf Stellen, deren Inhaber in Rom verstorben waren, auf Stellen, deren Besetzung innerhalb der kirchlichen Gremien strittig war, usw. Über die Ausweitung der Reservationen wurde im 14. Jahrhundert der größte Teil der höheren kirchlichen Stellen in der Besetzung vom Papst abhängig. Parallel dazu wurde der Besetzungsvorgang wie alle kirchenorganisatorischen und kirchenrechtlichen Entscheidungen in hohem Maße bürokratisiert. Schriftliche Gesuche mussten registriert, Stufen der Entscheidungsvorgänge schriftlich fixiert, Entscheidungen ausgefertigt und beglaubigt werden, wobei jeder dieser Vorgänge nicht nur Zeit kostete sondern mit Gebühren belastet war. Das Kirchenrecht enthielt Bestimmungen über Ehehindernisse, Verbote von Kumulation kirchlicher Ämter, Vorschriften für die Erlangung kirchlicher Weihen. Von all diesen Rechtssetzungen konnte der Papst als oberster Walter des kirchlichen Rechts dispensieren; derlei Dispensen waren ebenfalls hoch kostenpflichtige bürokratische Akte. Entsprechendes gilt für die päpstlichen Ablässe, Befreiungen von Sündenstrafen. Zu den Einnahmen aus solchen Vorgängen traten Abgaben, die aus kirchlichen Ämtern von höherem Einkommen jährlich an Papst und Kardinäle in Avignon abzuführen waren, die "Servitien". Darüber hinaus schrieben die Päpste seit Bonifaz VIII. (1294-1303) jeweils für Teile der Christenheit immer regelmäßiger "Annaten" aus, Abgaben an den Papst, die sich an den Jahreseinkünften (annus = Jahr) der kirchlichen Benefizien orientierten. Eine Konsequenz dieser Stellenbesetzungs- und Finanzpraxis der Päpste war, dass hohe Pfründen nur den Reichen zugänglich waren, dass hohe kirchliche Amtsträger sich zunehmend nur um Wirtschaftlichkeit der Einkünfte und eigenen Einfluss mühten und pastorale Aufgaben an schlecht ausgebildete Geistliche delegierten, entsprechend das kirchliche Leben in den Gemeinden verkam - kurz eine "Verweltlichung der Kirche an Haupt und Gliedern", die bei ernsthaften Kirchenleuten den Ruf nach Reform immer lauter werden ließ.

Die dauerhafte Residenznahme der Päpste in Avignon, d. h. außerhalb ihrer Bischofsstadt Rom, stellte an sich schon einen Verstoß gegen das Kirchenrecht dar. Die Finanzpraxis der avignonesischen Kurie hätten die Kirchenreformer des 11. Jahrhunderts als "simonistisch" gebrandmarkt; kein Wunder, dass heftige Kritik vor allem aus den Reihen der Bettelorden, und hier besonders der Franziskaner, geäußert wurde. Hinzu kam, dass die avignonesische Kurie sich für den Transport von Dokumenten und für den Transfer der Gelder aus Gebühren, Servitien, Annaten usw. überwiegend der guten Dienste italienischer Bankhäuser bediente. Wer aber hätte Reformen einleiten sollen, da Päpste und Kardinäle im Zentrum des kritisierten Netzes saßen? Konzilien, in der christlichen Oekumene des 4. und 5. Jahrhunderts vom römischen Kaiser einberufene, sich aus allen oder fast allen hohen kirchlichen Amtsträgern zusammensetzende oberste Entscheidungsorgane in Glaubens- und Kirchenrechtsfragen, hatten sich im Hochmittelalter zu "Lateransynoden" gewandelt, die vom Papst einberufen und dominiert wurden. Auf dem Hintergrund des päpstlichen Primatanspruchs in Glaubens- und Kirchenrechtsfragen waren von solcherart mutierten Konzilien Reformen ebenso wenig zu erwarten wie von Papst und Kardinälen. Die Diskussion um Einberufung und Entscheidungsbefugnis von Konzilien und um ihre Stellung zum Papst (Über-, Bei- oder Unterordnung) wurde von Theologen in den Orden und an den Universitäten immer detailierter und kontroverser diskutiert.

Die Nähe der avignonesischen Päpste zu den französischen Königen (und ihren Interessen) stärkte auf dem Hintergrund des "Hundertjährigen Krieges" zwischen England und Frankreich in der englischen Kirche und im englischen Stadtbürgertum Tendenzen zur Abnabelung vom Papst. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden durch Gesetze, die im House of Commons beschlossen wurden, das päpstliche Stellenbesetzungsrecht und die Appellationsmöglichkeiten an den Papst für die "ecclesia anglicana" beschränkt. Die französische Kirche zog auf dem Hintergrund des seit 1378 bestehenden Schismas mit der Formulierung der Freiheiten der "ecclesia gallicana" (1407/08) nach. Die Entwicklung ging in Richtung auf eine Differenzierung der kirchenrechtlichen Praxis in einzelnen "Landeskirchen".

1376 kehrte Papst Gregor XI. aufgrund der immer drängenderen Kritik am avignonesischen Papsttum nach Rom zurück, wo er anderthalb Jahr später starb. Der Papstwahlvorgang nach seinem Tod endete mit einem Schisma, das die Lebenszeit der beiden gewählten Päpste überdauern sollte. Die westliche Christenheit spaltete sich in zwei "Obödienzen" (= Gehorsams- oder Anerkennungsbereiche); Italien, das Reich, die ostmitteleuropäischen Gebiete, die zur lateinischen Christenheit gehörten, Skandinavien und England erkannten die Päpste in Rom als rechtmäßig an, während Schottland, Frankreich und die spanischen Königreiche zur avignonesischen Obödienz gehörten. Zwei päpstliche Hofhaltungen und zwei Kardinalskollegien wollten unterhalten werden: an Reformen, an Minderung der Abgaben an die beiden Kurien war nicht zu denken. Für Deutschland war eine weitere Konsequenz aus dem Schisma, dass die Universität Paris, die auf der Seite des avignonesischen Papstes stand, als Ausbildungsstätte für deutsche Kleriker an Attraktivität verlor, so weit diese eine kirchliche Position im Reich anstrebten, die nur vom Papst in Rom vergeben wurde. Die Entstehung weiterer Universitäten im Reich (nach Prag 1348 und Wien 1365), in Heidelberg 1386, in Köln 1388, in Erfurt 1392, war eine Folge.

Von Lehrern an Universitäten gingen die wesentlichen Überlegungen und Schriften zur Frage des Konzils aus, von dem man sich nicht nur Heilung des Schismas sondern auch Reformen erhoffte. Reformen, das wurde in der Diskussion klar, mussten auch das Kirchenrecht betreffen, in dem durch zahlreiche Sonderregelungen das päpstliche Stellenbesetzungsrecht verankert war. Doch waren im 14. Jahrhundert die Probleme noch zu groß, als dass es zu einer Einberufung eines Konzils gekommen wäre. Verweltlichung der Kirche und Verwahrlosung von Gemeinden aber führten zu ersten "vorreformatorischen" Bewegungen, die die alte Forderung nach apostolischer Armut der Kirche wieder aufgriffen. In England fanden die Attacken des Theologen John Wyclif gegen Verweltlichung und Reichtum kirchlicher Amtsträger nicht nur Verbreitung sondern auch Popularisierung. Erst nach Wyclifs Tod 1384 wurde daraus die Bewegung der Lollarden. Wyclifs Schriften wurden an der Prager Universität rezipiert und bildeten seit etwa 1410 die Basis für den böhmischen "Vorreformator" Jan Hus und seine Schüler.


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