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Löscher boxt neue Kultur durch

von Richard Milne (München) und Angela Maierm (Frankfurt)

Siemens-Chef fordert von Führungsebene mehr Verantwortung ein. Neue Organisation soll Münchner Konzern schneller und kundenorientierter machen.

Siemens-Chef Peter Löscher will dem Münchner Traditionskonzern eine neue Führungskultur geben. "Wir werden dafür sorgen, dass Manager, die verantwortlich sind, auch zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Löscher der Financial Times in dem ersten Interview seit seinem Amtsantritt im Juli. "Die Leader werden das Unternehmen führen. Sie werden verantwortlich sein und ethische Standards einhalten. Das ist ein Programm über viele Jahre."

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Löscher war im Zuge des Korruptionsskandals an die Spitze von Siemens geholt worden - als erster Chef von außen in der 160 Jahre langen Unternehmensgeschichte. Er konstatiert, dass dem Konzern die Führungskultur schon vor längerer Zeit verloren gegangen sei. Dies sei ein wichtiger Grund dafür, dass sich im Konzern das System von Schmiergeldern und schwarzen Kassen so stark ausbreiten konnte, das Siemens allein im Geschäftsjahr 2007 rund 1,5 Mrd. Euro gekostet hat. "Das Unternehmen hat seine Fehler wegen mangelnder Führungskultur gemacht", sagte Löscher. Wegen Verstößen hat sich Siemens bereits von 130 Managern getrennt.

Als Vorbild für den Konzern mit 470.000 Mitarbeitern könne der deutsche Mittelstand dienen, wo Entscheidungen sehr schnell getroffen würden, findet Löscher. "Wir können vom Mittelstand lernen: Sei bescheiden und flink und schnell und kundenorientiert." Bisher entschieden bei Siemens wegen der komplexen Struktur mit drei verschiedenen Vorständen in erster Linie Gremien statt einzelner Manager - mit der Folge, dass im Zweifel niemand zuständig war.

Löscher vergleicht diese Organisation mit der des Frankfurter Chemiekonzerns Hoechst während der 80er-Jahre. Hoechst wurde Ende der 90er-Jahre von Jürgen Dormann, der damals auch Löschers Mentor war, reorganisiert und letztlich zerschlagen. Der Österreicher hat insgesamt 14 Jahre bei Hoechst und der Nachfolgefirma Aventis verbracht, bevor er in die USA ging und dort unter anderem für General Electric und Merck arbeitete.

Siemens-Chef Peter Löscher
 Siemens-Chef Peter Löscher

Um den Tanker Siemens wendiger zu machen, hat Löscher sich vor zehn Tagen vom Aufsichtsrat einen Umbau der Managementstruktur absegnen lassen - den ersten großen seit 1989. Dabei werden acht der neun Siemens-Bereiche in den drei Sektoren Industrie, Energie und Medizintechnik zusammengefasst. Statt eines AG- und eines Zentralvorstands mit "Betreuern" für die einzelnen Geschäfte gibt es ab Januar nur noch einen Vorstand, der auch operative Verantwortung trägt. An die Stelle der Bereichsvorstände rücken in den drei Sektoren Zweier-Führungsteams aus CEO und Finanzchef, ebenso wie in den darunter angeordneten 15 Divisionen. Um die Führungsposten in den Divisionen mussten sich alle - in der Regel altgedienten - Manager neu bewerben, was laut Insidern für großen Unmut sorgte. Mit der Entscheidung über die Divisionschefs am Freitag gaben zwei ehemalige Bereichsvorstandschefs ihr Ausscheiden bekannt, ein dritter könnte folgen.

Auch den mächtigen Chefs der Landesgesellschaften geht es an den Kragen: Löscher will die Verwaltungsapparate nicht nur in der Münchner Zentrale, sondern auch in den Landesgesellschaften deutlich straffen. Wie viele Zehntausend Stellen letztlich konzernweit abgebaut werden, ist noch nicht bekannt.

Die neue Geschäftsordnung für den Vorstand, die der Aufsichtsrat ebenfalls beschlossen hat, räumt Löscher eine große Machtfülle ein. Für die Finanzchefs der Sektoren sowie alle Führungspositionen der 15 Divisionen und 60 Geschäftseinheiten erhält er das Vorschlagsrecht für Ernennung und Abberufung.

Bislang ist es dem neuen Siemens-Chef überraschend gut gelungen, die IG Metall bei all seinen Brüchen alter Tabus im Boot zu halten. Dazu gehört auch der Beschluss, für bis zu 10 Mrd. Euro eigene Aktien zurückzukaufen.

Auch die Geschäftsordnung billigte der Aufsichtsrat, der zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzt ist, "einstimmig", wie Löscher sagte. "Ich bin ein Mann des Dialogs. Am Ende müssen wir mit den richtigen Taten überzeugen." Nebenvereinbarungen gebe es nicht. "Es gibt keinen Deal." Deals zwischen Konzernspitze und Arbeitnehmerbank sind in Deutschland nicht unüblich. Zum Beispiel gewährte Linde-Chef Wolfgang Reitzle den Betriebsräten für die Gabelstaplertochter Kion Standortgarantien und ein Mitspracherecht bei der Auswahl des Käufers, um den Kauf des größeren Gasekonkurrenten BOC durchzusetzen.

Ein "großes Problem" für Siemens sind nach Löschers Meinung allerdings die vielen undichten Stellen im Unternehmen und Aufsichtsrat, die Betriebsgeheimnisse an die Presse weiterreichen. "Wenn es eine Sache gibt, wo ich keine Lösung habe, ist es das", sagte er. "Ich habe noch nie in einem Unternehmen gearbeitet, in dem Informationen, die im Aufsichtsrat diskutiert wurden, praktisch ohne zeitliche Verzögerung in der Zeitung stehen. Wir haben eine Kultur, dass Informationen durchsickern. Das muss sich ändern."

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Aus der FTD vom 10.12.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: Bloomberg

 

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