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Lebensgefahr für Kleinkinder an Bord?

Umstrittener Kinder-Gurt soll in deutschen Airlines Pflicht werden

Von Tim van Beveren

Schlaufengurte können für Kleinkinder an Bord eines Flugzeugs tödlich sein, das zeigten Crashtests, die der WDR in Auftrag gab. Trotzdem sollen sie ab nächste Woche Pflicht sein. Gibt Verkehrsminister Tiefensee (SPD) dem Druck der Airlines nach?

Mutter mit angegurtetem Kind auf ihrem Schoß; Rechte: WDR/Debus-GohlBild vergrößern

Kein Schutz für Kleinkinder

Wie das ARD-Magazin Kontraste am Donnerstag (10.07.08) berichtet, hat Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee überraschend entschieden, dass Kinder unter zwei Jahren an Bord von deutschen Airlines zukünftig mit einem Schlaufengurt gesichert werden sollen. Mit dem Gurt, auch "Loopbelt" genannt, werden Kleinkinder an dem Beckengurt eines Erwachsenen festgeschnallt. Bei Experten gilt er als Sicherheitsrisiko für die Kinder. Aus dem Verkehrsministerium heißt es: "Das LBA (Luftfahrt-Bundesamt, Anm. d. Redaktion) wird den deutschen Luftfahrtunternehmen vorschreiben, den Schlaufengurt immer anzulegen, wenn die 'Seatbelt Signs' leuchten." Das sogenannte Lapholding (Kinder sitzen unangeschnallt auf dem Schoß eines Erwachsenen und werden von ihm festgehalten) dürfe nach dem 16. Juli 2008 - "abgesehen von einer etwaigen befristeten Übergangsperiode - nicht mehr verwendet werden". Das Ministerium revidiert damit eine Aussage gegenüber dem WDR vom 17. Mai 2008, ebenso ein Rundschreiben des Luftfahrt-Bundesamtes vom 26. Mai.

Flugbegleiter protestieren

Mit "Erstaunen und Bestürzung" reagierte die Unabhängige Flugbegleiter Organisation UFO in einem offenen Brief an Tiefensee auf die Entscheidung. "Dieser zusätzliche Schlaufengurt stellt für auf dem Schoß sitzende Kleinkinder eine potenziell lebensbedrohliche Lösung dar." Auch für die Pilotenvereinigung Cockpit ist es "nicht nachvollziehbar", dass Kinder "wissentlich lebensbedrohlich gefährdet" werden. "Alle Studien, die uns bekannt sind, sagen, dass ein Schlaufengurt für ein Kind lebensbedrohlich ist."

"Schlaufengurt kann tödlich sein"

Martin Sperber; Rechte: WDR/Debus-GohlBild vergrößern

Martin Sperber

Diese Einschätzung teilen Sicherheits-Experten wie der Luftfahrt-Ingenieur Martin Sperber vom TÜV Rheinland: "Diese Entscheidung wirft uns in Deutschland um zwölf Jahre zurück." Der TÜV Rheinland hatte Mitte der 90er Jahre im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums untersucht, wie Kleinkinder an Bord von Flugzeugen geschützt werden können. Den Schlaufengurt hält Sperber aufgrund dieser Untersuchung für völlig ungeeignet. "Der Gurt liegt zu hundert Prozent im Weichteilbereich eines Kindes. Die Verzögerungskräfte, die bei einer Notbremsung, Turbulenzen oder einer überlebbaren Crashlandung entstehen, werden unmittelbar in den empfindlichen Bauchbereich eingeleitet." Dort könnten nach Sperbers Erkenntnissen durch den Gurt lebenswichtige Organ verletzt werden - "möglicherweise mit tödlichen Konsequenzen". Crashtests, die der TÜV im Auftrag des WDR im Frühjahr 2008 durchgeführt hat, untermauern diese Einschätzung.

Bislang aus Sicherheitsgründen verboten

Versuchsaufbau für Crashtest in einer Halle; Rechte: WDR/Debus-GohlBild vergrößern

Crashtests zeigen Risiko

Zum gleichen Ergebnis kommen unabhängig davon auch Untersuchungen aus den USA, Kanada und Australien. Unter anderem deshalb ist der Gurt in deutschen Airlines bereits seit 1996 "aus Sicherheitsgründen" verboten. Noch vergangenen Freitag (04.07.08) hatte das Ministerium gegenüber dem WDR bekräftigt, an diesem Verbot festzuhalten - obwohl Kleinkinder laut einer EU-Vorschrift ab Mitte Juli nur noch befördert werden dürfen, wenn sie durch einen Schlaufengurt oder ein anderes Kinder-Rückhaltesystem gesichert werden.

Die Pilotenorganisation Cockpit geht davon aus, dass "offenbar auch sehr großer Druck auf das Verkehrsministerium ausgeübt wird". Nach Einschätzung der Bundestagsabgeordneten Miriam Gruss (FDP) liegt es auf der Hand, "dass Herr Tiefensee wider besseren Wissens und Gewissens dem Druck der Airlines nachgegeben hat". Die Lufthansa befürchtet "Wettbewerbsnachteile", wenn andere EU-Luftfahrtgesellschaften den Schlaufengurt jetzt einführen. Über 3.000 der umstrittenen Gurte hat das Unternehmen nach Informationen des ARD-Magazins Kontraste bereits angeschafft. Die Lufthansa hatte den Kauf zunächst abgestritten, ihn jetzt aber gegenüber Kontraste bestätigt.

Einzige Alternative: Sitzschalen

Kind im Kindersitz und Frau im Sitz; Rechte: WDR/Debus-GohlBild vergrößern

Sicher im eigenen Sitz

Sicherheits-Experten, Piloten und Flugbegleiter fordern nun, das Kindersitzschalten möglichst schnell Vorschrift werden. "Längst existieren auf dem Markt brauchbare und auch zugelassene Kindersitze mit vollwertigen Schutzfunktionen", betont UFO in dem offenen Brief an Tiefensee. Diese speziellen Sitze würden auch der EU-Vorschrift gerecht, denn die fordert zusätzliche Sicherheitssysteme für unter Zweijährige und nennt den Loopbelt lediglich als Minimalanforderung. Dass die Airlines den Gurt favorisieren, hält UFO für ein rein kommerzielles Interesse: Fliegt ein Kleinkind in einer Sitzschale, braucht es einen eigenen Sitz.

Die Lufthansa hat nun mitgeteilt, dass sie den TÜV Rheinland beauftragt, "zügig geeignete Sitze an Bord der Lufthansa-Flotte für die Verwendung handelsüblicher Autokindersitze zu qualifizieren". Nach Kontraste-Informationen hat das Unternehmen allerdings im Herbst 2005 eine bereits laufende Qualifizierung abgebrochen. Gleichzeitig hat es seinen Tochtergesellschaften Lufthansa CityLine und Augsburg Airways, die bereits die Zulassung für Kindersitze haben, untersagt die Zulassung zu nutzen.

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Kommentare zum Thema: 22

  • weis nix schrieb am 15.07.2008, 19.14 Uhr:

    wenn keiner mehr fliegt der kinder hatt denken die bald um.

  • Anonym schrieb am 15.07.2008, 14.27 Uhr:

    Fliegen ist eh viel zu billig!!

  • Klaus schrieb am 15.07.2008, 14.26 Uhr:

    Kinder müssen einen regulären Sitzplatz haben und auf diesem gesondert gesichert werden, fertig. Wenn man dann den Preis für diesen Sitzplatz voll zahlen muss, finde ich das in Ordnung.

  • Mehmet schrieb am 14.07.2008, 22.05 Uhr:

    Ich stimme Antonio vollkommen zu.

  • Antonio schrieb am 12.07.2008, 23.23 Uhr:

    Erst Rauchverbot, demnächst keine Kinder mehr im Flieger. Ich glaube ich werde noch zum Vielflieger.

Stand: 10.07.2008, 11:50 Uhr



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