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  27.07.2010, 16:30    

Haushaltspolitik: "Harte Sparprogramme werden katastrophale Folgen haben"

Kommentar Die USA und Europa sollten sich nicht von den Finanzmärkten zurück in die Wirtschaftsflaute treiben lassen und Forderungen nachgeben, ihre Staatsausgaben massiv zu kürzen. Vor allem Deutschland sollte sich davor hüten. Sonst droht ein Rückfall in die Rezession. von Joseph Stiglitz
Joseph Stiglitz ist Professor an der Columbia University New York und Träger des Wirtschaftsnobelpreises. www.project-syndicate.org
Es ist nicht lange her, da konnten wir sagen: "Wir sind jetzt alle Keynesianer." Der Finanzsektor und die Ideologie des freien Marktes hatten die Welt an den Rand des Abgrunds gebracht. Die Deregulierung hatte sich als schlimmer Fehler erwiesen.
Joseph Stiglitz   Joseph Stiglitz
Die "Innovationen" der modernen Finanzwirtschaft haben nicht zu einer höheren langfristigen Effizienz, zu schnellerem Wachstum oder größerem Wohlstand für alle geführt. Stattdessen waren sie darauf ausgerichtet, Bilanzierungsrichtlinien zu umgehen und Steuern zu vermeiden, die eigentlich dringend zur Finanzierung öffentlicher Investitionen in Infrastruktur und Technologie gebraucht wurden. Statt reales Wachstum hat der Finanzsektor nur ein Phantomwachstum gefördert.
Die Protagonisten dieses Sektors ließen sich nicht nur hochtrabend darüber aus, wie eine dynamische Wirtschaft zu erschaffen sei, sondern auch darüber, wie man sich im Falle einer Rezession verhalten sollte (die laut Ideologie der Finanzwirtschaft nur durch Staatsversagen verursacht werden kann).
Ein Staat funktioniert anders als eine Familie
Immer wenn die Wirtschaft in eine Rezessionsphase eintritt, fallen die Einnahmen und steigen die Ausgaben, etwa für das Arbeitslosengeld. Also wachsen die Defizite. Die "Defizitfalken" aus dem Finanzsektor meinen nun, der Staat solle sich darauf konzentrieren, diese Defizite abzubauen, am besten durch Ausgabensenkung. Nur so werde das Vertrauen wiederhergestellt, wodurch die Investitionstätigkeit - und somit das Wachstum - zurückkäme. Doch so schlüssig diese Argumentation auch klingt, die historischen Fakten widerlegen sie.
Als US-Präsident Herbert Hoover dieses Rezept ausprobierte, trug dies dazu bei, den Börsenkrach von 1929 in die Weltwirtschaftskrise zu verwandeln. Als der Internationale Währungsfonds dieselbe Formel 1997 in Ostasien anwendete, wurden aus Abschwüngen Rezessionen und aus Rezessionen Depressionen.
Die Argumentation beruht auf einer fehlerhaften Analogie. Ein privater Haushalt, der mehr Schulden hat, als er bequem zurückzahlen kann, muss seine Ausgaben verringern. Doch wenn eine Regierung dies tut, sinken Produktion und Einnahmen, die Arbeitslosigkeit steigt, und die Fähigkeit, die Schulden abzubezahlen, nimmt möglicherweise sogar ab. Was für eine Familie gilt, gilt nicht für ein Land.
In Europa, besonders in Deutschland, und in einigen Gegenden der USA nehmen die staatlichen Defizite und Schulden zu, und die Forderungen nach härteren Sparmaßnahmen werden lauter. Wenn sie Beachtung finden, wie es in vielen Ländern der Fall zu sein scheint, wird dies katastrophale Folgen haben, vor allem angesichts der Instabilität der Erholung. Das Wachstum wird sich verlangsamen, Europa und/oder Amerika werden womöglich sogar zurück in die Rezession rutschen.
Nicht die Ausgaben zur Ankurbelung der Wirtschaft haben den Großteil der hohen Defizite und Schulden verursacht, sondern die "automatischen Stabilisatoren" - sinkende Steuereinnahmen und Ausgabenerhöhungen, die jeden Abschwung automatisch begleiten. Die keynesianische Wirtschaftslehre hat funktioniert: Ohne Konjunkturmaßnahmen und automatische Stabilisatoren wäre die Rezession wesentlich intensiver und länger ausgefallen und die Arbeitslosigkeit höher gestiegen. Das bedeutet nicht, dass wir den Schuldenstand ignorieren sollten. Doch wirklich wichtig sind die langfristigen Schulden.

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