Lehenswesen
Allgemein
Definition
politisch/soziale
Gesellschaftsform mit stark ausgeprägten Abhängigkeitsverhältnissen zwischen den einzelnen
technisch/jurist.
Gesamtheit von Institutionen, die zwischen 'Freien' (genannt "Vasall") und anderen Freien (gen. "Herr") Verbindlichkeiten schaffen
Begriff Vasall
gasindus | selten; erinnert an niedere Herkunft |
vassus | geläufige Bezeichnung |
vasallus | Ausbreitung im 9. Jh. |
miles | 2. Hälfte 9. Jh.; deutet an, daß Institution allmählich militärischen Charakter annimmt |
(homo | jede von einem Herrn abhängige Person, auch Vasall) |
vassi casati | Vasall mit Benefizium |
vassi non casati | Vasall oder Benefizium |
Akt der Vasallität
Verbindlichkeiten zweier Art zwischen zwei Freien (Vasall und Herr)
Pflicht Vasall: Gehorsam und Dienst (bes. Waffendienst). Der vassus hat (normalerweise) ein Pferd und Waffen; er ist kein Feldarbeiter.
Pflicht Herr: Schutz und Unterhalt (genügt Unterhaltspflicht oft durch Verleihung eines Gutes (Lehen))
Merkmale Lehnswesen
- spezialisierte Kriegerkaste
- äußerste Zerstückelung der Eigentumsrechte
- Hierarchie der Grundbesitzrechte, die der Hierarchie der persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse entspricht
- Aufspaltung der öffentlichen Gewalt
- Mehrfachbindungen des Vasallen sind nicht möglich, aber der Vasall konnte durchaus anderen Grundbesitz haben, z.B. Allode oder kirchliche Güter in Prekarie
- Bindung endet mit dem Tod
Kommendation
Bezeichnet den Akt, durch welchen sich ein freier Mann unter das 'mundium' ('Munt') eines anderen stellt.
Die Kommendation war ein 'intuit personae', d.h. ein personengebundener Vertrag, der beim Tode erlischt ((Rahmen-)Vertrag) und mündlich geschlossen wurde; dieser 'Rahmenvertrag' konnte Unterordnungsverhältnisse unterschiedlichster Art begründen.
( Quelle 'Formulae Turonensis' (8. Jh.?))
Treueeid
Der Inhalt des Treueides heißt 'fidelitas' oder 'fides'. Er ist eine Anrufung Gottes und geht Hand in Hand mit der Berührung einer 'res sacra', meist einer Reliquie o.ä..
Wozu gibt es noch einen Eid, zusätzlich zur Kommendation?
Dieser verstärkt die Bindung, denn ein verletzter Eid gilt als Todsünde. Ein Eid setzt zudem die Verfügungsgewalt über die eigene Person voraus und unterstreicht damit den Status der Freiheit bzw. den Unterschied zu Unfreien. Dieser zusätzliche Eid ist nachweisbar ab 757 (Tassilo III. (Bayernkönig) wird Vasall Pippins III.).
Dienst
Mit der Zeit kommt es zu einer Spezialisierung.
Die vassi dominici bekommen zumeist politische oder gerichtliche Verwaltungsaufgaben übertragen. Aber: Die Verleihung öffentlicher Ämter, der honores, war (i. G. zum Benefizium) widerrufbar.
Ab Karl dem Großen war der Vasallendienst hauptsächlich ein Waffendienst.
Leihe
Der Beliehene übt eine unmittelbare, direkte Herrschaft über das an ihn geliehene Land aus.
Es gibt drei Arten von Leihe:
- Leihe, die von 'Liten', d.h. Unfreien bewirtschaftet wird, zu deren eigenem Nutzen. Sie wurden oft auf Lebenszeit vergeben und/oder erblich. Diese Form der Leihe zog aber hohe Abgaben und Arbeitsleistungen nach sich.
Benefizium
Vorteilhafte Leihe, die keine Arbeitsleistung forderte und mit nur mäßig hohem oder keinem Zins verbunden war; vornehmlich Bezeichnung für die Leihe des Vasallen. Nur Vasallen können Benefizien erlangen; es gab aber auch Vasallen ohne Benefizien. Der Begriff 'Benefizium' ist aber mehrdeutig:
- kirchliches Benefizium: ein an ein Kirchenamt gebundenes Recht auf Erhebung von kirchlichen Abgaben (z.B. abbatia - Verleihung der Abtwürde eines Klosters; häufig in Verbindung mit einem Benefizium)
- durch Prekarievertrag begründete Leihe (siehe 3.)
- eine an bestimmte Domänenangestellte (oder Leute aus dem Gesinde) vergebene Leihe
Die Größe der vergebenen Benefizien ist variabel. Zur Zeit Karls d.Gr. wurden an die Königsvasallen meist ab 30 mansus vergeben. Benefizien waren durch Usurpation gefährdet.
Rechtliche Verbindung von Vasallität und Benefizium
Der Eintritt in die Vasallität ist Voraussetzung für die Bewilligung eines Benefiziums. Es gab eine Verpflichtung zum Dienst, unter der Verwendung der Einkünfte aus ihrem Benefizium.
- Benefizium mit Prekarievertrag
Der derzeitiger Nutznießer überträgt seine Rechte an den Prekaristen (den zukünftigen Empfänger) - der Eigentümer muß dem zustimmen. Bei einem Benefiziums, das in Prekarie vergeben wird, werden zwei Urkunden ausgestellt. Vergeben werden die Benefizien mit Prekarievertrag meist von der Kirche, dem König oder großen weltlichen Grundherren. Der Zweck der Vergabe lag u.a. in der Landkultivierung.
Karolingisches Lehnswesen
Bis zu den Karolingern herrschte eine Trennung von Vasallität und Benefizium ('älteres merowingisches Benefizialwesen'); Karlmanns Reformen machen die kirchliche Prekarie unter ihnen entwickelte sich schrittweise ein System von Institutionen:
- Schritt (ca. 716-768)
Der König braucht mehr Vasallen für Waffendienste. Diese Krieger brauchen wiederum (mehr) Unterhalt (z.B. für Pferde, Waffen, etc.). Aus diesem Grund wurden vom König Güter vergeben, die in vielen Fällen aus Kirchengut stammten. Dies ist eine der Ursachen, warum die Kirche ärmer wird und der 'Sittenverfall' zunimmt. Die Nachlässigkeit der Geistlichkeit soll beseitigt werden. Dazu gehört u.a., daß das Problem mit (den vom König) konfiszierten Kirchengütern gelöst wird. Drei Konzile fanden zu diesem Zweck statt (743/744).
Ergebnis: Die säkularisierten Kirchengüter sollen de jure an die Kirche zurückfallen, aber de facto geschieht dies nur teilweise, da viele Güter in der Hand von Kriegern sind.
Lösung: Nach dem Tod des Vasallen erhält der Nachfolger das Benefizium als Prekarie von der Kirche, im Sinne von 'precariae verbo regis' (Vergabungen auf königlichen Befehl); im Gegensatz zur Vergabe anderer Kirchengüter.
- Schritt
Die Vasallenzahl zwischen Rhein und Loire steigt stark an; besonders die der Vasallen des Hausmeiers und die der Königsvasallen, die oft mit Benefizien auf Lebenszeit ausgestattet waren. Dieser Brauch verbreitet sich: In manchen Regionen wird ab Mitte des 8. Jh's eine 'divisio' für die Kirche(n) zur Pflicht. Zur Kirchenentschädigung wurde vom Hausmeier Pippin III. (741-751) der Kirchenzehnten eingeführt.
- Schritt
Es kommt zur direkten Leihe von Gütern des Hausmeiers und des Königs an Vasallen. Die Verpflichtung, das Gut gleichzeitig in Prekarie zu haben, fällt weg.
Rangerhöhung der Vasallen
Noch im 7. Jh. war der sich kommendierende Vasall noch ein freier Mann von niederem sozialem Rang.
Mit den Karolingern, die große Benefizien unter ihren Vasallen verteilten, wurden nun auch Angehörige oberer sozialer Ränge (Aristokratie) zu Vasallen. So z.B. Grafen (Vertreter der öffentlichen Gewalt). Ein großes Benefizium ermöglicht dem Vasallen, seinerseits Vasallen zu unterhalten. Die Königsvasallen hatten gute Aussichten auf ein Benefizium und genossen hohes Ansehen. Sie leisten ihren Eid direkt in die Hände des missi dominici; alle anderen in die Hände des Grafen. Hierdurch schafft der König überall im Reich 'Kolonien'. Diese Politik wurde vor allem in neu unterworfenen Gebieten (z.B. Aquitanien, Bayern, Italien) betrieben.
Eine Hebung des sozialen Niveaus der Vasallen entwickelt sich, besonders für die Königsvasallen. Die Antrustionen verschwinden zu dieser Zeit, eventuell ist die Niveausteigerung der Grund dafür.
Verbreitung der Vasallität
Seit Karl dem Großen läßt sich eine Verbreitung der Vasallität beobachten. Folgende Gründe liegen vor:
- Der König braucht immer mehr Vasallen. Besonders die Vertreter der Staatsgewalt (Grafen, Markgrafen, Herzöge) sollen den Treueid als Vasall leisten.
- Der König wollte eine doppelte Treuepflicht: die Treue als Vasall und die Treue als z.B. Graf.
- Große Herren brauchten/wollten viele Vasallen, da dies ihre militärische Schlagkraft stärkte. Zudem konnten sie sich dann eine Parteinahme für die eine oder andere Seite teuer bezahlen lassen. In den oberen Schichten waren ebenfalls viele vasallisch gebunden. Die Leistung der Heeresfolge konnte z.B. jederzeit eingefordert werden. Es gab nur noch wenige, die (so) reich an Alloden waren, daß sie sich nicht kommendieren mußten.
Lösung des Vasallenverhältnisses
Die rechtliche Einführung geschah durch Karl den Großen.
Eine einseitige Aufkündigung ist nicht möglich, außer bei:
- Angriff auf Leib und Leben
- Einziehung eines Eigenguts (Allod) des Vasallen
- Vernachlässigung der Schutzpflicht des Herrn
- Schändung/Verführung der Frau oder Tochter des Vasallen
- Wurde der Dienst nicht (ausreichend) geleistet, war der Rechtsgrund nicht mehr gegeben und die Verleihung wurde rückgängig gemacht.
Die Bindung erlischt nur durch den Tod: Mannfall - Tod des Vasallen; Herrfall - Tod des Herrn.
Mit Erlöschen der persönlichen Bindung wird die (dingliche) Verleihung des Benefiziums ungültig.
FAZIT
Anfang des 8. Jh's war das Benefizium noch die Ausnahme.
Unter Karl dem Großen kommt es zu einer grundlegenden Änderung: Der König, Partikularherren (Herzöge, Grafen, große Grundherrn) und 'potentes' (Bischöfe, Äbte) vergeben nun Güter. Die Verbindung von Vasallität und Benefizium besteht nur de facto und ist nicht zwingend.
Es kommt zu einem Begriffswandel ins Negative: Servitium - Knechtschaft. Dies bedeutet absolute Unterordnung oder 'echte' Herrschaft. Der Vasall unterliegt jedoch als Freier dem öffentlichen Gericht (Grafengericht, mallus), außer den Königsvasallen - diese unterliegen dem Königsgericht.
Ab der Mitte des 9. Jh's fordert der König die Kirche auf, aus ihrem Gut heraus Vasallen für Kriegsdienste zu unterhalten. Diese Kirchenvasallen mußten dem König zur Verfügung gestellt werden.
Veränderungen ab 9. Jh.: Das Verfügungsrecht des Herrn über das in Benefizium gegebene Land wird eingeschränkt.
|
| | |
© susA's - Netzwerk für Wissensweitergabe & Informationsaustausch Diese Seite wurde am Montag, 17.Januar 2000 ergänzt |