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Nr. 46/2000 - 8. November 2000
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Zwei, drei, viele Flaggen

Einen Platz in der Uno-Vollversammlung hat die Bundesrepublik Jugoslawien schon sicher. Acht Jahre nach der Aufnahme Kroatiens und Sloweniens in die Vereinten Nationen wurde dem Land der seit Beginn der jugoslawischen Sezessionskriege verwaiste Sitz letzte Woche zugesprochen. Doch vielleicht könnten daraus schon bald zwei oder drei werden - und der neue Präsident Vojislav Kostunica müsste seinen Uno-Botschafter in New York anweisen, die jugoslawische Fahne vor dem Gebäude der Weltorganisation wieder einzuziehen, um sie durch die serbische zu ersetzten. Denn pünktlich zum Wiedereintritt der Bundesrepublik in die Staatengemeinschaft verabschiedete das Parlament der Teilrepublik Montenegro ein Gesetz, das die Einführung der Deutschen Mark als Landeswährung vorsieht. Montenegros Präsident Milo Djukanovic, der den Präsidenten des Bundesstaates, Kostunica, nicht anerkennt, bekräftigte zudem seinen Wunsch nach Unabhängigkeit und Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Das eigentliche Interesse Montenegros und Serbiens seien eigene Flaggen vor dem Uno-Sitz in New York.

Vergessen hat Djukanovic dabei die frühere autonome Region im Süden Serbiens: Nach den Kommunalwahlen vor zwei Wochen will im Kosovo keiner mehr hinter die Unabhänigkeit zurück. Eine Teilnahme an den serbischen Wahlen am 23. Dezember lehnen führende Repräsentanten ab, und auch Bernard Kouchner, Chef der Uno-Mission Unmik, legt die Uno-Resolution 1 244 so aus, dass das Kosovo Teil Jugoslawiens, nicht aber Teil Serbiens sei. Einen Kurswechsel scheinen in dieser Frage auch die USA vollzogen zu haben. Resolution 1 244 »beinhaltet die Unabhängigkeit als eine mögliche Option«, sagte letzte Woche ihr Uno-Botschafter Richard Holbrooke.

Rachsüchtige Polizisten

Bis auf zwei Personen sind mittlerweile alle Demonstranten, die Ende September während der Proteste gegen die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Prag verhaftet wurden, wieder frei. In erster Instanz wurde ein Pole wegen eines Steinwurfs zu einem Jahr Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Prozessbeobachter gehen allerdings davon aus, dass das Urteil wegen fehlender Zeugenaussagen in der Berufung aufgehoben wird. Außerdem befindet sich noch ein Däne in Untersuchungshaft. Ihm drohen bis zu zehn Jahren Gefängnis, weil er einen Polizisten angegriffen haben soll.

Während des Kongresses am 26. September wurden auch einige Osteuropäer ohne Aufenthaltsgenehmigungen festgenommen. Wie Rosa Johnson von Prag Legal Support berichtet, sitzt eine Frau aus der Ukraine, die in Tschechien Asyl beantragen wollte, immer noch im Ausländergefängnis. Dort sei sie schwer misshandelt worden.

Der Vorfall ist keine Ausnahme. Bei einem Treffen mit Berliner IWF-GegnerInnen gab der tschechische Botschafter in Deutschland zu, dass es zu schwer wiegenden Menschenrechtsverletzungen durch tschechische Polizisten gekommen sei. Die Auswertung der vorliegenden Gedächtnisprotokolle ergab, dass die meisten Gefangenen bei ihrer Festnahme und in den Gefangenentransportern geprügelt wurden. Auch während der Haft kam es zu Übergriffen. Der Botschafter sprach von »Racheaktionen tschechischer Polizisten«.

Fortschrittliche Schweizer

Jetzt ist der Neoliberalismus auch in der Schweiz angekommen. Meint jedenfalls der Schweizer Gewerkschaftsbund (SGB), der am vergangenen Wochenende unter dem Motto »Fortschritt für alle statt Gewinne für wenige!« mit einer Großkundgebung in Bern gegen den Sozialabbau protestierte. Der wirtschaftliche Aufschwung der vergangenen Jahre habe zu einer sozialen Umverteilung geführt, kritisierte SGB-Präsident Paul Rechsteiner vor 20 000 Demonstranten. Während die Masse der Beschäftigten große Verluste bei Löhnen und Gehältern hinnehmen mussten, hätten die oberen Einkommensgruppen großzügige Steuerergeschenke erhalten. Für diese Erkenntnis haben die Gewerkschaften allerdings lange gebraucht. Die letzte Demonstration des SGB fand vor sieben Jahren statt.

Für zusätzliche Verärgerung bei den ArbeiternehmerInnen sorgt derzeit vor allem der Entwurf eines neuen Bundespersonalgesetzes. Damit seien Entlassungen unter fast jedem Vorwand möglich. Zudem soll der Mindestlohn gesenkt und dafür ein ungerechter Leistungslohn eingeführt werden, heißt es in dem Aufruf des SGB. In einer Volksabstimmung am 26. November soll unter anderem über das geplante Personalgesetz entschieden werden.

Mobiles Polen

Bald können auch die Polen ohne Ende mit ihren Handys surfen. Bis Ende Dezember soll die Vergabe der UMTS-Mobilfunklizenzen abgeschlossen sein. Damit alles reibungslos über die Bühne geht, hat die Regierung in Warschau vergangene Woche auf die zuvor geforderten Sicherheitsleistungen in Höhe von 700 Millionen Euro verzichtet. Stattdessen verlangt sie nun von den Firmen und Konsortien, die sich an der Auktion beteiligen, nur noch eine Bankbürgschaft von 130 Millionen Euro. Sollte sich ein Bieter zurückziehen oder die geforderte Lizenzgebühr nicht entrichten, wird die Bürgschaft eingezogen.

Die Mobilfunkunternehmen hatten zuvor mit Boykott gedroht, falls die Regierung nicht ihre Forderungen reduziert. Polen ist das erste osteuropäische Land, in dem die UMTS-Lizenzen vergeben werden. Die Regierung erhofft sich zusätzliche Einnahmen in Höhe von 3,25 Milliarden Euro.



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