Der 58-jährige Karrierejurist Yalcinkaya ist ein strenger Vertreter des Laizismus, der strikten Trennung von Religion und Staat. Der Generalstaatsanwalt mit dem ergrauten Haar und dem buschigen Schnurrbart steht dabei in einer Reihe mit der juristischen und militärischen Elite der Türkei. Die Kemalisten - nach Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk - sind im festen Glauben an "Fortschritt" und Positivismus aufgewachsen. Politik nach Maßgaben der Religion bedeutet für sie Rückschritt.
Dabei stammt der in der südostanatolischen Provinzstadt Urfa geborene Kurde Yalcinkaya durchaus aus einer religiös geprägten Familie. Sein Großvater war ein berühmter lokaler Scheich und angesehener Führer eines Nakschibendi-Ordens. Der Orden ist der stärkste Zweig des mystisch angehauchten Volksislam Anatoliens. Nun will der Enkel des Scheichs die Partei verbieten, die auch durch die emsige Basisarbeit des Ordens an die Macht kam.
Der hagere Mann macht seine Einschätzungen bereits seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr regelmäßig öffentlich. Mehrfach äußerte er sich kritisch über Erdogans Politik: So nannte er die Partei des Premiers "fundamentalistisch und gefährlich". Vor allem die Aufhebung des Kopftuchverbots an den Universitäten lehnte er strikt ab und prophezeite den Anfang "iranischer Verhältnisse". Dennoch kommt seine Anklage nun überraschend. Die hohen Richter müssen in den kommenden Tagen entscheiden, ob ein Prozess zulässig ist.
Yalcinkayas Vater gehört zu der Generation, die den Bruch mit dem Glauben vollzog. Der junge Lehrer vertritt die säkularen Ideale und erzieht den Sohn im modernen, autoritären Geist Atatürks. Bereits als Jugendlicher geht Yalcinkaya aus der Provinz in die Hauptstadt. Nach Stationen als Richter in verschiedenen Städten und am Yargitay, dem höchsten türkischen Zivilgericht, kommt er 2004 zur Generalstaatsanwaltschaft. Der scheidende Präsident Ahmet Necdet Sezer beruft ihn im Mai 2007, auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung um die Wahl des neuen Staatspräsidenten, zum Generalstaatsanwalt.
Wie fast die gesamte Juristenelite glaubt Yalcinkaya nicht, dass Erdogan durch seine EU-Annäherung in Atatürks Fußstapfen tritt. Der "Islamist" verstelle sich, um "die Ideale der Republik zu verraten". Sein Ziel sei eine "islamische Republik, notfalls durch den Dschihad". Der Erfolg Erdogans bei den letzten Wahlen überzeugt Yalcinkaya nicht: "Auch Hitler kam demokratisch an die Macht", schreibt er in seiner 330-Seiten-Anklage.
Aus der FTD vom 18.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP
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