FTD-Serie: Wissen, was die Märkte bewegt
Inflation oder Deflation, Rezession oder Depression? Setzen staatliche Hilfspakete an der richtigen Stelle an, wie wirken sie sich auf Devisen und Börsen aus? Sollte man auf Gold, Renten oder Aktien setzen? Welche Sektoren und Firmen sind vielversprechend, welche Fusionen überflüssig? "Das Kapital", die führende Kolumne für Finanzmarktthemen, gibt pointierte Antworten.
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Das Kapital: Wer US-Daten glaubt, wird selig
Der Gewinnausweis der US-Unternehmen und die Produktivitätszahlen des US-Arbeitsministeriums passen hinten und vorne nicht zusammen. Kein Wunder, denn über den Weg zu trauen ist keinem dieser Zahlenwerke.Irgendwas kann hier nicht stimmen. Auf der Internetseite von Standard & Poor's sind die Gewinne im amerikanischen Leitindex S&P 500 bis 1988 vermerkt. Wir rechnen erst ab dem zweiten Quartal 1988, um das Problem der fehlenden Saisonbereinigung der Unternehmensgewinne zu umgehen. Und mit den noch vorläufigen, aber schon ziemlich zuverlässigen Daten für das zweite Quartal 2010 kalkuliert, ergibt sich im Vergleich zum zweiten Vierteljahr 1988 ein inflationsbereinigter Anstieg des "operativen" Gewinns je Aktie von 88 Prozent - oder 2,9 Prozent jährlich. Nicht schlecht, sollte man meinen.
Nur hat sich dem US-Arbeitsministerium (BLS) zufolge seit dem zweiten Quartal 1988 allein die Produktion im nichtagrarischen US-Unternehmenssektor um 82 Prozent erhöht. Und wenn die Zahlen des BLS stimmen, ist die Rentabilität der US-Firmen in dieser Zeit regelrecht durch die Decke geschossen. Denn während die Lohnstückkosten seit 1988 bloß um 38,5 Prozent zugenommen haben, konnten die Firmen ihre Verkaufspreise um gut 55 Prozent anheben - mithin um fast 17 Prozentpunkte schneller als die Kosten.
In nominalen Zahlen ausgedrückt heißt das, dass der Produktionswert um 182 Prozent, der Hauptkostenblock aber bloß um 152 Prozent gestiegen ist. Und wenn man nun bedenkt, dass die Personalkosten im zweiten Quartal 1988 - am Ausweis der Kapitalgesellschaften gemessen - 65 Prozent der Bruttowertschöpfung ausmachten, müssen die realen Gewinne weit, weit überproportional zum realen Produktionsanstieg von 82 Prozent zugenommen haben.
Sind sie aber nicht. Und das kann viele Gründe haben. Vor allem hat es auch damit zu tun, dass der Aktienumlauf trotz allen Marktgeschreis über Rückkäufe im Zeitverlauf eben nicht fällt, sondern steigt. Wichtiger ist die Einsicht, dass weder die offiziellen Produktivitätsdaten noch die nach allen Regeln der Kunst frisierten Firmengewinne sonderlich ernst zu nehmen sind. Die reale Dividende je Aktie im S&P 500 war im zweiten Quartal bloß um 19 Prozent höher als vor 22 Jahren.
Und selbst wenn man den Daten des BLS traut: Wie sollen die Firmen denn Wachstum erzielen, wenn die Lohnsumme den Umsätzen um 30 Prozentpunkte hinterherhinkt? Wenn die Verbraucher zudem keinen Kredit mehr kriegen, weil die Verschuldungswilligen bereits bis zum Anschlag in der Kreide stehen? Wenn selbst dem Staat die Puste zur Nachfrageankurbelung ausgeht?
Klar, die Fed wird die künstliche Beatmung des Patienten US-Wirtschaft fortsetzen. Und ja, die Anleger werden verzückt sein, sobald die US-Notenbank die nächste Billion in den Markt schmeißt. Bloß tut sie schon seit vielen Jahren alles zum Schutz und zur Aufpäppelung des Aktienmarkts. Das Resultat sind Kurse, die in realen DM/Euro gerechnet um jämmerliche 20 Prozent über dem Niveau von 1968 liegen.
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10.08.2010
© 2010 Financial Times Deutschland
14.08. 14:58 Uhr
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