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13.06.2008


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Israels Kampf ums Wasser Das Tote Meer stirbt

Israel - gelobtes Land, trockenes Land. Seit Jahrzehnten wird hier um Wasser gekämpft. Die Ressource ist kostbar und sie ist zum Teil Ursache des Konflikts zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten einerseits und den Palästinensern andererseits.

Stand: 07.05.2008

Toter Baum in den Salzkrusten des Toten Meeres

In den letzten Jahren wurde das Wasser immer weniger - oder wie viele Wissenschaftler meinen: der Umgang damit immer verschwenderischer. Jedenfalls sind die Folgen der Wasserknappheit nicht mehr zu übersehen, etwa am Toten Meer. Dort ist der Wasserspiegel in den letzten 40 Jahren um über 20 Meter gefallen. Als Folge des tiefen Wasserspiegels bilden sich am Ufer ringsum tiefe Krater, in die schon ganze Straßenzüge, Felder und auch ein Campingplatz gestürzt sind. Weite Uferzonen sind mittlerweile Sperrgebiet. Der Grund für den großflächigen Einsturz des Bodens ist der geringe Wasserspiegel.

Totes Meer bei En Gedi

Bildunterschrift: Totes Meer bei En Gedi

Es fließt mehr Grundwasser von den Hügeln rings um den See unterirdisch ab. Im Boden befinden sich zahlreiche Salzstöcke, die vom Grundwasser aufgelöst werden und so riesige Hohlräume bilden, in die der Uferboden absackt. Und das Wasser des Toten Meeres wird wohl noch weiter absacken. Für den Hydrologen Eilon Adar vom renommierten Jacob-Blaustein-Institut für Wüstenforschung steht daher fest: "Das Tote Meer stirbt."

Wasserschlucker Landwirtschaft

Die Ursache für die Wasserknappheit des Toten Meeres liegt weiter nördlich. Dort befindet sich der See Genezareth, der größte Süßwasserspeicher der gesamten Region. Auch sein Wasserspiegel sinkt jedes Jahr weiter. Und der Jordan, der aus dem See Genezareth abfließt und ins Tote Meer mündet, führt daher auch immer weniger Wasser. Er ist zum Rinnsal verkommen und bringt kaum noch etwas für den großen Salzsee im Süden.
Schon seit den 50er Jahren bezieht Israel das meiste Wasser aus dem See Genezareth. Über ein riesiges Kanalsystem, dem National Water Carrier, wird es nach Tel Aviv und noch weiter bis in die Negev-Wüste geleitet.

Das Mittelmeer, der Jordan und das Tote Meer vom All aus gesehen

Bildunterschrift: Der Jordan und das Tote Meer

Mittlerweile verbraucht Israel rund zwei Milliarden Kubikmeter Wasser jährlich. Darin enthalten sind auch die Lieferungen an die Palästinenser im Westjordan-Land und dem Gazastreifen sowie nach Jordanien. Das weitaus meiste Wasser verbraucht aber Israel selbst. Etwa zwei Drittel werden in die Landwirtschaft gepumpt. Zwar ist die Hälfte davon wieder aufbereitetes Brauchwasser. Dennoch ist der Wasserverbrauch auf den Feldern enorm. Es werden auch tropische, also sehr wasserintensive Früchte wie Bananen angebaut und sogar Rollrasen für die Vorgärten in Israels Städten. Viele Früchte und Gemüsesorten werden vor allem nach Europa exportiert. Die Einnahmen jedoch sind relativ wenig bedeutend. Sie tragen gerade mal etwa drei Prozent zum Volkseinkommen bei.

Niedrigstand trotz Regen

Salzkrusten am Ufer des Toten Meeres

Bildunterschrift: Salzkrusten am Ufer des Toten Meeres

Der hohe Wasserverbrauch führt dazu, dass schon jetzt im Frühjahr, trotz ergiebiger Regenfälle im Winter, der See Genezareth fast schon die "red line", den Niedrigststand erreicht hat. 
Hinzu kommt: Der See Genezareth versalzt allmählich, jedes Jahr um 3 Milligramm pro Liter. Werden 300 Milligramm pro Liter überschritten, ist das Wasser für die Landwirtschaft nicht mehr zu gebrauchen, ab 400 Milligramm kann es nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden, wie Alon Rimmer vom Israel Oceanographic & Limnological Research warnt. Er verweist auf die vielen Quellen am Ufer, die salziges Wasser in den See einbringen. Weil sie immer mehr Salz in den See bringen und der Mensch immer mehr Süßwasser aus ihm abzieht, steigt der Salzgehalt.

Streit um die Landwirtschaft

Palmen am Toten Meer

Bildunterschrift: Palmen am Toten Meer

Viele Wissenschaftler fordern daher die Landwirtschaft zurückzufahren und mit dem gesparten Geld Lebensmittelimporte zu bezahlen. Das wäre zwar rational, gibt auch Arnon Soffer vom National Security Studies Center in Haifa zu. Aber er mahnt im gleichen Atemzug an, dass Israel ein anderes Land sei. Landwirtschaft habe hier nicht mit Ökonomie zu tun. Hier gehe es um die Sicherheit des Landes und darum, das Land ergrünen zu lassen. Landwirtschaft ist für Israelis ein politisches Statement.
Teueres Trinkwasser

Etwa den für moderne Entsalzungsanlagen, mit denen Meer- oder Brackwasser in bestes Trinkwasser verwandelt werden kann. Mittlerweile hat Israel fünf solcher Anlagen. Es sollen weitere Anlagen gebaut werden. Bis zum Jahr 2013 sollen mit Entsalzung jährlich 550 Millionen Kubikmeter Wasser erzeugt werden. Und irgendwann einmal sogar 800 Millionen Kubikmeter. Irgendwann. Bei diesem Wort rollt Alon Rimmer mit den Augen. Der Hydrologe schimpft auf die Untätigkeit der israelischen Politiker. "Wir haben die Pläne für die Entsalzungsanlagen längst, sie müssen nur umgesetzt werden, aber die Politiker schieben sie jedes Jahr wieder auf und hoffen einfach nur auf genügend Regen im Winter." Er ist nicht der einzige israelische Wissenschaftler, der auf die Politik schimpft.

Abwässer gefährden die Grundwasservorkommen

Der Jordan-Kanal in Israel

Bildunterschrift: Der Jordan-Kanal in Israel

Zwar ist Israel einerseits bekannt für geschickte Wiederaufbereitung von Schmutzwasser, andererseits fließen an vielen Stellen ungeklärte Abwässer in die Flüsse ab und gefährden das Grundwasser. Sami Alfasi zeigt eine Stelle am Harod-Fluss, einem Zufluss des Jordan. Statt kristallklarem Wasser fließt eine stinkende Brühe durch das Bachbett - Abwässer von riesigen Fischzuchtanlagen flussaufwärts. Etwas weiter nördlich fließen sämtliche Abwässer von sechs Kibbuzen, den typischen gemeinschaftlichen Siedlungen Israels, ungeklärt in den Jordan. Aus dem heiligen Fluss ist so ein stinkendes Rinnsal geworden.

Noch gravierender sind die Wasserprobleme in den palästinensischen Gebieten. Schätzungen gehen davon aus, dass im Schnitt jeder Israeli pro Tag 220 bis 300 Liter Wasser verbraucht. Palästinensern stehen pro Kopf nur 60 Liter zur Verfügung. Das Wasser wird von staatlichen Stellen Israels verteilt und auch bei allen Wasserbaumaßnahmen im West-Jordanland darf Israel mitreden. Gemäß dem Oslo-Abkommen müssen beide Seiten neuen Brunnen, neuen Wasserpipelines oder Kläranlagen zustimmen. Wenn eine Seite die Zustimmung verweigert, passiert nichts.

Das geht dann soweit, wie es das Beispiel der Abwässer von Nablus, einer 100.000-Einwohner-Stadt im West-Jordanland, zeigt. Die Palästinensische Verwaltung dort will seit zehn Jahren eine Kläranlage bauen. Die Pläne, so sagt der zweite Bürgermeister und ausgebildete Hydrologe Hafez Shaheen, liegen vor. Geld sei auch vorhanden - finanzielle Mittel der deutschen Entwicklungshilfe. Aber die Israelis würden den Bau verweigern. Der Chef der staatlichen israelischen Wasserversorgungsgesellschaft Eli Ronen weist den Vorwurf zurück und beschuldigt seinerseits die Palästinenser, den Bau immer wieder zu verzögern. Der Konflikt um die Kläranlage zeigt, wie zerrüttet das Verhältnis von Israelis und Palästinensern ist, geprägt von Misstrauen und Hass. Nur ein stabiler Friede würde neue tragfähige Abkommen ermöglichen und das Wasserproblem lösen. Doch der ist nicht in Sicht. Und so fließen die Abwässer von Nablus weiter ungeklärt in die Felder vor der Stadt, drohen dort die Brunnen zu vergiften und verseuchen den Alexander-Fluß, der die Brühe letztlich auch zu den Israelis bringt und schließlich ins Mittelmeer ergießt.

Tropfen für Tropfen

So hoffnungslos die Zustände im West-Jordanland sein mögen, so beeindruckend sind die Ideen der israelischen Wissenschaftler und Ingenieure. Vor Jahrzehnten schon haben die Israelis eine Methode entwickelt, die Wüste erblühen zu lassen: Die Tröpfchenbewässerung. Eine simple, aber geniale Methode. Kilometerlange Schläuche, in die kleine Löcher gestochen wurden, ließen Wasser direkt an die Wurzeln der Feldfrüchte tropfen. Die Verdunstung wurde damit minimiert, das Wasser kam fast ausschließlich der Pflanze zugute. Diese Methode wurde im Lauf der Zeit immer weiter verfeinert. Statt einfacher Löcher gibt es jetzt Düsen aller Art, die für den Wasserbedarf jedes Gewächses eingestellt werden können.

Hoffnung in der Wüste

Nicht Tropfen für Tropfen sondern im größeren Maßstab denkt Samuel Appelbaum vom Jacob-Blaustein-Institut für Wüstenforschung in Sde Boker. Der Ort liegt mitten in der Negev-Wüste, die den gesamten Süden Israels bedeckt. Sie ist eine Trockenwüste. Stellenweise fällt nur 30 Millimeter Niederschlag im Jahr. Dennoch züchtet Samuel Appelbaum hier Fische.
Das klingt zunächst paradox. Aber die die Wüste birgt einen wahren Wasserschatz. Tief unter der Erde, etwa 1000 Meter unter der Erdoberfläche, sind gigantische Wassermengen im porösen Gestein eingeschlossen. Geologen gehen von 100 Milliarden Kubimeter fossilen Wassers aus. Beim gegenwärtigen Verbrauch würde das Vorkommen mindestens fünfzig Jahre für ganz Israel reichen. Doch die Sache hat einen Haken: Das Tiefenwasser ist so weit von der Oberfläche entfernt, daß es nicht wieder durch Regenfälle aufgefüllt wird. Ist es verbraucht ist es für alle Zeiten weg. Samuel Appelbaum tut die Bedenken mit einem Schulterzucken ab: "Die Zukunft ist offen. Bis dahin haben wir neue Ideen. Und solange können wir mit diesem Wasser die Wüste zum Blühen bringen." Für den Biologen, der im Hamburg studiert hat, bedeutet das zunächst, mit dem Wasser Fische zu züchten. Er hat festgestellt, dass See-Fische in dem Tiefenwasser besser gedeihen als im Meer. Der Grund: Das Tiefenwasser ist zwar ebenfalls salzig, hat aber nur etwa ein Zehntel des Salzgehalts. Für die Fische ist das bekömmlicher. Normales Meerwasser hat einen zu hohen Salzgehalt. Die Tiere müssen viel Energie aufwenden Salz wieder auszuscheiden. Mit dem brackigen Tiefenwasser sparen sie sich diesen aufwendigen Stoffwechsel, sie wachsen schneller. "Wir können hier Fische besser züchten als im Meer", strahlt Appelbaum, "und das Beste ist: die Fische leben zwar im Wasser, aber sie verbrauchen es nicht." Nachdem Fische darin gezüchtet wurden, wird das Wasser auf Testfeldern zur Bewässerung genutzt. Dort wird es mit Süßwasser gemischt, bis der Salzgehalt so niedrig ist, dass es die Feldfrüchte vertragen. Zur Zeit wird mit Wein experimentiert. Wer weiß, eines Tages könnte es Negev-Wüsten-Wein auch auf deutschen Tischen geben - jeder Schluck ist dann auch kostbares Wüstenwasser.

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