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Konflikt Rohstoffabbau
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Der Abbau
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Der Abbau
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In zahlreichen Steinbrüchen wird Gips im Tagebauverfahren abgebaut
und in Mengen von mehreren Millionen Tonnen pro Jahr zu Massenbauprodukten
wie Estrich, Putz und Gipskartonplatten verarbeitet.
Dabei werden die Karsterscheinungen unwiederbringlich zerstört und
die charakteristische Flora und Fauna ausgelöscht.
Sämtliche abbautechnischen Eingriffe sind weder ökologisch, noch
juristisch ausgleichbar.
Eine Gipskarstlandschaft läßt sich - entgegen den Behauptungen der
Gipsindustrie - nicht durch "Renaturierungsmaßnahmen" wiederherstellen.
Calziumsulfat (Gips und Anhydrit) gehört zu den billigsten Massenrohstoffen.
Er wird weltweit im "großen Maßstab" gefördert und gehandelt, die
Weltproduktion beträgt ungefähr 100 Mio. Tonnen.
Ebenso wie in der Zementindustrie werden große Teile des Europäischen
Marktes an Calzimsulfat von einigen wenigen Unternehmen beherrscht.
Naturgips läßt sich in allen Anwendungsbereichen durch synthetische
Gipse ersetzen (z.B. REA-Gips).
Der REA-Gips ist ein Restprodukt der gesetzlich vorgeschriebenen
Rauchgasentschefelung von Großfeuerungsanlagen (hauptsächlich Braun-
und Steinkohlekraftwerke). Dieser Gips fällt jährlich in mehreren
Millionen Tonnen an - mit steigender Tendenz.
Einzig das Bundesland Sachsen-Anhalt hat seinen Anteil am Gipskarstgürtel
größtenteils unter Schutz gestellt. Die Länder Niedersachsen und
Thüringen jedoch betreiben seit jahrzehnten einen Ausverkauf ihres
Naturerbes.
Unter dem massiven Druck von Industrie, Politik und lokalen Duodezfürsten
genehmigen die Behörden einen Steinbruch nach dem anderen.
Mit dem "Naturschutzgroßprojekt Gipskarstlandschaft Hainholz" im
Landkreis Osterode wird der Bevölkerung vorgegaukelt, die Landesregierung
schütze den Gipskarst. In einen kleinen und keineswegs repräsentativen
Ausschnitt aus der Karstlandschaft, das bekannte Hainholz, werden
öffentlichkeitswirksam mehrere Millionen Mark hineingepumpt, während
die anderen Gebiete leichtfertig der Industrie überlassen werden.
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Steinbruch Trogstein bei Bad Sachsa / Niedersachsen,
Fa. Börgardts / BPB Formula
Steinbruch Katzenstein bei Osterode / Niedersachsen,
Fa. Rigips / BPB
Steinbruch Lichtenstein bei Osterode / Niedersachsen,
Fa. Heidelbger Zement und Rigips / BPB
Steinbruch Kohnstein bei Nordhausen / Thüringen,
Fa. Wildgruberi.A.
(in Auflösung weil. insolvent)
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Industrie
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Dass die Gipsindustrie weiterhin mit aller Macht in wertvollen Naturlandschaften
Naturgips abbaggern will, scheint weder am Mangel noch am Kaufpreis
oder an den Transportkosten für REA-Gips zu liegen. Nach Auskünften
von Industrievertretern ist der Erwerb von Abbauflächen bzw. -genehmigungen
für die Gipsindustrie deshalb so erstrebenswert, weil Lagerstätten
von Naturgips als Firmenkapital gewertet werden - auch wenn noch gar
kein Gips auf der betreffenden Fläche abgebaut wird. Im Naturgipsabbau
wird i.d.R. erst beim Abbau des Gesteins ein Förderzins an Flächenbesitzer
gezahlt, aber nicht früher. Die Abnahme von REA-Gips muss immer direkt
bezahlt werden. Daher kann ein Baustoffkonzern, der sich von seiner
Gips-Sparte trennen möchte, höhrere Preise für die Sparte verlangen
wenn er über möglichst viele genehmigte Abbauflächen von Naturgips
verfügt.
Die immer wieder vorgebrachte Behauptung, der Abbau von Naturgips
sichere Arbeitsplätze, wird durch die seit Jahren ständig steigenden
Entlassungen und Werksschließungen, wie z.B. der Firma Wildgruber
bei Nordhausen, (130 Arbeitsplätze gingen hier insgesamt verloren)
ad absurdum geführt.
Das letzte in Thüringen verbliebene Gipswerk ist aktuell noch die
Fa. Südharzer Gipswerke in Ellrich im Landkreis Nordhausen. Das Werk
gehört dem internationalen Baustoffkonzern Heidelberger Zement. Aber
auch dieses Werk läuft offensichtlich in Kurzarbeit, was zeigt, dass
es Absatzprobleme hat. Trotzdem will diese Firma mit aller Macht und
mit Rückenwind der thüringischen Landresregierung eine weitere neue
Abbaufläche im Südharz - gegen den erklärten Willen der Bürger und
Gemeinden in der Region - genehmigt bekommen. Denn auch ein Werk,
welches von Schließung bedroht ist für einen potentiellen Käufer mehr
wert, wenn es über genehmigte Gipsvorräte verfügt.
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Südharzer Gipswerke Ellrich, Inh. Heidelberger
Zement (noch...)
Gipsplatten am Ende ihrer Laufbahn...
"Renaturierter Gipssteinbruch" am Lichtenstein
/ Oserode
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Politik
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Einzig das Bundesland Sachsen-Anhalt hat seinen Anteil am Gipskarstgürtel
größtenteils unter Schutz gestellt. Die Länder Niedersachsen
und Thüringen jedoch betreiben seit jahrzehnten einen Ausverkauf
ihres Naturerbes.
Augenwischerei in Niedersachsen:
Mit dem "Naturschutzgroßprojekt Gipskarstlandschaft Hainholz" wird
der Bevölkerung vorgegaukelt, die Landesregierung schütze den Gipskarst.
In einen kleinen und keineswegs repräsentativen Ausschnitt aus der
Karstlandschaft, das bekannte Hainholz, werden öffentlichkeitswirksam
mehrere Millionen Mark hineingepumpt, während die anderen Gebiete
leichtfertig der Industrie überlassen werden.
Auf Druck des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums hätte
das nds. Umweltministerium 1993 beinahe den Planungen zugestimmt,
das bestehende NSG Lichtenstein weiter zu verkleinern - zugunsten
der Fa. Rigips. Nur der Druck der Verbände im Wahlkampf 1993 / 94
hat das verhindert.
Die niedersächsische Landesregierung ignoriert (immer noch)
eine verbindliche Selbstverpflichtung aus dem Jahr 1993: Die Landesregierung
hat mit ministeriellem Erlaß vom 20.12.93 den Umweltverbänden eine
Beteiligung an den Entscheidungen über weitere Abbauplanungen im
Südharzer Gipskarst verbindlich zugesagt. Dieser Selbstverpflichtung
ist die Landesregierung bis heute nicht nachgekommen. - Die Landesregierung
lehnt seit langem die Unterschutzstellung der Osteröder Karstgebiete
ab: Seit den 80er Jahren wurden die Unterschutzstellunganträge der
Umweltverbände für den Lichtenstein von der Bezirksregierung und
dem Land Niedersachsen immer wieder zurückgewiesen.
Im Jahre 1988 wurde ein entsprechender Antrag mit der Begründung
abgelehnt, es bestünde "keine akute Gefährdung" für das Gebiet.
Ein paar Wochen später werden umfangreiche Abbaupläne der Fa. Rigips
bekannt, was in der Öffentlichkeit Empörung hervorruft. Die letzte
Ablehnung erfolgte 1993 durch die Niedersächsische Landesregierung.
Drei Monate später wird der vielzitierte "Lichtensteinkompromiß"
von 1994 verkündet, der die Felder 1 bis 3 am Lichtenstein genehmigt,
die Felder 4 und 5 jedoch ausdrücklich nicht. Derzeit versucht die
Firma Rigips, diesen Kompromiß zu übergehen, indem sie die Stadt
Osterode als zuständige Genehmigungsbehörde juristisch unter Druck
setzt. Im Übrigen weisen wir darauf hin, daß ca. 30 % der von Rigips
beantragten Felder 4 und 5 im bestehenden NSG "Lichtenstein" liegen.
Die GFB und die niedersächsichen Umweltverbände fordern die
Niedersächsische Landesregierung auf, der Öffentlichkeit unverzüglich
ein Konzept zur abschließenden Regelung des Gipsabbaus im Landkreis
Osterode vorzulegen. Ein solches Konzept muß konkrete Festlegungen
zur räumlichen und zeitlichen Terminierung der Abbaustellen und
Angebote an die Firmen zum Ausstieg aus dem Naturgipsabbau beinhalten.
Bei der Erstellung dieses Konzeptes ist für maximale Transparenz
zu sorgen. Dies schließt die Beteiligung der Öffentlichkeit und
der Umweltverbände mit ein.
Ausverkauf in Thüringen:
Obwohl im Regionalen Raumordnungsplan des Landkreises Nordhausen
über 600 Hektar Gipskarstflächen als Vorranggebiete für Rohstoffsicherung
ausgewiesen sind, von denen ein größerer Teil noch nicht abgebaut
ist, beantragen die Firmen laufend weitere Abbaugebiete außerhalb
der Vorranggebiete für Rohstoffsicherung, die großzügig genehmigt
werden.
Diffuse Munkelei am Alten Stolberg:
Das Vorkaufsrecht zum Erwerb erheblicher Flächen am Alten Stolberg,
nahm das Land Thüringen aus unerfindlichen Gründen nicht wahr, obwohl
der Staatssekretär des Umweltministeriums zu jener Zeit mehrfach
vor Ort auftauchte. Daraufhin erwirbt die Firma Knauf diese Gipsflächen.
Ein Antrag auf einen Untersuchungsausschuss, der die äußerst zweilfelhaften
Umstände bei der Genehmigung des Steinbruches Alter Stolberg erhellen
soll, wird durch das Fehlen einer Stimme (bei Enthaltung sehr vieler
Abgeordneter) nicht eingeleitet.
Der thüringer "Gipskompromiss":
Ohne mit der Regionalen Planungsgemeinschaft Nordthüringen Rücksprache
zu nehmen wurden der Heidelberger Zement AG bzw. der Südharzer Gipswerk
GmbH von der thüringer Landesregierung bereits 1997 Abbaumöglichkeiten
am Winkelberg in Aussicht gestellt. "Nach mehrjährigen, intensiven
Verhandlungen wurde im März 1997 die als Gipskompromiss bekannt
gewordene Vereinbarung zwischen der Südharzer Gipswerk GmbH und
den zuständigen Landesbehörden, insbesondere dem TMLNU und dem Landesverwaltungsamt,
abgeschlossen." (Quelle: Gutachten zur Antragskonferenz zum bergrechtlichen
Planfeststellungsverfahren). Das sich in dem Gebiet die Interessen
der Gipsindustrie und der Natur bzw. der Regionalentwicklung unvereinbar
überschneiden, war allen Beteiligten damals klar.
Gegenüber der Regionalen Planungsgemeinschaft wurde der Erfurter
"Gipskompromiss" von 1997 geheimgehalten. Bei einem Besuch des Staatsekretärs
des Thüringer Umweltministeriums, Stephan Illert, im Jahre 2001
in Nordhausen leugnete dieser unter Androhung juristischer Schritte
vehement die Existenz eines solchen Berichtes. Doch nun liegt der
Regionalen Planungsgemeinschaft nicht nur der Brief des ehemaligen
Umweltministers Siekmann von 1991 vor, sondern auch die "Tischvorlage
zur Antragskonferenz anlässlich der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens,
in dem der "Kompromiss" an mehreren Stellen erläutert wird. Und
auch in einem Brief des Ministers Jürgen Gnauck (bzw. eines Sachbearbeiters)
an den Vorsitzenden der Regionalen Planungsgemeinschaft vom 01.06.02
wird wie selbstverständlich darauf verwiesen: "Sie kennen aber auch
die Vorgeschichte vom Winkelberg. Für das BWE Winkelberg-Rüdigsdorfer
Schweiz wurde ein Interessenausgleich zwischen den naturschutzfachlichen
und bergbaulichen Belangen erzielt...".
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Der ehem. niedersächsische Umweltminister
Wolfgang Jüttner (SPD) bei der Entgegennahme geretteter geschützer
Pflanzen(hier: Märzenbecher) aus dem Abbaufeld 1 am Lichtenstein
(1995)
Der ehem.Oberkreisdirektor Bötcher: 2/3
des niedersächsischen Karstes sind für die Gipsindustrie
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Alternativen
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Um den schädlichen Ausstoß von
Schwefeldioxid zu reduzieren, ist seit Ende der 80er Jahre für Großfeuerungsanlagen
die Entschwefelung der Abgase gesetzlich vorgeschrieben.
Derzeit wird die Mehrheit der deutschen Verbrennungskraftwerke im
sogenannten "Naßwäsche-Verfahren" entschwefelt. Dabei entseht als
Nebenprodukt ein verwendungsfertiger Rohstoff: der REA-Gips (Rauchgas-Entschwefelungs-Anlangen-Gips).
Das Aufkommen von REA-Gips in Deutschland beträgt zur Zeit 6,5 bis
7,5 Mio Tonnen pro Jahr.
Hauptproduzenten sind die VEAG (Vereinigte Energiewerke AG) in Ostdeutschland
und RWE (Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke) in Westdeutschland.
Die Laufzeiten der neuen Kraftwerke sind für 30-50 Jahre projektiert.
Der Gipsbedarf in Deutschland erreichte bis zum Jahr 1997 Spitzenwerte
von 9 Mio. Tonnen pro Jahr. Danach erfolgte ein starker Einbruch in
der Baukonjunktur, der Verbrauch sank im Zeitraum 2000 bis 2003 auf
6 bis 7 Mio. Tonnen pro Jahr.
Da sowohl in Süddeutschland, als auch an der Weser untertägig Gips
abgebaut wird, würde auch die von der Industrie immer wieder proklamierte
"Deckungslücke" zwischen Gipsbedarf und anfallendem REA-Gips bereits
hierdurch ganz oder teilweise geschlossen.
Die REA-Gipse der VEAG werden zum Teil umsonst abgegeben, da durch
die schlechte Baukonjunktur die ursprünglich zugesicherten Abnahmemengen
der Gipswerke an den Kraftwerken um 30 bis 50 % unterschritten werden
und die REA-Gips-Depots zu groß werden.
Das Verfahren, nach dem aktuell die meisten Großfeuerungsanlagen entschwefelt
werden (Kalkwäsche) gilt als technisch ausgereift und liefert nicht
nur farblich, sondern auch baubiologisch reine Gipse.
Am Kraftwerksstandort Lippendorf bei Leipzig wird derzeit eine Pilotanlage
zur Herstellung qualitativ höchstwertiger Medizinal-Gipse (5 der 6
höchsten Qualtitätsstufen im Medizinbereich werden erreicht) installiert.
Grundsätzlich werden aktuell aus REA-Gips bereits alle Produkte hergestellt,
die sonst aus Naturgips hergestellt werden: Zement, Gipsplatten und
-putze, Estriche.
Einen guten Überblick über die Produktpalette gibt die Internetseite
der Firma Promineral.
Auch im Bereich der Medizinischen Gipse , deren Marktanteil nur 6000
Tonnen pro Jahr beträgt, werden diese Industriegipse bereits eingesetzt.
Weiterhin kann Naturgips durch Recycling von Gipsbauschutt eingespart
werden: Das Umweltbundesamt prognostiziert ein Recyclingpotenzial
von fast 2 Mio t Gips/J aus Bauschutt.
Zur tatsächlichen Umsetzung müssten aber Anreize geschaffen werden.
Weiterhin könnte ein großer Teil des Naturgipses durch nachwachsende
Rohstoffe ersetzt werden.
An Stelle von Gipsbauplatten können Holz-, Schilf-, Stroh-, oder Hanf-Platten
im Baubereich eingesetzt werden.
Auch durch eine Erhöhung der Materialproduktivität (z.B. durch Aufschäumen
des Gipses) kann der Gipsbedarf gesenkt werden.
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Braunkohlekrafwerk Lippendorf / Leipzig
Rauchgasentschwefelung Kraftwerk Lippendorf
Rauchgasentschwefelung Kraftwerk Lippendorf, REA-Gips
1 Mio. Tonnen ungenutzer REA-Gips auf Halde (Lippendorf)
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© Text und Fotos: Stephan Röhl / GFB e.V.
2003 / Kontakt
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