Image
ImageImage
Image
Image
Abi-MesseLifestyleKarriereUnisGeschichteMagazinIntern
ImageImage
Image
Image
ImageImage
Image
Image
Image
Image

Zur Geschichte des Corps von der Aufklärung bis zur Burschenschaft

von Hans Peter Hümmer Onoldiae, 2. Vorsitzender und Schriftleiter des Vereins

 

Das Corpsstudententum hat eine große Zahl hervorragender Männer hervorgebracht: Wissenschaftler und Techniker, Industrielle und Politiker, Konservative und radikale Demokraten, Staatsmänner und Revolutionäre. Diese Tatsache ist längst in unser Geschichtsbewußtsein eingedrungen. Nicht ganz so leicht wie etwa in der Burschenschaft, die sich auf die deutsche Einheits- und Freiheitsbewegung des frühen 19. Jahrhunderts zurückführt, ist jedoch die Frage nach den Wurzeln des Corpsstudententums zu beantworten. Zeitlich können sie dem ausgehenden 18. Jahrhundert zugeordnet werden. Substantiell wurden ihre ältesten Konstitutionen durch den Deutschen Idealismus geprägt, emotional ihre ersten Gründer (1794 ff.) durch Universitätslehrer wie Friedrich Schiller und den Philosophen Johann Gottlieb Fichte (Jena). Das Corpsstudententum entstand, als die negativen Folgen der Aufklärung, so etwa die Französische Revolution, als deren Perversion erkannt wurden. Dennoch dauerte es noch lange, bis alle Relikte der Vergangenheit abgeworfen und gemeinsame spezifische Prinzipien entwickelt waren. Zu den Corpsprinzipien, die sich bereits aus den ältesten Konstitutionen herleiten lassen, gehören strengste Verschwiegenheit in Bundesangelegenheiten, die Freiwilligkeit des Eintritts und Aufnahme ungeachtet der Herkunft, Auslese unter dem Apekt der Freundschaft und des wissenschaftlichen Strebens, Ehrbegriff, gegenseitige Hilfe und Erziehung zu verantwortungsbewußten Persönlichkeiten; zu diesem Zweck ständige Prüfung und Selbstzucht, Disziplin, Einordnung in ein demokratisches System und damit verbunden politische und religiöse Toleranz. Die älteren Landsmannschaften/ Kränzchen des 17., 18. und frühen 19. Jahrhunderts hingegen charakterisieren sich in ihren Satzungen als reine Schutz- und Trutzbünde ohne ideelle Grundlage; Ordensverbindungen der Aufklärungszeit durch Mystizismus und ein weltverbesserndes, auf die gesamte Menschheit gerichtetes Suchen und Streben, daneben schon „moderne“ Elemente wie enge Freundschaft und lebenslängliche Treue zum Bund. Ohne Zweifel gehören auch Kränzchen und Orden – ältere Glieder einer großen Familie – zu den Vorläufern, sind jedoch nicht mit modernen Corps gleichzusetzen. Historisch und im Wesentlichen bestehen klare Zäsuren. Der Studentenbrauch oder „Comment“: Nicht spezifisch für eine bestimmte Korporationsform ist der vom Mittelalter bis ins späte 18. Jahrhundert meist mündlich tradierte Studentenbrauch, seit etwa 1770 Comment genannt, 1778 durch Christian Friedrich Gleiß alias „Martialis Schluck Raufenfelsensis“, einen Erlanger Ordensbruder, schriftlich fixiert in Form der parodistischen „Dissertatio de norma actionum studiosorum“, dann im Sommer 1791 in Jena als „Burschencomment der vereinigten Orden und Landsmannschaften“. Der Brauch/Comment bezeichnete anfangs allgemeine Gewohnheiten der Studenten bei Hospiz (Trinkund Eßgelage), Beleidigung und Duell; er regelte später zusätzlich das äußere Erscheinungsbild und Auftreten, burschikose Benehmen, Verhalten bei Ehrverletzung undzum Teil auch das studentische Liedgut. Gleiß hatte zweifellos ältere literarische Vorbilder wie Zachariaes Heldengedicht „Der Renommist“ (zirka 1744), eine anonyme Schrift von 1747 „Das Hospizium oder richtiger Beweis aller bey dem Hospizio üblichen Rechte und Gewohnheiten“, wohl auch das „Ius potandi“ eines pseudonymen „Blasius Multibibus“ von 1616. Der Studentenbrauch durchlief in Jahrhunderten erhebliche Veränderungen. Seine „corpsstudentischen“ Nachfolger wurden unter anderem die allgemeinen Kartellgesetze von Frankfurt/ Oder (1798), Halle (zirka 1799), der Erlanger SC-Comment (April 1800), der Heidelberger Burschencomment von 1803, 1806 ff. und der Göttinger Comment von 1813. Paukund Bier-Comments stellen weitere Differenzierungen dar. Landsmannschaftliche Namenstradition: Letzteres gilt auch für die landsmannschaftlich geprägte Namenstradition, die auf die Nationalverfassung mittelalterlicher Universitäten (auch noch Frankfurt/Oder 1506) und das hartnäckige Festhalten der Studentenschaft an den Namen nach Einführen der Fakultätsverfassung zurückgeht. Das Brauchtum dieser kaum mehr kontrollierbaren Landsmannschaften wurde gerne als „Pennalismus“ diskreditiert, von Landesherren und Hochschulen erbittert, jedoch ohne bleibenden Erfolg bekämpft (zum Beispiel Frankfurt/Oder während des Dreißigjährigen Krieges, Jena 1675, Halle 1717, Göttingen 1747 u.v.a.).Landsmannschaftliche Namen waren bis ins frühe 19. Jahrhundert meist verbunden mit der obligaten Rekrutierung der Mitglieder nach Geburtsort (Kantonierung). Erstmals verlassen wurde dieses Prinzip im April 1800 im Erlanger SC: Ansbacher, Franken, Westfalen und Märker anerkannten sich nur als Gesellschaften ohne landsmannschaftliche Vorrechte. Bürgerliche Aufklärung und Verbindungswesen: Die „Aufklärung“, in geschichtsphilosophischem Sinne vernunftmäßige Abrechnung mit allen überlebten und menschenunwürdigen Zuständen, breitete sich gegen Mitte des 18. Jahrhunderts in Deutschland aus. Sie förderte Rationalismus in Religion und Wissenschaft, trat für Freiheit und Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz und – kosmopolitischhumanitär idealisiert – der gesamten Menschheit ein. Letzteres Ziel propagierten seit 1737 insbesondere die Freimaurerlogen englischer Herkunft, wobei sie ältere deutsche Logensysteme, auch universitär verbreitet, innerhalb weniger Jahrzehnte verdrängten. Den Bürgern der Universitäten vermittelte diese Philosophie besonders starke Impulse. Einerseits entstanden neuartige wissenschaftliche, philosophische und naturforschende Gesellschafts- und Erziehungsmodelle. Andererseits wurden Freimaurerlogen vielfach von Studenten und jungen Hochschullehrern gegründet, die wissenschaftliche Betätigung, Verbesserung der Moral, Bruderliebe und Weltoffenheit auf ihre Fahnen schrieben. Parallel dazu entstanden Studentenorden, die sich nicht selten eng an die Freimaurerei oder ältere Logensysteme anlehnten, studentische Traditionen und Brauchtum jedoch beibehielten. Insbesondere Ehrauffassung und studentisches Duell wurden zum Streitpunkt zwischen Freimaurern und Ordensbrüdern, die ihren Nachwuchs aus landsmannschaftlichen Kränzchen rekrutierten und die in den Landsmannschaften selbst oft führende Positionen einnahmen. Tradition und Gruppendynamik konnten auch durch härteste Strafmaßnahmen der Behörden nicht gebrochen werden. Während Studenten aus den Freimaurerlogen nach Festlegen eines Mindestalters zunehmend verdrängt wurden, blühten an den evangelischen Universitäten die Studentenorden, die ihrerseits zivile Philisterlogen bildeten und für die reguläre Freimaurerei zur lästigen Konkurrenz wurden: Einer der Gründe für ihre öffentliche Diskriminierung und ihren Untergang. An katholischen Universitäten bestand vor 1790 kaum ein vergleichbares Verbindungsleben. Die Behörden, mit der Freimaurerei oft eng verbunden, versuchten seit etwa 1786 nicht ohne Erfolg, in die Studentenschaft Keile zu treiben und die „geheimen“ Ordensverbindungen dadurch zu verdrängen, daß sie die leichter kontrollierbaren landsmannschaftlichen Kränzchen zeitweise tolerierten und Denunziation honorierten. Ordensfeindlichkeit, oft nur ein Lippenbekenntnis, ist schon deshalb ein sehr fragwürdiges Kriterium. Die Ordensverbindungen, vielfach von Theologen und Juristen dominiert, waren nicht so schlecht wie ihr Ruf. Am längsten überlebten sie wohl in Wittenberg. Als sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach langer Blüte und vielen Irrungen und Wirrungen untergingen, hatten die Orden die landsmannschaftlichen Konkurrenten längst in ihrem Sinne umerzogen und ihnen neue Ideen eingeimpft. Neben vielen Spuren im Brauchtum (zum Beispiel Verschwiegenheit, „geheime“ Zeichen und Zirkel, Brustband, Rezeptionsbrauch, einzelne Lieder) überlebten Spuren in den Konstitutionen, so beispielsweise Lebensbundprinzip und Kosmopolitismus, ethische und ideelle Ziele bis in unsere Zeit. Auswirkungen des Deutschen Idealismus: Philosophischer Hauptvertreter des Deutschen Idealismus war der Jenaer Philosoph Johann Gotte. lieb Fichte, auch wenn Hegel 1796/97 zusammen mit Friedrich Wilhelm Schelling das älteste „Systemprogramm des deutschen Idealismus“ zu Papier brachte. Der „klassische“ Idealismus im literaturhistorischen Sinne ging um 1795 aus dem Freundschaftsbund der Dichter Goethe und Schiller, aus der Verbindung der Weimarer Klassik mit der Erziehungs- und Wissenschaftslehre des Kantianers Fichte hervor. Schillers äußere Rolle wird deutlich in der Zeitschrift „Die Horen“, die er seit 1795 herausgab, im „Musenalmanach“ (1796), im Schriftwechsel mit Fichte, Goethe, Gottfried von Herder, August Wilhelm Schlegel, den Brüdern Humboldt, Friedrich Hölderlin und anderen Autoren, die bei ihm publizierten. Er beeinflußte selbst durch Kritik die Entwicklung der fichteschen Theorien und Wissenschaftslehre und arbeitete mit Goethe an den „Xenien“ (1796/97), die Mißstände ihrer Zeit beklagten und auch zahlreiche positive Aspekte der Kunst und des Menschenlebens hervorhoben. Fichtes Sittenlehre ist eine Lehre von Pflichten in der Gemeinschaft, gegründet auf Ehre und Freundschaft. Der Gelehrte/Akademiker müsse Vorkämpfer der sittlichen Ordnung sein. Kraft und Mut des Charakters, Ehre und Treue, Offenheit und Wahrhaftigkeit, selbstlose Bescheidenheit und opfervolle Hilfsbereitschaft sollen ihn auszeichnen. Fichtes Vorlesungsreihe „Über die Bestimmung des Gelehrten“, in der er als Kristallisationspunkte für Reformen kleine Gesellschaften geschlossener Freundschaftsbünde empfahl und Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795) fanden unter den Jenaer Studenten begeisterte Aufnahme. In diesem Idealismus der Denker und Dichter, der bewußt und gezielt junge Akademiker ansprach, sie durch wissenschaftliches Streben zur geistigen Elite und zugleich Toleranz erziehen wollte und tiefe Spuren in den ältesten Corps-Konstitutionen hinterließ, sehen die meisten Studentenhistoriker die eigentliche Wurzel des Corpsstudententums. Daß erste Versuche neuer Gründungen wie einer „Literarischen Gesellschaft Freier Männer“ (1794 – 99) oder einer bald von Schwarzen Brüdern unterwanderten Rhenania in Jena nicht zum dauerhaften Erfolg führten, steht dazu nicht im Widerspruch: Carl Freiherr von Pöllnitz, ein fleißiger Hörer Fichtes und Verehrer Schillers, trug den Funken von Jena nach Erlangen, wo er 1798 die Ansbachische Gesellschaft (Onoldia) stiftete – das erste deutsche Corps, das diesen Namen aufgrund der Konstitution verdiente – und weiteren glücklichen Umständen ihr Fortbestehen verdankte. So wurde 1798 dank der Unterstützung durch den Senat und Hardenberg in Berlin erreicht, was bisher allen Korporationen versagt geblieben war: Die staatliche Anerkennung und Legalisierung einer studentischen Gesellschaft. Napoleonische Zeit, Freiheitskriege und Urburschenschaft: Die sogenannte Kantonierung, ein altlandsmannschaftliches Relikt, hielt sich in den meisten Seniorenkonventen bis ins frühe 19. Jahrhundert; sie legte das Recht der Mitgliederwerbung in Abhängigkeit vom Geburtsort fest. Auch wenn die alten Grenzen der Reichskreise damals längst durchbrochen waren, blieb die Kantonierung Sinnbild kleinstaatlichen Denkens, angesichts der Besatzung und Umgestaltung Deutschlands seit dem Friedensschluß von Lunéville (9. Februar 1801) ein Anachronismus, für viele Deutsche ein zunehmendes Ärgernis. Das Festhalten der meisten Landsmannschaften oder Corps, wie sich einige seit 1810 nannten, an diesem Prinzip bis hin zu den Freiheitskriegen war eines der wesentlichen Argumente der Burschenschaftsbewegung, die auf Einheit in der Nation und in der Studentenschaft abzielte. Zu den Vätern des Gedankens gehörte bekanntlich der Turnvater Jahn, selbst ein alter Ordensbruder (Unitist), für den Einheit (Unitas) eine besondere Rolle spielte und der neben Johann Gottlieb Fichte (Reden an die deutsche Nation 1811) und Ernst Moritz Arndt erheblich zum Begriffswandel der „Natio“ im Bewußtsein nicht nur der Studenten beitrug. Daß es Corpsstudenten wie Theodor Körner waren und nicht etwa Burschenschafter, die 1813 in den Krieg zogen, sollte dabei nicht verkannt werden, auch wenn viele von ihnen als Burschenschafter im Sinne des Turnvaters und der jahnfriesenschen Ordnung zurückkehrten. Die „burschenschaftlichen“ Verbindungen, die jetzt entstanden, wie Teutonia Halle (1814) oder die Urburschenschaft in Jena (1815) erwuchsen aus dem jungen, noch ungereiften Corpsstudententum und waren im Grunde nichts anderes als großdeutsche Landsmannschaften mit dem „Kanton“ des 1806 erloschenen Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Auf Nebenlinien dieser Großfamilie will ich hier nicht eingehen. In der Folge trennten sich aber die Wege. Die Seniorenconvente überlebten oder rekonstituierten sich nach kurzer burschenschaftlicher Dominanz, die mit dem 1. Wartburgfest im Oktober 1817 ihren äußeren Höhepunkt, mit dem Attentat Sands ihr Ende fand. Sie lernten aber auch hinzu, verzichteten jetzt auf die Kantonierung, distanzierten sich von politischer und religiöser Schwärmerei und institutionalisierten das Prinzip der Weltoffenheit und Toleranz, das ganz vereinzelt ja schon seit 1798 in den vom Deutschen Idealismus geprägten Corpskonstitutionen aufleuchtete. Man erkannte, daß man sich zusammenschließen mußte, um gegenüber der Konkurrenz zu bestehen und dachte 1818 erstmals über einen Dachverband nach, der drei Jahrzehnte später mit dem KSCV realisiert wurde.

Image
Image
Image
Image