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Der Euro ist in Gefahr, die EU muss den Flächenbrand verhindern
von Ulrich Hottelet

Schon wieder ein neuer Rettungsschirm. Nachdem die EU im Frühjahr Griechenland aus höchster Bredouille gerettet hat, sah sich nun Irland nach langem Zögern gezwungen, an die Brüsseler Türen zu klopfen und um milliardenschwere Hilfe nachzusuchen. Die Euro-Zone steht also – mal wieder – unter Beschuss und muss verteidigt werden. Ein Kommentar.

Doch die Ursachen sind in beiden Fällen sehr unterschiedlich. Während die griechische Wirtschaft zumindest auf europäischer Ebene schon immer kaum wettbewerbsfähig war und die Regierung bei ihren Defizitzahlen gegenüber der EU gelogen hat, liegt das Problem in Irland im überdimensionierten Bankensektor und in der viel zu hohen Staatsverschuldung. 20 Prozent des Haushaltsdefizits von 32 Prozent in diesem Jahr gehen allein auf die Schieflage der Banken zurück. Nun rächt sich die unseriöse Wirtschaftspolitik, die Dublin auf Kosten seiner EU-Partner Jahre lang betrieben hat. Mit niedrigen Steuer- und Abgabesätzen und mit Deregulierung wurden ausländische Banken, darunter deutsche Geldhäuser mit ihren Zweckgesellschaften, und Unternehmen auf die Insel geködert, die sich solch verlockende Investitionsbedingungen natürlich gerne gefallen ließen. Die Zeche zahlten die anderen EU-Staaten in Form von hohen Subventionen für Irland sowie mit den aus ihren Ländern abgeworbenen Firmen samt der damit verbundenen Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Irland, eines der früheren Armenhäuser der EU, konnte dadurch seinen Wohlstand erheblich steigern und hohe Sozialleistungen finanzieren. So liegt zum Beispiel der irische Mindestlohn mit 8,65 Euro weit über den mancherorts in Deutschland real gezahlten Löhnen.

Doch nun ist das vielgepriesene irische Wirtschaftswunder geplatzt. Wieder einmal bewahrheitet sich der alte Spruch: „Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.“ Der Ärger und die Enttäuschung der irischen Bevölkerung sind nun groß. Der irische Frühling ist für lange Zeit vorbei. Die Regierung – sowohl die alte als auch die voraussichtlich neu zusammengesetzte nach den Wahlen - steht bei der nun fälligen Sanierung des Haushalts und den nötigen Eingriffen in das aufgeblähte Bankwesen vor unpopulären Entscheidungen.

Leider konnte sich Deutschland in den Verhandlungen der Finanzminister zum irischen Rettungspaket gegenüber anderen EU-Staaten nicht damit durchsetzen, die privaten Gläubiger künftig grundsätzlich an Verlusten ihrer Forderungen gegenüber finanziell angeschlagenen Staaten zu beteiligen. Nur im Extremfall der Staatsinsolvenz soll dies möglich sein, lautete das magere Verhandlungsergebnis. Somit bleibt der Steuerzahler die sichere (öffentliche) Bank, die im Notfall einspringt, wenn private Banken milliardenschwere Verluste nicht schultern können oder nicht schultern wollen. Die Devise der Spekulanten bleibt daher: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Auf anderer Leute Kosten spekuliert es sich eben schöner.

Die Zukunft des Euro ist derweil ungewiss. Die Regierungen sind weiter gezwungen, von einem Brandherd zum nächsten zu eilen. Viel wird zurzeit spekuliert, ob die EU-Feuerwehr demnächst in Portugal und Spanien zum Einsatz kommen muss. Dabei ist natürlich zu differenzieren, je nach wirtschaftlicher und finanzieller Ausgangslage.

Den EU- und Euro-Skeptikern sei ins Stammbuch geschrieben, dass sie die riesigen Vorteile der gemeinsamen Währung gerade für die deutsche Wirtschaft allzu gerne ignorieren. Dazu zählt nicht nur das für den deutschen Exportvizeweltmeister nützliche Einsparen von Transaktionskosten im Handel, sondern auch die gewichtigere Rolle, welche die europäische Wirtschaft im Weltmaßstab gegenüber Amerika und Asien spielt. Im Verbund ist sie ein mächtigerer Akteur als das der Fall wäre, wenn die EU-Länder noch getrennte Währungen hätten. Gerade für Deutschland hätten die Turbulenzen der vergangenen Monate zu einer starken Aufwertung der D-Mark geführt – mit einer entsprechend deutlich verschlechterten Wettbewerbsposition seiner Exportprodukte. Die wirtschaftsschwächeren EU-Staaten hingegen wären ohne europäische Solidaritätsleistungen noch stärker ins Sperrfeuer der Finanzmärkte gekommen. Die griechische Regierung war sich dieser Gefahr wohl bewusst, als sie lieber die Kröte der restriktiven Brüsseler Auflagen für ihre Haushaltspolitik schluckte als sich aus dem Euro zu verabschieden und die Drachme wiederzubeleben. Ähnlich sieht die Interessenlage in Irland und Portugal aus. Die wirtschaftlich schwächeren Länder wissen, dass sie beim Ausscheren aus der Währungsunion erst recht an die Peripherie der europäischen Wirtschaft gedrängt würden. Für ausländische Investoren wären sie weniger attraktiv, zumal diese kleinen Märkte nicht genug Potenzial bieten. Das kann durch eine Abwertung der Währung nicht kompensiert werden. Ohnehin wird dieser Vorteil gerne überbewertet. Doch allein auf eine schwache Währung zu setzen, hat noch keiner Volkswirtschaft zur nachhaltigen Wettbewerbsstärke verholfen.

Last but not least ist die Verlässlichkeit zu nennen, die ein gemeinsamer Währungsraum für die europäischen Unternehmen schafft. Natürlich ist gerade sie durch die diversen Krisen der Euro-Länder erschüttert. Umso mehr ist es die primäre Aufgabe der Regierungen, diese Verlässlichkeit und das damit verbundene Vertrauen von Investoren wiederherzustellen. Zweifellos ist das angesichts der Ungleichgewichte in der Euro-Zone alles andere als ein leichtes Unterfangen. Darüber hinaus muss sorgfältig abgewogen werden, ob und wie die sich wild gebärdenden Finanzmärkte gezähmt werden können. Zum Beispiel, indem den Spekulanten weitere Instrumente aus der Hand genommen werden. Zu einer effektiven Brandbekämpfung gehören schließlich das grundsätzliche Verhindern von Bedingungen, durch die sich ein Feuer schnell ausbreiten kann, das präventive Entwaffnen von Brandlegern und das situativ schnelle und angemessene Einschreiten der Feuerwehr. An all diesen Punkten müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten ansetzen, wollen sie nicht länger von einem Brandherd zum nächsten hetzen.

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Leserkommentare
Wolfram Wiesel (D-51503 Rösrath) 01.12.2010
Wie naiv darf (muss) man sein?
Glaubt irgendjemand, dass der innerdeutsche "Länderfinanzausgleich" noch jemals wieder abgeschafft wird?
Glaubt jemand ernsthaft, es hätte die Wiedervereinigung von Ost nach West gegeben, wenn der Lebensstandard in der DDR drei Mal so hoch gewesen wäre wie in der BRD?

Glaubt irgendjemand ersthaft es hätte den EURO gegeben, wenn die DM so "schwach" (stark) wie die DRACHME/PESETE etc.) gewesen wäre?
Der EURO hat den Deutschen Vorteile gebracht, aber die sind nicht umsonst. Die Frage ist nur, wieviel die Deutschen für die Vorteile, die sie durch den EURO haben, zahlen müssen. Im schlimmsten Falle bis zum eigenen Bankrott, im günstigsten Falle nur so viel, dass der EURO und die EURO-Zone überleben. Die Ausbeutung Deutschlands wird nur ein Ende haben, wenn die anderen das Gefühl bekommen, dass ein bankrottes Deutschland nicht in ihrem eigenen Interesse ist.
"Freundschaft gibt es zwischen Menschen.
Zwischen Staaten gibt es Interessen" (DeGaulle).
Ein französicher Kommentator schrieb bei der Einführung des EURO: "Das ist ein zweiter Versailler Vertrag. Nur ohne Krieg".
Wahrscheinlich hat der Mann "RECHT"!. Wie die Europäer mit einem Deutschland im Jahre 2035 umgehen (25 Millionen Rentner; davon 3 Millionen 'dement'; statt wie jetzt 4,5 Millionen Analphabeten dann ca. 10 Millionen; 2 Millionen qualifizierte Deutsche zusätzlich ausgewandert usw., usf.).
Schau'n wir mal!
Aber bitte keine Illusionen.
Martin (Leiblfing) 30.11.2010
Überall fehlt GELD, ob den (manchen!) Banken, den Staatshaushalten, den Privathaushalten (100.000 Privatinsolvenzen) oder den KMU´s. Wenn Geld irgendwo fehlt, muss es woanders sein. So einfach ist das, bloß wo es geblieben ist, scheint niemanden zu interessieren. Eines aber ist gewiss. Besser als die Nationalstaaten mit ihrer Nationalökonomie ist die EU mit ihrer Weltökonomie (die EU ist der bei weitem größte Akteur auf dem Weltmarkt. Bloß wer ist die "EU". Genauso wie Merkel sagt, wir sind Deutschland, würde es richtig heißen: Die Konzerne (und ihre Banken) sind Deutschland und ebenso sind sie die EU. Sie sind es, die mit ihren Banken das GELD aufsammeln. Die EU ist eine großartige Pumpe um Kapital von UNTEN nach OBEN zu befördern und der Steuerzahler ist die gemolkene Kuh.
S. Filusch (Augsburg) 29.11.2010
Nicht nur der Euro, die gesamte EU war von vornherein erkennbar völlig falsch konstruiert und kann so nicht funktionieren. Auch eine gemeinsame Wirtschafts- oder Finanzpolitik ist Illusion bei derart divergierenden Interessen und Staatsvorstellungen. Wie kann es aber sein, dass (wie Herr Hottelet annimmt) angeblich Deutschland profitiert hat, aber auch alle anderen Eurostaaten auch - sogar die defizitären, die Deutschland seine Wirtschaftsstärke vorwerfen? Und wenn wir uns alle (!) hoch verschulden, um eine Utopie zu retten, wer ist dann noch der Gewinner? Gehr es hier nicht darum, liebgewonnene Macht(strukturen) zu verteidigen?
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Ulrich Hottelet
Ulrich Hottelet arbeitet als freier Wirtschaftsjournalist in Berlin.


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