Burg Boullion 1- Belgien
Gottfried von Niederlothringen war einer der Führer des 1. Kreuzzugs und erster Herrscher
von Jerusalem. Sein Bruder Balduin wurde erster König von Jerusalem.
Boullion war die Hauptburg der Herzöge von Niederlothringen und Tagungsort ihrer Lehnsversammlungen
im 11. Jahrhundert. Beide Brüder kehrten nicht in ihre Stammlande zurück.

Die Kreuzzüge

Diskussion um den Begriff, Gang und Schwerpunkte der Forschung

Im allgemeinen Geschichtsbewusstsein sind die Kreuzzüge als Teil der mittelalterlichen Geschichte erstaunlich gut vertreten. Als Vorlage für Fernsehfilme und Romane, als Librettostoff für Opern (Verdis Lombarden auf dem 1. Kreuzzug, Händels Rinaldo - nach "Gerusalemme liberata" von Torquato Tasso) ist der Kreuzzugsbegriff im allgemeinen Verständnis mit der Eroberung des Heiligen Landes durch christliche Ritter in Kämpfen gegen Muslime verbunden. Fragt man historische Laien, werden sie die Kreuzzüge dem Mittelalter allgemein, vielleicht (die informierteren) speziell dem 12. Jahrhundert zuweisen. Waffentaten und Heldenstückchen zugunsten des Christentums, abenteuerliche und romanhafte Episoden sind der Nährboden für das Interesse an "den Kreuzzügen", das in den angelsächsischen Ländern besonders lebhaft ist. Das auf sie projizierte abenteuernde Rittertum wird als typisch für das Mittelalter überhaupt angesehen, ähnlich wie die filmisch vermarkteten Waffentaten des christlichen Königs Alfred und seiner Kämpen gegen die heidnischen Wikinger oder idealisiertes Abenteuertum der Zeiten eines Richard Löwenherz/Robin Hood bzw. der Artusritter. Im Internet sind "die Kreuzzüge" aufgrund ihrer "Farbigkeit" stärker präsent als jedes andere mittelalterliche Thema - freilich mit entsprechend unterschiedlichem Niveau der Beiträge (jeder finde dies selber heraus!). Zur Beliebtheit des Themas hat im angelsächsischen Sprachbereich vor allem das packend und in bildhafter Sprache geschriebene, 1950-1954 erschienene Buch von Steven Runciman, A History of the Crusades, beigetragen, das schnell in viele Sprachen übersetzt wurde. Runciman hatte den Mut (oder die Tollkühnheit?) ohne Kenntnis der orientalischen Quellen in deren Originalsprache zu schreiben. Die sprachlichen Barrieren sind bis heute das Hauptproblem für eine seriöse Auseinandersetzung mit der Thematik. Im Unterschied zu Runcimans Verständnis (und dem des oben skizzierten allgemeinen Bewusstseins) ist es darüber hinaus heute durchaus nicht mehr selbstverständlich, den Kreuzzugsbegriff auf die Kreuzzüge des Mittelalters ins Heilige Land einzuengen. Besonders die Schule von T. Riley-Smith hat es sich zur Aufgabe gemacht, Elemente des Kreuzzugsgedankens bis in die frühe Neuzeit nachzuweisen. Der (ideellen) Vorgeschichte der "eigentlichen" Kreuzzüge des ausgehenden 11. und des 12. Jahrhunderts spürte das 1935 erschienene, wegweisende Buch C. Erdmanns, Zur Entstehung des Kreuzzugsgedankens, nach. Schon Erdmann widmete ein Kapitel seines Buches der (erweiterten) Bedeutung von "Kreuzzug" im Sinne von "Heidenkrieg". Slavenkreuzzüge, Albigenserkreuzzüge, Pruzzenkreuzzüge, um nur einige zu nennen, stellen ein erweitertes Feld der Kreuzzugsgeschichtsschreibung dar. Ein Grundgedanke Erdmanns, die Stellung der Kirche zum Krieg, ist ebenfalls bis heute ein zentrales Forschungsthema. Im deutschen Sprachraum sind die Bibliographie und das Taschenbuch von H. E. Mayer die Standardliteratur zum Thema. Die Struktur der Kreuzfahrerstaaten, die Stellung der Juden (J. Prawer) und die Ritterorden sind weitere Forschungsschwerpunkte.

Zum Begriff "Kreuzzug" kann als Konsens festgehalten werden, dass zwischen einer engeren und weiteren Bedeutung unterschieden wird. Im engeren Sinn sind Kreuzzüge die Unternehmungen der westlichen Christen vom Ende des 11. bis zum 13. Jahrhundert zur Eroberung oder Wiedergewinnung des Heiligen Landes für christliche Herrschaft. Sie verbanden den Wallfahrtsgedanken mit kriegerischen Absichten, wurden von den Päpsten initiiert oder gefördert, durch ein feierliches Gelübde begründet und eröffneten den Kreuzfahrern Bußvorteile (Erlass von Strafen für begangene Sünden) und Sicherung ihres Besitzes in der Heimat (Schuldenmoratorium). Im weiteren Sinn sind Kreuzzüge kriegerische Unternehmungen von (rechtgläubigen) Christen zur Unterwerfung und Christianisierung von Nicht-Christen/Heiden (Slaven, Pruzzen) bzw. Häretikern (Albigenser). In diesem Abschnitt werden die Kreuzzüge im engeren Sinn behandelt.

Dass die Menschen des 12. und 13. Jahrhunderts die Kreuzfahrer als Pilger ansahen, ergibt sich schon aus der Bezeichnung peregrini, die die lateinischen Quellen für sie gebrauchen. Wie die Pilger waren auch die Kreuzfahrer durch äußere Zeichen als solche gekennzeichnet: für Pilger waren die Zeichen Stab und Tasche (so auch auf der im Kapitel "Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel im Hochmittelalter" wiedergegebenen Abwiege-Szene des Außenfrieses von Andlau), gelegentlich auch der Hut und für die Pilger nach Santiago de Compostela die Muschel. Die Kreuzfahrer kennzeichneten sich bei Leistung des Gelübdes durch das Anbringen von Stoffkreuzen auf ihrer Kleidung. Da die Kreuzzüge auch Wallfahrten waren, waren nicht alle Teilnehmer bewaffnet und konnten auch Frauen teilnehmen. Aber die Anführer und die Mehrzahl der Teilnehmer waren bewaffnete und kampffähige Männer. Eine militärische Gesamtorganisation fehlte. Jeder Anführer führte seine Vasallen. Fahnen und heraldische Erkennungszeichen an Helm und Schild spielten deswegen eine wichtige Rolle. Da die Kreuzzüge auch Kriege waren, war wie bei allen mittelalterlichen Kriegen das Beutemachen ein primäres Ziel. Die Kriegsbeute bestand in transportablen Schätzen, Land, Waffen, verkaufbaren Gefangenen aber auch in hemmungslos "mitgenommenen" Reliquien, von denen man sich Heiltum erhoffte und mit denen man die Kirchen in der Heimat bereicherte (Nägel und Partikel vom Kreuz Christi, Kleidungsstücke und deren Teile, die mit biblischen Vorgängen in Zusammenhang gebracht wurden, usw.).

Quellen

Zu den Kreuzzügen im engeren Sinn haben wir für das 12. Jahrhundert erzählende Quellen in lateinischer, griechischer, arabischer und armenischer Sprache, die im 19. Jahrhundert durch das französische Editionsunternehmen Recueil des Historiens des Croisades (RHC) textkritisch veröffentlicht wurden. Viele Texte haben in der Form dieser Edition noch heute Gültigkeit; einige sind inzwischen neu ediert. Seit dem 4. Kreuzzug und für das Lateinische Kaiserreich kommen altfranzösische Chroniken hinzu. Lateinischer Sprache sind die Papsturkunden, die Urkunden der Ritterorden und der italienischen Seehandelsstädte. Aus den Kreuzfahrerstaaten sind außerdem Rechtstexte altfranzösischer Sprache überliefert, da die Mehrzahl der siedelnden Kreuzfahrer aus dem französischen Sprachraum kam und dessen Rechtsgewohnheiten mitbrachte. Dieses polyglotte Quellenmaterial zu kennen und zu verstehen und der unterschiedlichen Sichtweise der Berichterstatter nicht nur Rechnung zu tragen sondern den "objektiven Wahrheitsgehalt" der Berichte herauszufiltern, macht Kreuzzugsgeschichtsschreibung besonders schwierig. Hinzu kommen die Fragen, inwieweit die Berichterstatter Augenzeugen waren oder Berichte anderer bzw. Auszüge aus solchen (wobei das Bestimmen der Perspektive dann besonders schwierig ist) übernahmen. Ein weiterer bei der Quellenauswertung zu berücksichtigender Aspekt sei am Beispiel der Chronik des Bischofs Wilhelm von Tyrus (gestorben 1186) verdeutlicht: Wilhelm entstammte einer im Königreich Jerusalem seß haft gewordenen Kreuzfahrerfamilie, war dort geboren, erhielt seine Ausbildung in Frankreich, ging ins Lateinische Königreich Jerusalem zurück, war Erzieher und Berater des Königs Balduin IV. und danach Bischof von Tyrus. Er war also "Inländer" mit hervorragenden Informationsmöglichkeiten. Seine lateinisch verfaßte Chronik erfuhr im 13. Jahrhundert eine altfranzösische Überarbeitung: was der volkssprachliche Bearbeiter wegließ oder betonte, sagt einiges über den Mentalitätswandel vom 12. zum 13. Jahrhundert und über die Erwartungen des Leser/Hörer/Kreises solcher Berichte, denen der Bearbeiter sich anpasste.

Der muslimisch beherrschte "Orient" in der Zeit vor den Kreuzzügen

Im 7. Jahrhundert waren ausgehend von dem bis zu Mohammeds Tod (632) für den Islam gewonnenen Arabien Palästina, Syrien, Ägypten, das neupersische Sassanidenreich und schließlich auch Nordafrika von kriegerischen, berittenen islamischen Arabern erobert worden. Anfang des 8. Jahrhunderts setzten sich islamische Eroberer auf der iberischen Halbinsel fest und gleichzeitig erreichten andere muslimische Eroberer den Kaukasus, das Gebiet des heutigen Afghanistan, Transoxanien bis über Samerkand hinaus und den Indus, womit die Straßenverbindungen nach Asien unter ihre Kontrolle kamen. Die muslimische Seeherrschaft im Mittelmeer wurde durch die Eroberung der Balearen und von Sizilien, Kreta und Zypern im 9. Jahrhundert gefestigt; auch auf Sardinien und Korsika setzten sich muslimische Piraten fest. Im 10. Jahrhundert eroberte das byzantinische Reich Kreta und Zypern zurück. Anfang des 11. Jahrhunderts errangen Flotten der italienischen Seehandelsstädte Genua und Pisa Erfolge gegen die von den Balearen, Korsika und Sardinien aus operierenden muslimischen Piraten. Die Normannen, die sich im Lauf des 11. Jahrhunderts auf dem süditalienischen Festland etablierten, unterwarfen bis zum Ende des 11./Anfang des 12. Jahrhunderts Sizilien, ohne jedoch die dort seit dem 9. Jahrhundert seßhaft gewordene muslimische Bevölkerung ("Sarazenen") zum Abzug zu zwingen. Die "Reconquista" der iberischen Halbinsel, die von den christlichen Königreichen des Nordens ausging (Aragon, Navarra, Leon/Kastilien), dehnte zur gleichen Zeit die Herrschaft der christlichen Reiche bis zur Mitte der Halbinsel (auf die Höhe von Toledo) aus.

Der Streit um die Voraussetzungen des Kalifats (= Nachfolge des Propheten in der religiösen und politischen Führung) und um die Verbindlichkeit der schriftlichen Glaubensgrundlagen des Islam (nur Koran oder Koran und Sunna) spaltete die islamische Welt seit der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts. Während die Schiiten die Kalifen- bzw. Führungsposition leiblichen Nachkommen des Propheten vorbehalten wollen (deren es im übrigen sehr viele gibt, sodass auch innerhalb der schiitischen Gruppierung zahlreiche Aufspaltungen entstanden), vertreten die Sunniten die Position, dass jedem gläubigen Muslim die Führungsposition von der Gemeinschaft gegeben werden kann. Die sunnitischen Kalifen aus der Familie der Abassiden residierten seit der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts in Bagdad. Die Kalifen-Vorgänger-Familie der von den Abassiden verdrängten sunnitischen Omajaden hatte ein Gegenkalifat in Cordoba errichtet. Ein schiitisches Gegenkalifat etablierten die Fatimiden (von Fatima: Tochter Mohammeds und deren Mann Ali sich herleitend) vom 10. bis 12. Jahrhundert in Ägypten. Schiitische Sondergruppen sind die Ismailiten (seit dem 9. Jahrhundert), sowie die Drusen (seit dem 11. Jahrhundert, Schwerpunkt Syrien) und die Assassinen (11./12. Jahrhundert, Persien). Zu den Glaubensgegensätzen kommt die politische Spaltung der islamischen Welt hinzu. Kalifat/Emirat von Cordoba, Almoravidenherrscherschaft im Mahgreb (ca. 1060 bis 1146), die dann durch die Almohaden abgelöst wird, fatimidische Kalifen in Ägypten, die Anfang des 11. Jahrhunderts ihre Herrschaft auch auf Palästina und Syrien ausdehnen, stehen in Konkurrenz zueinander und zum Kalifen in Bagdad. Politische Sonderentwicklungen gibt es in Transoxanien, im Hindukuschgebiet und im Panschab. Eine besondere Rolle in der Vorgeschichte der Kreuzzüge haben die der sunnitischen Richtung des Islam zuzurechnenden Turkvölker, unter ihnen vor allem die Seldschuken.

Christen (unterschiedlicher dogmatischer Richtungen) und Juden wurden unter islamischer Herrschaft gegen Zahlung einer Sondersteuer toleriert. Dennoch wurde der Islam in allen eroberten Gebieten Mehrheitsreligion, das Arabische als heilige Sprache des Koran Verbindungssprache. Im Zweistromland behaupteten sich dagegen persische Sprache und Traditionen, bei den Turkvölkern ihre jeweiligen Sprachen. Die monophysitischen Christen Ägyptens (Kopten) erfuhren Anfang des 11. Jahrhunderts Verfolgungen, die ihre Gemeinden aber nicht zerstörten. Nestorianische Christengemeinden überlebten im nördlichen Zweistromland, orientalische Christen griechischer Sprache in Syrien und Palästina, armenische und jakobitische Christen (beide aus monophysitischen Richtungen hervorgegangen und mit eigener Liturgiesprache) im oberen Zweistromland und in Kleinasien. Jüdische Gemeinden mit bedeutenden Religionsschulen bestanden im Mahgreb, in Ägypten, im Zweistromland und vor den Kreuzzügen auch in Palästina.

Die Militärstruktur der islamischen Herrschaft in der Eroberungszeit, die durch die klare Führung durch die Araber gekennzeichnet war, verfiel seit der Mitte des 9. Jahrhunderts: islamisierte türkische Sklaven wurden zunehmend für das Heer angeworben, stiegen durch Erfolg auf und übernahmen Führungspositionen. Der sunnitische Islam wird zum Bindemittel, das turkvölkische Militärverbände zusammenhielt. Von Transoxanien weitete eine solche sunnitische turkvölkische Kämpfergruppe, die Seldschuken, unter der Führung ihrer Sultane, die seit dem 11. Jahrhundert eine Dynastie bilden, ihre Herrschaft auf das östliche Kleinasien aus. Sie eroberten 1055 die Kalifenstadt Bagdad, um 1070 Palästina und schlugen die Byzantiner 1071 bei Mandzikert (in der Nähe des Van-Sees). In den 70iger und 80iger Jahren des 11. Jahrhunderts erobern sie von den Byzantinern den größten Teil Kleinasiens, einschließlich Nikäa im Westen und Ikonium (Konja) und Kaisarea im Osten. Die Seldschukengefahr war für den byzantinischen Kaiser Alexios I. Komnenos (1081-1118) der Anlass für ein Gesuch um militärische Hilfe, das heißt Gestellung von Söldnern, das er 1095 dem Papst Urban II. übermittelte. 1098, als die Kreuzfahrer bereits unterwegs waren, wurde die seldschukische Herrschaft über Jerusalem durch eine fatimidische Rückeroberung beendet. Die Differnzierungen innerhalb des muslimischen Herrschaftsbereiches wurden den Kreuzfahrern durch Anschauung deutlich. Ein Beispiel ist der Chronist Ekkehard von Aura, der zwischen Sarazenen, die dem "König von Babylon" (=Ägypten) unterstellt sind, und Türken (=Seldschuken) unterscheidet.

Der erste Kreuzzug

Burg Boullion 2- Belgien
Gottfried von Niederlothringen verkaufte die Burg Boullion zur
Finanzierung des Kreuzzugs an den Bischof von Lüttich. Der heute
sichtbare Ausbau der Burg Boullion geht auf die Bischöfe von Lüttich
im 12. Jahrhundert zurück.

Die Kämpfe des spanischen und provenzalischen Adels in der Reconquista und die Kriege der süditalienischen Normannen gegen die Sarazenen verfolgten das Ziel, ehemals christliches Land für christliche Herrschaft zurückzugewinnen. Insofern weisen sie Parallelen zu den späteren Kreuzzügen auf. Die Gottesfriedensbewegung hatte die Kampfmöglichkeiten des ritterlichen Adels eingeschränkt. Der Bevölkerungsanstieg bewirkte für söhnereiche Adelsfamilien, dass manche jüngeren Söhne zu geringen Anteil oder eingeschränkte Verfügungsmöglichkeit am Erbbesitz hatten. Dies alles ist zu den Beweggründen für die starke Resonanz auf den Kreuzzugsaufruf des Papstes Urban II. zu rechnen.

Dass der byzantinische Kaiser Alexios sein Hilfsgesuch an den Papst richtete, stand in einer längeren Tradition entsprechender Kontakte zwischen den Reformpäpsten seit Gregor VII. und den byzantinischen Kaisern. Es ging um Hilfe für die Christen des Ostens, und das seit 1054 bestehende Schisma zwischen östlicher und westlicher Christenheit wurde keineswegs als definitiv angesehen. Da die byzantinischen Kaiser um Söldner warben, waren die westlichen Könige ungeeignete Adressaten - ganz unabhängig davon, dass Ende des 11. Jahrhunderts speziell Heinrich IV. in Deutschland, Philipp I. in Frankreich und Wilhelm II. in England (und die spanischen Herrscher ohnehin) ihre jeweils eigenen Probleme hatten. Nachdem die Gesandten des Kaisers Alexios ihr Gesuch im Frühjahr 1095 auf der Synode von Piacenza vorgetragen hatten, pflegte der aus Burgund stammende Papst Urban II. zunächst auf einer längeren Reise Konsultationen mit dem Adel des südlichen Frankreich, speziell mit Graf Raimund IV. von Toulouse (St. Gilles). Am Schluss einer im November 1095 in Clermont-Ferrand tagenden Synode, die hauptsächlich Reformanliegen für die Kirche Frankreichs behandelt hatte, rief der Papst öffentlich vor großer, überwiegend aus Laien bestehender Zuhörerschaft zur militärischen Hilfe für die Christen des Ostens auf. Die Berichte, die wir über diese Rede des Papstes haben, differieren, sodass nicht eindeutig zu entscheiden ist, ob Jerusalem als Ziel bereits in dieser Predigt genannt wurde. Klar ist jedoch, dass Jerusalem in den spä ter versandten Briefen des Papstes benannt wird. Damit war die Intention des Hilfegesuchs des byzantinischen Kaisers umgebogen: denjenigen, die sich mit Begeisterungsrufen, dem Anheften von Stoffkreuzen an ihre Kleidung und feierlichen Gelübden zum Zug nach Osten entschieden, ging es nicht darum, dem byzantinischen Kaiser als Söldner zu dienen, sondern die Heiligen Stätten der Christenheit den muslimischen Herrschern abzugewinnen. Vom Heiligen Land und von Jerusalem wussten sie nur das, was ihnen vom Klerus auf der Grundlage der Evangelien vermittelt worden war, und speziell die Stadt Jerusalem existierte in der Vorstellung vornehmlich auf der Grundlage der bildhaften Prophezeiungen der Offenbarung des Johannes (Apokalypse).

Wie im einleitenden Abschnitt dieses Kapitels dargelegt, wurden in den nach dem Aufruf von Clermont breit einsetzenden Kreuzzugspredigten der kirchliche Lohngedanke (remissio peccatorum) und die Sicherung des Kreuzfahrerbesitzes für den Verlauf des Zuges angekündigt. Eine Vielfalt religiöser und individueller Motive und sehr vage Vorstellungen von den geographischen, politischen und kulturellen Gegebenheiten sind bei den Kreuzfahrern vorauszusetzen. Klar war nur, dass es ein langer, schwieriger (und schon deswegen verdienstvoller) Marsch und Kampf werden würde, der zumindest beim Adel umfangreicher Vorbereitungen bedurfte. Waffen, Pferde, Transporttiere und -wagen, Personen zu deren Betreuung und Instandhaltung, Verpflegung und Bargeld für Verpflegungskäufe mussten organisiert und mitgenommen werden. Während der Züge musste der Durchzug durch verschiedene, fremde Hoheitsbereiche für größere, teils bewaffnete Gruppen erwirkt und erreicht werden, dass sie Gelegenheit zu Ankauf und Tausch erhielten. Probleme der Verständigung und Unkenntnis der Wege machten den Rekurs auf kundige Personen in den Durchzugsgebieten nötig; deren Verlässlichkeit war Bedingung eines erfolgreichen Fortgangs.

Papst Urban II. versuchte, die päpstliche Führung des Unternehmens durch die Bestellung des Bischofs Adhémar von Le Puy zum Legaten für den Kreuzzug zu gewährleisten. Dies erwies sich zunehmend als Formalie, da Adhémar sich im wesentlichen nur bei den Provenzalen des Raimund von Toulouse aufhielt. Im Frühjahr brachen im wesentlichen nicht-ritterliche Kreuzfahrer, bei denen der Prediger Peter von Amiens ( "der Eremit") und der Ritter Walter "Ohne Habe" (Sans Avoir) führende Rollen spielten, nach Osten auf. Auf das Konto einiger dieser schlecht oder gar nicht organisierten und unzureichend ausgestatteten ersten Gruppen gingen die verheerenden Judenpogrome in Lothringen, dem Rheinland und im Donautal, die auch in Prag Schule machten. Die blühenden Judengemeinden des Rheintals waren zu ihrem Schutz ganz auf das Geschick der Bischöfe der rheinischen Städte angewiesen, von denen sich nur der Bischof von Speyer als fähig erwies, ihnen eine grausame Dezimierung zu ersparen. Plünderungen und Grausamkeiten, denen die diese Gruppen begleitenden Geistlichen nicht wirksam entgegentreten konnten, kennzeichneten auch ihren weiteren Weg durch den Balkan und prägten das Bild, das Byzanz von den Kreuzfahrern gewann. Diese Gruppen erreichten im Juli 1096 Konstantinopel und bezogen vor der Stadt Lager; denn nun musste mit dem Kaiser Alexios der Transport über den Bosporus verhandelt werden.

Das Geschichtswerk der Tochter des Kaisers, Anna Komnene, spiegelt das Entsetzen der kultivierten byzantinischen Hofgesellschaft vor den barbarischen Horden aus dem Westen. Im Spätsommer 1096 brachen die ritterlichen Kontingente in gesonderten Gruppen auf. Herzog Gottfried von Niederlothringen (Bouillon) und sein Bruder Balduin waren die einzigen bedeutenden Anführer aus dem Reich. Die Adligen aus der Provence und dem Languedoc und Burgund standen unter der Führung des Grafen Raimund IV. von Toulouse. Aus Nordfrankreich kamen die Kontingente Herzog Roberts von der Normandie, der Grafen Robert II. von Flandern, Hugo von Vermandois und Stephan von Blois. Die süditalienischen Normannen wurden von Bohemund von Tarent, dem ältesten Sohn des Robert Guiscard, und von Bohemunds Neffen Tancred angeführt. Die muslimische Seeherrschaft im südlichen Mittelmeerraum verbot ein Ansteuern des Heiligen Landes per Schiff; alle möglichen Landehäfen in Palästina standen unter muslimischer Aufsicht. Die Niederlothringer zogen durchs Rhein- und Donautal bis Belgrad und von dort über Sofia und Adrianopel vor Konstantinopel. Über den Weg der Südfranzosen sind wir bis Nordgriechenland nicht genauer unterrichtet; dann nahmen sie die Via Egnatia, die auch von den süditalienischen Normannen nach dem Überqueren der Adria und von einem Teil der Nordfranzosen, die zunächst den Papst in Italien aufgesucht hatten, eingeschlagen wurde. Die Via Egnatia führte bis zu einem der Tore Konstantinopels. Alle Kreuzfahrer erreichten bis Mai 1097 die Kaiserstadt.

Kaiser Alexios, der inzwischen keine Soldtruppen mehr brauchte und natürlich längst die andere Zielsetzung der westlichen Kontingente verstanden hatte, befürwortete die Eroberungspläne der Kreuzfahrer und versuchte sie den byzantinischen Interessen nutzbar zu machen, indem er von den Anführern einen Lehnseid und die Zusage verlangte, alle den Muslimen abgenommenen Gebiete dem byzantinischen Kaiser zu unterstellen. Um die von den Kreuzfahrerführern geforderten Eidleistungen und Zusagen gab es langwierige Verhandlungen. In der einen oder anderen Form kamen schließlich alle Anführer den Forderungen des Kaisers nach, ohne sich aber in der Folgezeit an die eingegangenen Verpflichtungen zu halten mit der einzigen Ausnahme, dass die erste Rückeroberung durch die Kreuzfahrer, Nikäa, dem byzantinischen Reich überstellt wurde.

Alexios sorgte für ortskundige Führer und eine geringe militärische Begleittruppe. Zunehmend lasteten die Kreuzfahrer alle Verluste durch seldschukische Angriffe, die ihnen bei ihrem Durchzug durch das seldschukische Kleinasien widerfuhren, alle Fehlplanungen, Irrwege, Versorgungsschwierigkeiten den Byzantinern an. Der Topos von den "listigen Griechen" (die Listen des Odysseus!) ist schon in der römischen Antike belegt und wurde nun begierig aufgegriffen, um die Byzantiner für alle Mißhelligkeiten und für die eigenen Unzuläglichkeiten verantwortlich zu machen. Die Ostchristen, zu deren Verteidigung man aufgebrochen war, wurden immer weniger als Brüder, immer mehr als Fremde gesehen.

Die Kreuzfahrer zogen nur bis Herakleia gemeinsam durch Kleinasien, dann teilten sich die Gruppen. Balduin von Boulogne, der Bruder Gottfrieds von Niederlothringen, nutzte armenisch-muslimische Konflikte, um sich (März 1098) zum Grafen von Edessa im Tal des oberen Euphrat zu machen: der erste "Kreuzfahrerstaat" war entstanden. Die anderen zogen südlich in Richtung Antiochia weiter, das nach langer (Okt. 1097 bis Juni 1098), verlustreicher Belagerung genommen und gegen einen Entsatzversuch gehalten wurde. Hier etablierte sich Bohemund als Fürst.

Diese und die folgenden Kreuzfahrererfolge wurden ermöglicht durch die Streitigkeiten und Kriege zwischen einzelnen muslimischen Fürsten und insgesamt zwischen Seldschuken und Fatimiden. Ohne die in Edessa und Antiochia verbliebenen Kreuzfahrerbesatzungen zog das erschöpfte Hauptheer weiter in Richtung Jerusalem, das seit dem Sommer 1098 wieder fatimidischer Herrschaft unterstand. Die Stadt wurde von Juni bis Mitte Juli 1099 belagert und schließlich erobert. Rivalitäten zwischen den Kreuzfahreranführern bestimmten bei der Belagerung wie schon vorher das Geschehen auch in der Frage des Lösegeldes für Gefangene. Auf Beschluß des Fürstenrates sollten schließlich keine Gefangenen gemacht werden, sondern es wurde die gesamte "heidnische" Bevölkerung der Stadt, Muslime und Juden, soweit sie nicht fliehen konnten, umgebracht. Gefangene wurden jedoch vorher und nachher außerhalb Jerusalems gemacht; aus jüdischen Zeugnissen ist aus späterer Zeit der finanzielle Einsatz von Familien und Gemeinden für den Loskauf von Personen aber auch für den Rückkauf heiliger Schriften belegt. Nur Jerusalem wurde auch in den folgenden Jahren von den "Lateinern" von jüdischer und muslimischer Rücksiedlung frei gehalten, was einen empfindlichen Rückgang der Bevölkerungszahl in der Stadt zur Folge hatte. Gottfried von Niederlothringen übernahm mit dem Titel advocatus sancti sepulchri (= Verteidiger des Hl. Grabes) die Herrschaft in Jerusalem. Nach seinem Tod im Jahr 1100 folgte ihm sein Bruder Balduin, bislang Graf von Edessa, mit dem Königstitel nach. In Edessa setzte Balduin einen Verwandten als Grafen ein. Erst nach und nach wurden die anderen Binnen- und Hafenstädte Palästinas von Kreuzfahrerheeren erobert; einige kapitulierten auch und erreichten so die Schonung der ansässigen muslimischen und jüdischen Einwohner, soweit diese nicht geflohen waren. Graf Raimund von Toulouse machte sich zum Herrn von Tripolis. Mit der Bildung der "Kreuzfahrerstaaten" Edessa, Antiochia, Jerusalem und Tripolis unter westlichen Fürstenhäusern, die sich dort etablierten, war der erste Kreuzzug abgeschlossen. Das Königreich Jerusalem beanspruchte, so lange es bestand (bis 1187) einen Vorrang gegenüber den anderen Fürstentü mern, der aber nicht durchgängig akzeptiert wurde. Von einer generellen Oberhoheit des byzantinischen Reiches über die Kreuzfahrerfürstentümer kann keine Rede sein; vielmehr definierte jedes Fürstentum je nach augenblicklicher Interessenlage seine Beziehungen zu Byzanz selbst.

Schon 1099 hatte Genua eine Flotte zur Unterstützung der Kreuzfahrer ausgerüstet und auf den Weg geschickt. Die Interessen der Seehandelsstadt Pisa nahm dessen Erzbischof Daimbert, der nach dem Tod Adhémars von Le Puy 1098 bis zum Tod Papst Urbans II. 1099 einer der päpstlichen Legaten des Kreuzzugs war, sehr entschieden wahr. Venedig wurde von den byzantinischen Kaisern weiterhin als Angehö rige des byzantinischen Reiches betrachtet, wenn sich auch das Abhängigkeitsverhältnis seit dem byzantinisch-venezianischen Vertrag von 1082 eher umgekehrt hatte. Im Bedarfsfall machte sich der venezianische Doge diese byzantinische Vorstellung durchaus zu Nutze. Alle drei italienischen Seehandelsstädte liefen die Häfen Palästinas an, nachdem sie in der Hand der Kreuzfahrer waren, erwarben dort Grundbesitz und Häuser, übernahmen Pilgertransport und Versorgung und sicherten so ihren wirtschaftlichen Aufschwung und die Eigenständigkeit ihres kommunalen Stadtregiments (im Fall von Genua und Pisa) bzw. der Patrizier- und Dogenherrschaft (im Fall Venedigs).

Die Eroberungen der Kreuzfahrer von Städten und Landgebieten in Syrien und Palästina bewirkten eine starke Fluchtbewegung der muslimischen und jüdischen Bevölkerung. Das bewegliche Eigentum wurde ihnen geraubt, ihr Land- und Hausbesitz wurde okkupiert. Machten die Kreuzfahrer Gefangene, dann verlangten sie für deren Freilassung Lösegeld, und selbst wenn dieses gezahlt wurde, war eine Freilassung alles andere als sicher. Die muslimische Landbevölkerung wurde überwiegend versklavt und als Landarbeiter genutzt, denn die Eroberer waren adlige Ritter und Fürsten, zu deren Selbstverständnis Handarbeit nicht gehörte. Viele der peregrini, Nicht-Adlige und Adlige kehrten in ihre Heimat zurück. Um die Eroberungen zu halten, waren die Kreuzfahrerfürstentümer daher auf ständigen Neuzuzug angewiesen. Aus dem Kreuzzug wurde eine Kreuzzugsbewegung.

Gegenüber den Ostchristen, die die "Lateiner" oder besser die "Franken" (wie sie sich selbst nannten) in Syrien und Palästina vorfanden, wurden keine systematischen Enteignungen und Verfolgungen praktiziert, aber das eigene Bekenntnis der Kreuzfahrer und die päpstlichen Legaten sorgten dafür, dass die östliche Form des Christentums als minderwertig eingestuft wurde: die Einsetzung eines lateinischen Patriarchen in Jerusalem, wie schon vorher die Einsetzung eines lateinischen Patriarchen in Antiochia neben dem griechischen und damit die Begründung eines antiochenischen Schismas machte diese Sicht nach außen deutlich. Ebenso wenig wie die "Franken" die Oberhoheit des byzantinischen Reiches akzeptierten, ebenso wenig interessierte sie die historisch tradierte Kirchenorganisation der Ostkirche. Gelegentlich kamen Heiratsverbindungen "fränkischer" Fürsten mit ostkirchlichen Frauen vor, aber dies änderte wenig an der allgemeinen Distanz. Bis zur Sicht der byzantinischen Ostchristen als Brüder war es ein weiter Weg, den nur wenige gingen - am ehesten die Angehörigen der zweiten und dritten Generation, also schon in den Kreuzfahrerstaaten geborene "Franken" (wie Wilhelm von Tyrus). Die Kontakte zwischen Ost- und Westchristen im Lauf der Kreuzzüge heilten das seit 1054 bestehende Schisma nicht, sie verstärkten es.

Heimkehrende Kreuzfahrer brachten Massen von Reliquien nach Europa, berichteten über wunderbare Erscheinungen und nachahmenswerte Heldentaten. Zwei "Reliquienfunde" spielten für den Verlauf des ersten Kreuzzugs und für die Folgezeit eine besondere Rolle: die Auffindung der angeblichen Longinus-Lanze (der Lanze, mit der Christus bei der Kreuzigung von einem römischen Soldaten durchbohrt worden war) in Antiochia auf der Grundlage von "Visionen" eines Provenzalen aus dem Gefolge des Grafen Raimund von Toulouse (obwohl es schon eine in Konstantinopel verehrte Longinus-Lanze gab) und die nach der Eroberung durch den lateinischen Patriarchen Arnulf, einen ehemaligen Kaplan des Herzogs Robert von der Normandie, betriebene Auffindung des "wahren Kreuzes".

Kreuzfahrerstaaten und Kreuzzüge im 12. Jahrhundert

Die meisten Kreuzfahrer und Kreuzfahrerfürsten des ersten Kreuzzugs waren französischer oder provenzalischer Sprache - auch die Normannen Süditaliens sprachen französisch. Sie bezeichneten sich selbst als "Franken" und wurden auch von den Byzantinern so benannt. Sie bewahrten die Sprache und die Rechtstraditionen ihres Herkunftsgebietes. Die Übernahme französischer Lehnspraxis bewirkte, dass im Erbfall Angehörige der Herkunftsdynastien die Nachfolge in den Kreuzfahrerfürstentümern übernahmen. Französisches Lehnrecht war Vorbild für die Rolle von Ratsgremien des Feudaladels (Haute Cour) und die durch Fürst und Rat erlassenen Rechtssatzungen (assises). Die Hohen Schulen französischer Kathedralstädte hatten im 12. Jahrhundert (s. Kapitel 12. Jahrhundert) den Vorrang für die Ausbildung von Geistlichen in ganz Europa, so auch für die Kreuzfahrerstaaten. Der Geschichtsschreiber Wilhelm von Tyrus erfuhr seine Ausbildung in Frankreich. Es ist nicht verwunderlich, dass die anfängliche Kreuzzugsbegeisterung und die anfänglichen Erfolge adliges Ritterideal und Selbstbewusstsein der "Franken" stärkten. Karl der Große, der Frankenkönig und erste mittelalterliche Kaiser, wurde zum legendären Prototyp des Kreuzfahrers umstilisiert. Die "Sarazenen" (nicht wie historisch die Basken) wurden im altfranzösischen Rolandslied (um 1130) die Feinde der Franken. Die Karolinger- und Frankentradition wurde von den kapetingischen Königen auch bei der Namenwahl der Thronfolger (Ludwig) demonstrativ in Anspruch genommen.

In den Städten, vor allem den Hafenstädten spielten die Kaufleute der italienischen Seehandelsstädte eine wichtige Rolle, aber auch Kreuzfahrer aus den Städten Frankreichs ließen sich hier nieder und bildeten die Schicht der freien "Bourgeois". Die in den Kreuzfahrerstaaten allein rechtsfähigen freien "Franken" rekrutierten sich aus den Gruppen der Adligen und der "Bourgeois". Das Königtum beruhte nach Gottfried auf Erblichkeit und Konsens des Adels. Die Könige verpflichteten sich bei Herrschaftsantritt eidlich auf die Wahrung aller traditionellen Rechte, der Adel leistete die in Westeuropa üblichen Lehnseide.

Aus Romanen rekrutierten sich zunächst die seit dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts entstehenden Ritterorden, auf deren militärische Hilfe die Kreuzfahrerstaaten angewiesen waren. Bruderschaften, die die Pilgerhospitäler trugen, hatten im Heiligen Land schon vor den Kreuzzügen bestanden. Pilger und kämpfende Kreuzfahrer mussten untergebracht und ärztlich versorgt werden. Dies waren Caritas-Pflichten, die zu den genuinen Aufgaben von Ordensgemeinschaften gehörten. Aus Hospitalorden ging der Ritterorden der Johanniter (später Malteser) und der einzige nicht-romanische, Ende des 12. Jahrhunderts entstandene Deutsche Ritterorden hervor. Der früheste, mit voller Ordensverfassung ausgebildete Ritterorden war der Templerorden. Charakteristisch war, dass bei den Ritterorden zu den drei traditionellen Ordensgelübden persönliche Armut, Keuschheit und Gehorsam als viertes der Kampf für die Verteidigung des Heiligen Landes, der Christenheit und schließlich gegen die "Heiden" hinzu kam. Grundlage waren die Regeln für Regularkanoniker, bei den Johannitern speziell die sogenannte Augustinus-Regel. Die Errichtung des Templerordens wurde vom Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux 1128 auf einer Synode und durch eine Werbeschrift unterstützt, die Ordensregel 1130 vom Papst gebilligt. Die direkte Unterstellung unter die Päpste verlieh den Ritterorden Selbständigkeit gegenüber den kirchlichen und politischen Instanzen der Kreuzfahrerstaaten. Durch umfangreiche Güterschenkungen in ganz Europa wurden sie reich. Auf Reichtum und Privilegien beruhte die Arroganz einiger ihrer Mitglieder, die schon Wilhelm von Tyrus tadelte. Für die Kreuzfahrerstaaten stellten sie jedoch die einzigen ständig kampfbereiten Verbände, die durch Anlage und Besatzung von Burgen, die Bewachung des Hl. Grabes und des Kronschatzes und durch Kontrolle der Straßenverbindungen die Herrschaft der Kreuzfahrerstaaten wenigstens teilweise längerfristig sicherten.

Nicht nur christliche Pilger besuchten im 12. Jahrhundert die Heiligen Stätten. Die überlieferten jüdischen Itinerarien legen Zeugnis ab von jüdischer Pilgerschaft nach Jerusalem und zu den Gräbern der Patriarchen und beleuchten das Wiederentstehen jüdischen Gemeindelebens in einigen Städten Palästinas außer Jerusalem. Die Muslime dagegen blieben für die Kreuzfahrer die Feinde par excellence, da das Ziel ihrer Anführer auf Rückeroberung gerichtet war.

Der exponierteste Kreuzfahrerstaat Edessa im oberen Euphrattal wurde 1144 von Muslimen zurückerobert. Um diese Rückeroberung rückgängig zu machen, riefen der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux und der Papst Eugen III. den zweiten Kreuzzug 1147-1149 ins Leben, an dem auch die Könige Ludwig VII. von Frankreich und Konrad III. aus Deutschland teilnahmen. Eine Folge dieser hochrangigen Beteiligung, die mit Führungsansprüchen beider Könige verbunden war, war eine stärker politische Komponente des Unternehmens, das Werben um den byzantinischen Kaiser Manuel Komnenos als Bündnispartner vonseiten Konrads III., des Normannenkönigs Roger vonseiten Ludwigs VII. Militärisch und diplomatisch war letztlich das gesamte Unternehmen ein Fehlschlag. Edessa wurde nicht zurückgewonnen. Nur auf einem Nebenschauplatz war ein Erfolg zu vermelden: Kreuzfahrer aus Flandern, Friesland und England eroberten Lissabon aus muslimischer Herrschaft. Auf einem anderen Nebenschauplatz, dem Kreuzzug gegen die heidnischen Elbslaven, war der Misserfolg dagegen ebenso groß wie beim Hauptunternehmen.

Gleichzeitig bahnten sich einschneidende Veränderungen im muslimischen Nahen Osten an. Die muslimische Eroberung Edessas war 1144 das Werk des Herrschers von Mossul und Aleppo (nördliches Zweistromland und Nordsyrien) Imad ad-Din Zengi gewesen. Zengis zwei Söhne teilten sich nach dem Tod des Vaters 1146 den Herrschaftsbereich. Der jüngere Nur ad-Din übernahm Aleppo und Edessa und damit die direkte Frontsituation zu den Kreuzfahrerstaaten vor allem zum Fürstentum Antiochia, dessen Gebiet er durch seine Eroberungen deutlich verkleinerte. Als es ihm 1154 gelang, das bisher durch ein Bündnis mit den Kreuzfahrerstaaten verbundene muslimische Damaskus in Südsyrien aus dieser Allianz herauszubrechen und seiner Herrschaft zu unterstellen, verschlechterte sich die Situation der "Franken". Nur ad-Din förderte den sunnitischen Islam. Auf seine Veranlassung wurden nicht nur armenische und jakobitische Christen in Edessa verfolgt, sondern er ging auch gegen die Schiiten unter seiner Herrschaft vor. Er gründete Schulen und Moscheen, förderte Prediger und Dichter, die einen kämpferischen Islam vertraten und aktivierte so ein muslimisches Gemeinschaftsbewusstsein gegen die "Franken". Im Auftrag Nur ad-Dins griff dessen militärischer Unterführer Sirkuh, wohl kurdischer Herkunft, in Ägypten ein, auf das auch Amalrich I. (1163-1174), der König von Jerusalem, seine Absichten richtete. Anfang 1169 war Sirkuh in Ägypten erfolgreich und etablierte sich dort als Wezir; in dieser Position folgte Sirkuh nach seinem Tod im Frühjahr 1169 sein Neffe Saladin (Al-Malik al-Nasir Salah ad-Din Yusuf), der 1171 die schiitische Fatimidenherrschaft in Ägypten beendete und das Land, das er faktisch regierte, nominell dem sunnitischen Kalifen von Bagdad unterstellte. Nach Saladins Vater Aiyub werden seine Nachkommen als Aiyubiden bezeichnet. Nur ad-Din starb 1174, nachdem er zuvor noch Mossul, den Erbteil seines Bruders, und Mesopotamien seinem Herrschaftsbereich unterstellt hatte. Noch 1174 gewann Saladin Damaskus seiner Herrschaft und wurde der eigentliche Nachfolger Nur ad-Dins, heiratete später dessen Witwe, stellte die Zengiden zunächst durch Errichtung von Teilherrschaften zufrieden und wurde vom Kalifen von Bagdad als Herrscher Syriens und Ägyptens anerkannt. Der Vereinheitlichung muslimischer Herrschaft unter Saladins Führung standen schwache und rivalisierende Führer in den Kreuzfahrerstaaten gegenüber; zugleich erlitt der byzantinische Kaiser Manuel 1176 eine verheerende Niederlage gegen die Seldschuken. Bis zur Mitte der achtziger Jahre festigte Saladin seine Herrschaft. Als überzeugter und überzeugender Anhänger des sunnitischen Islam war er verlässlich gegenüber Freund und Feind. Auf der Grundlage seines konkreten Herrschaftsbereiches und seines großen moralischen Ansehens begann er seit 1185 die Rückeroberungen im Königreich Jerusalem. Die Niederlage des Kreuzfahreraufgebots bei Hattin 1187 öffnete seinem Heer den Weg zu den Hafenstädten Askalon und Akkon und nach Jerusalem. Nach zweiwöchiger Belagerung kapitulierte die Stadt. Im demonstrativen Gegensatz zu der blutigen Eroberung der Stadt durch die Kreuzfahrer im Juli 1099 zeigte Saladin sich bei der Rückeroberung als gnädiger Sieger: er machte Gefangene, die durch moderates Lösegeld ausgelöst werden konnten und am Heiligen Grab durfte der christliche Gottesdienst durch vier syrische Priester weiter praktiziert werden. Die Aqsa-Moschee freilich wurde wieder dem Islam übergeben und von den Dächern der Kirchen hatten die Kreuze zu verschwinden. Im Königreich Jerusalem verblieb den Christen nur die Herrschaft über wenige Städte, Tripolis, Antiochia und Tyrus, sowie über einige Festungen nördlich von Tripolis. Entsprechend waren die Krondomäne der Könige von Jerusalem und die Besitzungen des Adels geschrumpft.

Die Rückeroberung Jerusalems durch die Muslime heizte die erlahmte Kreuzzugsbegeisterung in Europa an. Nach gründlichen Vorbereitungen stellte sich der alternde Kaiser Friedrich I. Barbarossa an die Spitze der Bewegung. Unter seiner Führung brachen die Kreuzfahrer 1189 zum dritten Kreuzzug auf. Der Zug nahm, da die Muslime inzwischen wieder die Seehoheit an der Küste Palästinas hatten, den Landweg über den Balkan, Konstantinopel und durch Kleinasien. Hier ertrank der Kaiser 1190 beim Bad im Fluss Saleph. Keiner der verbleibenden Anführer hatte seine Autorität. Die einzelnen Gruppen wurden in Einzelunternehmungen zerrieben. Unterdessen hatte derjenige, der Anspruch auf das faktisch kaum noch existierende Königreich Jerusalem erhob, Guido von Lusignan, nunmehr im Exil auf Zypern, die Belagerung der Hafenstadt Akkon begonnen, deren erhofften Gewinn er als Ausgangsbastion für die angestrebte Wiederherstellung seiner Herrschaft in Jerusalem ansah. Erst mit dem Eingreifen des Richard "Löwenherz", Kö nig von England und Herr über die Festlandbesitzungen Normandie, Maine, Touraine, Anjou, Poitou und Aquitanien, und des französischen Königs Philipp II. seit 1191 in die Kämpfe um Akkon gewann der dritte Kreuzzug wieder an Profil. Besonders Richard Löwenherz trat als Kämpfer hervor. Unter seiner Führung gelang im Juli 1191 die Einnahme Akkons. Weitere Wiedereroberungsversuche hatten nur kurzfristigen Erfolg oder scheiterten, sodass Richard nach Abschluss eines Vertrages mit Saladin, durch den der Pilgerverkehr gestattet und ein Küstenstreifen zwischen Tyrus und Jaffa den "Franken" belassen wurde, im Oktober 1192 das Heilige Land verließ. Danach liefen alle weiteren Aktionen der Teilnehmer am dritten Kreuzzug ins Leere. Akkon jedoch war für die Folgezeit der Hauptstützpunkt der Könige von Jerusalem, während Jerusalem unter muslimischer Herrschaft verblieb. Könige und Feudaladel des lateinischen Königreichs Jerusalem verankerten sich auf der Insel Zypern, die die Byzantiner schließlich aufgaben und die nunmehr zum Angelpunkt des Pilgerverkehrs und zur Ausgangsbasis für Restitutionshoffnungen in Palästina wurde.

Kreuzzüge und Kreuzfahrerstaaten im 13. Jahrhundert

Der vom Staufer Heinrich VI. geplante Kreuzzug kam durch seinen frühen Tod 1197 nicht zur Ausführung. Es blieb bei Einzelunternehmungen. Nach einer Reihe erst im Greisenalter erhobener Päpste wurde 1198 der erst 37-jährige Innozenz III. zum Papst erhoben. Ihm war die Wiedergewinnung des Hl. Landes ein zentrales Anliegen, das er unter päpstlicher Führung und ohne Beteiligung von Königen realisieren wollte. Bald nach seiner Papsterhebung rief er zum Kreuzzug auf, ließ ihn predigen und schrieb zu seiner Finanzierung eine Kreuzzugssteuer aus. Die Kreuzzugspredigt stieß auf starke Resonanz beim französischen Hochadel, besonders beim mächtigen und reichen Grafen Thiébaut (Theobald) von der Champagne, der nicht nur die Kaufleute der berühmten Champagne-Messen schützte sondern auch Adept des höfischen Rittertums war. An seinem Hof in Troyes dichtete u. a. Chrétien de Troyes und fanden prächtige und berühmte Turniere statt. Auf einem solchen Turnier formierten sich im November 1198 die ersten Kreuzfahrerkontingente. Vor allem Adlige Nordfrankreichs, Flanderns und des Hennegaus leisteten das Kreuzfahrergelübde und traten in Verhandlungen mit Venedig wegen des Transports ein. Der geschlossene Vertrag ging von einer viel höheren Teilnehmerzahl aus, als dann tatsächlich zustande kam, und entsprechend von einem viel höheren Transportpreis, als ihn die sich tatsächlich sammelnden Kreuzfahrer zu leisten imstande und bereit waren. Nach dem Tod des Grafen der Champagne 1201 bestimmten die Adligen den norditalienischen Markgrafen Bonifaz von Montferrat zu ihrem Anführer. Ziel des geplanten Kreuzzugs war Ägypten, das Zentrum des aiyubidischen Herrschaftsbereiches, doch wurde Jerusalem in der Kreuzzugspredigt in den Vordergrund gerückt. Da Papst Innozenz III. die Finanzierungsprobleme nicht zu beheben wusste, gingen die adligen Anführer der Kreuzfahrerkontingente, die sich vor Venedig versammelt hatten, auf ein Angebot des Dogen Enrico Dandolo ein, das den Erlass der ausstehenden Überfahrtkosten gegen Einnahme der dalmatinischen Stadt Zara, die dem ungarischen König unterstand, zugunsten Venedigs vorsah. Auf der Basis dieses Abkommens schifften die Venezianer im Herbst 1202 die Kreuzfahrer ein, transportierten sie gegen vergeblichen Protest vonseiten des Papstes und einiger Kreuzfahrergruppen nach Zara, das sie vereinbarungsgemäß für Venedig eroberten. Innozenz III. hob die zunächst gegen die Kreuzfahrer verhängte Exkommunikation alsbald wieder auf, wie er sich auch, wenngleich widerstrebend, allen weiteren Merkwürdigkeiten des Verlaufs anpasste. Während der Überwinterung in Zara erschienen im Kreuzfahrerlager Abgesandte eines mit dem Staufer Philipp von Schwaben verschwägerten und von ihm unterstützten Prätendenten auf den Kaiserthron von Konstantinopel, die den Kreuzfahrern Unterstützung für ihren Zug versprachen, falls diese sich zur Einsetzung des Prätendenten (Alexios IV.) verpflichteten. Im Frühjahr 1203 lief die die Kreuzfahrer transportierende venezianische Flotte mit Ziel Konstantinopel aus, das Ende Juni erreicht wurde. Der Ansturm der Kreuzfahrer auf die durch ihre Mauern und die kaiserliche Warägergarde gut geschützte Stadt führte zwar nicht zur Einnahme aber zur Flucht des Kaisers (Alexios III.) und zur Etablierung des Prätendenten, der freilich die den Kreuzfahrern gemachten Versprechungen nicht einhalten konnte und auf Widerstand der hauptstädtischen Bevölkerung stieß. Er fiel einem Aufstand zum Opfer, und sein von einflussreichen Kreisen der Hauptstadt gestützter Nachfolger Alexios V. Dukas Murtzuphlos schlug eine lateinerfeindliche Politik ein. Dies bewirkte den erneuten, nunmehr erfolgreichen Sturm der Kreuzfahrer auf die alte Kaiserstadt im April 1204. Er endete mit der Einnahme der Stadt, ihrer verheerenden Plünderung, der Ermordung vieler Byzantiner unter ihnen auch des Kaisers, einem nie dagewesenen Reliquienraub und der Zerschlagung des byzantinischen Reiches. Byzanz hat sich von diesem Schlag nie wieder erholt. Die Ereignisse von 1202 bis 1204 vertieften den Lateinerhass der Byzantiner, den Griechenhass der Lateiner und machten das Schisma unheilbar. Bei den "Kreuzfahrern" war nach der Eroberung Konstantinopels von Jerusalem oder Ägypten nicht mehr die Rede.

Im Vorfeld hatten die Eroberer die zu erwartende Beute vertraglich aufgeteilt. Die Venezianer sicherten sich mit drei Achteln der Kaiserstadt, den meisten Inseln einschließlich Korfu und Kreta und wichtigen Hafenstädten ihre Wirtschaftsinteressen im östlichen Mittelmeerraum in Form eines Kolonialreichs. Sie stellten auch den "lateinischen Patriarchen" von Konstantinopel. Die Kreuzfahrer erhoben Balduin von Flandern in Konstantinopel zum "lateinischen Kaiser", dem als direktes Kaiserreich die Gebiete rund um das Marmarameer unterstanden, während um Thessalonike/Saloniki in Nordgriechenland und Thrakien ein gesondertes Kreuzfahrerkönigreich und um Athen und auf der Peloponnes weitere Kreuzfahrerfürstentümer entstanden; deren aller Lehnsbindung an den lateinischen Kaiser in Konstantinopel war eher nominell. Im mittleren Kleinasien etablierte sich mit Residenz Nikäa ein byzantinischer Reststaat, dessen Hauptanliegen in den folgenden Jahrzehnten die Rückgewinnung Konstantinopels wurde, die schließlich 1261 auch gelang. Auch im Despotat Epirus (heutiges Nordwestgriechenland/Albanien) hielt sich ein byzantinischer Nachfolgestaat. Unabhängig vom vierten Kreuzzug war 1204 unter einer Nebenlinie der Komnenenkaiser an der Südküste des Schwarzen Meeres das kleine byzantinische Kaiserreich Trapezunt entstanden.

Der Papst Innozenz III. hat zwar die Ablenkung des Kreuzzugs nicht gebilligt, aber sie auch nicht verhindert. Gemessen an dem Gesuch des Kaisers Alexios Komnenos, das den Anstoß zum ersten Kreuzzug gegeben hatte, war nach dem vierten Kreuzzug alles vertan, was die Kreuzfahrer ursprünglich erreichen wollten: Jerusalem und das Heilige Land blieben bis auf wenige Stützpunkte verloren, das Ostchristentum war durch die Schwächung des byzantinischen Reiches in seinen Grundfesten erschüttert, die islamischen Fürsten im Nahen Osten blieben unter aiyubidischer Vorrherschaft (Saladins Bruder al-Adil 1200-1218 als Oberherr über mehrere Unterfürsten). Was die Kreuzfahrer an Mordtaten und Plünderungen gegenüber Christen verübt hatten, führte zu verbreiteter Skepsis gegenüber dem Kreuzzugsgedanken, einer Skepsis die freilich schon früher bei einzelnen eingesetzt hatte. Nicht zuletzt hatte sich der Papst als geistlicher Anführer des Unternehmens als unqualifiziert erwiesen, fehlten ihm doch die konkreten Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten auf das kriegerische Geschehen.

Dennoch waren es gerade die Päpste, die den Kreuzzugsgedanken in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts am Leben hielten. Innozenz III. stellte die Bekämpfung der Katharer/Albigenser im Languedoc und in der Provence unter das Signum des Kreuzzugs. Die Albigenserkriege banden in größerem Umfang die französische Ritterschaft, die ein Hauptträger aller bisherigen Kreuzzüge gewesen war. Ein anderes als Kreuzzug apostrophiertes Unternehmen seiner Pontifikatszeit, der sogenannte Kinderkreuzzug von 1212, scheiterte schon beim Anmarsch und an den Transportproblemen. An ihm waren überwiegend (aber nicht nur) junge Menschen beteiligt, die waffenlos aufbrachen - wohl auch vom weitverbreiteten Ideal des armen, Gott geweihten Lebens in der Nachfolge Christi getragen.

Unter dem Nachfolger Innozenz' III., Honorius III., kam 1217/1218 eine kriegerische Unternehmung gegen Damiette im Mündungsbereich des Nils zustande, also ein Versuch, die aiyubidische Macht in ihrem Kernbereich Ägypten zu treffen. Die Nilfestung wurde von den Kreuzfahrern nach langer Belagerung im November 1219 genommen, wobei ihnen der Tod des aiyubidischen Oberherrschers al-Adil 1218 und die Spannungen zwischen dessen drei nachfolgenden Söhnen zugute kamen. Die Uneinigkeit zwischen den Kreuzfahrerführern und die unrealistische Verhaltensweise des päpstlichen Legaten Pelagius bewirkten jedoch, dass al-Kamil, der schon von seinem Vater al-Adil als Nachfolger vorgesehen worden war, seine Vorherrschaft über die Brüder sichern konnte und im September 1221 Damiette zurückgewann. Seit der Kaiserkrönung des Staufers Friedrich II. drang der Papst energisch darauf, dass Friedrich sein Kreuzzugsgelübde realisiere, doch stand für den jungen Kaiser zunächst seine Herrschaftssicherung in Deutschland, dem regnum Italien und im ehemaligen Normannenreich von Süditalien/Sizilien im Vordergrund. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Friedrich II. 1225 Isabella von Brienne, die Erbtochter des (Exil-)Königs von Jerusalem, Johann von Brienne, und nahm sofort zusätzlich zu seinen anderen Titeln den Titel "König von Jerusalem" an. Damit bekam der geplante Kreuzzug für ihn die Zielsetzung, seine Stellung als König von Jerusalem (gegen den Protest seines Schwiegervaters) zu sichern, und diesem Ziel diente auch Friedrichs II. enge Zusammenarbeit mit dem Hochmeister des Deutschen Ritterordens, Hermann von Salza.

Den mehrfach verschobenen, für 1227 aber definitiv zugesagten Kreuzzug setzte der Kaiser dann aber erneut wegen einer Erkrankung aus. In Rom war 1227 an die Stelle des langmütigen Honorius III. dessen ungeduldigerer Nachfolger Gregor IX. getreten, der nun über den Kaiser wegen der Nichteinhaltung des Kreuzzugsgelübdes die Exkommunikation verhängte und diese Maßnahme wenig später noch verschärfte, indem er Herrschaftsbereich und Aufenthaltsorte des Kaisers mit dem Interdikt (= Verbot, dort Messe zu feiern) belegte. Dennoch brach Friedrich II. nach seiner Genesung und nachdem ihm seine Gemahlin Isabella von Brienne Anfang Mai 1228 einen Sohn (Konrad) geboren hatte (sie starb bei Konrads Geburt) Ende Juni 1228 zum Kreuzzug auf. Er sicherte sich die Herrschaft in Teilen Zyperns und landete im September 1228 in Akkon. Seit 1227 stand der Kaiser in Verhandlungen mit dem Sultan Al-Kamil, den Streitigkeiten innerhalb der Aiyubidenfamilie erneut in Bedrängnis gebracht hatten. Im Februar 1229 wurde schließlich zwischen beiden ein Vertrag geschlossen, durch den Jerusalem, Bethlehem und einige andere Orte Friedrich für gut 10 Jahre zurückerstattet wurden, allerdings ohne den Tempelplatz, den Felsendom und die Aqsa-Moschee, die unter islamischer Verwaltung verblieben. Dies war zumindest eine teilweise und zeitlich begrenzte Wiederherstellung des Königreichs Jerusalem. So konnte Friedrich im März 1229 in der Grabeskirche "unter der Krone gehen" (kein Gottesdienst wegen des Interdikts, keine formelle Krö nung) und damit seinen Anspruch und den seines kleinen Sohnes Konrad auf das Königreich Jerusalem demonstrieren - übrigens gegen heftigen Protest des lateinischen Patriarchen von Jerusalem. Der christliche Pilgerverkehr war für die nächsten Jahre gesichert. Im Sinne Papst Gregors IX. war dies alles nicht, doch hob er, nachdem Friedrich nach Italien zurückgekehrt war und Verhandlungen mit dem Papst geführt hatte, 1230 dessen Exkommunikation auf. In das Heilige Land hat der Kaiser in den folgenden Jahren Beauftragte mit Truppen geschickt. Der Lehnsadel der Kreuzfahrerstaaten sah in dieser Vorgehensweise wie auch in der des Kaisers auf Zypern einen Verstoß gegen seine angestammten Rechte und rebellierte. Die letzten Stauferanhänger in Zypern verloren ihre Positionen 1233 gegen den zugunsten des jungen Kö nigs Heinrich I. von Zypern rebellierenden Lehnsadel. Die Kämpfe in Palästina gingen weiter, ohne dass Friedrich persönlich eingriff. 1238 starb al-Kamil, dessen Stellung durch innere Auseinandersetzungen und die Mongoleneinfälle in den dreißiger Jahren gefährdet worden war. Der von ihm mit Friedrich geschlossene Vertrag lief 1239 ab. An sich war die Situation für eine Fortführung christlicher Herrschaft in Jerusalem nicht ungünstig. Jedoch besetzten turkvölkische Truppen, ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen, 1244 Jerusalem, schlossen sich mit Truppen der ägyptischen Aiyubiden zusammen und schlugen das "fränkische" Heer, das von Truppen des Aiyubidenherrschers von Damaskus unterstützt wurde, vernichtend bei Gaza. Die Folge war die Wiederherstellung der gesamt-aiyubidischen Herrschaft unter Führung des ägyptischen Zweiges der Familie und der endgültige Verlust Jerusalems für die "Franken". Heinrich I. von Zypern beanspruchte ab 1246 auch die Herrschaft im Königreich Jerusalem, realisiert hat er sie nicht.

Unterdessen hatte sich die politische Lage in Asien und Osteuropa durch die Mongolen grundlegend verändert. Erstmals schloss Tschingis Khan (gestorben 1227) die verschiedenen mongolischen, nomadisierenden Teilstämme zwischen Baikalsee und Altaigebirge unter straffer Herrschaft zusammen. Er ließ die mongolische Rechtsüberlieferung sammeln, reorganisierte die äußerst beweglichen Kampfverbände, übte strenge Disziplin und trug die Eroberungen mit äußerster Brutalität bis Russland, Transoxanien, Nordpersien und China voran. Einige mongolische Teilstämme waren nestorianische Christen, auch einige Fürstinnen. Die Söhne und Enkel Tschingis Khans setzten die Eroberungen fort. Bis 1280 wurde Korea, ganz China, ganz Persien, das Zweistromland und Anatolien von den Mongolen unterworfen. Die Assassinen in der nordpersischen Bergfeste Alamut (1256) unterlagen ihnen ebenso wie die abassidischen Kalifen in Bagdad (1258). Höfisches Zentrum für den nordwestlichen Teil des Mongolenreiches war Karakorum, für den Südosten Peking. Die Hofhaltung des Kublai Khan in Peking (1260-1294) hat uns der Venezianer Marco Polo geschildert. Schon früher (1253-1256) war der Franziskaner Wilhelm von Rubroek nach Karakorum gereist; doch erwiesen sich Missionspläne als unrealistisch. Die mongolische Eroberung erfasste im Nahen Osten 1259/60 noch Aleppo und Damaskus. Ein mongolischer Vorstoß auf Ägypten wurde durch die Mameluken 1260 in Galilea gestoppt. Die mamelukische Oberherrschaft über Palästina und das südliche Syrien blieb erhalten, und Kairo, wohin auch viele Muslime aus den von den Mongolen eroberten Ländern flohen, wurde das kulturelle Zentrum des arabischen Islam.

Die beiden letzten Kreuzzugsaktivitäten des 13. Jahrhunderts standen unter der Führung des französischen Königs Ludwig IX. ( "des Heiligen"). Nachdem er den Kreuzzug bereits 1244 versprochen und in den darauf folgenden Jahren gründlich vorbereitet hatte, brach Ludwig 1248 nach Zypern auf. Sein Ziel war Ägypten, das Zentrum aiyubidischer Herrschaft. Im Juni 1249 konnte Ludwigs Heer die Nilfestung Damiette einnehmen. Der Vorstoß nilaufwärts in Richtung Kairo scheiterte und führte 1250 zur Gefangennahme des Königs und seines Heeres. Gegen die Herausgabe von Damiette wurde der König freigelassen und verblieb im Osten, um die Auslösung seiner Leute zu erwirken. Gleichzeitig vollzog sich am aiyubidischen Hof in Kairo eine Palastrevolte. Die Leibgarde der Mameluken, aus Männern türkischer Herkunft gebildet, freigelassene, für den Soldatenberuf geschulte Männer, stürzte den ägyptischen Aiyubidenherrscher und etablierte ihren Anführer als ersten Mamelukensultan. Kämpfe zwischen den Mameluken Ägyptens und den Aiyubiden Syriens waren die Folge. König Ludwig konnte unter diesen Umständen günstige Bedingungen für die Auslösung der Gefangenen erwirken und hielt sich noch bis 1254 in Palä stina auf. In dem Jahrzehnt nach König Ludwigs Fortgang erfolgte der Mongolenvorstoß nach Aleppo und Damaskus und die mamelukische Gegenwehr, die unter Sultan Baibar (1260-1277) zur Zerstörung der Reste aiyubidischer Herrschaft und zur Festigung der Mamelukenherrschaft über Palästina und Syrien führte. Ludwig VII. trat 1270 erneut einen Kreuzzug an, den er in Tunis ansetzte, starb aber, bevor Kampfhandlungen begannen. Trotz des Kreuzzugsengagements des Papstes Gregor X. (gestorben 1276), der vor seiner Papsterhebung selbst ins Heilige Land gepilgert war (1271) kam aus Europa keine effektive Hilfe mehr für die Reste der Kreuzfahrerstaaten.

Mit dem Tod des Staufers Konradin 1268, des Enkels Friedrichs II., erloschen die staufischen Ansprüche auf das Königreich Jerusalem. Durchsetzen konnten sich in der Folge die Fürsten aus dem Haus Antiochia-Lusignan, die auf Zypern residierten, freilich lange angefochten in ihren Ansprüchen auf das Kö nigreich Jerusalem durch Karl von Anjou. Im übrigen waren die "Franken" im wesentlichen auf Akkon, Tripolis, Tyrus, Beirut, Sidon, Latakia und end einige Burgen reduziert und die Fürstengeschlechter untereinander uneinig. Die mamelukische Belagerung Akkons war 1291 erfolgreich, und in kurzer Abfolge fielen noch im gleichen Jahr alle anderen Kreuzfahrerbesitzungen unter mamelukische Herrschaft.

Trotz der permanenten Verteidigungssituation brachten die kleinen Kreuzfahrerfürstentümer im 13. Jahrhundert beachtenswerte kulturelle Leistungen hervor: nicht mehr wie im 12. Jahrhundert Bauwerke, aber Handschriften, kunstvolle Miniaturen und Aufzeichnungen von Rechtstexten.

Aus- und Nachwirkungen der Kreuzzüge

Nicht die Kreuzfahrerfürstentümer sondern die iberische Halbinsel und das sizilische Normannenreich waren im 12. Jahrhundert Kontakt- und Vermittlungszonen zwischen dem arabisch-muslimischen Raum und dem lateinischen Westeuropa. Kreuzzüge und Kreuzfahrerstaaten boten den italienischen Seehandelsstädten gern genutzte Möglichkeiten zur Ausweitung ihres Handels und ihres Einflusses. Für das Byzantinische Reich hingegen erwiesen sich die Kreuzzüge als eine zusätzliche Gefährdung, die im sogenannten 4. Kreuzzug ihren Höhepunkt fand. Die Kirchenpolitik der Kreuzfahrerfürstentümer aber auch das Verhalten der Päpste verschärften die Gegensätze zwischen östlichem und westlichem Christentum. "Nationale" Animositäten werden bei byzantinischen Geschichtsschreibern (Anna Komnene, Niketas Choniates) nicht nur zwischen Byzantinern und Franken ( "Barbaren") greifbar, sondern in den westlichen Quellen u. a. auch zwischen Franken/Franzosen und Alemannen/Deutschen.

"Fränkische" Kreuzfahrerfürsten residierten nach dem Fall Akkons auf Zypern, wo auch Venezianer und Ritterorden bis zur Eroberung der Insel durch die osmanischen Türken (1571) über Grundbesitz verfügten. Den Kreuzzugsgedanken bewahrten vor allem die Ritterorden. Die Johanniter nahmen zunächst ihren Hauptstandort auf Zypern und Rhodos (später Malta bis zur Eroberung dieser Insel durch Napoleon I.). Der Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ritterordens wurde zunächst nach Venedig (ab 1309 auf die Marienburg im Preußenland) verlegt. Die Templer hatten ihren Schwerpunkt in ihren Besitzungen in Frankreich bis zur Häresieanklage und der Auflösung, Verfolgung und Enteignung des Ordens durch Philipp IV. von Frankreich und Papst Clemens V. Anfang des 14. Jahrhunderts. Die volkssprachliche Dichtung vor allem in Frankreich (troubadours und trouvères) und Deutschland hielt die Erinnerung an ritterliche Kreuzzugstaten und -vorstellungen im Adel lebendig. Unbefangene Begegnungen mit der arabisch-muslimischen Welt spiegeln sich im Themengut der frühen italienischen Erzählkunst (Boccaccio). Kreuzzugsgedanken lebten weiter bis zu den Abwehrkriegen des Königs Sigismund von Ungarn (Sohn des Luxemburgers Karl IV.) gegen die osmanischen Türken (Ende 14./Anfang 15. Jahrhundert) und bis zu den Seeschlachten der Admiräle des spanischen Habsburgers Philipp II. gegen die arabisch-berberisch-osmanische Seeherrschaft im Mittelmeer im 16. Jahrhundert (Lepanto/Griechenland 1571). In der luxemburgisch-habsburgischen Tradition stehen auch noch die Kriege der habsburgischen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn im 18. Jahrhundert.


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