Stadtmauer von Avila/Spanien
Die Stadtmauer von Avila/Spanien

Das 12. Jahrhundert

Der Aufschwung des Handels, die steigende Zahl der Städte mit ihren Autonomiebestrebungen, die Urbarmachung von bisher nicht genutztem Boden in großem Umfang (Rodung und Ostsiedlung), die wachsende Bevölkerungszahl, die zunehmende Mobilität der Bevölkerung, die Gründung neuer Ordensgemeinschaften (Zisterzienser und Prämonstratenser) und religiöser Laienbewegungen, die zumindest teilweise (Katharer, Waldenser) in Konflikt mit der Amtskirche gerieten, die Entstehung der ersten "Hohen Schulen" (Universitäten), die Verbreitung bisher im Westen vernachlässigten philosophischen und naturwissenschaftlichen Wissens der griechischen Antike, der Anstieg der Bautätigkeit und ihr stilistischer Wandel von der Romanik zur Gotik in der zweiten Jahrhunderthälfte, das zunehmende Interesse des Adels an literarischen Stoffen und Formen (Epik und Minnesang) in den Volkssprachen, die ansteigende Schriftlichkeit auch in Alltagsbereichen machen das 12. Jahrhundert zu einer wirklichen Umbruchszeit, für die von der angelsächsischen Historiographie (Charles Homer Hastings), wenn auch nicht unangefochten, der Begriff "Renaissance" in Anspruch genommen wird. Alle aufgezählten neuen Phänomene stehen miteinander im Zusammenhang. Wegen ihrer Neuheit und Bedeutung seien, abweichend von der Darstellung in den vorhergehenden Kapiteln, die kulturellen Entwicklungen den politischen vorangestellt. Den wirtschaftlich-sozialen Veränderungen wird für das Hochmittelalter (wie schon für das Frühmittelalter) ein gesondertes Kapitel gewidmet und ebenso den Kreuzzügen.

Die "Renaissance" des 12. Jahrhunderts

Wenn auch die Vorbildhaftigkeit des Reformklosters Cluny verblasste und seine Attraktivität für religiös interessierte Laien an die neuen Reformorden der Zisterzienser und Prämonstratenser überging, so blieb der burgundische Raum, in dem Cluny, die Zisterzen Cîteaux und La Ferté, sowie der Bischofssitz Autun liegen, ein Ausstrahlungspunkt architektonischer Neuerungen. Begründet war dies im Reichtum des Landes, durch das wichtige Verkehrsadern liefen, die Sâone-Rhône-Straße, die Verbindungsstraßen über die Westalpen und ins Oberrheingebiet. Ein großer Teil der leitmotivisch für die Kapitel benutzten Abbildungen in dieser Web-Veröffentlichung stammt von burgundischen Baudenkmälern. Die kleinen ländlichen Kirchen von Montceaux-l'Etoile (Index-Seite) und Semur-en-Brionnais (4. Jahrhundert) gehören zum Umkreis Clunys. Vézélay (Einleitung) und Autun (Benutzerstatistik, 5. Jahrhundert) liegen im burgundischen Teil der hoch frequentierten Pilgerwege nach Santiago de Compostela. Die abgebildeten Werke gehören dem 12. Jahrhundert an. Auch das spanische Kloster Santo Dominogo de Silos war vom Jakobsweg nicht weit entfernt. Die Emmausjünger des Kreuzgangs (Hinweisseite) sind eines seiner frühesten Werke, während die Mehrzahl der Plastiken in seinem Kreuzgang ebenfalls dem 12. Jahrhundert angehört. Unter Suger, Abt des vor den Toren von Paris liegenden Klosters St. Denis zwischen 1122 und 1151, wurde diese Klosterkirche neu erbaut. Im Bau von St. Denis wie im zeitgleich begonnenen Bau der Kathedralkirche von Chartres werden die Übergänge von der Romanik zur Gotik sichtbar, während die ebenfalls zeitgleich durch den Kölner Erzbischof erbaute Kirche von Schwarzrheindorf (b. Bonn) noch rein romanisch ist.

Die Verbreitung des gotischen Baustils ging genauso von Frankreich aus, wie das Reformmönchtum der Zisterzienser, die Motive des Minnesangs (troubadours des Südens und trouvères des Nordens) und der ritterlichen Epik (Rolandslied, Alexanderstoff, und mit den Werken des Chrétien de Troyes die Artuslegende) und wie die neue theologische Wissenschaft. Verbreitung von Stilen, Motiven und Wissen dokumentieren die zunehmende Mobilität. Handwerker (Baumeister und Steinmetze) und Minnesänger wanderten und boten ihre Dienste an, Scholaren (die Studenten des Mittelalters) aus England, Deutschland und Italien zogen an die renommierten Schulen Frankreichs, nach Laon, Reims, Chartres, Paris, um auf dem Stand des Wissens zu sein und bekleideten später in ihren Herkunftsländern Bischofsämter und Positionen in den Herrscherkanzleien. Adlige Herkunft (und adlige Verbindungen) waren nach wie vor eine wichtige Vorbedingung für solche Aufstiege - selten sind die nicht-adligen Aufsteiger -, aber eine zusätzliche Ausbildung in Frankreich schmückte und half. Paris besaß gleich mehrere hervorragende Theologenschulen, die Kathedralschule von Notre Dame, die Schule des Augustinerchorherrenstifts von St. Victor und die um Petrus Abaelard entstehende Schule. Hervorragende Lehrer, im Fall Abaelards fazettenreich und zeitweise im Konflikt mit der Amtskirche, wurden zu Anziehungspunkten für Scholaren. Abaelard etnwickelte die dialogische Unterrichtsmethode weiter zu einer echten Dialektik und wurde mit einer ersten Systematisierung der theologischen Konzepte zum Vater der Scholastik. Für die Erweiterung des geistigen Horizontes wurde die Übersetzerschule von Toledo, wie überhaupt das "multikulturelle" Spanien wichtig. Trotz der Erfolge der Reconquista blieben hier die Kenntnis der arabischen und hebräischen Sprache neben dem Lateinischen und der romanischen/spanischen Volkssprache lebendig. Die arabischen Gelehrten hatten die Schriften der Griechen rezipiert und übersetzt, den Philosophen und Naturwissenschaftler Aristoteles (rezipiert und übersetzt durch Averroes), die Mathematiker Euklid, Pythagoras, Archimedes, die Mediziner Hippokrates und Galen, den Geographen Ptolemaeus (um nur die wichtigsten zu nennen). Die arabischen Übersetzungen und Paraphrasierungen wurden nun ins Lateinische transponiert, zum Teil über den Umweg des Hebräischen. Wie schon Gerbert von Reims (später Freund Ottos III., Erzbischof von Ravenna und schließlich Papst) Ende des 10. Jahrhunderts seine Kenntnisse der Musik und Mathematik in Spanien erworben hatte, so bezogen auch die naturwissenschaftlich interessierten Theologen der Domschule von Chartres ihre Kenntnisse über Schriften der Griechen, die in Spanien übersetzt worden waren.

In der Städtelandschaft Norditaliens, die voll von der kommunalen Bewegung erfasst wurde und in den einzelnen Städten autonome, jeder übergeordneten Herrschaft widerstrebende Stadtregimenter entwickelte, entstand in Bologna die erste Scholarenuniversität, die sich vor allem der Wissenschaft vom Recht, dem Römischen Kaiserrecht und dem Kirchenrecht, widmete. Hier wurde die eigenständige Rechtsstellung der Scholaren als Korporation vom Kaiser Friedrich I. Barbarossa durch Privileg fixiert. Das römische Recht in der unter Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert kodifizierten Form wurde hier gelehrt, glossiert (d. h. mit Erklärungen versehen) und durch Einfügung mittelalterlicher Kaiserkonstitutionen (Ottonen, Konrad II., Lothar von Supplinburg, Staufer) und des in Italien praktizierten, aus langobardischer Wurzel stammenden Gewohnheits- und Lehnrechts weiterentwickelt. Daneben wurde auch das Kirchenrecht gelehrt. Die systematische Kodifizierung geltender kirchenrechtlicher Bestimmungen leistete der in Bologna lehrende Magister Gratian, dessen Dekret ältere Konzils- und Synodalbestimmungen (canones), einschlä gige Bibel- und Kirchenväterzitate und päpstliche Dekrete zu einem Regelwerk des Kirchenrechts zusammenfügte, und so für Weihe- und Disziplinarrecht, Sakramentenrecht, Bestimmungen über Klöster und Orden die Grundlage für Kirchenordnung (Hierarchie), kirchliche Gerichtsbarkeit und Sakramentenwaltung der Folgezeit legte. Derart geschulte Kirchenrechtler bestimmten seit der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts zunehmend das päpstliche Umfeld (die Kurie), ja stiegen selbst zu Päpsten auf (Alexander III., Innozenz III.).

Nicht nur die Gelehrsamkeit florierte, auch die Laienbildung verbreitete sich - vor allem in den aufstrebenden Stadtkommunen Italiens. Burgundio, Bürger von Pisa, ging als Gesandter seiner Vaterstadt nach Konstantinopel und brillierte als Übersetzer griechischer Werke. Caffaro, Bürger von Genua und zeitweise einer der Konsuln seiner Vaterstadt, schrieb die Annalen von Genua, die 1163 als offizielle Stadtgeschichtsschreibung im Archiv von Genua hinterlegt und dann von anderen Autoren weitergeführt wurden. Otto und Acerbus Morena gehörten der politischen Führungsschicht der lombardischen Stadt Lodi an und berichteten in ihrem Geschichtswerk über ihre mit Mailand verfeindete Vaterstadt in der ersten Regierungshälfte Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Die Sicht dieser Laien veränderte die bisher durchweg kirchlich geprägte Geschichtsschreibung vollständig. Natürlich gab es daneben auch weiterhin geistliche Geschichtsschreiber; der bedeutendste unter diesen ist der hochadlige, mit den Staufern verwandte Bischof Otto von Freising (gestorben 1158), der in seiner Chronik ein auf augustinischem Gedankengut aufbauendes, grandioses und Geschichte nicht nur beschreibendes sondern deutendes Werk geliefert hat und der in den Gesta Friderici die Anfangsjahre Friedrich I. Barbarossa schildert.

Königs- und Fürstenhöfe wurden in stärkerem Maß als je zuvor Kristallisationspunkte geselligen und auch kulturellen Lebens. Die (meist wandernden) Sänger arbeiteten für fürstliche Herren und Damen. Hervorzuheben sind die Höfe der Herzöge von Aquitanien, der Grafen der Champagne und der angiovinische Hof des Plantagenet Heinrich II. von England und seiner Frau Eleonore von Aquitanien. Aber auch die späten Hoffeste Friedrichs I. Barbarossa wurden von Minnesängern frequentiert und sein Erzkanzler, der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel (gestorben 1167) hatte mit dem anonymen Archipoeta einen eigenen, hochgebildeten, lateinisch dichtenden Hofpoeten. Zur höfischen Geselligkeit gehörten nicht nur Sänger und Gaukler sondern auch ritterliche Kampfspiele. Die ersten Turniere sind aus Frankreich bezeugt; auf den späten Hoftagen Friedrichs I. Barbarossa fanden ebenfalls Turniere statt. Weniger gut bezeugt ist die Förderung der bildenden Kunst durch Laienfürsten. Die florierende, kirchliche Bautätigkeit, von der anfangs die Rede war, lag in der Kompetenz von Bischöfen und Klöstern. Für Neubau und Ausbau von Pfalzen haben wir Beispiele für Friedrich I. Barbarossa und Heinrich den Löwen. Die Förderung Heinrichs des Löwen ermöglichte die Anfertigung des berühmten Braunschweiger Evangeliars.

Religiöse Bewegungen und neue Orden

Die Zunahme der Mobilität ist auch eine Voraussetzung für die Verbreitung religiöser Bewegungen, für neue Strukturen geistlicher Gemeinschaften, für eine stärkere Kontrolle durch Rom und eine Intensivierung des kirchlichen Legatenwesens.

Auf Initiative Norberts von Xanten (gestorben 1134) entstand, nachdem er sich zunächst als Wanderprediger betätigt hatte, in Prémontré bei Laon eine in einer Kommunität lebende Klerikergemeinschaft, die der Armut verpflichtet war aber zugleich durch Predigt und pastorale Tätigkeit in der Welt wirkte. Die frühen Prämonstratenserklöster waren häufig Doppelklöster (männlicher und weiblicher Zweig). Nach Norberts Erhebung zum Erzbischof von Magdeburg übernahmen die Prämonstratenser Aufgaben der Predigt und pastoralen Seelsorge in den Neusiedlungsgebieten östlich der Elbe. Der vom burgundischen Cîteaux ausgehende neue Orden der Zisterzienser erweiterte die mönchischen Grundpflichten der Benediktregel durch eine Carta caritatis und baute eine neue Ordensstruktur auf: die von Cîteaux aus gegründeten Klö ster La Ferté, Clairvaux, Morimond und Pontigny bildeten Primarklöster an der Spitze von Filiationen. Jedes Zisterzienserkloster, gleich auf welcher Stufe der Filiation, hatte einen Abt und war selbständig, doch visitierten die Äbte der Primarklöster regelmäßig die Klöster ihrer Filiation und umgekehrt. Einmal jährlich im September trafen sich überdies alle Zisterzienseräbte zum Generalkapitel in Cîteaux. Das Ansehen der neuen Ordensgemeinschaft stärkte der in ganz Europa als Theologe und Prediger berühmte Abt Bernhard von Clairvaux (gestorben 1153). Die (benediktinische) Verpflichtung jedes Einzelklosters zur wirtschaftlichen Selbstversorgung wurde als Anreiz verstanden, den anfangs durch Schenkungen reichlich zufließenden Grundbesitz effektiv zu bearbeiten. Für die praktische Arbeit wurden sogenannten Konversen eingesetzt (conversi = Menschen, die die "Umkehr" zu einem religiösen Leben in Armut und Ehelosigkeit vollzogen hatten, aber ohne die Kommunitäts- und Liturgieverpflichtung der eigentlichen Mönche), die auf den Grangien ( = Außenposten des zisterziensischen Grundbesitzes) eigenständig wirtschafteten. Früh öffneten die Zisterzienser sich dem wirtschaftlichen Austausch und erwarben sogenannte Stadthöfe.

Die Zugkraft des Armutsgedankens und das Streben nach "apostolischem Leben" ( = leben wie die Apostel in persönlicher Armut und mit der Aufgabe der Verbreitung des Wortes Christi) beflügelte nicht nur die Entstehung neuer Orden, sondern bewirkte auch (wie im Fall der zisterziensischen Koversen), dass Laien ohne Gemeinschaftsbindung diesen Idealen anhingen oder sie für sich zu verwirklichen suchten. Den klassischen Konfliktfall stellte das Predigtrecht dar, das von der Amtskirche an die Voraussetzung der Priesterweihe gebunden wurde. Nicht geweihte Wanderprediger setzten sich der Gefahr der Exkommunikation aus, zumal ihre Tätigkeit die gefestigte Kirchenordnung durchbrach. Dennoch gab es solche Laienprediger. Um einen von ihnen, Petrus Valdes aus Lyon, entstand im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts die von Rom nach gescheiterten Integrationsversuchen ausgegrenzte Kirchengemeinschaft der Waldenser. Anderen Laien gewährten die Päpste vornehmlich in den Städten Norditaliens zur gleichen Zeit eigene Gemeindebildungen in einer Art drittem Orden, den Humiliaten. Eine den Armutsgedanken rezipierende, aber zugleich durch die Aufnahme dualistischen Gedankenguts sich von der christlichen Kirche distanzierende Bewegung war die der Katharer (in Frankreich auch Albigenser, in der zeitgenössischen Quellen überwiegend als "Manichäer" bezeichnet). In ihren vielfältigen Strömungen war der dualistische Ansatz (= Abgrenzung zwischen dem Prinzip des Guten und dem Prinzip des Bösen) unterschiedlich stark ausgeprägt. Eine eigenwillige Engellehre kam hinzu. Die Abwehr aller Verflechtungen mit der Welt, die als böse verstanden wurde, führte für die perfecti (= Vollkommenen) in strengster Konsequenz zur Ablehnung von Ehe, Arbeit, Lehnspflichten, Krieg, ja überhaupt der Leiblichkeit. Durch eine Art Geisttaufe, das einmalige consolamentum, wurde der Status der Vollkommenheit erworben, dessen Verlust als irreparabel galt. Zeugnisse über die Katharer stammen überwiegend von ihren Gegnern. Deswegen sind in der historischen Forschung viele Einzelfragen umstritten, auch die der äußeren Einflüsse (Bogomilen, Paulikianer) und der Verbreitungswege. Sie sind früh in den Rheinlanden und in Südfrankreich bezeugt. Seit dem 3. Laterankonzil von 1179 durch die römische Kirche als haeretisch verurteilt, bauten die Katharer in Südfrankreich und Nordwestitalien eigene Gemeinden, ja sogar eine eigene Kirchenorganisation auf.

Römische Kirche und Papsttum im 12. Jahrhundert

Die Unterscheidung zwischen den Temporalien (= weltlichen Rechten) bzw. Regalien (= vom König verliehenen Rechten) und den Spiritualien (= geistlichen Rechten) des Bischofs seit Ende des 11. Jahrhunderts in Frankreich, die seit 1106/1107 auch für England übernommen wurde, hatte den Weg für eine Lö sung des "Investiturstreits" auch für das Imperium gewiesen. Verhandlungen zwischen Beauftragten des Saliers Heinrich V. und Papst Paschalis II. (1099-1118) scheiterten zunächst. Bei Vorverhandlungen zur Kaiserkrönung, zu der Heinrich V. 1111 nach Italien zog, wurde eine radikale Vereinbarung getroffen, die die Rückgabe aller Regalien an den König vorsah, womit sich dessen Investiturrechte erübrigten. Die Verkündung dieser Vereinbarung anläßlich der Krönungsfeierlichkeiten in der Peterskirche führte zu einem Eklat, der mit der Gefangensetzung des Papstes und der Kardinäle durch Heinrich V. endete. Eine solch radikale Lösung war angesichts der Einbindung der Bischöfe in Reichspflichten und der Vergabe zahlreicher Kirchenlehen an Adlige und milites, die im Bedarfsfall Heeresfolge gegenüber dem Reich zu leisten hatten, auch kaum realistisch. Der König nutzte die Zwangslage des Papstes, um nunmehr das volle kö nigliche Investiturrecht einzufordern, und erzwang dessen Verbriefung und die Kaiserkrönung. Die Mehrheit der Kardinäle und der reformerisch gesinnten Kleriker lehnten dieses "Pravileg" (= schlechtes Privileg) jedoch ab. Noch einmal eskalierte der Konflikt bis zur Einsetzung eines kaiserlichen Gegenpapstes nach dem Tod Paschalis' II., der jedoch bald aufgeben musste. Der Verhandlungsweg erwies sich als unabdingbar und wurde zunehmend auch von den Fürsten gefordert. Unter ihrer Mitwirkung und ihrem Druck kam 1122 schließlich das (erstmals von Leibniz so benannte) Wormser Konkordat zustande, das dem Kaiser in Deutschland (regnum Teutonicum) einen erheblichen Einfluss bei der Bischofswahl beließ (Anwesenheit des Kaisers oder eines kaiserlichen Beauftragten bei der sogenannten kanonischen Wahl durch Klerus und Volk der Bischofsstadt, sowie Entscheidungsmöglichkeit in Abstimmung mit dem zuständigen Erzbischof bei strittiger Wahl), und ihn auch zur Investitur des solcherart Gewählten mit den Temporalien vor dessen Weihe berechtigte. Eine aus der Investitur resultierende Rechtspflicht gegenüber dem Kaiser wurde explizit verbrieft; andererseits verpflichtete sich der Kaiser zum Verzicht auf die Investitursymbole Ring und Stab, die durch das Szepter ersetzt wurden. Für die anderen Teile des Reiches (Burgund und Italien) wurden keine Sonderregelungen hinsichtlich der Bischofswahl getroffen und die Investitur erst nach der Weihe platziert, sodass sie nurmehr formal bestätigenden Charakter hatte. Zumindest für Deutschland hatte Heinrich V. die Bindung und Verpflichtung der Bischöfe gegenüber der königlichen Herrschaft gewahrt, wenn auch schon im zweiten Jahrzehnt seiner Regierung die quasi-fürstliche Verselbständigung einiger hochadliger Bischöfe greifbar wird.

Die bischöflichen Hochkirchen im Königreich Italien und in Burgund standen nur noch in einer lockeren Bindung zum Kaiser. In den Bischofsstädten Norditaliens hatte die kommunale Autonomiebewegung, die die stadtherrlichen Rechte beanspruchte, die politische Rolle der Bischöfe ohnehin gemindert. Zwar hatte der Kaiser dem Papst den Bestand des Kirchenstaates garantiert, doch entstand mit dem Tod der Markgrä fin Mathilde von Tuszien/Canossa ein neuer Konfliktherd. Die Markgräfin hatte sowohl der römischen Kirche als auch dem Kaiser ihr Erbe zugesagt. Heinrich V. konnte über die "Mathildischen Güter" bis zu seinem Lebensende unangefochten verfügen. Aber nach seinem Tod (1125) reklamierte die römische Kirche diese Güter. Der Streitfall sollte das ganze 12. Jahrhundert hindurch die Beziehungen zwischen Päpsten und Kaisern belasten.

Die konsequente Verwendung des Begriffs regnum Teutonicum durch die päpstliche Kanzlei für den Kernbereich der kaiserlichen Herrschaft seit Gregor VII. (und auch durch Calixt II. im Wormser Konkordat) dokumentiert den Willen der Päpste, den Kaiser auf die Ebene anderer reges einzuordnen. Durch die mit vehementer Feindschaft ausgetragenen Auseinandersetzungen hatten sich die Bande zwischen Papst und Kaiser gelockert. Enger dagegen wurden die Beziehungen zwischen Rom und Frankreich. Der französische Episkopat bot den Päpsten Paschalis II. und Gelasius II. (1118/1119) freundliche Aufnahme. Calixt II. (1119-1124) stammte wie schon sein Vorgänger Urban II. (1088-1099) aus Burgund. Seit dem Kapetinger Ludwig VI. (1108-1137) beanspruchten die französischen Könige ideell in der Nachfolge der Karolinger eine besondere Nähe zur römischen Kirche.

Die stärkere päpstliche Stellung seit der Mitte des 11. Jahrhunderts beruhte auch auf der Verfestigung von Institutionen. Das Kardinalskollegium, im Sinn eines die Reformziele der Päpste mittragenden Gremiums war erst seit Leo IX. (1048-1054) entstanden; seine Bedeutung wuchs, nachdem es seit dem Papstwahldekret von 1059 vorrangig für die Papstwahl zuständig wurde. Die päpstliche Kanzlei wurde in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ausgebaut. Die in ganz Europa lesbare Minuskelschrift trat in Papsturkunden an die Stelle der bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts üblichen römischen Kurialschrift. Die Zahl der Papsturkunden stieg aufgrund des konsequent gehandhabten päpstlichen Vorranganspruchs. Ebenso wuchs die Zahl der päpstlichen Legationen und die Reisetätigkeit der Päpste. In Rom entstand in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Kurie im Sinn einer päpstlichen Hofhaltung (curia). Auch die päpstliche Gerichtsbarkeit wurde ausgebaut. Die Verfeindung und Entfremdung zwischen Papst und Kaiser vergrößerte den Einfluss einzelner Adelsfamilien der Stadt Rom und des Kirchenstaates auf Papst und päpstliche Institutionen. Seit Papst Urban II. nahm die Bedeutung der süditalienischen Normannenfürsten auf Papst und Kardinäle zu.

Die beiden Papstschismen des 12. Jahrhunderts, von 1130 bis 1138 zwischen Anaklet II. und Innozenz II., und wieder von 1159 bis 1177 zwischen Alexander III. auf der einen Seite und Victor IV., Paschalis III. und Calixt III. auf der Gegenseite, wurden durch Parteiungen des Kardinalskollegiums verursacht und durch Parteinahme der Normannen in beiden Fällen, des Kaisers im letzten Fall verstärkt. Die Konstituierung der Normannenherrschaft in Süditalien/Sizilien als vom Papst zu Lehen gehendes normannisches Königreich war eine Frucht des ersten Schismas: zunächst verfügte dies Anaklet II. und Innozenz II. musste es schließlich bestätigen. Das dritte Laterankonzil von 1179 setzte nach Beendigung des zweiten Schismas die Zweidrittelmehrheit des Kardinalskollegiums für eine gültige Papstwahl in der Hoffnung fest, auf diese Weise Schismen dauerhaft zu vermeiden. Biografie und Herkunft der zu Päpsten erhobenen Männer spiegelt die Entwicklungen und Strömungen der Zeit. Kein einziger Papst des 12. Jahrhunderts kam aus Deutschland. Calixt II. (1119-1124) kam aus Burgund. Eugen III. (1145-1153) war Zisterzienser. Hadrian IV. (1154-1159) war Engländer. Alexander III. (1159-1181) und Innozenz III. (1198-1216) waren studierte Kirchenrechtler.

Seit dem Pontifikat Eugens III. standen die Päpste im Kampf gegen die kommunale, stadtrömische Bewegung, die dem Papst die Stadtherrschaft bestritt und einen Senat zur Wahrnehmung von Hoheitsrechten und Verwaltung einsetzte. Eugen III. musste zeitweise aus Rom weichen. Die Papstresidenzen im Kirchenstaat wurden häufigere Aufenthaltsorte der Päpste. Auch die Kaiserkrönung geriet in diesen Konflikt, da die Römer sowohl gegenüber Konrad III. (1138-1151) als auch gegenüber seinem Neffen und Nachfolger Friedrich I. Barbarossa das Recht der Kaisererhebung für sich forderten und dem Papst bestritten. Friedrich I. Barbarossa entschied sich für die Kaiserkrönung durch den Papst und für die Bekämpfung der stadtrömischen Bewegung. Dies verhinderte jedoch nicht, dass neue Konflikte zwischen Kaiser und Papst aufbrachen, die sich im Vorfeld von Friedrichs Kaiserkrönung an "Protokollfragen", der Leistung des sogenannten Marschall- und Stratordienstes gegenüber dem Papst, entzündeten aber einen tiefer gehenden Hintergund hatten: es ging um die Abwehr von lehnrechtlich untermauerten Oberherrschaftsansprüchen des Papstes über den Kaiser, die der Papst aus der Vergabe der Kaiserkrone ableiten konnte. Dies wurde auch in dem Streit zwischen kaiserlicher und päpstlicher Kanzlei um das in einem Papstschreiben 1157 gebrauchte Wort beneficium deutlich. Eine massive Verschärfung erfuhr dieser Streit, als Friedrich Barbarossas Sohn Heinrich VI. 1194 das ehemalige Normannenreich eroberte, das seit dem Lehnseid zweier Normannenfürsten von 1059 gegenüber dem Papst und seit der Konstituierung des normannischen Königtums für Roger II. 1130 durch Anaklet II. und der Bestätigung durch Innozenz II. 1138 als päpstliches Lehen galt. Heinrich VI. lehnte eine solche Lehnsnahme vom Papst, so lange er lebte, ab. Erst seine Witwe Konstanze ließ ihren kleinen Sohn Friedrich II. dem Papst den geforderten Lehnseid für das Normannenreich leisten.

Politische Entwicklungen in Westeuropa

Auf der iberischen Halbinsel war nach dem Ende des Kalifats von Cordoba 1031 die muslimische Herrschaft zwischen mehreren Taifen (= Parteiführern) aufgespalten. Ihnen gegenüber machte die vom Norden ausgehende christliche Reconquista Fortschritte, die den Norden und die Mitte der Halbinsel zurückgewann und eine Neubesiedlung in die Wege leitete. Der Hilferuf der Taifenreiche an die berberischen Almoraviden in Marrakesch, kampfesfreudige und erst kürzlich für den Islam gewonnene Proselyten, führte zu deren zweimaligem Eingreifen und schließlich Ende des 11. Jahrhunderts zur Verdrängung der Taifenherrscher durch die Almoraviden. Dass all diese kriegerischen Auseinandersetzungen keinen wirtschaftlichen Niedergang zur Folge hatte, wurde schon im Kapitel 11. Jahrhundert erwähnt. Vielmehr wurden die Goldmünzen des Südspanien und Nordafrika umfassenden Almoravidenreiches, die morabotini, zu einer Leitwährung des Mittelmeerhandels. Seit ca. 1130 zerfiel die Almoravidenherrschaft in mehrere Herrschaftsbereiche, die von den Machthabern einer neuen religiösen Bewegung, die sich in Marrakesch durchgesetzt hatte, den Almohaden, nach und nach bis zum Ende des 12. Jahrhunderts erobert wurden. Den Almoraviden und Almohaden unterstanden jedoch nur noch Andalusien und die Balearen. Die beiden größeren christlichen Königreiche, Leon-Kastilien und Aragon/Grafschaft Barcelona waren durchaus Rivalen, beide geprägt durch eine starke Stellung des Adels, der bei den Königserhebungen mitwirkte, durch strukturelle Unterschiede ihrer nach und nach dazu gewonnenen Bestandteile und durch mögliche Erbteilungen. Befestigte Kastelle (daher Kastilien) und Städte sind Zeugen der Reconquista. Die erhaltene Stadtmauer von Avila aus dem 12. Jahrhundert wurde zum Leitbild dieses Kapitels gewählt.

Vom eindrucksvollsten kulturellen Beitrag Spaniens im 12. ( und 13.) Jahrhundert, der Übersetzerschule von Toledo, war schon die Rede. Toledo, ehemals Königsresidenz und kirchliche Metropole des Westgotenreiches, war 1085 von König Alfons VI. von Leon-Kastilien zurückerobert worden. Die arabisch-islamische und die hebräisch-mosaische Sprach- und Glaubensgemeinschaft blieben in der Stadt wie andernorts unter der Obhut der christlichen Bischöfe bestehen. Für die Aristotelesrezeption (in der Ausdeutung des Averroes) spielten die Toledanischen Übersetzungen eine entscheidende Rolle. Das naturwissenschaftlich-medizinische Wissen von Juden und Arabern wurde vor allem in Südfrankreich (Montpellier) und Süditalien (Salerno) aufgenommen. Von den Verbindungen der jüdischen Gemeinden und dem Ansehen ihrer Gesetzesschulen legt der in hebräischer Sprache überlieferte Reisebericht des Rabbi Benjamin von Tudela (am Ebro) Zeugnis ab, der von einer langen Reise über Südfrankreich, Italien, Griechenland, Kleinasien bis Samarkand, das Zweistromland, Palästina 1173 in seine nordspanische Heimat zurückkehrte. Sein Bericht steht in einer Tradition, von der für das 10. Jahrhundert der allerdings nur in arabischer Überarbeitung überlieferte Reisebericht des Ibrahim-ibn-Jaqub Zeugnis ablegt. Aber Benjamin von Tudela überliefert anders als Ibrahim Angaben über die jüdischen Gemeinden, ihre Vorsteher, Gesetzeslehrer, die Zahl ihrer Mitglieder, ihre Verbindungen und ihren Einfluss. Weder bei Ibrahim noch bei Benjamin wird Handelstätigkeit in ihren Berichten erwähnt, und dennoch ist eine solche in beiden Fällen als ein Motiv ihrer Reisen nicht auszuschließen.

Die Geschichte Frankreichs und Englands ist im 12. Jahrhundert eng miteinander verzahnt. In zahlreichen Kämpfen bauten die Kapetinger Ludwig VI. (1108-1137) und Ludwig VII. (1137-1180) ihre Position gegenüber dem Adel aus und brachten ihren lehnrechtlichen Vorrang durch Einforderung der Erbgebühr für Lehen (relevium) und Ausübung von Lehnsvormundschaften für unmündige Lehnserben, Witwen oder Töchter zur Geltung. Königliche Vergabe von Stadtrechten in der Krondomäne und deren wirtschaftlicher Ausbau durch Siedlungen in den ländlichen Bereichen mehrte das königliche Einkommen. Die Unternehmungen der Kreuzzüge wie auch das Einvernehmen zwischen Kapetingern und Päpsten stärkten Sendungsbewußtsein und Zusammengehörigkeitsgefühl des französischen ritterlichen Adels. Von der kulturellen Vorreiterrolle Frankreichs im 12. Jahrhundert war schon die Rede. Seit der zweiten Hälfte des Jahrhunderts standen die Kriege mit den englischen (anglonormannischen, angiovinischen) Königen Heinrich II. (1154-1189), Richard I. Löwenherz (1189-1199) und schließlich dessen Bruder und Nachfolger Johann Ohneland (John Lackland) (1199-1216) im Vordergrund, die der Kapetinger Philipp II. Augustus (1180-1223) schließlich auf ganzer Linie gewann.

Der jüngste Sohn Wilhelms des Eroberers, der als Heinrich I. englischer König wurde (1100-1135), stellte die Personalunion von Königreich England und (vom französischen König lehnsabhängigem) Herzogtum Normandie wieder her. Sein einzig überlebendes, legitimes Kind, Mathilde, verheiratete er in erster Ehe mit dem Salier Kaiser Heinrich V. Diese erste Ehe Mathildes blieb kinderlos. Nach dem Tod Heinrichs V. heiratete sie den Grafen Gottfried von Anjou, Maine und Touraine (Beiname Plantagenet). Nach dem Willen ihres Vaters sollte sie für ihren noch unmündigen Sohn aus dieser zweiten Ehe in England und in der Normandie nachfolgen. Dies führte zu schweren Kämpfen mit einem Neffen des verstorbenen Königs, Stephan von Blois, der sich weitgehend durchsetzen konnte, mit dem aber schließlich Mathildes und Gottfrieds Sohn Heinrich 1153 ein Abkommen schloß, das ihm tatsächlich nach Stephans Tod 1154 als Heinrich II. die Nachfolge eröffnete. Seit 1152 war Heinrich II. mit Eleonore von Aquitanien verheiratet, deren erste Ehe mit dem Kapetinger Ludwig VII. gelöst worden war. Mit der Normandie und der dazu erworbenen Bretagne, mit dem Erbe seines Vaters Gottfried, den Loiregrafschaften Anjou, Maine und Touraine, und mit dem Erbe seiner Frau Eleonore, Aquitanien und Poitou, gebot Heinrich II. von England zugleich über die gesamte Westhälfte Frankreichs - dies jedoch als Lehnsträger des französischen Königs. Der die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts bestimmende Konflikt zwischen Plantagenets und Kapetingern resultierte aus der Tatsache, dass alle gegen die Plantagenets in ihren Festlandgrafschaften und -herzogtümern entstehenden Adelsrevolten vom obersten Lehnsherrn, dem Kapetingerkönig, unterstützt wurden. In England entbrannte darüber hinaus seit 1163 der Konflikt zwischen dem König Heinrich II. und dem Erzbischof von Canterbury, seinem ehemaligen Kanzler Thomas Becket um die Versuche des Königs, die Zuständigkeit der Königsgerichte in einigen Fällen auf den Klerus zu erweitern. Der Konflikt verflocht sich mit der Schisma-Frage, da Thomas wie die Mehrheit des englischen Klerus für Alexander III. Partei nahm. Heinrichs II. auf diesem Hintergund 1165 vollzogene Anerkennung des von Friedrich Barbarossa gestützten Paschalis III. hatte jedoch keinen Sinneswandel des englischen Klerus zur Folge. Die einzige längerfristige Folge dieses Bündnisses zwischen Friedrich I. Barbarossa und Heinrich II. war die vereinbarte und realisierte Eheverbindung zwischen dem Welfen Heinrich dem Löwen und der ältesten Tochter Heinrichs II., Mathilde. Die Ermordung des Thomas Becket 1170 in seiner Kathedrale durch Vertraute Heinrichs II. zwang den König zur Kirchenbuße. Seine Mitspracherechte bei den Bischofseinsetzungen konnte er freilich wahren. Nicht nur die Kämpfe in Frankreich sondern auch kriegerisch ausgetragene Konflikte mit seinen Söhnen bestimmten die letzten Jahre Heinrichs II. Sein Sohn und Nachfolger Richard Löwenherz ist vor allem durch seine ritterlichen Taten auf dem 3. Kreuzzug hervorgetreten. Bei seiner Rückkehr vom Kreuzzug geriet er in die Gefangenschaft des mit ihm verfeindeten Herzogs von Österreich, der ihn an den Staufer Heinrich VI. auslieferte. Erst 1194 kam er nach Zahlung eines hohen Lösegeldes und Leistung eines Lehnseides gegenüber Heinrich VI. frei. Die Lehnsbindung war rein personal und erlosch mit dem Tod Heinrichs VI. 1197. Richard Löwenherz fiel 1199 bei Kämpfen in Frankreich.

Das Imperium im 12. Jahrhundert

Die Regierungszeit des letzten Saliers Heinrich V. (1106-1125) war durch den "Investiturstreit" aber auch durch Konflikte mit den Fürsten bestimmt. Vorgeschichte und Inhalt des sogenannten Wormser Konkordats wurden schon im ersten Abschnitt behandelt. In Deutschland blieb die durch Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Bischofseinsetzung weiterhin durch den König bestimmte Reichskirche eine Stütze seiner Herrschaft. Wie sehr der gesamte Konflikt jedoch das Kräfteverhältnis zwischen König und Fürsten verschoben hatte, zeigten die Fürstenaufstände und die Mitwirkung der Fürsten bei der Wormser Einigung. Erstmals werden seit Heinrich V. Königsurkunden durch adlige und geistliche Zeugen bekräftigt. Dies ist ein Indiz für die veränderten Verhältnisse, für die Geschichtsforschung zugleich auch eine zusätzliche Möglichkeit, dem königlichen Umfeld, den Beratern und dem wechselnden Hofgefolge, genauer nachzuspüren. In der zeitgenössischen, außerdeutschen Geschichtsschreibung wird der letzte Salier wegen des Konfliktes mit dem Papst überwiegend negativ beurteilt; zugleich wird deutlich, daß dem Kaisertum keineswegs ein Vorrang gegenüber den Königsherrschaften zugebilligt wird. Die Perspektive der Historiographen der Zeit ist nicht universal, sondern auf das jeweilige Herkunftsland gerichtet.

Nach dem kinderlosen Tod Heinrichs V. machte sich sein Neffe (Sohn seiner Schwester Agnes), Herzog Friedrich von Schwaben aus dem Geschlecht der Staufer, Hoffnungen auf die Königsnachfolge. In einem vom Mainzer Erzbischof Adalbert geleiteten Wahlgang wurde in einem hier genauer bezeugten Verfahren, über eine gleichmäßig aus den (Stammes)-Bereichen Franken/Lothringen, Sachsen, Schwaben und Bayern besetzte Wahlmännerkommission jedoch der Sachsenherzog Lothar von Supplinburg zum König gewählt. Lothar war in Sachsen nach dem Aussterben der Billunger 1106 durch Einsetzung von der Hand Heinrichs V. als Herzog nachgefolgt, hatte sich aber seit 1114 als einer der führenden Gegner Heinrichs V. hervorgetan. Entscheidend für Lothars Wahl zum König war wohl sein Bündnis mit den Welfen, die seit der Zeit des Saliers Heinrich IV. das bayerische Herzogtum inne hatten. Der Welfe Heinrich (der Schwarze), Herzog von Bayern, verfügte außer über die bayerische Herzogswürde auch über reiches Eigengut in Bayern und Schwaben, sowie durch seine Ehe mit einer der Töchter des letzten Billungers über Eigengut in Sachsen. Eine Tochter Heinrichs von Bayern war mit dem Herzog Friedrich von Schwaben verheiratet, der wohl deswegen (wie sich zeigen sollte vergeblich) auf die Unterstützung durch seinen Schwiegervater hoffte. Lothar von Sachsen jedoch hatte mehr zu bieten: sein einziges Kind, die Tochter Gertrud, die wenig nach dem Wahlgang von 1125 mit dem Sohn des Bayernherzogs, Heinrich (dem Stolzen) verheiratet wurde. Lothars Königswahl bewirkte den Widerstand der Staufer. Der jüngere Bruder Friedrichs von Schwaben, Konrad, ließ sich sogar zum (Gegen-)könig erheben und verzichtete erst 1134 auf seinen Anspruch. Von längerfristigen Folgen war, dass mit Lothars Wahl auch der Gegensatz zwischen Staufern und Welfen grundgelegt wurde. Trotz der Probleme mit den Staufern und trotz des 1130 entstandenen Papstschismas griff Lothar in Italien ein, unterstützte Papst Innozenz II., der ihn zum Kaiser krönte und mit dem er sich über die sog. Mathildischen Güter und die Markgrafschaft Tuszien einigte. Unter formaler Anerkennung der päpstlichen Oberhoheitsansprüche wurde Lothars Schwiegersohn Heinrich in die dortigen Rechte eingesetzt. Seinem Schwiegersohn übertrug Lothar auch vor seinem Tod das Herzogtum Sachsen. Heinrich der Stolze machte sich daher Hoffnungen auf die Nachfolge im Königtum, doch war gerade seine starke Stellung - Herzog von Bayern, Herzog von Sachsen, Markgraf von Tuszien und Inhaber der Mathildischen Güter sowie reicher Allodialbesitzungen in Bayern, Schwaben und Sachsen - einer Mehrheit der Fürsten ein Stein des Anstoßes.

Da Anfang 1138 die Erzbischofssitze Mainz und Köln keine voll amtsfähigen Vertreter hatten, übernahm der Erzbischof Albero von Trier die Handhabung der Königswahl, aus der in einem kurzfristig anberaumten und nur mit geringer Fürstenpräsenz abgesicherten Wahlgang der Staufer Konrad (III.), Gegenkönig bis 1134, als neuer König hervorging. Überraschend schnell fand er allgemeine Anerkennung; auch Heinrich der Stolze widersetzte sich nicht grundsätzlich, verweigerte aber die Herausgabe seiner Lehnsherzogtümer Sachsen und Bayern. Zwischen ihm und den nach seinem unerwartetet frühen Tod (1139) für seinen noch im Kindesalter stehenden Sohn Heinrich den Löwen agierenden Familienangehörigen entbrannte in den folgenden Jahren ein heftiger Streit mit Konrad III., der vor allem den Südwesten des Reiches in ständige Kämpfe verstrickte, während für Sachsen 1142 eine einvernehmliche Lösung gefunden wurde. In Sachsen hatte Konrad III. zunächst den Markgrafen der sächsischen Nordmark, Albrecht "den Bär" aus dem Haus der Askanier, als Herzog eingesetzt. Doch verzichtete dieser 1142 wohl im Hinblick auf die ihm von dem dortigen slavischen Fürsten angebotene Nachfolge in dem an seine Nordmark östlich angrenzenden Brandenburg. Tatsächlich begründete Albrecht hier 1150 nach dem Tod des einheimischen Slavenfürsten die askanische Linie der Markgrafen von Brandenburg (bis 1319). In Bayern hatte der Staufer Konrad III. die babenbergischen Markgrafen der bayerischen Ostmark zu Herzögen (gegen die Welfen) erhoben. Damit hatten diese eine lehnrechtliche Verbesserung ihrer Position erreicht (vom Vasallen des Bayernherzogs zum Herzog). Hier war eine Lösung des Konflikts viel schwieriger; Konrad hat sie nicht erreicht. Zu den dynastischen Konflikten gesellten sich die Probleme in den Kreuzfahrerstaaten: nach der Rückeroberung der Grafschaft Edessa durch Muslime 1144 wurde ein neuer Kreuzzug vorbereitet, an dem auch König Konrad III. teilnahm. Der Kreuzzug blieb ohne Erfolg. Eine Kaiserkrönung Konrads scheiterte nicht nur am Staufer-Welfen-Konflikt und an seiner Beteiligung am 2. Kreuzzug, sondern auch an inneren Konflikten in Rom, in denen eine "stadtrömische Bewegung" die Stadtherrschaft des Papstes in Rom bestritt, diesen aus der Stadt Rom jagte und dort in Anlehnung an antike Traditionen einen "Heiligen Senat" als Stadtregiment errichtete. Der Senat beanspruchte für sich das Recht, die Kaiserkrone zu vergeben und forderte Konrad III. zur Unterstützung auf. Noch ehe Konrad all diese Probleme lösen konnte, starb er Anfang 1152.

Der Geschichtsschreiber Otto von Freising, ein Angehöriger des Babenbergergeschlechts und Verwandter der Staufer, schildert die Königswahl des Neffen Konrads III., des Schwabenherzogs Friedrich, als einvernehmlichen, geradezu gottgefälligen und im Hinblick auf dessen Verwandtschaft zu Welfen (Mutter) und Staufern (Vater) erfolgten Akt. Erst die neuere Geschichtswissenschaft (H. Appelt) hat herausgearbeitet, dass es Widerstände und vorherige Absprachen gab; der Mainzer Erzbischof begünstigte die Nachfolge des unmündigen Sohnes Konrads III., und Friedrich selbst gewann Heinrich den Löwen in einer Unterredung für seine Wahl, in der er sicher dem Welfen grundsätzliche Zusagen machte. Absprachen mit Welfen und Zähringern (einem mächtigen Adelsgeschlecht in Schwaben und Burgund) sicherten den Frieden in Deutschland so weit, dass Friedrich I. die Vorbereitungen zu Romzug und Kaiserkrönung in Angriff nehmen konnte. In einem regelrechten bilateralen Vertrag mit Papst Eugen III. versprachen sich beide die Wahrung der jeweiligen Interessen (honor imperii, honor papatus) und Absichten des byzantinischen Kaisers auf Italien nicht zu unterstützen. Friedrich sagte dem Papst die Bekämpfung der stadtrömischen Bewegung zu und dass er nicht ohne Konsultation des Papstes gegen die Normannen vorgehen werde. Auf der Grundlage dieses, von Hadrian IV., dem Nachfolger Eugens III. bestätigten Vertrages, erfolgten 1155 in Rom die Kaiserkrönung und die Bekämpfung der stadtrömischen Bewegung. Die Differenzen mit dem neuen Normannenkönig (seit Rogers II. Tod 1154) Wilhelm I. legte der Papst 1156 mit einem Vertrag bei, der die Lehnshoheit des Papstes über das Normannenreich wahrte und zugleich den Einfluss des Papstes auf die Kirche Siziliens einschränkte.

Gegensätze zwischen Papst und Kaiser waren schon bei den Protokollfragen im Vorfeld der Kaiserkrö nung aufgetreten und verschärften sich, wie schon ausgeführt, im Streit seit dem Hoftag von Besancon 1157 und vor allem seit Ausbruch des Schismas 1159. Eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem Normannenreich blieb ein steter Plan Friedrich I. Barbarossas, zu deren Vorbereitung er 1162 Verträge mit den Seestädten Genua und Pisa schloß, die ihm Flotten stellen sollten; verwirklicht hat er den Angriff nie, da der Kampf gegen die Selbständigkeitsbewegung der lombardischen Städte seit 1158 alle Kräfte band.

Klagen von Bürgern der lombardischen Stadt Lodi, die von den Mailändern 1111 zerstört worden war, nahm Friedrich I. 1158 zum Anlass, mit der Devise "Frieden und Gerechtigkeit" in die lombardischen Konflikte einzugreifen und Lodi im August des Jahres neu zu gründen. Im September wurde nach mühevoller Belagerung Mailand unterworfen und im November die Ansprüche des Kaisers auf einem Hoftag als "Weistum", d. h. Festlegung alten Rechts, formuliert. Friedrichs Regalien-(= königliche Rechte)forderungen gegenüber den Städten, Gerichtsbarkeit, Hoheit über Münze, Zoll, Verkehrswege und Verkehrsabgaben, Einsetzung von Grafen und jeder Art anderer Beauftragter, Bau und Unterhalt von Pfalzen in den Städten, Kopfzins der Bevölkerung und Heeresabgabe (fodrum) bestimmten für die nächsten 25 Jahre sein Vorgehen gegen die Städte. Der Versuch, kaiserliche Beauftragte in die Städte zu senden, die dort an die Stelle der von den Bürgern gewählten Konsuln treten sollten, scheiterte. Militärisches Vorgehen und vor allem Belagerungen erwiesen sich als außerordentlich schwierig. Die stets nur für kürzere Zeiträume aufgebotenen Lehnsheere wurden bald durch Soldtruppen ergänzt, wie sie der anglonormannische König Heinrich I. (1100-1135) schon früher eingesetzt hatte. Deren Besoldung und Entlassung schuf neue Probleme. Friedrichs Versuche, sich mit einzelnen Städten vertraglich zu arrangieren (1162), waren wenig erfolgreich. Das 1159 ausgebrochene Schisma verschärfte den Konflikt, da der von Friedrich abgelehnte Papst Alexander III. nicht nur den Normannenkönig Wilhelm I. hinter sich hatte, sondern auch die rebellierenden Städte unterstützte. Der Versuch, das Schisma gewaltsam mit der Durchsetzung des Gegenpapstes in Rom auf dem vierten Italienzug zu beenden, scheiterte, als im Heer 1167 eine Seuche ausbrach, die von Friedrichs Gegnern als Gottesurteil verstanden wurde. Der überhastete Rückzug des kaiserlichen Heeres wurde das Signal dafür, dass die Städte der Lombardei ihre Gegensätze begruben und sich zum großen lombardischen Städtebund zusammenschlossen, der eine gemeinsame Bundesfestung mit dem Namen des von Friedrich bekämpften Papstes Alexander III. (Alessandria) errichtete. Fortan wurde das Mittel untauglich, mit einzelnen Städten gegen andere zu paktieren. Zwar kam es in den Jahren 1174-1176 erneut zu Waffengängen, aber zunehmend verlegten Friedrich und seine Berater sich auf Verhandlungen. Durch Verhandlungen wurde 1176 und endgültig 1177 das Schisma beendet, indem Friedrich seinen Gegenpapst fallen ließ und Alexander III. anerkannte, Alexander im Gegenzug alle während des Schismas im Reich getroffenen Maßnahmen akzeptierte. Zwischen Friedrich und dem lombardischen Städtebund wurde 1183 ein Kompromissfrieden geschlossen: Friedrich behielt die nominelle Oberhoheit, überließ aber die Handhabung der Regalien gegen eine einmalige Abfindung und zusätzliche jährliche Zahlungen den Städten, die ihr Stadtregiment beibehielten und ihre Konsuln weiter selber wählten. Die Bundesfestung des Städtebundes wurde formell unter dem Namen Caesarea (= Kaiserstadt) neu gegründet - behielt jedoch faktisch ihren Trutznamen Alessandria bei. Den Umschwung in der Italienpolitik Friedrichs I. dokumentierte die Eheschließung zwischen seinem 1169 von den Fürsten zum König gewählten Sohn Heinrich (VI.) und Konstanze, der Tochter des Normannenkönigs Roger II., 1186 in Mailand.

Das kriegerische Vorgehen des Kaisers gegen die lombardischen Städte in den 50iger und 60iger Jahren wurde auch durch die Einigung mit den Welfen ermöglicht. Welf VI., ein Onkel Heinrichs des Löwen erhielt 1152 die Markgrafschaft Tuszien. 1156 entschied ein Hoftag im Konflikt zwischen Welfen und Babenbergern um das bayerische Herzogtum. Der Ostteil, die bisherige bayerische Ostmark ("Österreich"), verblieb den Babenbergern und wurde zum Herzogtum erhoben, für das dem Herzog Erblichkeit in männlicher und weiblicher Nachfolge, Vorschlagsrecht für die Nachfolge im Fall der Erbenlosigkeit, Reduktion der Hof- und Heeresfolgeverpflichtungen und Kontrolle der Gerichtsbarkeit zugesagt wurde. An diesem Beispiel wird die Entwicklung von den große Siedlungsräume ("Stämme") übergreifenden Herzogtümern zu kleineren, territorial definierten, durch Kaiser- und Fürstenspruch geschaffenen herzoglichen Reichslehen deutlich. Eine entsprechende Entwicklung hatte früher schon für Kärnten eingesetzt (Ende 10. Jahrhundert), wurde seit 1152 für die Zähringer in Südschwaben/Burgund angebahnt und setzte sich seit dem Sturz Heinrichs des Löwen fort.

Das Einvernehmen zwischen Friedrich I. Barbarossa und dem Welfen Heinrich dem Löwen erlitt Einbußen seit Beginn der 70iger Jahre. Eine Ursache dieser Verschlechterung war Repräsentationsverhalten und Selbstverständnis des Welfen. Das Widmungsbild des Braunschweiger Evangeliars unterstreicht seine kaiserliche Abstammung (über die Mutter Gertrud von Supplinburg) und die königliche Abstammung seiner Frau Mathilde (Tochter Heinrichs II. von England). Braunschweig und die nahe Pfalz Dankwarderode baute Heinrich geradezu königlich aus und königlich wurde er auch bei seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land in Konstantinopel vom byzantinischen Kaiser Manuel Komnenos empfangen. Es kam hinzu, dass sowohl Friedrich I. Barbarossa als auch Heinrich der Löwe mit ähnlichen Mitteln versuchten, sich territorial geschlossene Herrschaftskomplexe zu schaffen: Friedrich im Elsass, Breisgau, nördlichen Schwaben, in Mainfranken/Hessen durch Einbehaltung von Unterlehen, Verleihung von Stadtrechten, Erwerb von Gütern und Vogteirechten, Heinrich vor allem in Sachsen entsprechend und unter Nutzung der Ostsiedlung sowie Geltendmachen von kirchenherrlichen Rechten. Im südlichen Sachsen (Harz) und in Thüringen prallten welfische und staufische Einflussnahmen aufeinander. Zu diesen eher grundsätzlichen Gegensätzen kamen konkrete Konflikte. Welf VI., der 1167 seinen einzigen Sohn verlor, bot Friedrich und Heinrich seine Güter zum Kauf an, und Friedrich erwarb sie. 1176 wurde der Gegensatz offenkundig, als Heinrich vom Kaiser für militärische Hilfeleistung das Zugeständnis von Reichsrechten um Goslar (Silberbergwerke des Harzes) forderte, nicht erhielt und keine Hilfe leistete. Als 1178 sächsische Bischöfe und sächsischer Adel gegen ihren Herzog beim Kaiser Klagen vorbrachten, eröffnete Friedrich ein förmliches Hofgerichtsverfahren. Da Heinrich dreimal nicht erschien wurde er 1179 geächtet (aus der Friedensordnung herausgenommen mit Einräumung einer Jahresfrist für die Unterwerfung) und da er nicht einlenkte 1180 in die Oberacht erklärt mit Verlust seiner Lehen, nicht jedoch der Allodialgüter. Alle, auch seine sächsischen und bayerischen Untervasallen, waren zum Reichskrieg gegen ihn aufgerufen. Diese Kriegshandlungen verwirklichten den Lehnsentzug und zwangen Heinrich und seine Familie zum Exil am englischen Hof seines Schwiegervaters. Das bayerische (Rest-)Herzogtum wurde an einen Wittelsbacher gegeben, Steiermark und Kärnten als Herzogtümer ausgegliedert, Sachsen in zwei Herzogtümer geteilt, deren westliches an den Erzbischof von Köln, deren östliches an Bernhard von Anhalt ging.

Erst Ende der 80iger Jahre konnte Heinrich der Löwe nach Deutschland zurückkommen. Der Staufer Friedrich II. erhob seine Nachkommen auf der Grundlage des ihnen verbliebenen umfänglichen Allodialgutes um Braunschweig-Lüneburg zu Herzögen; damit kehrten die Welfen in den Reichsfürstenstand zurück.

Die Einrichtung mehrerer Herzogtümer aus den Großlehen nach dem Sturz Heinrichs des Löwen setzte den Prozess der Vervielfältigung von Reichsfürstentümern fort. Auch an der Westgrenze des Reiches entstanden in den folgenden Jahren neue Herzogtümer und Marken.

Die festlichen Hoftage des Kaisers im letzten Jahrzehnt seiner Herrschaft und sein Tod auf dem 3. Kreuzzug beim Durchzug durch Kleinasien verklärten sein Bild.

Die Nachfolge seines Sohnes Heinrich VI. war gesichert. Probleme in Deutschland, auch mit den Welfen, verhinderten ein frühes Eingreifen des jungen Königs in Italien, wo der Normannenkönig Wilhelm II. 1189 starb, so dass dessen Halbbruder Tankred vom Adel zum König des Normannenreiches erhoben wurde. Der Zug zur Kaiserkrönung Heinrichs 1191 wurde zwar nach Süditalien fortgesetzt, aber ohne Erfolg. Erst nach Regelung der Probleme in Deutschland und nachdem die langwierigen Lösegeldverhandlungen für den englischen König Richard I. Löwenherz, der auf der Rückreise vom dritten Kreuzzug 1192 (widerrechtlich) in die Gefangenschaft des Herzogs von Österreich geraten war, welcher ihn dann an den Kaiser auslieferte, mit lukrativen Zahlungen an den Kaiser und den österreichischen Herzog abgeschlossen waren, zog Heinrich VI. 1194 erneut nach Italien. Seinen Absichten auf das Normannenreich kam es zugute, dass Tankred und dessen Sohn 1194 starben. Diesmal verlief die Eroberung erfolgreich. Weihnachten 1194 wurde Heinrich in Palermo zum König des Normannenreiches gekrönt. Einen Tag später wurde sein und Konstanzes Sohn Friedrich (II.) geboren. Heinrich gründete seinen Herrschaftsanspruch im Normannenreich sowohl auf das "ius imperii" (= alte Reichsrechte auf die Herrschaft in Süditalien) als auch auf die Erbansprüche seiner Frau Konstanze. Die praktische Durchsetzung seiner Herrschaft war mit der Entsendung von deutschen Reichsministerialen verbunden, auch mit der zeitweisen Beauftragung der Kaiserin. Widerstand entmachteter normannischer Adelsgruppen wurde gewaltsam gebrochen. Der Zuerwerb des Normannenreiches verursachte ein stärkeres Interesse Heinrichs an den Angelegenheiten des östlichen Mittelmeerraumes, der Kreuzfahrerstaaten, des islamischen Nordafrika. Die Beziehungen zu Byzanz verschärften sich infolge innerbyzantinischer Wirren, der Schwächung des Ostreiches durch Verselbständigung des Balkans und der Kreuzzugspläne Heinrichs. Vor allem vertiefte der Zuerwerb des Normannenreiches die Kluft zwischen dem Stauferkaiser und den Päpsten, deren Kirchenstaat nun vollständig von staufischem Herrschaftsbereich umgeben war und die auf ihrer Lehnsoberhoheit über das Normannenreich bestanden. Um die Verbindung zwischen dem auf den drei "regna" Deutschland, Italien und Burgund ruhenden "imperium" und dem normannischen Königreich dauerhaft zu sichern, verfolgte Heinrich den Plan, die Nachfolgeordnung in Deutschland und im Normannenreich anzugleichen, d. h. das Königtum in Deutschland erblich zu machen, wie es die Königswürde im Normannenreich schon war. Den Laienfürsten bot der Kaiser als Ersatz für den geforderten Verzicht auf ihr Königswahlrecht die Erblichkeit ihrer Reichslehen an, den Bischöfen den Verzicht auf bisher beanspruchte Anteile des Kaisers am persönlichen Nachlaß der Bischöfe (Spolien). Gegenüber den Laienfürsten bedeutete das eigentlich nicht mehr als die Festschreibung einer längst existierenden Praxis, und der kaiserliche Spolienanspruch hatte in der zurückliegenden Zeit immer wieder zu Kämpfen geführt. Auch mit dem Papst verhandelte Heinrich VI. Die Widerstände waren jedoch insgesamt so stark, dass er keine grundsätzliche Regelung zustande brachte, sondern nur Ende 1196 die Königswahl seines kleinen Sohnes Friedrich erreichte. Der frühe Tod Heinrichs an einer fatalen Malariatherapie im September 1197 warf all diese Pläne um. Der Kaisersohn Friedrich, der sich in Begleitung seines Onkels Philipp von Schwaben auf dem Weg zur Königskrönung in Deutschland befand, wurde von Philipp zu seiner Sicherheit, da infolge der Nachricht vom Tod des Kaisers ein Aufstand der lombardischen Städte ausbrach, zu seiner Mutter Konstanze nach Sizilien zurückgeschickt. Konstanze ließ ihren Sohn auf die Königsrechte in Deutschland verzichten und dem Papst den Lehnseid für das Normannenreich leisten. Als sie selbst 1198 starb, unterstellte sie ihren kleinen Sohn der Vormundschaft des Papstes. Friedrich war nominell König des Normannenreiches, während die faktische Herrschaftsausübung in den Händen rivalisierender Gruppen lag. Die Entwicklung in Deutschland jedoch ging für die nächsten anderthalb Jahrzehnte gesonderte Wege und die um König- und Kaisertum bestehenden Unsicherheiten begünstigten die weitere Verselbständigung der norditalienischen Stadtherrschaften.

Nord- und Osteuropa

Die Sonderung der skandinavischen Reiche Dänemark, Schweden und Norwegen setzte sich fort, wobei Dänemark das stärkste Gewicht und die engsten Beziehungen zum übrigen Europa hatte. Die Christianisierung des Nordens wurde im 12. Jahrhundert abgeschlossen, für Dänemark auch der Aufbau einer eigenen Kirchenorganisation mit der Konstituierung des Erzbistums Lund Anfang des 12. Jahrhunderts. Damit war allen Patriarchatsplänen, die der Hamburg-Bremer Erzbischof Adalbert im 11. Jahrhundert gehegt hatte, ein Riegel vorgeschoben. Der Sturz des Welfen Heinrich des Löwen 1180 und die damit verbundene Aufgliederung des sächsischen Herzogtums bewirkten eine Stagnation der Ostsiedlung in Mecklenburg, einen Rückgang des Einflusses sächsischer Fürsten in diesem Raum und im Gegenzug eine Verstärkung des dänischen Einflusses auf die südliche Ostseeküste. Die europäischen Kontakte des dänischen Königshauses dokumentiert die (unglückliche) Ehe des französischen Königs Philipp II. Augustus (1180-1223) mit Ingeborg von Dänemark.

Polen erlebte eine Blütezeit unter der Herrschaft Boleslavs III. (1085-1138). Das schon Ende des 10. Jahrhunderts von Bolelav I. Chrobry teilweise unterworfene und der jungen Kirchenprovinz Gnesen unterstellte Pommern wurde von ihm dauerhaft polnischer Herrschaft unterstellt. Mit Otto von Bamberg gewann Boleslav III. einen tatkräftigen und erfolgreichen Missionar für Pommern. Der erste Geschichtsschreiber Polens und der Piasten, der wahrscheinlich aus dem Raum des heutigen Belgien stammte und lateinisch schrieb ("Gallus Anonymus"), widmete sein Werk Boleslavs III. Kanzler Michael. Seit dem Tod Boleslavs III. 1138 war Polen jedoch in mehrere Herzogtümer geteilt, die miteinander um das Seniorat rivalisierten. Das militärische Eingreifen des Kaisers Friedrich I. Barbarossa in den Jahren 1157 und 1163 in diese innerpolnischen Wirren bedeutete aber ebenso wenig wie das Eingreifen Friedrichs I. in dänische Thronstreitigkeiten 1152 eine Oberhoheit des Reiches. Wenn auch die im Testament Bolelavs III. bekundete Absicht zum friedlichen Nebeneinander der verschiedenen piastischen Teilfürstentümer unter dem Senior in der Realität scheiterte, so blieb doch Krakau wie unter Boleslav III. Hauptstadt bzw. Sitz des Seniors der polnischen Piasten.

Die nordöstlichen Nachbarn der Polen, die baltischen Völker der Pruzzen, Litauer, Liven waren trotz frü herer Versuche noch nicht christianisiert.

Wie die Polen in Gallus Anonymus, so fanden die Böhmen und ihr Herzogsgeschlecht der Przemisliden Anfang des 12. Jahrhunderts ihren Geschichtsschreiber in dem Prager Domherren Cosmas (gestorben 1125). In den Anfangsjahren Friedrichs I. Barbarossa erlebte die Einbindung des Böhmenherzogs in Reichsangelegenheiten einen Höhepunkt. Wladislav II. (1140-1172) war nicht nur an den Italienzügen des Kaisers intensiv beteiligt, sondern war auch Vorsitzender des Fürstengerichts, das 1156 durch die Teilung Bayerns und die Erhebung des Babenbergers zum Herzog (von Österreich) den Streit zwischen Welfen und Babenbergern beilegte. Der Kaiser honorierte die guten Dienste Wladislavs 1158 durch dessen Erhebung zum König. Definitiv sicherte allerdings erst Wladislaws Nachfahr Ottokar (1197-1230) im Thronstreit nach dem Tod Heinrichs VI. den böhmischen Herrschern die Königswürde.

Die ungarischen Könige aus dem Haus der Arpaden dehnten im 12. Jahrhundert ihre Herrschaft über Kroatien und Dalmatien bis zur Adria aus. Die Ostgrenze Ungarns an den Karpaten wurde allerdings immer wieder durch Einfälle nicht christlicher Steppenvölker bedroht. Über die ostslavisch bestimmten Balkanvölker wird im Zusammenhang mit Byzanz zu reden sein.

Nach der Christianisierung Russlands seit der Taufe des Großfürsten Wladimir von Kiew 988 hatten die russischen Fürstentümer unter Jaroslav von Kiew (1019-1054) eine erste Blütezeit erlebt. Er förderte Städte und Fernhandel. Städte, vorrangig Kiew und Nowgorod, danach Cernigow, Perejaslavl, Smolensk, Wladimir waren Sitz und Zentrum der dem Großfürsten von Kiew unterstehenden Teilfürstentümer. Jaroslavs Versuch, Kiew 1051 zu einer vom Patriarchen von Konstantinopel unabhängigen Metropolie zu erheben, scheiterte allerdings längerfristig. Unter Jaroslav kam die schon unter Wladimir begonnene Sammlung russischen Gewohnheitsrecht (Russkaja Prawda) zum Abschluß. Mit Jaroslavs Tod 1054 wurde in Russland eine der späteren polnischen Senioratskonstruktion (ab 1138) vergleichbare Nachfolgeregelung praktiziert, die alle Söhne unter dem Vorrang des Kiewer Großfürsten beteiligte. Rivalitäten blieben hier wie später in Polen nicht aus. Erst Anfang des 12. Jahrhunderts trat unter dem Kiewer Großfürsten Wladimir II. Monomach (1113-1125) wieder Frieden ein. Die Ende des 11. Jahrhunderts im Kiewer Höhlenkloster begonnene sogenannte Nestorchronik, unsere wichtigste (altslavische) Quelle zur frühen russischen Geschichte, wurde im Höhlenkloster unter Waldimir Monomach redigiert. Nach dem Tod Wladimirs II. Monomach setzten die Zersplitterung der Kiewer Rus, die Rivalitäten und Kämpfe der Teilfürsten erneut ein und prägten das ganze 12. Jahrhundert. Aufgrund der Zergliederungen und Feindschaften hatten die Tataren in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts dann ein leichtes Spiel.

Das byzantinische Reich und der Balkan

Zwischen dem Ende der Makedonendynastie mit dem Tod des Kaisers Basileios II. 1025 und der Etablierung der neuen Herrscherfamilie der Komnenen mit Alexios I. 1081 liegt ein Zeitraum, der durch innere Wirren unter Kaisern, die dem hauptstädtischen Beamtenadel entstammten, geprägt ist. Die byzantinischen Besitzungen in Süditalien fielen in dieser Zeit den normannichen Eroberungen zum Opfer. Die türkischen Seldschuken eroberten Anatolien, sowie das mittlere und südliche Kleinasien. Die Gefangennahme des Kaisers Romanos Diogenes 1071 in der Schlacht von Mantzikert durch den Seldschukenführer Alp Arslan und die anschließenden inneren Wirren in Konstantinopel markieren die Tiefpunkte dieser Entwicklung. Das byzantinische Heer, das seit der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts von den Stratioten, zum Heeresdienst verpflichteten kleinen Grundbesitzern getragen wurde, verfiel im 11. Jahrhundert infolge der Besitzkonzentration in den Händen des Beamten- und Militäradels. Mehr und mehr rekrutierten die Kaiser das Heer aus angeworbenen Soldtruppen, Warägern, Engländern, Lateinern (Franken), Angehörigen der nicht-christlichen Steppenvölker wie Petschenegen und Kumanen. Unter den aus dem Militäradel hervorgegangenen Komnenenkaisern, Alexios I. (1081-1118), Johannes II. (1118-1143), Manuel I. (1143-1180), Alexios II. (1180-1183) und Andronikos I. (1183-1185) wurde das Heer auf das dem westlichen Lehnswesen vergleichbare Pronoiasystem umgestellt: die Pronoia war ein lebenslang verliehener größerer Grundbesitz, der den Inhaber (Pronoiar) zum Kampf für den Kaiser mit eigener Gefolgschaft verpflichtete. Die Soldtruppen wurden daneben beibehalten. Der Versuch des Kaisers Alexios I., mit Unterstützung des Papstes Urban II. im Westen eine Soldtruppe anzuwerben, wurde Auslöser des ersten Kreuzzugs, und Alexios und seine Nachfolger versuchten, an die im Verlauf der Kreuzzüge entstandenen Kreuzfahrerstaaten Vorstellungen von einer lehnrechtlichen Oberhoheit des byzantinischen Kaisers heranzutragen.

Die Rückeroberung des südwestlichen Kleinasien von den Seldschuken (Sultanat Ikonium) gelang dem Kaiser Johannes II. Kreuzzüge und Kreuzfahrerstaaten bewirkten in der Zeit der Komnenenkaiser eine stärkere Westorientierung des byzantinischen Reiches. Konstant blieb der Gegensatz zwischen Byzanz und den Normannen. Die Flottenhilfe Venedigs gegen normannische Übergriffe auf Griechenland honorierte Alexios I. 1082 durch einen Vertrag, mit dem den Venezianern weitgehende Handelsprivilegien und auch Handelsniederlassungen im byzantinischen Reich eingeräumt wurden. Dieser Vertrag wurde durch seine Nachfolger mehrfach erneuert und erweitert. Genua und Pisa erreichten unter Kaiser Manuel ähnliche, wenn auch nicht so weitgehende vertragliche Absicherungen. Damit unterstützte Manuel die Handelsrivalitäten zwischen Pisa und Genua einerseits, Venedig andererseits und bereitete das aggressive Vorgehen gegen Venedig im Jahr 1171 vor. Auf längere Sicht konnte jedoch Venedig seinen Vorrang behaupten. Manuel versuchte, wenn auch vergeblich, Herrschaftsansprüche und byzantinische Interessen in Italien noch einmal durchzusetzen. Erfolgreicher war er bei seinen Interventionen auf dem Balkan und in Ungarn. Die autokratische Herrschaftsweise des Kaisers Andronikos und ein erneuter Einfall der Normannen in Griechenland führten zu einer Revolte in der Hauptstadt, die den Sturz des Komnenenkaisers zur Folge hatte. Die den Komnenen folgen Angeloikaiser waren mit ihnen verschwägert. Sie wurden der zahlreichen Probleme nicht Herr. Am gravierendsten war die kriegerisch durchgesetzte Ablösung der Balkanstaaten Bulgarien und Serbien von Byzanz. Die Zersplitterung des byzantinischen Reiches durch die Kreuzfahrer im Vierten Kreuzzug 1204 bildete den Höhepunkt dieser Auflösungserscheinungen.


Valid HTML 4.01!
Einleitung
Das 4. Jahrhundert
Das 5. Jahrhundert
Das 6. Jahrhundert
Das 7. Jahrhundert
Das 8. Jahrhundert
Das 9. Jahrhundert
Gesellschaftliche Strukturen
Das 10. Jahrhundert
Das 11. Jahrhundert
Gesellschaftliche StrukturenII
Die Kreuzzüge
Das 13. Jahrhundert
Das 14. Jahrhundert
Strukturen im Spätmittelalter
Das 15. Jahrhundert

Home