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Merken   Drucken   24.09.2012, 18:57 Schriftgröße: AAA

Trübes Ifo-Klima: Deutschlands Wirtschaft im Branchen-Check

Der Ifo-Geschäftsklimaindex prophezeit der deutschen Konjunktur eine düstere Zukunft. Doch nicht jede Branche gehört zu den Schwarzsehern. Mancher Manager glaubt an eine positive Entwicklung. Ein Überblick.
© Bild: 2012 dpa/Bildfunk/Marcus Brandt
Der Ifo-Geschäftsklimaindex prophezeit der deutschen Konjunktur eine düstere Zukunft. Doch nicht jede Branche gehört zu den Schwarzsehern. Mancher Manager glaubt an eine positive Entwicklung. Ein Überblick. von Friederike Böge 
Der wichtige Frühindikator des Münchener Ifo-Instituts zeigt vor allem bei der exportabhängigen Industrie einen deutlichen Stimmungseinbruch: Sowohl die aktuelle Lage als auch die Aussichten schätzen die Manager negativ ein. Auch in der Baubranche haben die Pessimisten Zulauf. Im Groß- und Einzelhandel besserte sich dagegen die Laune, ebenso im Dienstleistungssektor. Die Branchen im Einzelnen.
Die deutschen Industrieunternehmen sind stark von der Nachfrage aus dem Ausland abhängig. Wegen der Unsicherheit über den Fortbestand der Euro-Zone schraubten wichtige Handelspartner in den vergangenen Wochen ihre Investitionen zurück - eine Belastung für die deutsche Wirtschaft. Entsprechend sind die Erwartungen in der Branche für die nächsten sechs Monate weiterhin deutlich negativ und bereits zum fünften Mal in Folge gesunken.
Kein Wunder: Wie das Statistische Bundesamt Anfang des Monats bekanntgab, sank der Umsatz der Branche im Juli im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Prozent. Verantwortlich dafür war der Absatz in der Euro-Zone, der um 5,8 Prozent einbrach, während das Geschäft mit dem übrigen Ausland um 3,5 Prozent stieg.
Damit gerät in Deutschland ein wichtiger Jobmotor ins Stocken. Ende Juli beschäftigte das verarbeitende Gewerbe nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes so viele Menschen wie seit Ende 2008 nicht mehr. Die höchsten Zuwächse gab es bei mittelständischen Maschinenbauern. Die Branche beschäftigte Ende Juli 910.000 Menschen - so viele wie kein anderer Industriezweig.
Der Beschäftigungsaufbau in der Industrie verliert schon seit Dezember 2011 stetig an Dynamik, zuletzt gab es nur noch ein Plus von 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Abkühlung des Geschäftsklimas dürfte diesen Trend verstärken.
Allerdings gibt es widersprüchliche Signale von der Industrie: Vergangene Woche stieg der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes stärker als erwartet auf 47,3 Zähler von 44,7 im August und erreichte damit den höchsten Stand seit sechs Monaten. Allerdings war das in erster Linie auf die Abarbeitung der Auftragsbestände zurückzuführen - und nicht auf Zuwächse beim Auftragseingang. Da sieht die Branche offenbar derzeit schwarz.
Der Leitzins der Euro-Währungshüter steht nahe Null, die Deutschen kommen günstig an neue Kredite - eigentlich gute Voraussetzungen für eine Erholung am Bau. Doch die vom Ifo erhobenen Geschäftserwartungen sinken seit Monaten fast ohne Unterbrechung. Inzwischen ist die aktuelle Geschäftslage so schlecht wie zuletzt im Februar 2012.
Grund für die trübe Stimmung sind vor allem die leeren öffentlichen Kassen, die den Bau von öffentlicher Infrastruktur belasten. Viele Projekte werden schlicht gestrichen. Beim Wohnungsbau ist die Lage dagegen besser - dank der Flucht in stabile Werte auch aus den Südländern der Euro-Zone. Angesichts der schwachen Konjunkturaussichten hat der Zentralverband Deutsches Baugewerbe seine Umsatzprognose für 2012 im Bauhauptgewerbe zwar jüngst von 3,8 auf 2,3 Prozent nach unten korrigiert. Schlecht ist das aber immer noch nicht. Die Branche stellt sogar noch ein: Der Zentralverband geht von einem Beschäftigungszuwachs um immerhin 1,5 Prozent aus.
Im Einzelhandel ist die Stimmung durchwachsen: Laut Ifo-Institut hat sich die Einschätzung der Geschäftslage gegenüber dem Vormonat verbessert, für die Zukunft sind die Unternehmen aber etwas pessimistischer als noch im August. Kein Wunder: Im ersten Halbjahr war die Branche noch robust um 2,6 Prozent gewachsen. Doch für das Gesamtjahr rechnet der Handelsverband HDE nur noch mit einem Plus von 1,5 Prozent. Als Gründe für die erwartete Zurückhaltung der Verbraucher sehen die Lobbyisten die steigenden Kosten für Energie und Treibstoff. Die treiben auch die Betriebskosten der Unternehmen und drücken auf die Margen.
Zu den Gewinnern der Branche wird auch in diesem Jahr der Online-Handel gehören. Prognose des HDE für 2012: ein Plus von rund 13 Prozent. Auch bei Uhren, Schmuck, Unterhaltungselektronik, Sportartikeln, Campingbedarf, Spielzeug und Möbeln sind die Verbraucher weiter in Kauflaune. Dagegen litt der Textilhandel unter dem durchwachsenen Sommer. Dem entscheidenden Weihnachtsgeschäft blicken die Unternehmen mit Sorge entgegen: Nach einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Erhebung des Branchenverbands überwiegt erstmals seit dem Frühjahr 2010 wieder der Anteil der Unternehmen, die die Lage schlecht bewerten gegenüber jenen, die sie als gut bewerten.
Auch im Großhandel ist die Lage besser als die Stimmung: Einerseits waren die vom Ifo-Institut befragten Unternehmen deutlich zufriedener mit ihrer aktuellen Geschäftslage als noch im August. Ihre Aussichten für die kommenden sechs Monate trübten sich aber weiter ein.
Der Verband des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) bezeichnete den Konjunkturpessimismus noch Anfang des Monats als "Jammern auf hohem Niveau". Nach Angaben des Verbandes verzeichneten die Großhandelsunternehmen insgesamt im ersten Halbjahr ein Umsatzplus von 2,0 Prozent. Für das Gesamtjahr hoffen die Lobbyisten noch immer auf ein "neues Allzeithoch".
Insbesondere der Außenhandel sei weiter auf Rekordkurs. Dank des günstigen Wechselkurses boomten noch im Juli die Exporte in die USA und nach Japan. Wegen der weltweiten Verflechtung ist die Branche vergleichsweise krisenfest. Für den Transport- und Logistikbereich rechnet der BGA mit einem weiteren Anstieg der Transportmenge, allerdings kämpfen die Unternehmen mit steigenden Energiekosten.
Im inländischen Großhandel hat sich die Wachstumsdynamik wie erwartet etwas eingetrübt. So startete der Sektor im ersten Quartal noch rasant mit einem Umsatzplus von 3,6 Prozent, fiel aber im zweiten Quartal auf ein Plus von 0,7 zurück. Diese Entwicklung ist beim Handel mit Rohstoffen, Landwirtschaftlichen Produkten und Maschinen als auch beim Konsumgüterhandel festzustellen.
Nach drei Rückgängen ist der Ifo-Index für das Dienstleistungsgewerbe wieder leicht gestiegen. Die aktuelle Geschäftslage wird etwas besser eingeschätzt und die Erwartungen für die Zukunft sind optimistisch. Auch die geplante Entwicklung des Personalbestandes weist auf eine moderate Aufstockung hin.
Nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes stieg die Zahl der Beschäftigten im Dienstleistungsgewerbe im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 2,1 Prozent - vor allem bei den Freiberuflern und bei wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen. Als krisenfest erweist sich zum Beispiel die Gesundheitswirtschaft, wo nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages in diesem Jahr 90.000 neue Stellen entstehen sollen. Nach der jüngsten DIHK-Konjunkturumfrage sehen die Unternehmen der Gesundheitswirtschaft ihre Lage und die Geschäfte in den kommenden Monaten äußerst positiv. Dem deutschen Gastgewerbe dagegen verdarb das durchwachsene Sommerwetter die Freude: Im Juli setzten Gaststätten und Hotels in Deutschland zum vierten Mal in Folge unter dem Strich weniger um.
  • FTD.de, 24.09.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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