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Dr.-Ing. Leonhard Maria Adler

Vom Ingenieur für Maschinenbau und Elektrotechnik zum Franziskanerpater

Volker Maue, ICAT


Sie werden sich sicher fragen: Was hat dies mit dem Flughafen Tempelhof bzw. mit der Interessengemeinschaft für den City-Airport Tempelhof zu tun?

Ein Zusammenhang war sicherlich auch damals nicht absehbar, als die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG) im Jahre 1912 den strebsamen, jungen Ingenieur Dr.-Ing. Leonhard Adler von Wien an ihre Generaldirektion nach Berlin versetzte, wo der 30-jährige als Oberingenieur und Straßenbahndirektor tätig wurde, ganz im Einklang mit seiner vorherigen wissenschaftlichen Tätigkeit (u.a. Bau und Betrieb elektrischer Anlagen und Bahnen).

Dann - gerade war im Jahre 1920 das Berlin heutigen Zuschnitts als Einheitsgemeinde "Groß-Berlin" entstanden - bewarb sich Dr. Leonhard Adler erfolgreich beim neuen Berliner Magistrat und wurde Stadtbaurat und Stadtrat für Verkehrswesen der neuen Fünfmillionenmetropole.

Gründer der BVG

Zu den Ergebnissen seiner 12-jährigen Tätigkeit in dieser Position gehört unter anderem die Zusammenführung einer Reihe am Berliner Personennahverkehr beteiligter Verkehrsbetriebe, die sich im Besitz unterschiedlicher privater Gesellschaften bzw. von ehemals selbständigen Teilgemeinden Berlins befanden. So entstand im Jahre 1928 auf seine Initiative hin die Berliner Verkehrsgesellschaft, den meisten von Ihnen als "BVG" vertraut.

Aber Dr. Leonhard Adler mußte sich sehr schnell auch mit Fragen der Luftfahrt beschäftigen: Der im Aufkeimen begriffene zivile Luftverkehr wurde damals über die Flugplätze Staaken am nordwestlichen Stadtrand und Johannisthal im Südosten abgewickelt.

Beide Flugplätze waren vor allem wegen der großen Entfernung zum Stadtzentrum ( 24 bzw. 12 km ) und der mangelhaften Verkehrsanbindung nur bedingt für den Passagier-, Fracht- und Luftpostdienst geeignet. Für Dr. Leonhard Adler lag die Lösung auf der Hand: Das Tempelhofer Feld mitten in der neu entstandenen Großstadt, seit über 200 Jahren militärisch genutzt, vor allem als Exerziergelände, und nun weitgehend brachliegend, war der ideale Standort für einen "Zentralflughafen Berlin" und könnte so ein weltweit einzigartiger "Pluspunkt" der deutschen Hauptstadt werden.

Doch es war noch ein beschwerlicher Weg, bis Dr. Leonhard Adler dieses Ziel erreicht hatte und aus der Militärbrache" tatsächlich der Berliner Zentralflughafen wurde: Als Dr. Leonhard Adler im Jahre 1922 diesen Plan zum ersten Mal vortrug, steuerte die Inflation auf ihren Höhepunkt zu, die innen- und außenpolitische Lage und die Situation der öffentlichen Finanzen waren schlichtweg katastrophal. Und jetzt einen neuen Zentralflughafen? Da gab es in den Augen der politischen Führung viel wichtigere Fragen, vor allem die nach zusätzlichen Einnahmequellen für die Hauptstadt.

Diese erhoffte man u.a. durch Ausbau und Profilierung Berlins als "Messestadt" erschließen zu können. Die Berliner Messe AG wurde gegründet und auf deren Betreiben von den Stadtverordneten einstimmig beschlossen, auf der östlichen, an den Stadtbezirk Neukölln grenzenden Hälfte des Tempelhofer Feldes die neuen Messeanlagen zu errichten. Eine zunächst fast aussichtslose Situation für das Flughafenprojekt des Dr. Leonhard Adler. Aber er gab nicht auf. Mit bemerkenswerter Aktivität versuchte er alles, seinem Projekt trotz gegensätzlicher Beschlußlage noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Zufall oder Fügung? Unvorhergesehene Nachtlandung führt zur Entscheidung

Und dann kam jener Tag im März 1923, als der Berliner Haushaltsausschuß mit fünf Flugzeugen vom Flugplatz Johannisthal aus zur Frühjahrsmesse nach Leipzig reiste, um dort Informationen und Erkenntnisse für das Berliner Messeprojekt zu gewinnen.

Und es wurde spät an diesem Abend, so spät, daß sich den Stadtverordneten die Frage stellte, wie sie vom Flugplatz Johannisthal noch zurück ins Stadtinnere kommen sollten. Gab es eine andere Lösung, vielleicht eine Landemöglichkeit näher am Stadtzentrum ?

Der Leiter der Berliner Junkers-Geschäftsstelle, bei den nach Leipzig eingesetzten Flugzeugen handelte es sich überwiegend um Junkers-Maschinen, wurde telefonisch eingeschaltet und kannte auch eine einigermaßen als Landeplatz geeignete Stelle auf dem durch die frühere militärische Nutzung stark durchwühlten Tempelhofer Feld.

Doch wie sollte diese Stelle von den anfliegenden Flugzeugen in der Dunkelheit gefunden werden? Auch hier konnte erfolgreich improvisiert werden: Alle erreichbaren Junkers-Angestellten wurden zusammengetrommelt und mußten in der näheren Umgebung möglichst viele Petroleumlampen und das dazugehörige Brennmaterial beschaffen. Die Lampengläser wurden dann mit roter Tinte provisorisch eingefärbt und rings um die vorgesehene Landesteile verteilt. Dann die telefonische Vollzugsmeldung nach Leipzig: Der ersten Nachtlandung auf dem Tempelhofer Feld stand nichts mehr im Wege. Etwa anderthalb Stunden später kamen die fünf Flugzeuge nacheinander herein und setzten sicher auf, zentral mitten in der Stadt Nur eine der Maschinen wurde leicht beschädigt.

War diese eindrucksvolle Demonstration für das Flughafenprojekt des Dr. Leonhard Adler wirklich nur Ergebnis einer Reihe von Zufälligkeiten, oder waren hier auch geschickte Planung und Regieführung im Spiel? Wir wissen es nicht genau.

Und auch eine weitere Chance ließ Dr. Leonhard Adler nicht ungenutzt: Die katastrophale Lage der städtischen Finanzen ließ auf absehbare Zeit wohl kaum den Erwerb der für die beschlossenen neuen Messenanlagen benötigten Flächen zu; diese befanden sich nach wie vor noch im Besitz der Militärverwaltung. Noch weniger war an die Finanzierung der erforderlichen Messebauten zu denken ...

Und aus den dem Flughafenprojekt aufgeschlossen gegenüberstehenden Kreisen waren die beiden Luftverkehrsgesellschaften Junkers und Aero Lloyd gern bereit, die Anlage eines provisorischen Flugplatzes auf dem Tempelhofer Feld vorzufinanzieren, froh, ihr von der rasant fortschreitenden Geldentwertung bedrohtes Kapital sinnvoll investieren zu können ...

Der erste "Flughafen": Tempelhof!

Mit den beiden Gesellschaften wurde ein entsprechender Spezialvertrag geschlossen, und schon bald stand auf dem Tempelhofer Feld eine Baubude mit der richtungweisenden Aufschrift "Flughafen Berlin". Das Foto dieses ersten "Flughafengebäudes" (rechts>>) haben viele von Ihnen sicherlich schon gesehen. Auch der damals noch nicht bekannte Begriff "Flughafen" wird Dr. Leonhard Adlerzugeschrieben (damals war nur von "Flugplätzen" die Rede).

Schnell war am Nordrand des Tempelhofer Feldes, zur Hasenheide/ Columbiadamm hin, eine für damalige Verhältnisse ausreichende Start- und Landefläche von ca. 700 x 1000 m planiert, an deren Rande zwei Flugzeughallen ä 1000 m2 und ein kleines Verwaltungs- und Stationsgebäude, alles in Holzbauweise, aufgestellt wurden.

Schon am 8. Oktober 1923 - seit der denkwürdigen Nachtlandung der Berliner Messe-Delegation war gerade einmal 1 /2 Jahr vergangen - erteilte das Verkehrsmnisterium der nun betriebsbereiten Anlage eine vorläufige Konzession. Für diesen Tag hatte Dr. Leonhard Adler die Herren des Magistrates zur Paradepappel gebeten, der Stelle, von der aus in früheren Zeiten der Kaiser die Militärparaden abzunehmen pflegte.

Hier hatte Dr. Adler eine Präsentation seines Flughafenprojektes vorbereitet, u.a. mit dem Modell eines künftigen Flughafens, anschaulich umrahmt von einigen Flugzeugen. Eindrucksvoll konnte er so in seinem Vortrag die Bedeutung eines Zentralflughafens auf dem Tempelhofer Feld für die künftige Verkehrsentwicklung Berlins herausarbeiten. Ein Rundflug, zu dem er anschließend die Magistratsmitglieder einladen konnte, tat ein übriges: Der Widerstand begann zu bröckeln. Und als Dr. Leonhard Adler anschließend noch berichten konnte, die Heeresverwaltung sei bereit, beim Kaufpreis für das Gelände Zugeständnisse zu machen, hatte er gesiegt.

Leonhard Adler als Einzelkämpfer: ein zukunftsweisender Erfolg

Ohne Gegenstimmen wurde beschlossen: Das Tempelhofer Feld wird Zentralflughafen. Von einer Nutzung als Messegelände war keine Rede mehr. Selbst ein tödlicher Absturz bei den Rundflügen für die Magistratsmitglieder hatte diesen "Sinneswandel" bei den Entscheidungsträgern nicht mehr verhindern können.

Ohne die Weitsicht und das Engagement des Dr. Leonhard Adler und seine geschickt initiierte "Provisoriumslösung" mit privater Vorfinanzierung hätte es den Zentralflughafen Tempelhof sicher nie gegeben. Was aus dem Flughafenprojekt auf dem Tempelhofer Feld geworden ist, wissen wir alle.

Was aber wurde aus Dr. Leonhard Adler??

Nach 1932, als die nationalsozialistische Rassenverfolgung begann, begab er sich nach Italien und arbeitete international als technischer und verkehrstechnischer Berater für große Industrieunternehmen und eine Reihe großer Kommunen (z.B. Sanierung des Wiener Verkehrswesens). 1948 wurde Dr. Adler Generaldirektor der Verkehrsbetriebe in Mailand, ein Amt, das er bis zu seiner Pensionierung 1952 ausübte. Auch nach seiner Pensionierung war er als Gutachter gefragt. er genoß internationalen Ruf. So wurde ihm u.a. 1964 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Aber da verließ er alles, Familie, Beruf, Verdienstmöglichkeiten, Ehren ...

Mit Genehmigung und Dispens des Papstes ging er, verheiratet und schon betagt, ins Kloster, um sich bei den Franziskanern auf das Priesteramt vorzubereiten. Dieses Ziel erreichte er schon 1956. Anschließend wirkte Dr.-Ing. Leonhard Maria Adler für ein Jahrzehnt als allseits beliebter und verehrter Arbeiterseelsorger in Mailand. Er teilte Freud und Leid mit seinen Arbeitern. In seinem "letzten Willen" äußerte er den Wunsch, noch einmal in eine Werkhalle zu seinen Arbeitern gebracht zu werden ...

Am 16. Dezember 1965 starb der anerkannte internationale Verkehrsfachmann und engagierte Arbeiterseelsorger Dr.-Ing. Leonhard Maria Adler im Franziskanerkloster Sant'Angelo" von Mailand. Und eines Tages im Jahre 2001 erhält der ICAT-Vorsitzende Bernhard Liscutin einen Brief aus Meran. Absender ist der Kapuzinerpater Dr.phil. Manfred Adler, der sich als Sohn des Initiators des Zentralflughafens auf dem Tempelhofer Feld zu erkennen gibt. Dazu hier mehr direkt von Bernhard Liscutin selbst:


Anmerkungen von Bernhard Liscutin:

Eines freitags Morgens erhalte ich einen Anruf aus Italien: Dr. Adler, ich möchte morgen nach Berlin kommen und Sie treffen, könnten Sie mir ein Hotel in Ihrer Nähe besorgen? Da setzt sich ein 82jähriger Herr morgens in Meran in den Zug und landet nach fast 12 Stunden Fahrt in Berlin. Ich hatte ihm ein Hotel in der Nähe meiner Wohnung besorgt und holte ihn zu einem Plauderstündchen bei mir zu Hause ab. Es war schon faszinierend, den alten Herrn mit Begeisterung von seinem Vater erzählen zu hören. Eine ungewöhnliche und spannende Lebensgeschichte.

Dabei erfuhr ich einige merkwürdige Dinge. Z.B.: Herr Dr. Adler, 1933 noch Aufsichtsratsvorsitzender der BFG, wurde von den Nationalsozialisten nicht etwa wegen seiner "rassischen Zugehörigkeit" als Jude verfolgt, sondern weil er bei Hermann Göring wegen "zu starker Aktivitäten in der Zentrumspartei und der Katholischen Kirche in Ungnade gefallen war. Dr. Adler war eng befreundet mit Dr. Klausener, dem damaligen Präsidenten des Deutschen Katholikentages, übrigens eines der ersten Opfer des Verfolgungsregimes. Über den italienischen Fliegergeneral Balbo, ein enger Freund von Göring und Dr. Adler, ließ Göring Dr. Adler warnen, besser das Land zu verlassen, ehe die Gestapo ihm "Schwierigkeiten" bereite.

Damals vermochte man noch nicht direkt gegen Dr. Adler vorzugehen. da dieser sowohl die österreichische als auch die italienische Staatsangehörigkeit besaß. General Balbo war mittlerweile Gouverneur für Lybien geworden und holte Dr. Adler nach Tripolis zum Aufbau des öffentlichen Verkehrswesens.

Ubngens, die Entscheidung, auf dem Tempelhofer Feld statt der Messeanlage den Flughafen zu errichten, wurde ausschlaggebend von der SPD-Fraktion des damaligen Berliner Abgeordnetenhauses unterstützt. Wenn man so will, hatte Dr. Adler als Magistratsbaurat, was man heute Senator nennen würde, die Position und den Aufgabenbereich, den heute Peter Strieder innehat. Wenn das kein gutes Omen ist?

Dr. Adler jr. wußte mir auch von den tatsächlichen Umständen des Todes des letzten Flughafenkommandanten Major Böttcher zu berichten.

Major Böttcher brachte es nicht über sich, dem Vernichtungsbefehl des Führers" zu folgen und die gesamte, von Prof. Sagebiel errichtete Gebäudeanlage des Flughafens zu sprengen, sondern "begnügte" sich mit der Sprengung der Decke der Haupthalle, die dann den Boden mit sich in den Keller riß. Wegen dieser Befehlsverweigerung hat er sich anschließend nicht selbst erschossen, wie lange Jahre erzählt wird, sondern er ist von einem höheren Offizier der Waffen-SS hingerichtet, sprich ermordert worden.

 
Dr. Leonhard Adler als Magistratsbaurat der Stadt Berlin, etwa 1925
Tempelhofer Feld ca 1923
Pater Leonhard Maria Adler O.F.M. 1958
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