Wenn den Apotheken die Pinguine davonlaufen
Die Deutsche Apotheker Zeitung hat bei der Suche
nach Geldquellen für ihre Klientel einen neuen Beruf
entdeckt: den Diplom-Präventionsberater. Er soll
jedoch nicht, wie der Name vielleicht hoffen lässt, die
Verbreitung unsinniger Diplome (z. B. Loriots „Jodeldiplom“)
verhüten, sondern bedürftigen Apothekern zu
mehr Wohlstand verhelfen. „Bei vorsichtigen Annahmen
erzielt ein Präventionsberater im Jahr über
20.000 Euro Rohgewinn zusätzlich“, so der
Geschäftsführer einer Diplom-Präventionsberater-
Lehrgangs-GmbH.
Liebesdienst am Stammhirn
Wer jetzt hinter einer „Präventionsberatung“ ein
Geschäft mit dem Zeitgeist vermutet, irrt sich ebenfalls– behaupten zumindest die Erfinder der Geschäftsidee.
Im Gegenteil, es handele sich um einen bewährten
Liebesdienst am Stammhirn. Denn dort sei der
„tiefgreifende Wunsch der Menschen, gesund zu bleiben
... seit zig Millionen Jahren“ verankert. „Insofern
können wir nicht von einem Modetrend sprechen.“ Als
echte Innovation käme hinzu, „dass wir uns am
Gesunden orientieren“. Und was bietet so ein Präventionsberater
seinem bis dato gesunden Kunden? Er „beruhigt das Gewissen“! Er hilft ihm „etwas Gutes für
sich [zu] tun“, und gibt ihm das gute Gefühl „einen
Gesundheitscoach an seiner Seite zu wissen“.
Aber mit guten Gefühlen allein ist es nicht getan,
schließlich soll der Rubel rollen und der Laden laufen.
Dumm nur, dass es die Apotheken verschlafen haben,
zwischen Salben für Hämorrhoiden und Kaubonbons
gegen die Midlifecrisis elegante Stöcke für Nordic
Walker in die Offizin zu stellen. Vorbei, verpasst, vertan:„Inzwischen laufen die Menschen wie Pinguine
mit Stöcken durch den Wald“ – und das ohne dafür
Apothekenpreise bezahlt zu haben. Wie ärgerlich! So„läuft dieser Markt derzeit komplett an den Apotheken
vorbei“.
Crash-Kurs im Supermarkt
Der immense Bedarf an DiplompräventionsberatungsapothekenfachmitarbeiterInnen
zeige sich vor
allem bei der Ernährung: „Die Apotheken sind dafür
besonders geeignet, in ihrer Rolle als oberste Verbraucherschützer
in Deutschland.“ Aha! In einem eintägigen
Kurs, der als Highlight eine aufregende und
von einer Apothekerin geführte Exkursion zu einem
handelsüblichen Lebensmittelladen bietet, erfährt der
Apotheker von seiner Kollegin vor Ort alles Wissenswerteüber Lebensmittel, Kochen und Ernährung.
Damit wird der Diplom-Präventions-Ernährungsberater
in die Lage versetzt, sein Angebot weit über dem
Horizont studierter Ernährungsberater anzusiedeln,
die sich bei ihrem Tun am Schreibtisch erschöpfen.
Denn am Supermarktregal, so die Präventionsexperten,„sieht die Realität ... leider anders aus“. Deshalb
geht „der Präventionsberater Apotheke mit dem Interessierten
einkaufen“. Wir ahnen schon, was dabei im
Einkaufswagen landet. Hoffentlich wird das viele leckere
Laubwerk am Ende nicht im Kühlschrank vergessen
...
Vitaminbonbons und warme Worte
Apropos vergessen: Schon bei „beginnender
Demenz“ hilft der Präventionsapotheker anderen mit
Rat und Tat. Während der Patient, der sich im fortgeschrittenem
Stadium in eine Apotheke verirrt, mit
einem Päckchen Pillen abgespeist wird, erhält der
„Sohn des an Demenz Erkrankten“ vom Präventionsberater
gegen Rechnung ein paar praktische „Tipps“,
wie man Demenz vermeidet. Tja, gewusst wie! Patienten „mit einer ernsthaften Augenkrankheit“ bekommen
ein paar Tropfen, demjenigen, „der sein Augenlicht
erhalten will“, verkauft man nervtötende „Coachings
für ganzheitliches Augentraining“. Ob das mal nicht ins
Auge geht.
Ein paar Tage Aufenthalt in einem Seminarraum
und schon lassen sich mit warmen Worten, klebrigen
Vitaminbonbons oder einer Flasche trüben Olivenöls
jene Krankheiten vermeiden, gegen die die Medizin
bisher weitgehend machtlos war. Schön blöd, wer da
noch eine Ausbildung zum Facharzt beginnt, Ernährungswissenschaften
studiert oder überhaupt irgend
etwas Sinnvolles lernt. Präventions-Apotheker müsste
man sein!