Mikrobiologie und mehr

(Folgender Artikel erschien in der Deutschen Molkereizeitung: dmz 4/2006 S. 36-37)

3) Desulfosporosinus als Sojadrink-Verderber

Herbert Seiler, Werner Back, Ingrid Bohak

Die Gattung Desulfosporosinus wurde vor einigen Jahren von Desulfotomaculum abgetrennt und aufgrund molekularbiologischer Daten als neue Gattung innerhalb der anaeroben Mikroorganismen mit ausgeprägter Sulfatatmung beschrieben (Stackebrandt et. al., 1997). Die Taxa der Desulfurikanten sind heterogen. Manche Arten sind autotroph, andere heterotroph mit Glucose- oder Gluconat-Verwertung. Als Endprodukte können neben Schwefelwasserstoff (H2S) bei einigen Species auch H2 und CO2 entstehen. Desulfosporosinus ist ein Sporenbildner, der den Clostridien nahe steht. Die Sporen sind wenig hitzeresistent, weshalb diese Kontaminanten in Sterilprodukten nur bei starker Untersterilisation auftreten. Die Kultivierung gelingt mit speziellen Nährmedien unter strikt anaeroben Bedingungen. In der Literatur sind H2S-Bombagen von Konserven durch den thermophilen Sporenbildner Desulfotomaculum nigrificans beschrieben.

Wir erhielten als Auftragsuntersuchung einen mit Calcium und Vitaminen angereicherten Sojadrink in Tetra Brik-Verpackung zur mikrobiologischen Untersuchung. Das Produkt hatte einen extrem starken Geruch nach faulen Einern und war auffällig grau - es war wohl etwas Metallsulfid gebildet worden. Die pH-Werte variierten zwischen 6,3 und 7,0, waren also kaum reduziert. Die Packungen waren nicht bombiert. Im mikroskopischen Bild wurden sehr vereinzelt unbewegliche, mittellange, vibrioide Stäbchen gesehen. Der Schaden ließ sich nicht durch Überimpfen von Probenmaterial auf frische Packungen übertragen. Alle mikrobiologischen Ansätze auf aerobe, anaerobe, mesophile, thermophile, sulfatreduzierende und heterotrophe Mikroorganismen waren negativ. In Zusammenarbeit mit der Technologie für Brauerei I wurde ebenfalls erfolglos auf diverse anaerobe Getränkeschädlinge wie Megasphaera, Selenomonas, Propionibacterium, Bacteroides, Pediococcus oder Pectinatus gesucht; allerdings ließen sich die Zellen mit Acridinorange wie lebende Bakterien anfärben. Wir vermuteten, dass die Keime entweder bereits abgestorben waren oder dass es sich um eine chemische Verunreinigung handelte. Im Zentrifugat einer größeren Menge des Sojadrinks erhielten wir schließlich eine hohe Konzentration der gekrümmten Stäbchen. Sehr vereinzelt wurden rund-ovale Sporen in endständigen, geschwollenen Sporangien gesehen. Über ein Sterilfilter wurde weiter aufkonzentriert und Peptide und Salze entfernt. Das Filter wurde nach Homogenisierung einer 16S-rDNA-PCR und das Produkt einer Sequenzierung unterworfen. Bei einer Länge von 896 gut lesbaren Basen ergab sich mit 96,6% Homologie die Art Desulfosporosinus sp. und mit 95,7% die Art Desulfosporosinus auripigmenti. Hierbei handelte es sich eindeutig um den Schadensverursacher. Möglicherweise ist es neue Species; schließlich liegt 96,6% Homologie unterhalb der 97%-Ebene für eine tolerierbare Specieszuordnung.

Die misslungene Kultivierung von diesem Desulfosporosinus sp. lag wohl an dessen besonderen Nährstoffansprüchen und der erforderlichen strikten Anaerobiose. Nicht auszuschließen ist aber auch eine bereits tote Kultur, was die fehlgeschlagene Übertragbarkeit des Schadens indizierte. Dass eventuelle Sporen, die noch lebensfähig waren, im beimpften, unauffälligen Produkt nicht auskeimten und wuchsen, mag an einem zu hohen Redoxpotenzial in diesen Proben gelegen haben. Das Vorliegen von Endosporen würde das Überleben dieser Kontaminanten trotz hoher thermischer Belastung bei der Sterilproduktherstellung erklären. Unklar ist die Quelle für die starke H2S-Bildung. Diese könnte bei den Sojainhaltsstoffen Cystein, Cystin, Methionin, Thiamin, Glutathion etc. liegen; möglich ist auch eine Kontamination mit x-SO2, x-SO3, x-SO4, Thiosulfat und anderen schwefelhaltigen Chemikalien durch Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Interessant könnte auch die Frage der Entstehung der Anaerobiose sein. Bei der UHT-Erhitzung wird der Sauerstoff ausgetrieben - vielleicht wurde auch zusätzlich entgast - gleichzeitig entstehen geringe Mengen H2S und Mercaptan, die dann den Restsauerstoff binden. Somit können nur unmittelbar nach der Produktion obligat anaerobe Keime in dem Produkt anwachsen, in gelagerter Ware dürfte der Sauerstoffpartialdruck wieder erhöht sein. Es blieb ungeklärt, ob die Ursache eine ausgeprägte Untersterilisation war, ob die Keime den Kühler in einem hohen Temperatursegment exklusiv besiedelt hatten oder ob es aufgrund einer Fehlschaltung beim Standleitungssystem zu einer Vermischung mit kontaminiertem Material, beispielsweise dem Faulschlamm einer längere Zeit unbenutzten Leitung mit Produktresten gekommen war. Letzteres würde aber nicht die nachgewiesene Einstammkontamination erklären; plausibel für eine solche Beimischung wäre eher das Vorliegen einer Formenvielfalt. Vielleicht war eine Kombination von Untersterilisation und Überlagerung unter Sauerstoffausschluss ursächlich. Insgesamt gesehen sind bei der interessanten Thematik einige Fragen offen. Diese könnte man erst mit einer Kultivierung der Keime klären. Das Beispiel zeigt die Bedeutung sowohl der modernen, molekularbiologischen als auch der klassischen, kulturellen Methoden.


Abb. 1: Zentrifugat mit Desulfosporosinus sp. von einem Sojadrink mit Geruch nach faulen Eiern.


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