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Bibliothekar (höherer Dienst)

 

Autor: Sebastian Thiele
Letzte Änderung: September 2008

 

Persönliche Voraussetzungen

Der ideale Bibliothekar im höheren Dienst ist nicht der Wissenschaftler, der sich mangels Einstellungschancen an der Universität notgedrungen für eine Bibliotheksausbildung bewirbt. Das historische Fachwissen (und die Promotion (!)) sind zwar unabdingbar, im Vordergrund sollte jedoch echtes Interesse an bibliothekarischen Aufgaben stehen. Fachreferenten sollten daher auch Freude an neuer Informationstechnologie, Teamfähigkeit und die Bereitschaft mitbringen, Bibliotheksbenutzer regelmäßig zu beraten. Je nach Bibliothekarsstelle müssen Sprachkenntnisse nachgewiesen werden: Wer keine Lateinkenntnisse hat, wird sicher nicht Bibliothekar für alte Drucke aus dem 16. Jahrhundert werden (Stellen dieser Art machen jedoch nur einen Bruchteil der Gesamtstellen aus). Die Anzahl möglicher Arbeitgeber ist allerdings sehr begrenzt. Jede Chance auf eine Anstellung muss genutzt werden, so dass zukünftige Bibliothekare bundesweit mobil sein müssen! Gehaltserhöhungen sind zudem sehr enge Grenzen gesetzt.


Ausbildungsweg

Die Ausbildung zum höheren Bibliotheksdienst kann je nach Ausbildungsträger im Rahmen eines Bibliotheksrefenderiats, Bibliotheksvolontariats oder eines Fern- (an der Humboldt-Universität zu Berlin) bzw. Masterstudiums (FH Köln; FH Stuttgart - Hochschule der Medien) absolviert werden. In der Regel dauern diese zwei Jahre.

Der „zweijährige Vorbereitungsdienst im Beamtenverhältnis" ist im Hinblick auf eine Laufbahn im öffentlichen Dienst auf jeden Fall einem speziellen Studiengang vorzuziehen. Die Bewerbung wird direkt an die Ausbildungsbibliothek adressiert; die Auswahl der Bewerber wird jedoch meist im Kultus- oder Wissenschaftsministerium des jeweiligen Bundeslandes getroffen. Das Höchstalter für Bewerber liegt in der Regel bei 32 Jahren (in Hessen allerdings bei 40 Jahren). Mitunter reicht es aus, wenn die Promotion noch nicht ganz fertiggestellt ist, aber ein erstes Gutachten muss zur Bewerbung bereits vorliegen. Für Fachreferenten im Bereich der Geschichtswissenschaften ist faktisch die Promotion unumgänglich, daher sollte man insbesondere die Altersgrenze nicht aus den Augen verlieren. Die Promotion ist deshalb notwendig, weil Fachreferenten alle Benutzer ihrer Bibliothek kennen und gegenüber Wissenschaftlern kompetent auftreten sollten. Praktika im Bibliothekswesen sind von Vorteil, aber nicht zwingend erforderlich.

Die Ausbildung gliedert sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Das Praxisjahr wird an der Ausbildungsbibliothek absolviert und dient dazu, dass der zukünftige Bibliothekar alle Abläufe einer Bibliothek kennen lernt. Nur so kann er als spätere Führungskraft die Aufgaben des mittleren Bibliotheksdienstes richtig einschätzen.
Am traditionsreichsten ist die theoretische Ausbildung an der Bayerischen Bibliotheksschule in München.

Das theoretische Jahr endet mit der Laufbahnprüfung als "Bibliotheksassessor". Nach erfolgreichem Abschluss hat man jedoch keine Anstellungsgarantie. Allerdings sind die Chancen auf eine Anstellung gut, da die Zahl der Mitbewerber sehr gering ist. Mit einer Vakanzzeit von drei bis fünf Monaten sollten Historiker jedoch auf jeden Fall rechnen.


Berufsprofil

Der klassische Arbeitsplatz ist der eines Fachreferenten an einer wissenschaftlichen Bibliothek. Manchmal werden auch Fächer betreut, für die man kein abgeschlossenes Hochschulstudium nachweisen kann. Die fachwissenschaftliche Arbeit lässt sich in drei Hauptpunkten beschreiben:

Erstens der Aufbau und die Pflege des Bestandes. Das kann z. B. der Erwerb neuer Veröffentlichungen und weiterer Datenbanklizenzen sein. Dies findet im Rahmen eines Richtlinienetats und evtl. in Abstimmung mit anderen angeschlossenen Bibliotheken statt.

Zweitens die Bestandserschließung, beispielsweise mit Schlagwörtern im Online-Publikumskatalog.

Drittens die Vermittlung methodischen Wissens an Nutzer der Bibliothek, wie etwa eine effiziente Datenbanknutzung. Insbesondere dieser Bereich gewinnt an Bedeutung. Neben diesen Kernaufgaben beteiligt sich der Fachreferent in der Regel noch an mehreren Projekten (die Vorbereitung von Ausstellungen; Erstellung von Artikeln für die Mitarbeiterzeitschrift etc.).

Die organisatorische Arbeit, also die Mitarbeit in der hauseigenen Verwaltung, ist das zweite große Aufgabengebiet eines Fachreferenten. Auch in einer Wissenschaftlichen Bibliothek müssen klassische Management-Aufgaben, wie die Haushalts- und Personalplanung oder die Öffentlichkeitsarbeit, erledigt werden. Eine Bibliothek ist vom Aufgabenspektrum her gesehen mit einem mittelständischen Betrieb vergleichbar. Die fachliche Tätigkeit steht aber im Vordergrund. Mit zunehmender Berufspraxis wächst man in diese Aufgabengebiete hinein.

Die Arbeit als Fachreferent gehört zu den wenigen Berufen für Historiker, bei denen man sich tatsächlich die meiste Arbeitszeit über mit historischen Inhalten beschäftigt. Der Zugang zur Geschichtswissenschaft verlagert sich in der Bibliothek jedoch auf das methodische Handwerkszeug. Eigene wissenschaftliche Publikationen können nur bei Bereitschaft zu zahlreichen Überstunden angefertigt werden. Allerdings werden Forschungen auf dem Gebiet des Buch- und Bibliothekswesens hauptsächlich von wissenschaftlichen Bibliothekaren veröffentlicht.


Chancen

Als Faustregel gilt: Jede deutsche Hochschule hat zumindest eine Fachreferenten-Position zu vergeben, für die ein Historiker gebraucht wird. Universitätsbibliotheken sind der größte Arbeitgeber für Bibliothekare. Stellen, die auch im weitesten Sinne Historiker ansprechen, dürften aber das drei bis vierfache ausmachen. 1992 gab es insgesamt etwa 1.700 Stellen des höheren Bibliotheksdienstes. Von einer ähnlichen Anzahl müssen Historiker auch heute ausgehen. Die Stellenanzahl wird voraussichtlich nicht mehr erhöht.

Für einzelne Bibliothekare bietet sich auch die Möglichkeit, bspw. bei der Bundeswehr oder einem privaten Unternehmen die Bibliothek zu führen.

Studenten, die diesen Berufsweg anstreben, müssen zwei Hürden überwinden: Das ist zum einen die Promotion, die formal nicht zwingend erforderlich, doch gerade für Historiker aufgrund der starken Konkurrenzsituation unumgänglich geworden ist. Fachreferenten ohne Promotion sind beispielsweise in den Wirtschaftswissenschaften vertreten, was aber nur daran liegt, dass hier schlicht die Zahl der Bewerber sehr viel geringer ist.

Zum anderen muss man einen der raren Ausbildungsplätze ergattern (vgl. Ausbildungsweg). Um hier die Chancen zu erhöhen, bietet sich vielleicht ein Praktikum an, das aber nicht zwingend in einer Bibliothek zu absolvieren ist (tatsächlich bieten die meisten Bibliotheken auch kein reines Informationspraktikum an). Auch ein Einblick in das Verlagswesen ist für den späteren Beruf sehr hilfreich. Zusätzliche Kenntnisse im EDV-Bereich gewinnen immer mehr an Bedeutung für die Tätigkeit eines Fachreferenten. Die „Knock-Out Kriterien" im Vorstellungsgespräch sind jedoch Alter, Promotion und Noten. Auf diese drei Kriterien sollten Bewerber also ihr Hauptaugenmerk richten. Interessant ist sicher auch, die Promotion online zu veröffentlichen (Stichwort „Open-Access-Bewegung"). Die Chancen auf eine Anstellung erhöhen sich, wenn neben Geschichte ein naturwissenschaftliches oder wirtschaftswissenschaftliches Fach studiert wird.

Mögliche Arbeitgeber sind neben Hochschulbibliotheken auch Staats-, Landes- und zentrale Fachbibliotheken. Die Tätigkeit als Dozent in einer bibliothekarischen Ausbildungsstätte wird des Weiteren von wissenschaftlichen Bibliothekaren übernommen.

Das Gehalt im höheren Bibliotheksdienst beginnt bei ca. 2.800€ und kann je nach Stellung bis zu 4.200€ betragen (Stand: Winter 2006). Im Volontariat werden etwas über 1.000€ verdient. Deutschland rangiert damit im internationalen Vergleich noch an der Spitze. Allerdings zeichnet sich eine für Bibliothekare negative Entwicklung ab: Berufsanfänger werden meist nicht mehr wie gewohnt im Beamtenverhältnis eingestellt, sondern im „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst" (TVöD). Das ist durchaus ein finanzieller Unterschied. Überdurchschnittliche Gehälter sind im Bibliothekswesen kaum zu erwarten. Es gibt nur wenige Posten, die mit hohen Besoldungsgruppen verbunden sind.

Weitere verwandte Artikel auf Berufe-für-Historiker.de: Interview mit Volker Wittenauer, Fachreferent für Geschichte und Romanistik, Universitätsbibliothek Heidelberg


Weblinks

Bayerische Bibliotheksschule

Bibliotheksdienst - Dies ist das zentrale Blatt für alle Bibliothekare. U. a. mit allen Stellenangeboten (z. T. auch aus der Schweiz und Österreich)

Der Verein Deutscher Bibliothekare

Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen - interessante Plattform für Bibliothekare

INETBIB - Die Kommunikationsplattform für Bibliothekare

Merkblatt über die Ausbildung für den höheren Bibliotheksdienst an wissenschaftlichen Bibliotheken in Baden-Württemberg

Newsletter "Bibliothek Aktuell"

Postgraduales Fernstudium "Bibliotheks- und Informationswissenschaft" an der Berliner Humboldt-Universität

Eric W. Steinhauer: Die Ausbildung der Wissenschaftlichen Bibliothekare und das Laufbahnrecht - als PDF-Volltext

Stellenservice Bibliothekswesen


Literaturhinweise

Frankenberger, Rudolf: Blätter zur Berufskunde. Bibliothekar/Bibliothekarin (höherer Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken. Herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit; Nr. 3 - X B 01, 1994

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