"Irak - Stoppt die Eskalation! Deutsche Unterstützung
der Besatzung beenden!"*
Unter diesem Motto protestieren namhafte Völkerrechtler, Abgeordnete
des Deutschen Bundestages und Friedensaktivisten gegen die militärische
Eskalation im Irak. Vom neu gewählten Bundestag und der zukünftigen
Bundesregierung fordern sie ein Ende der Unterstützung von
Krieg und Besatzung.
17. Oktober 2005
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Irak - Stoppt die Eskalation! - Deutsche Unterstützung der
Besatzung beenden!
Weitgehend unbeachtet von den großen Medien führten
die US-Truppen Anfang September eine neue Großoffensive gegen
die nordirakische Stadt Tal Afar durch. Erneut kamen Hunderte Frauen,
Männer und Kinder ums Leben oder wurden verwundet. Die meisten
der 200 000 Einwohner sind geflohen. Zuvor waren Samarra, Bakuba,
Qaim, Hit, Haditha Opfer ähnlicher Angriffe geworden. Falludscha
liegt seit November 2004 in Trümmern.
Dieses brutale militärische Vorgehen heizt die Gewalt weiter
an, durch den Einsatz kurdischer und radikal-schiitischer Milizen
drohen bürgerkriegsähnliche Zustände.
Wir verurteilen diese Terrorakte der Besatzungstruppen. Ebenso
verurteilen wir selbstverständlich auch die Anschläge
terroristischer Gruppen auf unbeteiligte Zivilisten. Doch auch diese
sind Folge der US-amerikanischen Besatzung, die die Hauptursache
für die Probleme im Irak ist und keinesfalls zu ihrer Lösung
beitragen kann.
Die Besatzung ist weder durch die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats
noch durch Wahlen unter US-amerikanischem Protektorat rechtmäßig
geworden. Statt sie zu beenden und dem irakischen Volk die Organisation
seiner Gesellschaft selbst zu überlassen, sowie die Mittel
zur Beseitigung der angerichteten Zerstörungen bereitzustellen,
setzt die US-Regierung auf eine völlig abhängige Regierung
und die militärische Vernichtung des Widerstandes. Die Besatzungspolitik
vertieft absichtlich die ethnischen, konfessionellen und religiösen
Gegensätze in der irakischen Gesellschaft und bedroht die staatliche
Einheit des Irak. Die nun vorgelegte neue Verfassung bekräftigt
diese Tendenzen. An der Besatzungsrealität selbst wird sie
nichts ändern.
Wir fordern die Regierung der Vereinigten Staaten auf, ihre Truppen
ohne Bedingungen aus dem Irak abzuziehen und Wiedergutmachung für
die angerichteten Schäden zu leisten.
Wir fordern den UN-Sicherheitsrat auf, endlich die gravierenden
Verstöße der Besatzungsmächte gegen Menschenrechte,
Genfer Konventionen und andere Abkommen auf die Tagesordnung zu
setzen.
Wir fordern die Fraktionen des neu gewählten Bundestages und
die zukünftige Bundesregierung auf, der politischen, ökonomischen
und militärischen Unterstützung dieses Verbrechens - die
nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls ein "völkerrechtliches
Delikt" ist - unverzüglich ein Ende zu bereiten und auf
die Verbündeten einzuwirken, ihre Truppen aus dem Irak zurückzuziehen.
Wir fordern Asyl für all jene Soldaten, die sich weigern, im
Irak Krieg zu führen.
Erstunterzeichner:
Hans von Sponeck, ehem. Koordinator des humanitären UN-Hilfsprogramms
für Irak
Prof. Norman Paech, MdB, Hochschule für Wirtschaft und Politik,
Hamburg
Werner Ruf, Prof. em., Gesamthochschule Kassel
Joachim Guilliard, Initiative Internationales Irak-Tribunal ITI,
Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg
Prof. Dr. Gregor Schirmer, Völkerrechtler, Woltersdorf
Prof. Wolfgang Richter, Europäisches Friedensforum, Vorsitzender
der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde
e.V., Berlin
Matthias Jochheim , IPPNW, Kooperation für den Frieden, Frankfurt
Willi van Ooyen, Friedens- und Zukunftswerkstatt e. V., Bundesausschuß
Friedensratschlag, Frankfurt
Laura von Wimmersperg, Moderatorin der Berliner Friedenskoordination,
Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim Internationalen
Versöhnungsbund - Deutscher Zweig, Freising
Heidi Scharf, Gewerkschaftssekretärin IGM und Bundesvorstandsmitglied
der WASG
Christine Buchholz, Bundesvorstand WASG
Harry Siegert, Gewerkschaftssekretär DGB Rhein-Neckar-Heidelberg,
Viernheim
Thomas Immanuel Steinberg, Gewerkschaftlicher Arbeitskreis Frieden
Hamburg
Dr. Johannes M. Becker, Universität Marburg
Hanne Adams, Thüringer Friedenskoordination, Lehrerin i.R.,
Bedheim
Bettina Müller-Sidibé, Nord Süd Forum, Frankfurt
am Main
Dr. Manfred Lotze, IPPNW, Hamburg
Hartmut Drewes, Pastor i.R., Bremen
Wolfgang Kuhlmann, Jurist, FriedensTreiberAgentur, Düsseldorf
Barbara Fuchs, Kulturwissenschaftlerin, Attac Globalisierung &
Krieg, Berlin
Klaus Hartmann, Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes,
Offenbach
Klaus von Raussendorff, Vereinigung für Internationale Solidarität
(VIS) e.V., Bonn
Bernd Klagge, Bonner Friedensbündnis
Ellen Rohlfs, Gush Shalom-Mitglied
Claudia Karas, Aktionsbündnis für einen gerechten Frieden
in Palästina
Barbara Heller, Bremen
Dr. Alexander Bahar, Historiker und Publizist, Heilbronn
Dimitri Tsalos, Deutsches Komitee Freier Irak, Köln
Urs Kleinert, attac Berlin
Dr. Ernst Uhl, Bremen
Dr. Brigitta Huhnke, , Hamburg
Bettina Müller-Sidibé, Nord Süd Forum Frankfurt
am Main
Ursula Kleinert-Gentz, Bergisch Gladbach
Dr. Hella de Souza, Bremen
Zum Hintergrund und unmittelbaren Motivation des Appells
Zu Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan haben US-Besatzungstruppen
im Irak erneut Großoffensiven gestartet. An der irakisch-syrischen
Grenze begann die Offensive "Eiserne Faust". Schwerpunkt
der Operation "Flußtor" waren die Städte Haklanija,
Parwana und Haditha in der westirakischen Provinz Anbar. Schwere
Bombardements durch US-Kampfflugzeuge untersützten die Angriffe.
Gezielt wurden dabei auch sieben Euphrat-Brücken in Haditha
und Haklania zerstört. In vielen Stadtteilen brach die Versorgung
zusammen.
Bereits Anfang September vertrieb eine Großoffensive gegen
Tal Afar die meisten der 200.000 Einwohner der nordirakischen Stadt.
Einige Stadtviertel wurden dabei zerstört, Hunderte Frauen,
Männer und Kinder kamen ums Leben oder wurden verwundet. Zuvor
waren Samarra, Baqouba, Qaim und Hit Opfer ähnlicher Angriffe
geworden.
Die Besatzungsmacht will nach eigenen Angaben damit einen ungehinderten
Verlauf des Verfassungsreferendums am 15. Oktober sichern. Es ist
jedoch offensichtlich, dass dadurch gerade in den Hochburgen ihrer
Gegner eine reguläre Durchführung des Referendums unmöglich
wird.
Anfang September schlug die UN-Unterstützungsmission für
den Irak, UNAMI, wegen dem Ausbreiten von Todesschwadronen und Folter
Alarm. Sie zeigte sich tief besorgt über die wachsende Zahl
außergerichtlicher Hinrichtungen und die exzessive Anwendung
von Gewalt durch irakische Polizei, Spezialkommandos und Besatzungstruppen,
Massenverhaftungen und die systematische Folterungen auf Polizeistationen.
Stark kritisiert wurden auch die umfassenden Militäroffensiven,
die zur Vertreibung großer Teile der Bevölkerung führten
und den Einsatz illegaler oder geächteter Waffen (UN Assistance
Mission for Iraq (UNAMI), Human Rights Report, 1 July - 31 August
2005, AP-Bericht: UN raises alarm on death squads and torture in
Iraq).
Berichte des UN-Generalsekretärs, Amnesty Internationals und
des Internationalen Roten Kreuzes zeichnen ebenfalls ein düsteres
Bild der Menschenrechtslage im Irak. Eine statistische Erhebung
des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) belegt, wie dramatisch sich
auch die Lebensbedingungen seit Kriegsbeginn verschlechtert haben.
So stellt sich knapp zusammengefasst die Situation des Iraks unter
Besatzung dar, einer Besatzung, die auch von Deutschland unterstützt
wird. Wie das kürzlich ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
im Fall des Majors Pfaffs bestätigt, ist die "Beihilfe
zu einem völkerrechtlichen Delikt selbst ein völkerrechtliches
Delikt." (Auszüge aus dem Urteil u. a. in junge Welt vom
10.9.2005)
Nicht nur die militärischen Offensiven, auch der Entwurf einer
neuen Verfassung, über den am 15. Oktober abgestimmt werden
wird, heizt den Konflikt weiter an.
Wir bitten Sie, unseren Appell zu unterstützen und mit geeigneten
Mitteln auf ein Ende der deutschen Unterstützung für Krieg
und Besatzung im Irak hinzuwirken.
Wie Sie den Appell unterstützen können
Wer den Appell unterzeichnen möchte, sende eine E-Mail an:
Joachim.Guilliard@t-online.de, ein Fax an 06221/168995 oder schreibe
an
Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg, c/o Joachim Guilliard,
Viktoriastr. 48, 69126 Heidelberg.
Siehe auch: http://www.iraktribunal.de/dokus/appell_okt2005.htm
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