Gezielter Eingriff in das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung
Eine Beleidigung des US-Präsidenten stellt nach geltendem
deutschen Recht keine strafbare Handlung dar. Dennoch ist die Polizei
in Mainz beim Besuch von US-Präsident Bush im Februar dieses
Jahres gegen Demonstranten, die Kritik an Bush übten, strafrechtlich
vorgegangen. Eine Strafanzeige des Rechtsanwalts Armin Fiand gegen
das widerrechtliche Verhalten der Beamten hat die Oberstaatsanwaltschaft
Mainz abgewiesen. Gegen diesen Bescheid hat der Hamburger Jurist
Rechtsmittel eingelegt.
25. September 2005
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Schon im Vorfeld des Besuchs von US-Präsident George W. Bush
in Mainz im Februar dieses Jahres hatte die Mainzer Polizei angekündigt,
dass keine Transparente mit beleidigendem Inhalt gegen Bush geduldet
und die Träger solcher Transparente strafrechtlich verfolgt
würden. Sie hatte in den Medien verbreiten lassen, dass die
Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten
mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe
geahndet werden könne.
Diese Einschüchterung hatte den Zweck, die Gegner des Irak-Krieges
mundtot zu machen und Bush einen harmonischen, ungestörten
und kritikfreien Besuch zu ermöglichen. Tatsächlich ist
die Polizei gegen einige Demonstranten wegen angeblicher Beleidigung
des US-Präsidenten vorgegangen.
Eine rechtliche Handhabe dafür gab es nicht. Die Beleidigung
eines ausländischen Staatsoberhauptes kann nur dann strafrechtlich
verfolgt werden, wenn vier Voraussetzungen vorliegen, von denen
die der "Gegenseitigkeit" hier nicht gegeben war und auch
nicht nachholbar ist. Aus diesem Grunde hat der Hamburger Rechtsanwalt
Armin Fiand gegen die Beamten, die die Maßnahmen angeordnet
und/oder ausgeführt haben, Strafanzeige erstattet, vor allem
wegen des Verdachts der "Verfolgung Unschuldiger, § 344
StGB". Der Oberstaatsanwalt hat die Sache wegen der grundsätzlichen
Bedeutung der Angelegenheit an sich gezogen und es mit Bescheid
vom 30. Juli 2005 abgelehnt, gegen die Beamten strafrechtlich einzuschreiten.
Gegen diesen Bescheid hat Armin Fiand mit Schriftsatz vom 22. September
2005 Gegenvorstellungen erhoben bzw. Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt.
Wir dokumentieren im Folgenden den Wortlaut des Schriftsatzes:
Leitender Oberstaatsanwalt
Mainz
Ernst-Ludwig-Straße 7
55116 Mainz
412 E 3/05 und 3011 Js 8939/05
23. September 2005
Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Mieth,
wegen Ihres ablehnenden Bescheides vom 30.07.2005 erhebe ich
Gegenvorstellungen.
Sollten Sie nicht bereit sein, auf Grund dieser Gegenvorstellungen
die Ermittlungen wieder aufzunehmen und durchzuführen, lege
ich schon jetzt
Dienstaufsichtsbeschwerde
wegen unrichtiger Sachbehandlung ein.
Ihr Bescheid gibt mir Rätsel auf, weil Ihre Argumente mit dem
eigentlichen Thema nichts zu tun haben.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder haben Sie mein Vorbringen
nicht verstanden (was ich für ausgeschlossen halte, weil ich
meine, mich verständlich ausgedrückt zu haben) oder Sie
haben es nicht verstehen wollen (was für mich wesentlich wahrscheinlicher
ist).
1.
Der Sachverhalt, um den es geht, ist doch ganz einfach:
Der amerikanische Präsident George W. Bush ist in Deutschland
sehr unbeliebt, weil er von der Mehrheit der Bevölkerung als
jemand angesehen wird, der durch seine Politik den Weltfrieden stört.
Die
Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden mussten deshalb damit
rechnen, dass der Besuch des amerikanischen Präsidenten in
Mainz die Bevölkerung nicht veranlassen werde, Jubelchöre
aufzustellen und Jubelspaliere zu bilden, sondern zu heftigen Protesten
führen würde. Es wurde überlegt, wie man es Bush
ersparen könne, mit der Wirklichkeit konfrontiert zu werden.
Man entwickelte ein umfangreiches "Sicherheitskonzept",
das im Kern zum Inhalt hatte, weiträumige Absperrungen vorzunehmen.
Auf diese Weise sollte Bush derart abgeschottet werden, dass ihm
niemand zu nahe kommen kann. Es sollte auch jede Unannehmlichkeit,
und sei sie nur optischer oder akustischer Art, von ihm ferngehalten
werden. Zu diesem Zweck ließen die Behörden unter anderem
in den Medien verbreiten, dass die Beleidigung eines ausländischen
Staatsoberhauptes nach deutschem Recht strafbar sei. Man werde es
nicht hinnehmen, wenn Bush auf Transparenten usw. beleidigt werde,
sondern gegen die Urheber vorgehen und sie strafrechtlich zur Verantwortung
ziehen. Das ergibt sich aus den entsprechenden Presseverlautbarungen,
von denen ich annehme, dass sie bekannt sind. Sollte das nicht der
Fall sein, bin ich gern bereit, sie Ihnen vorzulegen.
2.
Natürlich brauchte man für diese Einschüchterung
eine "rechtliche Grundlage". Man fand sie in § 103
StGB und in Nr. 210 der Richtlinien für das Strafverfahren.
Nr. 210 der Richtlinien bestimmt, dass der Staatsanwalt bei Handlungen
gegen ausländische Staaten (§§ 102 bis
104 a StGB) beschleunigt die im Interesse der Beweissicherung notwendigen
Ermittlungen durchführen sowie die Umstände aufklären
soll, die für die Entschließung des verletzten Staates,
ein Strafverlangen zu stellen und für die Entschließung
der Bundesregierung, die Ermächtigung zur Strafverfolgung zu
erteilen, von Bedeutung sein können.
3.
Tatsächlich gab die Richtlinie für das Vorgehen der Behörden
nichts her. Denn (ich wiederhole es):
Die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes kann
nach
§§ 103, 104 a StGB nur dann strafrechtlich verfolgt werden,
wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
· die Bundesrepublik Deutschland muss zu dem anderen Staat
diplomatische Beziehungen unterhalten
· die Gegenseitigkeit muss verbürgt sein
· die ausländische Regierung muss ein Strafverlangen
stellen
und
· die Bundesregierung muss die Ermächtigung zur Strafverfolgung
erteilen.
4.
Gegenseitigkeit bedeutet, dass die Bundesrepublik Deutschland im
betreffenden Auslandsstaat einen gleichwertigen Rechtsschutz genießen
muss, und zwar kraft einer den anderen Staat bindenden Rechtsgrundlage.
Deren Einhaltung durch die praktische Rechtshandhabung bei den Auslandsgerichten
muss gesichert sein.
Mit anderen Worten: Eine Beleidigung des US-Präsidenten Bush
kann nur dann in Deutschland verfolgt werden, wenn umgekehrt auch
in den USA eine Beleidigung des deutschen Bundespräsidenten
oder des deutschen Bundeskanzlers strafbar ist und die Strafverfolgungsbehörden
und die Gerichte in den USA dieses Delikt ahnden.
Den von mir beim Bundesjustizministerium und dem Max-Planck-Institut
für ausländisches und internationales Strafrecht eingeholten
Auskünften lässt sich entnehmen, dass die Gegenseitigkeit
im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschlands zu den USA nicht
gewährleistet bzw. verbürgt ist. Die Beleidigung des deutschen
Bundespräsidenten oder des deutschen Bundeskanzlers wird in
den USA strafrechtlich nicht verfolgt, weder von Amts wegen noch
auf Antrag.
Ich lege diese Auskünfte
Fax des Bundesjustizministeriums an mich vom 28.02.2005 als
Anlage 1
und
Schreiben des Max-Planck-Institut für ausländisches und
internationales Strafrecht an mich vom 28.02.2005 als
Anlage 2
vor.
5.
Da nach § 104 a StGB die Beleidigung eines ausländischen
Staatsoberhauptes nur dann verfolgt werden darf, wenn sämtliche
Voraussetzungen vorliegen, war und ist hier eine Strafverfolgung
wegen Beleidigung des US-Präsidenten nicht möglich, weil
es an einer der vier Prozessvoraussetzungen, nämlich der "Gegenseitigkeit"
fehlt.
Wegen Fehlens dieser Prozessvoraussetzung kommt es weder darauf
an, dass die ausländische Regierung ein Strafverlangen stellt,
noch darauf, dass die Bundesregierung eine Ermächtigung zur
Strafverfolgung erteilt. Beides würde ins Leere gehen, weil
eine Strafverfolgung schon mangels "Gegenseitigkeit" nicht
in Betracht kommt.
Nr. 210 der Richtlinien für das Strafverfahren behandelt lediglich
den Fall, dass die beiden Prozessvoraussetzungen - Strafverlangen
und Ermächtigung - noch nicht vorliegen. Die Strafverfolgungsbehörden
sind in diesem Fall befugt, die beschriebenen Maßnahmen quasi
vorsorglich durchzuführen. Fehlt es an der Gegenseitigkeit,
kann Nr. 210 der Richtlinien nicht angewendet werden, weil die Gegenseitigkeit,
wie aus dem eindeutigen Wortlaut des § 104 a StGB hervorgeht,
sowohl zur Zeit der Tat als auch bei der Aburteilung verbürgt
sein muss, also nicht mit rückwirkender Geltung nachgeholt
werden kann.
6.
Diese unüberwindliche Hürde war auch den beteiligten
Stellen und Personen bekannt. Sie hofften jedoch, dass dies niemand
so schnell merken würde, weil der Wortlaut der Richtlinie,
wenn man sie isoliert, also nicht auf dem Hintergrund der §§
103 ff. StGB liest, das Vorgehen der Behörden zu rechtfertigen
schien.
Die Behörden haben gezielt und bewusst in das Grundrecht der
freien Meinungsäußerung eingegriffen. Die Beamten sind,
ohne dass dies rechtlich erlaubt gewesen wäre, also widerrechtlich,
gegen die Demonstranten, die sich nicht haben mundtot machen lassen,
strafrechtlich vorgegangen, indem sie ihnen die Transparente aus
der Hand gerissen, Sicherstellungen und Beschlagnahmen durchgeführt,
Personalien festgestellt haben, in Wohnungen eingedrungen sind und
Ermittlungsverfahren eingeleitet haben.
7.
Dies alles ohne Rücksicht darauf, dass sich die Bush-Gegner
gegen einen Krieg gewandt haben, der völkerrechtswidrig war
und ist und dem bisher nach einer von US-Wissenschaftlern erstellten
und im renommierten Wissenschaftsmagazin "The Lancet"
veröffentlichten Studie über 100.000 Menschen, vor allem
Frauen und Kinder, zum Opfer gefallen sind, "Peanuts"
oder eine "Quantité négligeable" wie die
neokonservative Führungsclique der USA, die den Vökerrechtsbruch
zu verantworten hat, sicherlich in ihrem menschenverachtenden Jargon
sagen würde.
8.
Ihnen, sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt, wird das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2005 (Aktenzeichen: 2 WD
12.04) bekannt sein, das seit dem 01.09.2005 in der vollständigen
Fassung von der Web-Site des Bundesverwaltungsgerichts heruntergeladen
werden kann.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil mit den völkerrechtlichen
Grundlagen des Irak-Krieges beschäftigt und ausgeführt:
5.
a) Gegen den am 20. März 2003 von den USA und vom Vereinigten
Königreich (UK) begonnenen Krieg gegen den Irak bestanden und
bestehen gravierende rechtliche Bedenken im Hinblick auf das Gewaltverbot
der UN-Charta und das sonstige geltende Völkerrecht (dazu 4.1.4.1.1).
Für den Krieg konnten sich die Regierungen der USA und des
UK weder auf sie ermächtigende Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates
(dazu 4.1.4.1.1a) noch auf das in Art. 51 UN-Charta gewährleistete
Selbstverteidigungsrecht stützen (dazu 4.1.4.1.1b).
b) Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat nach den vom
Senat getroffenen
Feststellungen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen den Irak den
Regierungen der
USA und des UK die Zusagen gemacht und erfüllt, für den
Luftraum über dem deutschen Hoheitsgebiet "Überflugrechte"
zu gewähren, ihre in Deutschland gelegenen "Einrichtungen"
zu nutzen und für den "Schutz dieser Einrichtungen"
in einem näher festgelegten Umfang zu sorgen; außerdem
hat sie dem Einsatz deutscher Soldaten in AWACS-Flugzeugen zur "Überwachung
des türkischen Luftraums" zugestimmt.
c) Gegen diese Unterstützungsleistungen bestanden/bestehen
gravierende völkerrechtliche
Bedenken, die der Sache nach für den Soldaten Veranlassung
waren, die Ausführung der ihm erteilten beiden Befehle zu verweigern,
weil er sonst eine eigene Verstrickung in den Krieg befürchtete.
Anhaltspunkte und Maßstab für die Beurteilung der Völkerrechtsmäßigkeit
der Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Krieges ergeben
sich aus der von der UN-Generalversammlung im Konsens beschlossenen
"Aggressionsdefinition" (Art. 3 Buchst. f) vom 14. Dezember
1974, den Arbeiten der "International Law Commission"
sowie aus dem völkerrechtlichen Neutralitätsrecht, das
vor allem in dem V. Haager Abkommen vom 18. Oktober 1907 normiert
ist, das in Deutschland seit dem 25. Oktober 1910 in Kraft ist und
dessen Regelungen auch in die vom Bundesminister der Verteidigung
erlassene Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) 15/2 vom August 1992 aufgenommen
worden sind (dazu 4.1.4.1.2 und 4.1.4.1.4))
d) Von den sich daraus ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtungen
wurde die Bundesre-
publik Deutschland im Irak-Krieg nicht dadurch freigestellt, dass
sie Mitglied der NATO war
und ist, der auch die Krieg führenden Staaten (USA, UK sowie
weitere Mitglieder der Kriegs-
koalition) angehören (dazu 4.1.4.1.3). Weder der NATO-Vertrag
(dazu 4.1.4.1.3a), das NATO-Truppenstatut, das Zusatzabkommen zum
NATO-Truppenstatut (dazu 4.1.4.1.3b) noch der Aufenthaltsvertrag
(dazu 4.1.4.1.3c) sehen eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland
vor, entgegen der UN-Charta und dem geltenden Völkerrecht völkerrechtswidrige
Handlungen von NATO-Partnern zu unterstützen.
9.
Und Ihnen, sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt, wird auch bekannt
sein, dass der ehemalige US-Außenminister Colin Powell, der
die Aufgabe hatte, im Februar 2003 in einer zweieinhalbstündigen
Multi-Media-Show vor dem UN-Sicherheitsrat der Weltöffentlichkeit
den damals bevorstehenden Krieg gegen den Irak schmackhaft zu machen,
vor einigen Tagen in einem Interview erklärt hat, die Rede
vor dem Sicherheitsrat sei ein "Schandfleck" in seiner
politischen Karriere, er fühle sich "furchtbar",
dass er damals angebliche Beweise für Massenvernichtungswaffen
vorgelegt habe, die sich als falsch erwiesen hätten.
Die in der Show vorgetragenen "Fakten" waren allesamt
erdichtet und erlogen. Der Irak hatte keine Massenvernichtungswaffen,
wie das Saddam Hussein auch stets beteuert hatte.
Das Weiße Haus hatte bereits kurz nach dem 11.09.2001 entschieden,
in den Irak einzumarschieren, um den USA einen Zugang zum zweitgrößten
Erdölvorkommen der Welt zu sichern und ihnen eine Operationsbasis
dafür zu schaffen, den gesamtem nahöstlichen Raum nach
ihren Vorstellungen und Bedürfnissen mittel- oder längerfristig
geopolitisch neu zu ordnen. Ob der Irak Massenvernichtungswaffen
hatte oder nicht, war völlig gleichgültig. Das "Ringen"
im Sicherheitsrat war eine reine Farce.
Die Kriegsgegner hatten auf diese Aspekte von Anfang an hingewiesen.
10.
Wenn man sich diese Fakten vor Augen führt, muss die Frage
gestellt werden, was eigentlich so falsch daran sein soll, wenn
jemand der Meinung ist, Bush sei ein "Lügner", ein
"Kriegshetzer und -treiber", er sei ein "Staatsterrorist",
"Kriegsverbrecher" und "Mörder". Was soll
an solchen Meinungsäußerungen beleidigend sein? Die Vorschriften
der §§ 103 ff. StGB verbieten es nicht, die Dinge beim
Namen zu nennen und die Wahrheit zu sagen.
Es gab also keinen strafrechtlichen Grund, wegen des Verdachts
der Beleidigung des amerikanischen Präsidenten irgendwelche
Maßnahmen zu ergreifen. Der eigentliche Grund war der, diejenigen,
die gegen Bush ihren Protest anbringen wollten, einen Maulkorb umzuhängen
und ihnen einen Denkzettel zu verpassen.
11.
Warum haben die Behörden in Mainz Herrn Bush, als er die Stadt
besuchte, potemkinsche Dörfer vorgeführt? Warum heißt
man einen Mann wie Bush als "guten und verlässlichen Freund"
willkommen und setzt sich mit ihm an einen Tisch, so als sei der
Irak-Krieg längst zu einer unbedeutenden Fußnote der
Geschichte geworden?
Hatte man verdrängt, dass in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen
nach dem Zweiten Weltkrieg die Vorbereitung und das Führen
von Angriffskriegen einer der Hauptanklagepunkte gewesen ist?
Das Internationale Tribunal erklärte damals, dass "Krieg
im Wesentlichen etwas Böses ist. Seine Folgen beschränken
sich nicht nur auf die kriegführenden Staaten, sondern sie
treffen die ganze Welt. Einen Angriffskrieg einzuleiten ist daher
nicht nur ein internationales Verbrechen, es ist das größte
internationale Verbrechen und unterscheidet sich von anderen Kriegsverbrechen
insofern, als dass es die Summe des gesamten Bösen in sich
enthält."
In den Jahren 1945/46 waren die Vereinigten Staaten die nachdrücklichsten
Verfechter der These, dass das Einleiten eines Angriffskriegs ein
Verbrechen darstellt. Der Oberste Richter Robert Jackson, der als
Hauptankläger der Vereinigten Staaten fungierte, erklärte,
dass die Rechtsprinzipien der Nürnberger Prozesse von universeller
Gültigkeit seien. Er betonte, dass
"wenn bestimmte Verstöße gegen ein Abkommen ein
Verbrechen darstellen, ist dies sowohl der Fall, wenn die Vereinigten
Staaten sie begehen, als auch wenn Deutschland sie begeht. Wir sind
nicht bereit, kriminelle Verhaltensregeln gegen andere festzulegen,
deren Anwendung wir nicht auch gegen uns zulassen würden."
Und Sir Hartley Shawcross, der britische Hauptankläger, erklärte
in seiner Eröffnungsrede vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal:
"Wenn dies [die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit]
eine Neuerung darstellt, so handelt es sich um eine längst
überfällige Neuerung, eine wünschenswerte und segensreiche
Neuerung, die mit der Gerechtigkeit, mit dem gesunden Menschenverstand
und mit den ewigen Zielen des Völkerrechts voll übereinstimmt."
Soll das alles heute keine Gültigkeit mehr haben?
12.
Sie schreiben in Ihrem Bescheid:
Ihr Kerneinwand, es hätte bereits im Vorfeld des Besuches
geprüft werden müssen, ob seitens der Vereinigten Staaten
von Amerika die im Sinne von § 103 StGB erforderliche Gegenseitigkeit
verbürgt ist, geht fehl. Denn die Beurteilung dieser Frage
ist davon abhängig, welche konkrete Handlung unter strafrechtlichen
Gesichtspunkten überhaupt zur Diskussion steht. Es ist nicht
erkennbar, wie dies bereits im Vorfeld hätte geklärt werden
können.
Die Fragestellung, die Sie aufwerfen, wäre, soweit von der
weiteren Strafverfolgung nicht schon aus sonstigen Gesichtspunkten
abgesehen wird, gerade im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu klären.
Das ist eindeutig falsch. Ob gegen Protestierer, die ihren Unmut
und ihren Zorn über die Kriegspolitik des amerikanischen Präsidenten
auf Plakaten und Transparenten kundtun, strafrechtlich vorgegangen
werden kann (und vor allem: darf) ist doch nichts, was hinterher
zu prüfen wäre, sondern etwas, was vorher, bevor die Maßnahmen
ergriffen werden, geprüft werden muss. Oder soll insoweit im
Interesse des amerikanischen Präsidenten das Recht und das
Gesetz in Deutschland ganz oder teilweise außer Kraft gesetzt
werden?
13.
Der ablehnende Bescheid vom 30.07.2005 kann, wenn das Recht korrekt
angewendet, also nicht verbogen wird, keinen Bestand haben.
Hinsichtlich der Beschuldigten kommt in erster Linie das Delikt
der Verfolgung Unschuldiger, § 344 StGB, in Betracht. Nach
dieser Vorschrift wird bestraft, wer als Amtsträger, der zur
Mitwirkung an einem Strafverfahren berufen ist, absichtlich oder
wissentlich einen Unschuldigen oder jemanden, der sonst nach dem
Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich
verfolgt oder auf eine Strafverfolgung hinwirkt.
Insbesondere dieser Tatbestand ist hier erfüllt.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Armin Fiand
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