Große Chronik von Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg
1850 bis 1869
1850
Gemäß kaiserlicher Entschließung vom 26. Juni 1849 über »die Grundzüge für die Organisation der politischen Verwaltungs-Behörden« werden im
Erzherzogtum Österreich unter der Enns Bezirkshauptmannschaften anstelle der
1753 eingerichteten vier Kreisämter (diese werden allerdings erst
1860 abgeschafft) eingerichtet, welche am
16. Januar 1850 ihre Arbeit aufnehmen. Gramatneusiedl wird der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt
(Niederösterreich) zugeordnet. Bereits
1854 werden die Bezirksämter durch so genannte vermischte Bezirksämter ersetzt.
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1850
Die
Textilfabrik Marienthal von Max Todesco (1813–1890) besteht nunmehr aus dem
1847 begonnenen und 1850 fertig gestellten Spinnereikomplex mit der
Spinnerei und der Karderie, der
Einfahrtanlage mit dem
Portierhaus
(1991
abgerissen) und dem
Technischen Büro (1994 abgerissen) sowie aus dem Stall- und Magazingebäude (1991
abgerissen), in welchem vermutlich auch ein Krankenzimmer untergebracht ist, und einem weiteren Magazingebäude, dem späteren Feuerwehrdepot
(1991 abgerissen). Zwischen der
heutigen Hauptstraße und dem östlich davon gelegenen Spinnereikomplex wird um die Einfahrtanlage herum eine Grünanlage angelegt
(später zerteilt in den
Fabrikspark und
Fabriksgarten). Außerdem betreibt die Textilfabrik Marienthal eine Werkskantine, die 1850 vom Traiteur
Anton Hönig (1815–?) und dessen Ehefrau Elisabeth Hönig (1807–?) geleitet wird.
Ausgenommen die 1991 und 1994 abgerissenen Gebäude wird
der gesamte Komplex am 2. April
1945 von Soldaten der Deutschen Wehrmacht niedergebrannt. (Siehe Plan 1850)
Die 1850er-Jahre sind der Beginn der eigentlichen Industrialisierung Gramatneusiedls und der Anfang einer bis Ende des Ersten Weltkrieges ungebrochenen wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte Marienthals mit großen demographischen, ökonomischen, sozialen und
kulturellen Folgewirkungen.
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1850
Gemäß kaiserlicher Verordnung vom 26. Juni 1849 über die »Organisirung
der Gerichte in den
Kronlande Oesterreich unter der Enns« werden Bezirksgerichte eingerichtet, welche am 1. Juli 1850 ihre Arbeit aufnehmen. Gramatneusiedl, das bisher der Herrschaft Schwadorf als Landgericht zugeordnet war, wird nunmehr nach dem Bezirksgericht Ebreichsdorf zugeordnet, in Kriminalsachen dem Landesgericht Wien.
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1850
Am 4. August 1850 wird das von katholischen Arbeitern aus Marienthal für das
Fabrikkrankenzimmer gekaufte Kreuz mit Christusbild in der Kirche Sankt Peter und Paul gesegnet. Wohl anlässlich der Choleraepidemie des
Vorjahres wird im Sommer
1850 ein Krankenzimmer in der Textilfabrik Marienthal eingerichtet, vermutlich in dem neu erbauten Stall- und Magazingebäude. Als erste Krankenwärterin arbeitet hier die Witwe Katharina Meithner (1805–?). (Siehe
Denkbuch Moosbrunn)
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1850
Die Südseite des Daches der Kirche Sankt Peter und Paul wird mit Schindeln neu gedeckt.
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1850
Am 19. Dezember 1850 werden in Gramatneusiedl Soldaten einer Kavallerieeinheit einquartiert.
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1851
1851 erscheint die einzige selbstständige
Publikation von Franz Xaver Wurm (1786–1860),
erster Direktor der
Textilfabrik Marienthal: »Bericht über eine Abtheilung von Maschinen der Londoner Industrie-Ausstellung an den
niederösterreichischen Gewerb-Verein«. (Lesen und herunterladen)
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1851
Am 26. Juli 1851 werden die ersten Gemeinderatswahlen nach Aufhebung der
Grundherrschaft im
Erzherzogtum Österreich unter der Enns durchgeführt. Die Namen der Bürgermeister der nunmehrigen »Freien Gemeinde Gramatneusiedl« sind allerdings erst seit
1861 – der Bauer
Franz Griesmüller (1810–1893) – bekannt. Dies sind jedoch noch keine allgemeinen Wahlen im Sinne einer modernen Demokratie, da das Wahlrecht mit der Steuerleistung verbunden ist. Aktives und passives Wahlrecht haben nur Haus- und Grundbesitzer ab einem bestimmten Steueraufkommen. Nach der Höhe der
Steuerleistungen werden drei Kurien gebildet, die aus ihrem Kreis Vertreter in den Gemeinderat schicken. Der Höchstbesteuerte kann sogar ohne Wahl Mitglied werden. Gerade in Industriegemeinden wie Gramatneusiedl mit der Textilfabrik Marienthal ist damit die Mehrheit der Bevölkerung bis 1919 von den
Wahlen ausgeschlossen.
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1851
Max Todesco (1813–1890) lässt als Ergänzung zum Fabrikkrankenzimmer 1851 durch die Fabrikdirektion einen »Arbeiter-Unterstützungsfonds Marienthal« einrichten, der Arbeiter und Arbeiterinnen bei lang dauernder Krankheit oder
krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit unterstützen soll. Der Fonds startet mit einem Kapital von 500 Gulden; dieser wird jährlich mit 200 Gulden aufgestockt. (Siehe Dokument)
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1851
Mit kaiserlichem Patent vom 31. Dezember 1851 (»Sylvesterpatent«) wird die von den revolutionären Ereignissen des Jahres 1848 geprägte Verfassung vom 4. März 1849 aufgehoben und symbolisch die Zeit des Neoabsolutismus eingeläutet.
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1852
Am 7. Oktober 1852 wird in Nachod (Böhmen; Náchod, Tschechische Republik) Isidor Mautner (1852–1930) geboren, 1925 bis 1930 Hauptaktionär der »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal« und damit gleichsam Besitzer der Textilfabrik Marienthal.
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1852
1852 wird in Gramatneusiedl eine
Postexpeditionsstelle anstelle der 1847 errichteten Briefsammelstelle eingerichtet, die seit
1867 auch Geldverkehr durchführt und die 1888 zu einem Post- und Telegrafenamt erweitert wird.
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1854
1854 erscheint ein »Alphabetisches Verzeichniß sämmtlicher Orte des Erzherzogthumes Niederösterreich« mit amtlichen Angaben zu Gramatneusiedl und Marienthal. (Lesen und herunterladen)
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1854
Durch das am 18. August 1854 zwischen Österreich und dem
hl. Stuhl (Vatikanstaat) geschlossene Konkordat wird fast das gesamte Schulwesen der katholischen Kirche überlassen. Erst 1869 werden deren Kompetenzen im Unterrichtswesen weitgehend eingeschränkt.
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1854
Im Zuge der neuerlichen
Verwaltungsreform im
Erzherzogtum Österreich unter der Enns werden gemäß Verordnung der Minister des Innern und der Justiz vom 26. August 1854
anstelle der 1850
eingerichteten Bezirkshauptmannschaften politische, mit Justizangelegenheiten vermischte Bezirksämter eingeführt, die am 30. September 1854 ihre Arbeit aufnehmen. Gramatneusiedl ist dem Bezirksamt Ebreichsdorf
(Niederösterreich) zugeordnet. Diese vermischten Bezirksämter, die in
ihren Kompetenzen 1860
erweitert wurden, werden
1869 wieder von Bezirkshauptmannschaften abgelöst.
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1854
1854 erzeugt die Textilfabrik Marienthal mit 27.200 Feinspindeln 960.000 Pfund Garne von Nummer 6 bis 40. Damit ist sie nach den Textilfabriken von Pottendorf
(Niederösterreich) und Trumau (Niederösterreich) auf der Produktionsebene die damals drittgrößte im Amtsbezirk Ebreichsdorf
(Niederösterreich).
(Lesen und herunterladen)
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1855
1855 lässt Max Todesco (1813–1890) den zweiten großen Komplex der Textilfabrik Marienthal errichten: den Webereikomplex mit Kesselhaus und dem ersten, insgesamt 46 Meter hohen
Schornstein der Fabrik. Dieser Weberei-Schornstein steht heute noch als einziger der insgesamt fünf Fabrikschlote, allerdings zunächst auf 31 und 1996 auf 28 Meter Höhe gekappt. Beinahe
der gesamte Komplex wird am 2. April 1945 von Soldaten der Deutschen Wehrmacht niedergebrannt. (Siehe
Plan 1855)
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1855
1855 wird die 1843 in der Kirche Sankt Peter und Paul aufgestellte Orgel des Wiener Orgelbauers Josef Loyp (1801–1877) durch ein Pedal ergänzt. Diese Orgel wird
1867 durch eine neue ersetzt.
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1855
Vom 8. August bis 22. September 1855 gibt es neuerlich eine Choleraepidemie in Gramatneusiedl, der diesmal 24 Menschen zum Opfer fallen. Daraufhin ordnet die Sanitätskommission die Errichtung eines Dorffriedhofes in Gramatneusiedl an, der im Juli 1856 eingeweiht wird.
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1855
Seit 24. Dezember 1855 wird die bereits für 1846 geplante Eisenbahnlinie von Wien nach Bruck an der Leitha
(Niederösterreich) bis nach Győr / Raab (Ungarn; heute Győr, Ungarn) weitergeführt.
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1856
Anlässlich der Choleraepidemie des Vorjahres ordnete die Sanitätskommission die Errichtung eines Dorffriedhofs in Gramatneusiedl an. Die Gramatneusiedler, die bislang auf dem Dorffriedhof von Moosbrunn
(Niederösterreich) begraben wurden, werden seit dem 14. Juli 1856 in dem
am Vortag eingeweihten eigenen Friedhof im Nordwesten Gramatneusiedls begraben. Am 14. Juli wird auch das Friedhofskreuz aufgestellt und eingeweiht.
Der Friedhof wird erst 1901 erweitert. (Siehe
Denkbuch Moosbrunn)
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1856
Am Abend des 18. August 1856 brennen in Gramatneusiedl 17 Häuser und mehrere Scheunen ab, wobei teilweise auch Vieh in den Flammen umkommt. Dieser größte Brand in der jüngeren Geschichte des Ortes kann erst nach drei Tagen endgültig gelöscht werden. Auf
der Brandstätte des großen Scheunengebäudes des
Schlosses Gramatneusiedl, welches mitsamt den Vorräten niederbrennt, wird 1875 das neue Schulgebäude errichtet werden. (Siehe Dokument)
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1857
Mit Stichtag 31. Oktober 1857 wird eine Volkszählung, die erste nach den Grundsätzen moderner Statistik, in Österreich durchgeführt. Für Gramatneusiedl werden 362 Einwohner und zusätzlich etwa 800 Arbeiter in Marienthal ausgewiesen. (Lesen und
herunterladen) Die amtlichen Erhebungen für die Jahre 1857 bis 1910 zeigen, dass sich innerhalb von 50 Jahren die Bevölkerungszahl Marienthals mehr als verdoppelte.
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1858
Wegen Geldmangels muss Max Todesco (1813–1890), seit 1845 Eigentümer der Textilfabrik Marienthal, seine Fabrikbefugnis 1858 zurücklegen. Mit Erlass vom 13. März 1858 erhalten seine Brüder
Eduard Todesco (1814–1887) und Moritz
Todesco
(1816–1873) die Erlaubnis, die Textilfabrik Marienthal weiterzuführen, welche nunmehr etwa 1.000 Personen beschäftigt. Die später in den Adelsstand erhobenen Brüder sind typische Vertreter des liberalen Unternehmertums im Österreich des späten 19. Jahrhunderts und ein
Musterbeispiel für die so genannten Wiener Ringstraßenbarone mit prachtvollen Palais an der Wiener Ringstraße und dazugehörigen Salons als Treffpunkt von Kultur und Politik. Zunächst ist die Bautätigkeit bei der Textilfabrik Marienthal gering, sieht man von einem 1860 Schleusenhaus an der Fischa
ab. Die Brüder Eduard und Moritz Todesco bleiben bis
1864 im alleinigen Besitz der Textilfabrik Marienthal.
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1858
Mit kaiserlichem Patent vom 19. September 1857 wird ab 1. November 1858 in Österreich die Österreichische Währung eingeführt. Damit werden der Conventions-Münzfuß abgeschafft und der Gulden dem norddeutschen Taler angepasst. Gemäß dem nunmehr verbindlichen
Dezimalsystem wird ein Gulden österreichische Währung (fl. ö. W.) in 100 Kreuzer (kr.) eingeteilt.
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1859
Mit kaiserlichem Patent vom 20. Dezember 1859 wird in Österreich eine neue, mit 1. Mai 1860 in Kraft tretende Gewerbeordnung erlassen. Zentrale Punkte sind die Auflösung der Handwerksinnungen und die Einführung der Gewerbefreiheit.
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1860
Gemäß Verordnung des Ministeriums des Innern vom 24. März 1860 werden
im
Erzherzogtum Österreich unter der Enns die
1753 geschaffenen Kreisämter mit 30. April 1860 aufgelöst und der Wirkungskreis der 1854
eingerichteten vermischten Bezirksämter erweitert.
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1860
Der Bauer Franz Griesmüller (1810–1893) lässt auf seine Kosten das Innere der Kirche Sankt Peter und Paul ausmalen und zwei Bilder anfertigen.
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1860
Am 6. November 1860 stirbt in Wien Franz Xaver Wurm (1786–1860), 1820 bis 1827 Mitbesitzer und Direktor der ersten Textilfabrik Marienthal.
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1860
1860 lässt die Textilfabrik Marienthal das
Schleusenhaus I an der Fischa errichten.
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1860
1860 erfolgt der Neubau des Hauses Gramatneusiedl 24 (ab 1961: Oberortsstraße 23), welches später von der
Textilfabrik Marienthal erworben und zum Arbeiterwohnhaus Bäckerhaus umfunktioniert wird. Das Gebäude wird 1972 abgerissen.
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1861
Seit 6. April 1861 hat das
Erzherzogtum Österreich unter der Enns den ersten gewählten Landtag. Es gibt auch Gemeinderatswahlen, bei denen im Juni 1861 als erster namentlich bekannter der Bauer Franz Griesmüller (1810–1893) Bürgermeister von Gramatneusiedl wird; er bekleidet
dieses Amt bis 1864. Gemeinderäte sind die Bauern Johann Biberhofer (1815–?) und Johann Seifner (1808–?), der zugleich Schulaufseher ist, Ausschussräte die Bauern Franz Fischer (1807–?),
Michael Fischer (1810–?),
Martin Griesmüller (1827–?), Joseph Hochleitner (1808–?) und Matthias Hofschneider (1806–?). Schriftführer ist der Oberlehrer Andreas Vogl, Gemeindediener und Nachtwächter Matthias Hampel (1793–?). (Siehe Dokument)
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1861
Am 28. Juli 1861 verursacht ein heftiger Sturm auch Beschädigungen in Gramatneusiedl. Ein zweiter starker Sturm folgt am 3. August, ein dritter am 9. August 1861. Der letzte löst eine Feuersbrunst im
Nachbarort Moosbrunn (Niederösterreich) aus, die den Ort vollständig einäschert. Der Moosbrunner Pfarrer Josef Knell (1795–1878), der gerade in der Fabrikschule Marienthal unterrichtet, berichtet darüber. 1863 wird der aus
Oberwaltersdorf (Niederösterreich) stammende Martin Hagenburger als Brandleger von Moosbrunn verhaftet; er legt ein Geständnis ab,
welches vor Ort überprüft wird, und wird schließlich wegen Geistesschwäche zu lebenslänglicher Haft und Aufsicht verurteilt. (Siehe Denkbuch Moosbrunn)
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1861
Der Bauer Franz Griesmüller (1810–1893), Bürgermeister von Gramatneusiedl, schenkt der Kirche Sankt Peter und Paul sechs vergoldete, von einem Bildhauer hergestellte Leuchter aus Holz.
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1862
Im Zuge eines viermonatigen Manövers bei Wimpassing
im Schwarzatale (Niederösterreich) marschieren zwischen Juni und September 1862 regelmäßig Manövereinheiten durch Gramatneusiedl, wo es auch zu Einquartierungen kommt.
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1862
Das Gesetz vom 5. März 1862 über »die grundsätzlichen Bestimmungen zur Regelung des Gemeindewesens« regelt die Funktionen der Ortsgemeinden.
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1864
Eduard von Todesco (1814–1887) und sein Bruder Moritz von Todesco (1816–1873) fusionieren die Textilfabrik Marienthal – sie hat damals rund 800 Beschäftigte – Anfang 1864 mit der
zwölf
Kilometer südwestlich von Gramatneusiedl gelegenen, 1838 gegründeten Baumwollspinnerei Trumau
(Niederösterreich) zur neu gegründeten »Marienthaler und Trumauer Actien-Spinn-Fabriks-Gesellschaft«. Sitz der beim Handelsgericht Wiener Neustadt
(Niederösterreich) eingetragenen Aktiengesellschaft ist
Marienthal. 1872 wird eine Zweigniederlassung in Wien 1., Maria-Theresien-Straße 24, später in Wien 9., Tendlergasse 16, gegründet, und vorübergehend gibt es auch in Budapest eine Zweigniederlassung, wobei der Name bald in »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur,
Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal« geändert wird. Trotz Schließung der Fabriken in Marienthal und Trumau 1930 besteht die Gesellschaft weiter. 1939 wird die Aktiengesellschaft beim Handelsgericht Wiener Neustadt gelöscht und verlegt ihren Sitz an die ehemalige Zweigniederlassung Wien.
1942 wird die »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal« endgültig aufgelöst. Als Hauptgesellschafter fungiert zunächst die Familie Todesco, in den 1880er-Jahren geht jedoch die Aktienmehrheit in
den Besitz der Familie von Miller zu Aichholz über, und 1925 bis 1930 dominierte die Familie Mautner die Aktiengesellschaft. Die Textilfabriken von Trumau und Marienthal werden vor Ort durch einen Generaldirektor (ursprünglich »Central-Director«
genannt) geleitet, zunächst von Gustav Hagenmacher, der am 5. September 1873 der Cholera erliegt. Ihm folgt nach mehreren Interimslösungen 1887 der Handlungsreisende Leopold Specht (?–1927), welcher die Fabriken bis 1927 leitet und der in Marienthal zu einer bekannten und geschätzten Persönlichkeit
des Ortes wird.
Die Aktiengesellschaft entwickelt in Marienthal bereits zwischen 1864 und 1869 eine beachtliche Bautätigkeit. Die Fabrikanlage selbst wird nur 1864 durch einen
Schleifereianbau sowie 1866 durch eine
Putzerei und Mischerei und das Baumwollmagazin I erweitert, doch entstehen nun erste Infrastrukturbauten: 1864 der
Consum und 1866 das
Fabrikgasthaus, »Traiteurie« genannt. Dazu kommen zwei
Wohnhäuser: 1865 das Direktorenwohnhaus Herrenhaus und 1868 das Gärtnerwohnhaus. 1869 beginnt ein für die Fabrik qualitativ neuer Schub an Bautätigkeit.
Eine besondere Bedeutung erhalten nunmehr die Grünanlagen der Fabrik: zwischen 1864 und 1866 entsteht der
Park
Herrengarten, 1865 der Fabrikspark sowie der Fabriksgarten, und vermutlich in diesen Jahren
wird auch der Mühlauenpark (seit 1961 der Verwilderung überlassen) angelegt.
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1864
Aufgrund der mit Gesetz des
Erzherzogtums Österreich unter der Enns vom 31. März 1864 erlassenen Gemeinde- und Gemeindewahlordnung erhält die »Marienthaler
und Trumauer Actien-Spinn-Fabriks-Gesellschaft« eine Virilstimme
(Einzelstimme) im Gemeinderat von Gramatneusiedl, womit sie in der Gemeinde nicht nur wirtschaftlich bestimmend, sondern auch politisch mitbestimmend wird. Die Ausschussräte (anfangs acht, zuletzt
zwanzig) wählen den Bürgermeister sowie die Gemeinderäte (zunächst zwei, zuletzt fünf).
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1864
Der Bauer Martin Griesmüller (1827–?) wird 1864 zum Bürgermeister von Gramatneusiedl gewählt und bekleidet dieses Amt bis 1876.
(Zum Vorgänger siehe
1861.)
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1864
Mit Gesetz des
Erzherzogtums Österreich unter der Enns vom 12. April 1864 über das »Schulpatronat und die Kostenbestreitung für die Localitäten der Volksschulen« werden die Ortsgemeinden zur Beistellung des Sachaufwandes der Schulen verpflichtet.
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1864
Am 13. Juni 1864 wird der »Verein für Landeskunde von Niederösterreich« gegründet, in dessen seit 1870 erscheinenden »Topographie von Niederösterreich«
1893 ein Lexikonartikel über Gramatneusiedl und
1909
einer über Marienthal erscheinen wird.
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1864
Die 1832 bereits bestehende
Krankenkasse der Textilfabrik Marienthal, die 1851 durch einen »Arbeiter-Unterstützungsfonds Marienthal« ergänzt wurde, wird 1864 durch den ersten Verein Marienthals (wenn auch noch nicht im Sinne des erst 1867 erlassenen
Vereinsgesetzes) erweitert: durch den von der Textilfabrik geleiteten »Kranken-Verein
mit Kranken-Casse Marienthal«. Außerdem verfügt die Textilfabrik Marienthal seit vermutlich 1864 über ein voll eingerichtetes
Fabrikspital mit einer Dampf- und Wannenbadanstalt sowie einem eigenen Fabrikarzt (Doktor
der Medizin und Chirurgie), wo erkrankte Arbeiter und Arbeiterinnen auf Kosten der Krankenkasse behandelt werden.
Dieses befindet sich
Hauptstraße 68 (1864 bis 1881 alte Nummer 52); 1882 wird dafür
ein Neubau errichtet. (Siehe Dokument)
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1864
Der zweitälteste Arbeiterverein Marienthals ist der
vom
Generaldirektor der
Textilfabriken Marienthal und Trumau Gustav Hagenmacher
(?–1873) initiierte, 1864 gegründete »Consum-Verein
Marienthal«, dessen Verwaltung und Leitung in den Händen der Arbeiterschaft liegen, allerdings mit der Direktion der
Textilfabrik Marienthal als Präsidium. Das Kapital des Vereins – 1869 beträgt es 10.000 Gulden – ist ein zinsfreies Darlehen der Textilfabrik, die Beiträge der Mitglieder können in Raten bezahlt werden, und die Preise der en gros eingekauften Lebensmittel liegen für die Vereinsmitglieder 1869 ebenso
wie Ende der 1920er-Jahre zwischen 15 und 25 Prozent unter den ortsüblichen. Für diesen Verein lässt die Textilfabrik Marienthal im Hof des Arbeiterwohnhauses Altgebäude, direkt an der Hauptstraße, 1864 ein eigenes Gebäude,
den so genannten Consum, errichten
(2008
abgerissen, um im rekonstruierten Gebäude ein
Marienthal-Museum zu
errichten). Der »Consum-Verein Marienthal« besteht nach Schließung der Textilfabrik Marienthal 1930 weiter. (Siehe Dokument)
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1865
Für den Generaldirektor der
Textilfabriken Marienthal und Trumau (Niederösterreich) wird in Marienthal 1865 ein luxuriös ausgestattetes Wohnhaus direkt auf dem Fabrikgelände errichtet, das so genannte Direktorenwohnhaus Herrenhaus, Gramatneusiedl 180
(ab 1961: Hauptstraße 53). Um das Gebäude herum wird der so genannte Fabrikspark angelegt, versehen mit einem Wasserschöpfrad, einem Zierbrunnen und später auch noch mit einem Gartenhaus; der andere Teil der bereits seit 1850 bestehenden Grünanlage wird zum
Fabriksgarten umgestaltet, in dem später ebenfalls ein Gartenhaus errichtet wird.
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1866
Der schwere Frost am 20. und 24. Mai 1866 zerstört in Gramatneusiedl und Umgebung die Baumblüte
sowie die junge Saat. Da auch der Samen erfriert, muss teures Saatgut gekauft werden.
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1866
1866 wird von großen Teilen der Bevölkerung Österreichs als Katastrophenjahr gesehen. Vor dem Hintergrund der so genannten deutschen Frage (der preußische Ministerpräsident strebt die »kleindeutsche Lösung« an, also eine Einigung der deutschen Länder unter
Ausschluss des Kaisertums Österreich) wird am 14. Juni 1866 ein Krieg zwischen Preußen und Österreich begonnen. Am 3. Juli 1866 unterliegen die österreichischen und sächsischen Truppen den preußischen bei Königgrätz (Böhmen;
Hradec Králové, Tschechische Republik). Dieses Ereignis erregt unter vielen Bewohnern
Entsetzten, und der Pfarrer von Moosbrunn (Niederösterreich) Josef Knell (1795–1878)
schreibt im »Denkbuch
der Pfarre Moosbrunn« von »einer unerhörten Schande für Österreich«
(Seite
430). In den folgenden Wochen ziehen geschlagene Truppen durch Österreich unter der Enns. Auch in Gramatneusiedl werden österreichische
Einheiten einquartiert, welche bis zum endgültigen Friedensschluss am 23. August 1866 bleiben. Danach kommen sächsischen Truppen, die sich bis in den Spätherbst im Dorf einquartieren.
(Siehe
Denkbuch Moosbrunn)
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1866
Vom 3. September bis 16. Oktober 1866 gibt es neuerlich eine Choleraepidemie in Gramatneusiedl, welche von den einquartierten Soldaten eingeschleppt worden sein soll. 54 Menschen sterben, alle in Marienthal: acht im Arbeiterwohnhaus Neugebäude und 46 im Arbeiterwohnhaus Altgebäude. Aus diesem Grund errichtet die Freie Gemeinde Gramatneusiedl im Westen des Dorfes,
Gramatneusiedl 126 (ab 1961: Zur Piesting 11), ein
Isolierspital, auch »Choleraspital« genannt, welches über zwei
Krankenzimmer, eine Wohnung für die Krankenwärterin, Aborte und einen Dachboden verfügt. Dieses wird allerdings als solches nie in Betrieb genommen und 1925 in ein Wohnhaus der Gemeinde umgewandelt. Im Sommer
1937 errichten hier englische Quäker (eigentlich »The Religious Society of Friends«) ein Kinderbad, welches allerdings ebenfalls nicht in Betrieb genommen wird. 1979 wird das Haus abgerissen. (Siehe Denkbuch Moosbrunn)
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1866
1866 lässt die Textilfabrik Marienthal das Fabrikgasthaus, Gramatneusiedl 51 (ab 1961: Hauptstraße 70), errichten. Das zunächst »Traiteurie« genannte Gebäude verfügt über einen Gastgarten, später auch über eine
Sommerschank und einen
eigenständigen Gebäudekomplex aus Speisekammer, Eishaus, Stall sowie Wagenremise, und 1881 wird im Hof ein
Tanz- und Theatersaal angebaut. Das Fabrikgasthaus wird nach Schließung der Textilfabrik Marienthal
1930 im Privatbesitz als Gasthaus weitergeführt und ist als
Café-Restaurant als einzige Marienthaler Gaststätte heute noch in Betrieb.
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1866
Der rührige Generaldirektor der
Textilfabriken Marienthal und Trumau
(Niederösterreich) Gustav Hagenmacher (?–1873) initiiert 1866 den ersten Geselligkeits- und Kulturverein der Arbeiterkolonie Marienthal: die »Dilettanten-Bühne in Marienthal«. Da die Mitgliedsbeiträge nicht auslangen, unterstützt der Fabrikdirektor persönlich den Theaterverein finanziell. 1869 wird die Arbeiterbühne als »Dilettanten-Verein
Marienthal« nach dem
Vereinsgesetz von 1867 neu gegründet, und 1881 lässt die Fabrikleitung für diese den Tanz- und Theatersaal errichten. Aus der Arbeiterbühne entwickelt sich
1871 der »Männer-Gesang-Verein ›Geselligkeit‹ Marienthal«. Die Arbeiterbühne selbst
wird 1898 in »Dilettanten-Verein ›Thalia‹« umbenannt und 1906 unter dem Namen »Arbeiter-Theater-Sektion Marienthal« der Gewerkschaft »Union
der Textilarbeiter Österreichs« angeschlossen, bleibt auch
nach Schließung der
Textilfabrik Marienthal aktiv und
führt bis in die 1950er-Jahre Theaterstücke und Operetten auf. (Siehe Dokument)
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1866
Als Herzstück der Arbeiterkolonie wird von den Bewohnern bis zur
Schließung der Textilfabrik Marienthal der
Park
Herrengarten empfunden, dessen Kernstück zwischen 1823 und 1826 von
Franz Xaver Wurm (1786–1860) angelegt wurde. Die Grünanlage wird zwischen 1864 und 1866 auf seine spätere Größe erweitert und seither systematisch zu einem Erholungspark ausgebaut. Dessen Eröffnung dürfte mit der Enthüllung des
Hermann Todesco-Denkmals zusammengefallen sein, welches die Söhne ihrem Vater anlässlich dessen 75. Geburtstages 1866 errichten. Es ist dies das einzige weltliche Denkmal Marienthals und bis zur Errichtung des
Kriegerdenkmals im Jahr 1924 das einzige Gramatneusiedls. Neben einer Hauptallee und mehreren
Parkwegen mit Sitzbänken gibt es im Herrengarten einen Teich, den 1894 errichteten markanten Musikpavillon mit Kegelbahn, eine Badehütte, ein Südliches Gewächshaus und ein
Nördliches Gewächshaus und zuletzt sogar einen
Tennisplatz. Der zur Betreuung der fabrikeigenen Grünanlagen angestellte Gärtner
erhält im Herrengarten 1868 ein eigenes Wohnhaus, das so genannte Gärtnerwohnhaus (zunächst ohne Nummer, 1941 bis 1961:
Gramatneusiedl 226, ab 1961: Hauptstraße 62). 1931 werden beinah der gesamte Baumbestand gefällt und das architektonische Vorzeigestück, der Musikpavillon mit Kegelbahn, abgerissen.
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1866
Mit dem Vermächtnis des Bauern Johann Zimmermann (1814–1866) vom 25. Februar 1866 in der Höhe von 800 Gulden wird in der Kirche Sankt Peter und Paul
im Dezember 1866 der alte Orgelchor abgerissen und unter Leitung des
Generaldirektors der
Textilfabriken Marienthal und Trumau
(Niederösterreich) Gustav Hagenmacher (?–1873) ein neuer, um drei Schuh verlängerter Chor mit steinerner Aufgangsstiege erbaut, was insgesamt 272 Gulden und 19 Kreuzer kostet.
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1867
Ende Januar 1867 wird in der Kirche Sankt Peter und Paul anstelle der alten aus dem Jahr 1843 die vom
Wiener Orgelbauer Josef Seyberth
angefertigte neue Orgel mit neun Registern (davon sechs im Manual und drei im Pedal) um 900 Gulden aufgestellt, welche heute noch in vorhanden ist. Die Signierung befindet sich am Spieltisch der Orgel: »Josef Seyberth / bürgerlich[er] Orgelbauer / in Wien.«
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Doppelmonarchie Österreich-Ungarn
1867
Durch den so genannten Ausgleich mit Ungarn vom 18. Februar 1867 wird das Kaisertum Österreich zur Doppelmonarchie Österreich-Ungarn
(Osztrák-Magyar Monarchia) mit zwei unabhängigen Staaten: dem Königreich Ungarn und den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern, zu welchen
auch das Kronland Österreich unter der Enns gehört (inoffiziell Cisleithanien oder Österreich). Beide Staaten sind in Personalunion verbunden: Franz Joseph I. von Habsburg-Lothringen (1830–1916) ist Kaiser von Österreich und König von Ungarn. In Realunion sind die beiden
Staaten in den Bereichen Außenpolitik, Armee und Finanzen verbunden. Dies schlägt sich auch in neuen Kennungen nieder: »k. u. k.« (kaiserlich und königlich) steht für die Gesamtmonarchie, »k. k.«
(kaiserlich-königlich) für die österreichische und »k.« (königlich) für die ungarische Reichshälfte.
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1867
Am 2. Mai 1867 wird der »Österreichische patriotische Hilfs-Verein zur Unterstützung von verwundeten Kriegern, Militär-Witwen und -Waisen« gegründet, welcher sich seit 1879 »Österreichische Gesellschaft vom Roten Kreuze« nennt, das
heutige »Rote Kreuz«.
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1867
Im Zuge der Neuordnung der österreichischen Monarchie, nunmehr der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, wird das
Erzherzogtum Österreich unter der Enns, in dem Gramatneusiedl liegt, am 8. Juni 1867 zum Kronland Österreich unter der Enns.
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1867
Die
1852 eingerichtete Postexpeditionsstelle
in Gramatneusiedl führt den Geldverkehr ein, was die Geldabwicklung insbesondere für die Textilfabrik Marienthal erleichtert.
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1867
Mit dem Reichs-Gesetz vom 15. November 1867 über das Vereinsrecht wird die Bildung von Vereinen erlaubt. Dieses Gesetz bildet die rechtliche Basis fast aller seither in Marienthal und Gramatneusiedl gegründeten Vereine.
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1867
1867 wird der erste Sportverein Marienthals gegründet: der »Turnverein der Arbeiter Marienthals«. Dieser ausschließlich von seinen Mitgliedern finanzierte Verein wird bereits
1876 wieder aufgelöst. (Siehe
Dokument)
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1867
Am 21. Dezember 1867 wird die so genannte Dezemberverfassung verabschiedet, das erste Staatsgrundgesetz der Monarchie, welches nicht vom Kaiser, sondern vom Reichsrat beschlossen wird. Die auf einer deutlichen Gewaltentrennung beruhende Verfassung besteht
aus mehreren Verfassungsgesetzen: Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung; Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte des Staatsbürgers; Staatsgrundgesetz über die Einsetzung eines Reichsgerichts; Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt; Staatsgrundgesetz über die Ausübung der
Regierungs- und Vollzugsgewalt.
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1868
Mit Reichs-Gesetz vom 27. Juni 1868, betreffend die Vererbung von Bauerngütern, wird die Unteilbarkeit der Bauernhöfe endgültig aufgehoben. Dies führt in den nächsten Jahren auch bei der Bauernschaft Gramatneusiedls zu größeren Änderungen der
Besitzverhältnisse. 1900 werden vier Großgrundbesitzer für den Ort ausgewiesen, während die Gesamtzahl der Bauern leicht aber stetig zurückgeht.
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1868
1868 wird für den für die Grünanlagen der Textilfabrik Marienthal zuständigen Gärtner im
Park
Herrengarten ein eigenes Wohnhaus errichtet, das so genannte Gärtnerwohnhaus (zunächst ohne Nummer, ab 1941: Gramatneusiedl 226, ab 1961:
Hauptstraße 62; 1898 erweitert, 1941 grundlegend umgebaut und um 1989 abgerissen).
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1868
Mit Reichs-Gesetz vom 5. Dezember 1868 wird in der österreichischen Reichshälfte die allgemeine Wehrpflicht für Männer zwischen dem 21. und 42. Lebensjahr eingeführt.
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1869
1869 erscheinen die »Ergebnisse der Untersuchung über die in Fabriken und Gewerben Nieder-Österreichs bestehenden Einrichtungen zum Wohle der Arbeiter« mit umfangreichen Beschreibungen der sozialen Einrichtungen der
Textilfabrik Marienthal. (Lesen und herunterladen)
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1869
Erst am 8. April 1869 wird der von den Bauern Gramatneusiedls 1840 zum Kauf der Herrschaft Gramatneusiedl
aufgenommene Kredit vollständig zurückgezahlt. An den Freikauf der Gramatneusiedler Bauern erinnert heute ein
1990 aufgestelltes Denkmal vor dem Gemeindeamt Gramatneusiedl, auf welchem jedoch nicht die Namen der Bauern von 1840 festgehalten sind, sondern die Namen jener 45 Personen, deren
24 Güter bei der Kreditrückzahlung 1869 mit Hypotheken belastet sind:
Johann Biberhofer (1815–?), Juliana Biberhofer
(geborene
Spiegelgraber; 1819–?), Karl Brauneder
(1838–?), Matthias
Buchner (1818–?), Theresia
Buchner, Franz Fischer (1807–?), Maria Fischer, Michael Fischer (1810–?), Eva Griesmüller (geborene
Biberhofer; 1812–?), Franz
Griesmüller (1810–1893), Jakob
Griesmüller (1809–?), Johann
Griesmüller (1838–?), Juliana Griesmüller (geborene
Biberhofer; 1843–1916), Magdalena
Griesmüller (geborene
Hillinger; 1824–?), Martin
Griesmüller (1827–?), Theresia
Griesmüller, Elisabeth Heppel, Ignaz Heppel, Karl Hintermayer, Maria
Hintermayer, Josef Hochleitner (1808–?), Maria Hochleitner
(geborene
Biberhofer; 1810–?), Magdalena
Hofschneider (geborene
Renner; 1801–?), Matthias Hofschneider (1806–?), Georg
Höllinger (1809–?), Josef Höllinger
(1811–?), Magdalena
Höllinger (geborene
Hintermayer; 1811–?), Theresia Höllinger
(geborene
Zimmermann; 1812–?), Anton
Korner, Maria Korner, Johann Lauscher, Rosalia Lauscher, Barbara Mitterer
(geborene
Zimmermann; 1808–?), Josef Mitterer
(1818–?), Lorenz Mitterer
(1823–?), Theresia
Mitterer, Johann Past, Magdalena Past, Josef Renner (1798–?), Theresia
Renner (geborene
Zechmeister; 1798–?), Matthias
Schuch (1804–?), Theresia
Schuch, Josef Zimmermann (1819–?), Maria
Zimmermann und Michael
Zimmermann.
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1869
Mit Reichs-Gesetz vom 14. Mai 1869 über »die Grundsätze des Unterrichtswesens bezüglich der Volksschulen« wird die im Konkordat von 1854 festgeschriebene Aufsichtspflicht der Kirche über alle Lehrgegenstände (ausgenommen Religion) aufgehoben. Weiters
werden die Unterrichtspflicht auf acht Jahre verlängert sowie interkonfessionelle Volks- und Bürgerschulen (seit 1883 nur noch 6. bis 8. Schulstufe) eingerichtet.
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1869
Mit kaiserlicher Konzessionsurkunde vom 23. August 1869 werden Gustav (seit 1863: Ritter von) Schoeller (1826–1889) und August (seit 1874: Ritter von) Skene (1829–1891) in Wien Bau und Betrieb einer Lokomotiv-Eisenbahn von Wiener Neustadt
(Niederösterreich) nach
Gramatneusiedl genehmigt. Die Bahnlinie wird im September 1871 eröffnet.
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1869
1869 wird die 1866 gegründete »Dilettanten-Bühne in Marienthal« gemäß dem Vereinsgesetz von 1867 als »Dilettanten-Verein Marienthal« neu gegründet; 1898 erfolgt eine Namensänderung.
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1869
1869 kommt es bei der Textilfabrik Marienthal zu einer außergewöhnlichen Bautätigkeit. Nach dem
Spinnerei- und
Webereikomplex wird die dritte große Anlage der Fabrik eröffnet: der
Bleiche- und Appreturkomplex mit dem
Bleiche- und Appretur-Hauptgebäude. Der Webereikomplex wird durch die Weberei-Kanzlei, Warenlegerei und Einzieherei sowie die so genannte
Durchfahrt erweitert. Außerdem entstehen die ersten Arbeiterwohnhäuser der fabrikeigenen Siedlung an der Hauptstraße: das
Arbeiterwohnhaus Johanneshof, Gramatneusiedl 52 (ab 1961: Hauptstraße 49), das Arbeiterwohnhaus Wiesenhof, Gramatneusiedl 53 (ab 1961: Hauptstraße 47), das Arbeiterwohnhaus Parkhof, Gramatneusiedl 54 (ab 1961: Hauptstraße 58), und das
Arbeiterwohnhaus Gramatneusiedl 66 (ab 1961: Hauptstraße 56). Die erst
1887 fertig gestellte Siedlung mit insgesamt neun Häusern wird (unter Ausschluss zweier Wohnhäuser und Einschluss des ehemaligen Fabrikspitals) in den Jahren
1977 bis
1997 von der Gemeinde Gramatneusiedl erworben und zwischen 1987 und 2002 als
»Arbeitersiedlung Marienthal« revitalisiert. (Siehe Plan 1869)
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1869
Gemäß Reichs-Gesetz vom 19. Mai 1868 werden mit Wirksamkeit vom 1. September 1869
anstelle der 1854
eingerichteten vermischten Bezirksämter die Bezirkshauptmannschaften als erste politische Instanz wieder errichtet, teils auch mit neuen Bezirkseinteilungen.
Gramatneusiedl wird der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (Umgebung) zugeordnet.
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1869
Am 21. Oktober 1869 gibt die österreichische Post die erste Postkarte (»Correspondenz-Karte«) aus. Postkarten werden insbesondere als Ansichtskarten eine wichtige Quelle für Gramatneusiedl und Marienthal.
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1869
Mit Stichtag 31. Dezember 1869 findet in
Österreich eine Volkszählung statt, die für Gramatneusiedl 1.335 Bewohner in 55 Häusern ausweist. (Lesen und herunterladen)
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©
Reinhard Müller
Graz, im März 2009
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