Gramatneusiedl

     

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Große Chronik von Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg

1920 bis 1923

1920

Am 26. April 1920 richtet Ladislaus Jilek (1889–1981), Obmann der »I. Marienthaler Fußballriege 1908«, welche sich nun allerdings »Sportclub Marienthal. Gegründet 1908« nennt (der heutige »ASK Marienthal«), an die Freie Gemeinde Gramatneusiedl ein Ansuchen um Überlassung eines besseren Sportplatzes. In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 19. Mai 1920 beschließt die Gemeindevertretung einstimmig, den so genannten Standhagen als Sportplatz bei einer Jahrespacht von 100 Kronen bereitzustellen. Was dabei offensichtlich übersehen wird, ist der Umstand, dass das Areal des Sportplatzes zwei Gemeinden gehört: 3.030 Quadratmeter liegen auf dem Gemeindegebiet von Gramatneusiedl, 4.120 auf jenem von Mitterndorf an der Fischa (Niederösterreich). Der Mitterndorfer Teil wird von der Textilfabrik Marienthal als Grundeigentümerin dem Verein zunächst kostenlos überlassen und später schließlich geschenkt. Wegen der abzuführenden Lustbarkeitssteuer für Veranstaltungen auf dem Sportplatz kommt es zunächst zwischen den beiden Gemeinden wiederholt zu Reibereien, doch wird diese Angelegenheit 1922 geregelt. 1920 tritt der »Sportclub Marienthal. Gegründet 1908« auch dem 1911 gegründeten »Niederösterreichischen Fußball-Verband« bei. (Siehe Dokument)

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1920

Mit 1. Mai 1920 stellen die Bauern von Gramatneusiedl mit Zustimmung von Bürgermeister Josef Bilkovsky (1871–1940) eine von den Landwirten selbst bezahlte Flurwache auf, um Diebstähle auf den Feldern zu verhindern. Die jeweils vom 1. Mai bis 1. Dezember (mindestens bis 1923) tätige Einrichtung besteht aus insgesamt 24 Personen, wobei deren Organisation durch die »Landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl« erfolgt: Die beiden jeweils Dienst habenden Organe dürfen je einen Revolver tragen.

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1920

In der Nacht vom 18. auf den 19. Mai 1920 wird in das Gemeindeamt Gramatneusiedl eingebrochen, wobei aus der Gemeindekassa 18.722 Kronen und 40 Heller gestohlen werden. In der am 19. Mai 1920 stattfindenden Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl kommt es zu schweren Vorwürfen gegen den Kassier Rudolf Theuer (1876–1940), dass derartig hohe Summen in der Gemeindekassa lägen, statt Zinsen bringend in einer Bank veranlagt zu sein. Dieser begründet den Betrag damit, dass mit der Reparatur in den Armenwohnungen im Schloss Gramatneusiedl gerechnet werden müsse.

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1920

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 19. Mai 1920 werden die Landwirte neuerlich aufgefordert, ein größeres Kontingent Milch an die Gemeinde abzuliefern, um die Ernährungslage der Bewohnerschaft zu verbessern. Ferner wird »ohne Debatte«, die Verstaatlichung der Volks- und Bürgerschule Gramatneusiedl einstimmig beschlossen. Weiters lehnt die sozialdemokratische Mehrheit den Antrag der christlichsozialen Minderheit auf Subventionierung der örtlichen Landwirte mit dem Hinweis ab, dass dann auch die Textilfabrik Marienthal von der Gemeinde unterstützt werden müsse.

Bemerkenswert ist zweifelsohne die einstimmige Stellungnahme die Gemeindevertretung zur Frage des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich: Sie fordert die österreichische Regierung und die Nationalversammlung auf, die Aufhebung des Anschlussverbots vom September 1919 beim Völkerbund zu erwirken. (Siehe Dokument)

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1920

Seit etwa Juni 1920 entstehen mehrere Kleingartenanlagen, aus denen sich dann die ersten Kleingartensiedlungen in Gramatneusiedl entwickeln. Bis Ende der 1920er-Jahre gibt es vier solche Siedlungen: die Eisenbahner-Siedlung beim Bahnhof Gramatneusiedl am Bahnweg, die Hasenzüchter-Siedlung im Bereich der heutigen Siedlergasse (hier existieren bereits seit 1911 Kleingartenanlagen), eine Siedlung nahe dem Friedhof Gramatneusiedl und die nördlich vom Lagerhaus Gramatneusiedl gelegene Steinriegelsiedlung in der heute gleichnamigen Straße. Seit Mitte der 1920er-Jahre wird außerdem die Ostseite der nach Marienthal führenden Hauptstraße planmäßig verbaut, doch dies erfolgt durch Privatpersonen, teils Arbeiter aus Marienthal, teils Gewerbetreibende aus dem Bauerndorf. Treibende Kräfte der Siedlungsunternehmungen sind die »Garten und Kleinwirtschaftssiedlungen in Gramat Neusiedl« (seit 1924 »Gemeinnützige Bau- und Wohnungs-Genossenschaft Gartensiedlung, Ortsgruppe Gramat Neusiedl und Umgebung«) unter ihrem rührigen Obmann, dem Eisenbahnbeamten Leopold Hölbl (um 1880–1952), und die Hasenzüchter, die sich allerdings erst 1930 in einem Verein organisieren.

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1920

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 6. August 1920 wird beschlossen, notwendige Reparaturen bei den Gemeindehäusern durchzuführen: beim Gemeindegasthaus Nr. 1 im Schloss Gramatneusiedl, beim Isolierspital und beim Gerätehaus, Gramatneusiedl 50 (ab 1961: Hauptstraße 1; 1985/86 abgerissen), der »Freiwilligen Feuerwehr Gramatneusiedl«. Die Vorhaben können angesichts der angespannten finanziellen Lage der Gemeindekasse erst im Sommer 1921 ausgeführt werden. Ferner wird beschlossen, »Barackenholz« (Holz von den abgerissenen Baracken des ehemaligen »k(aiserlich) k(öniglichen) Barackenlagers Mitterndorf«) von der Gemeinde Mitterndorf an der Fischa (Niederösterreich) auf Gemeindekosten zu kaufen und ohne Gewinn an die örtliche Bevölkerung weiterzugeben.

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1920

1920 beginnt in der Freien Gemeinde Gramatneusiedl die Kommassation, also eine Zusammenlegung von Grundstücken, vor allem, um größere und damit leichter bestellbare Feldflächen zu erreichen. Die Grundstückzusammenlegung wird 1923 abgeschlossen.

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1920

Aufgrund des Bundes-Verfassungsgesetzes vom 1. Oktober 1920 wird Niederösterreich ein selbstständiges Bundesland der demokratischen Republik Österreich, wobei das entsprechende Landesgesetz mit 1. Januar 1921 in Kraft tritt.

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1920

Im Oktober 1920 lässt die Bezirkshauptmannschaft Mödling (Niederösterreich) der Freien Gemeinde Gramatneusiedl Ober- und Schuhleder zukommen, welches zur Anfertigung von billigen Schuhen für arme Schulkinder verwendet wird.

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1920

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 11. Dezember 1920 wird die Ausgabenrechnung der Gemeinde vorgelegt. Sie weist ein Defizit aus (das einzige Mal in den Jahren 1919 bis 1932), was vor allem auf die sozialen Maßnahmen der öffentlichen Hand zurückzuführen ist. Andererseits konnte damit bis Ende 1920 die drängende Not im Ort überwunden werden. Die ökonomischen Folgen von Krieg und Zusammenbruch der Monarchie werden aber erst etwa 1925 weitgehend überwunden sein.

Weiters wird beschlossen, den Betrag für die »Freiwillige Feuerwehr Gramatneusiedl« von 1.000 auf 3.000 beziehungsweise 5.000 Kronen zu erhöhen, um die Fuhrwerksbesitzer entlohnen zu können, welche ihre Tiere für Feuerwehreinsätze zur Verfügung stellen.

Die Sitzung endet übrigens mit einem Eklat, nachdem der von den Christlichsozialen eingebrachte Antrag auf finanzielle Unterstützung der Fronleichnamsprozession durch die Gemeinde von den Sozialdemokraten abgelehnt wird.

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1920

1920 lässt die Textilfabrik Marienthal die Neue Schmiede, den Blocksägeschuppen und einen Kleintierstall errichten. Es sind dies deren erste bauliche Maßnahmen seit 1915. Außerdem wird das Ledigenwohnhaus Kiebitzmühle nach einem Brand teils renoviert, teils umgebaut.

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1921

1921 setzt in Österreich infolge des immensen Umlaufs von Papiergeld eine galoppierende Inflation ein, gefolgt von einer bis 1922 andauernden massiven Wirtschafts- und Währungskrise.

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1921

Am 24. April 1921 finden in Gramatneusiedl Gemeinderatswahlen statt. Die »Sozialdemokratische Arbeiterpartei« erhält 895 Stimmen, die »Christlichsoziale Wirtschafts-, Gewerbe-, Hausbesitzer- und Bürgerpartei« (ein Wahlbündnis aus »Christlichsozialer Partei«, »Niederösterreichischem Bauernbund« und »Christlichsozialem Volksverband für Niederösterreich«) 296 Stimmen. Bemerkenswert sind die 51 Stimmen für die »Kommunistische Partei Österreichs«, die im Ort weder über eine Lokalorganisation verfügt noch überhaupt kandidiert. Damit bleibt die Mandatsverteilung in der Gemeindevertretung gleich: zwölf sozialdemokratische und vier christlichsoziale Mandatare. Es ist dies übrigens die einzige Wahl der Zwischenkriegszeit, von der ein Wahlergebnis getrennt nach den beiden Wahlkreisen vorliegt: 1) Gramatneusiedl mit dem Wahllokal im Gemeindegasthaus Nr. 1 des Schlosses; 2) Marienthal mit dem Wahllokal in der Fabrikrestauration Robert Schlick. (Siehe Wahlergebnis)

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1921

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 14. Mai 1921 wird Josef Bilkovsky (1871–1940) wieder zum Bürgermeister gewählt. (Zur erstmaligen Wahl siehe 1919, zur Wiederwahl 1924.)

Weiters wird in dieser Sitzung die Regulierung der Gemeindegrenze zwischen Gramatneusiedl und Moosbrunn (Niederösterreich) genehmigt.

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1921

In der Sitzung der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 5. Juli 1921 scheidet der Oberlehrer Ferdinand Wilhelm Liebhart (?–1925) nach fünfundzwanzigjähriger Tätigkeit für die Gemeinde aus der Gemeindevertretung aus. Sein Nachfolger als Vizebürgermeister wird Rudolf Theuer (1876–1940), der seine Funktion als Gemeindekassier beibehält. Als Gemeindesekretär wird Liebhart vom Lehrer Johann Posch abgelöst.

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1921

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 30. August 1921 wird ein neuerliches Ansuchen der »Wirtschaftspartei« (ein Wahlbündnis aus »Christlichsozialer Partei«, »Niederösterreichischem Bauernbund« und »Christlichsozialem Volksverband für Niederösterreich«) um Ausscheiden der Arbeiterkolonie Marienthal aus der Gemeinde Gramatneusiedl mit zehn gegen vier Stimmen – wie schon 1919 – abgelehnt. Der Akt wird an die Niederösterreichische Landesregierung weitergeleitet, wo er liegen bleibt, was 1925 zu neuerlichen Komplikationen in der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl führt. (Siehe Dokument)

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1921

Im Sommer 1921 werden die im Vorjahr von der Gemeindevertretung beschlossenen nötigsten Reparaturen beim Gemeindegasthaus Nr. 1 im Schloss und beim Isolierspital begonnen.

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1921

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 28. September 1921 wird einstimmig beschlossen, der Textilfabrik Marienthal im Gemeindebesitz befindliche Grundstücke zwecks Bau eines neuen Schleppgleises zu verkaufen.

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1921

Im Oktober 1921 wird eine Fotografie angefertigt, welche Bilder aller im Ersten Weltkrieg eingerückten Gramatneusiedler Bürger enthält. Diese ist als Postkarte und vergrößert als Bild (58,8 X 48,6 cm) erhältlich: »Gedenktafel zur Ehre der lebenden und gefallenen Helden der Gemeinde Gramat-Neusiedl u. Marienthal 1914 1918«. Wien: Hermann Pernetz & Co, Spezial-Photo-Anstalt [1921]. (Siehe Dokument)

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1921

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 3. Dezember 1921 wird ein Komitee unter Leitung von Bürgermeister Josef Bilkovsky (1871–1940) zur Durchführung der elektrischen Ortsbeleuchtung eingesetzt. Eine Vorsprache des Bürgermeisters bei der Textilfabrik Marienthal um ein Stromkontingent vom fabrikeigenen Elektrizitätswerk (errichtet 1890) für die Gemeinde bleibt ohne Erfolg. Bislang sind nur die Fabrik und einige ihrer Gebäude in Marienthal durch dieses Elektrizitätswerk mit Strom versorgt, ebenso das Lagerhaus Gramatneusiedl der »Landwirtschaftlichen Genossenschaft Gramatneusiedl« und von dort – allerdings seit 1923 die im Gemeindebesitz befindliche Bahnhofsrestauration von Karl Wittner (1884–1953), Gramatneusiedl 58 (ab 1961: Bahnstraße 64). Erst 1925 kann die Elektrifizierung des Ortes realisiert werden.

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1921

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 27. Dezember 1921 wird über Anordnung der Bezirkshauptmannschaft Mödling (Niederösterreich) auch in Gramatneusiedl ein Komitee unter Leitung von Bürgermeister Josef Bilkovsky (1871–1940) gegründet, welches die Ansuchen von Kleingewerbetreibenden, Rentnern, Arbeitslosen und anderen bedürftigen Personen um staatliche Lebensmittelzuschüsse für die sich ständig verteuernden Lebensmittel zu behandeln hat. Ursache für die Gründung dieser Einrichtung sind die rapide ansteigenden Lebensmittelpreise infolge der Inflation.

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1921

1921 wird die Ortsgruppe Marienthal der Jugendorganisation »Kinderfreunde« gegründet, damals noch eine Vorfeldorganisation (nach 1945 Parteiorganisation) der österreichischen Sozialdemokratie, welche seit 1922 korrekt »Freie Schule – Kinderfreunde« heißt. Im Juni 1922 erhält der Verein seine erste Unterstützung durch die Freie Gemeinde Gramatneusiedl: 100.000 Kronen, welche für den Ankauf eines Zaunes verwendet werden. Nach dem Aufstand vom Februar 1934 zur Verteidigung der Demokratie wird der Verein behördlich aufgelöst.

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1921

1921 lässt die Textilfabrik Marienthal als einzige bauliche Tätigkeit eine Aufgangsstiege anbringen. Außerdem wird die Industriegleisanlage mit einem neuen Schleppgleis versehen.

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1922

Mit 1. Januar 1922 erfolgt die Trennung von Wien und Niederösterreich, welche zu zwei eigenständigen Bundesländern werden.

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1922

Für 1922 ist der erste Zahnarzt in Gramatneusiedl belegt: Dr. Slawkowsky.

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1922

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 29. März 1922 wird eine zweite Frau als Mitglied der Gemeindevertretung angelobt: die Sozialdemokratin Anna Cejna, geborene Jezek (1885–1970), welche jedoch bereits im Oktober 1922 ihr Mandat zurücklegt.

Weiters wird der Verkauf des Gemeindestiers erörtert. Die gesamte Landwirtschaft Gramatneusiedls ist vor allem auf Ackerbau, insbesondere Getreide- und Krautanbau, ausgerichtet. Viehzucht gibt es nur in kleinem Rahmen. Von Bedeutung ist hierfür, insbesondere für die zahlreichen kleinen Bauernhöfe, der mit dem Kapital der Bauernschaft gekaufte Gemeindestier. Die sozialdemokratische Mehrheit beschließt daher, dass der Gemeindestier nunmehr ausschließlich Eigentum der Gemeinde sei. Schließlich wird der Gemeindestier im April 1922 an das neu gegründete Gramatneusiedler Tiererhaltungskomitee zum seinerzeitigen Kaufpreis verkauft, wodurch er gleichsam als Gemeinbesitz der örtlichen Bauernschaft erhalten bleibt.

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1922

Im April 1922 wird der Sportplatz des »Sportclubs Marienthal. Gegründet 1908« mit einem ersten Gebäude versehen: eine Abortanlage. Später wird für die Sportler eine kleine Holzhütte (5,0 X 9,0 Meter) mit zwei Räumen als Aufenthalts- und Umkleidekabinen aufgestellt. Im Juni 1922 wird per Bescheid festgestellt, dass 3.030 m2 des Sportplatzes auf dem Gemeindegebiet von Gramatneusiedl, 4.120 m2 auf jenem von Mitterndorf an der Fischa (Niederösterreich) liegen. Damit findet der seit 1920 andauernde Streit, wohin die Lustbarkeitssteuer für den Sportplatz abzuliefern sei, ein Ende.

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1922

Im April 1922 tauscht die Freie Gemeinde Gramatneusiedl mit der Textilfabrik Marienthal Grundstücke hinter den fabrikeigenen Siedlungshäusern, damit diese die auch in der Marienthal-Studie wiederholt erwähnten Kleingartenanlagen für ihre Arbeiterschaft errichten kann. Diese 1931 von der Freien Gemeinde Gramatneusiedl zurückgekauften Schrebergärten bestehen noch heute, zwischen Hauptstraße und Siedlergasse beziehungsweise Lindenallee und Bilkovskygasse, allerdings werden Teile davon seit 2005 von der Marktgemeinde Gramatneusiedl nicht mehr weiter verpachtet.

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1922

Im Juni 1922 beschließt die Gemeindevertretung von Gramatneusiedl den Bau einer Mauer um den Friedhof Gramatneusiedl. Wie bisher stellt die Gemeinde das dafür notwendige Material, die Textilfabrik Marienthal die Arbeiter. Im Oktober sind die Bauarbeiten abgeschlossen.

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1922

Die seit dem Vorjahr herrschende galoppierende Inflation in Österreich erreicht am 3. August 1922 ihren Höhepunkt.

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1922

Da eine Elektrifizierung des Ortes nicht absehbar ist, beschließt die Gemeindevertretung von Gramatneusiedl in ihrer Sitzung vom 7. Oktober 1922, die bereits vorhandenen 17 Petroleumlampen wieder in Betrieb zu setzen. Sie bleiben bis 1925 in Betrieb.

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1922

Vom Kriegsende bis 1922 tätigt die »Landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl« zahlreiche Investitionen im Bereich des Lagerhauses Gramatneusiedl: Es werden eine Brückenwaage errichtet, das Verwalterwohnhaus aufgestockt, neue Kanzleiräume gebaut, Grundzukäufe im Bereich des Lagerhauses getätigt, Brückenwaage und Verladerampe überdacht und ein 100 PS-Dieselmotor angeschafft.

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1922

1922 wird auf Initiative der »Kinderfreunde«, Ortsgruppe Marienthal, unter Obmann Karl Swoboda (1885–?), Angestellter der Textilfabrik Marienthal, das Montessoriheim gegründet, zunächst noch »Montessorihort« genannt. Es ist dies nach Wien der erste Montessori-Kindergarten Österreichs und, was die Einwohnerschaft des Standortes betrifft, einer der kleinsten weltweit. Im Dezember 1922 gewährt die Freie Gemeinde Gramatneusiedl dem Kleinkindergarten, der nach den Methoden der italienischen Pädagogin und Ärztin Maria Montessori (1870–1953) betrieben wird, 500.000 Kronen zum Ankauf von Lehr- und Spielsachen, und in der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 4. Dezember 1926 wird beschlossen, eine Ergänzung der Kinderspielzeuge und Einrichtungsgegenstände des Montessoriheimes zu finanzieren. Untergebracht ist dieses im ersten Stock einer 1893 erbauten Waschküche (2005 abgerissen) beim Arbeiterwohnhaus Altgebäude, welche die Textilfabrik Marienthal kostenlos zur Verfügung stellt.

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1922

1922 lässt die Textilfabrik Marienthal das Reißmaschinenlokal, die Staubkammer II, den Schmiedeanbau, den Materialschuppen, den Gerüstholzschuppen, den Leiterschuppen und den Aufzuganbau errichten. Außerdem gestattet sie, das Montessoriheim in einem ihrer Gebäude unterzubringen, und Anfang Dezember 1922 wird die neue Turbine im Turbinen- und Dynamogebäude der Fabrik kommissioniert. Danach gibt es einen langen Baustop bis 1926. (Siehe Plan 1922)

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1923

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 2. März 1923 wird mit elf gegen drei Stimmen beschlossen, dem Verein »Kinderfreunde«, Ortsgruppe Marienthal, eine Subvention in der Höhe von 1,000.000 Kronen zu gewähren.

In derselben Sitzung verpachtet die Gemeinde dem »Sportclub Marienthal. Gegründet 1908« den Sportplatz für weitere drei Jahre bis 21. Mai 1926 bei Zahlung einer jährlichen Pacht von 20.000 Kronen; in der Sitzung der Gemeindevertretung vom 11. April 1923 wird außerdem die Vergrößerung des Umkleideraumes bewilligt.

Im Februar 1923 lehnt die Niederösterreichische Landesregierung das Ansuchen der Freien Gemeinde Gramatneusiedl um Verkauf eines gemeindeeigenen Grundstückes in der Größe von 5.615 m2 an die »Sozialdemokratische Arbeiterpartei« (SDAP), Ortsgruppe Gramatneusiedl-Marienthal, aus formalen Gründen ab. Auf dem Grundstück sollen ein Erholungsheim für Arbeiter und Arbeiterinnen (das spätere Arbeiterheim Marienthal) sowie ein Kindergarten (das spätere Heim der Kinderfreunde) errichtet werden. Über Antrag des christlichsozialen Gemeinderats Matthias Spiegelgraber (1865–1939) soll nach einstimmigem Beschluss der Gemeindevertretung vom 2. März 1923 der Grund nicht mehr der Partei, sondern an die Sozialdemokraten Josef Bilkovsky (1871–1940), Rudolf Böhm (um 1893–1941), Robert Malik (um 1878–1956) und Karl Swoboda (1885–?) verkauft werden, und zwar um 280.750 Kronen. Dies ist der Beginn des in der Marienthal-Studie häufig genannten Arbeiterheims Marienthal, das 1925 als Genossenschaft gegründet wird, welche 1926 das Gebäude errichten lässt. (Siehe Dokument)

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1923

Mit Stichtag 7. März 1923 findet in Österreich eine Volkszählung statt, die für Gramatneusiedl 2.292 Bewohner in 133 Häusern ausweist; es gibt ein letztes Mal für Marienthal detaillierte Daten: Auf dem Gemeindegebiet von Gramatneusiedl leben in Marienthal 1.406 Personen in 20 Häusern, auf jenem von Reisenberg 363 Personen in 16 Häusern. (Lesen und herunterladen)

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1923

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 11. April 1923 wird im Zuge der vom Land Niederösterreich geförderten Instandsetzung von Bezirksstraßen beschlossen, sich an der Beschotterung der Straße von Gramatneusiedl nach Velm (heute zu Himberg, Niederösterreich) zu beteiligen.

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1923

Nach einem vergeblichen Versuch 1919, in Gramatneusiedl ein Kino zu bauen, wird 1923 in der Siedlung Neu-Reisenberg »Anna Gartner’s Elite-Ton-Kino Marienthal-Reisenberg« im Hof des Gasthauses »Zum Südpol«, Reisenberg 136 (heute Reisenbergerstraße 11), von Anna Gartner, geborene Meindl (1883–1971), eröffnet. Das später »Lichtspiele Marienthal–Reisenberg–Gramatneusiedl« genannte Kino wird 1962 geschlossen. Anna Gartner wird 1928 versuchen, ein weiteres Kino, diesmal direkt in Gramatneusiedl, zu eröffnen.

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1923

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 30. Mai 1923 wird erstmals die Vergabe von Ehrenbürgerschaften in der Republik (gemäß Niederösterreichischer Gemeindeordnung vom 23. Juli 1904) beschlossen. Der Schuldirektor Adolf Altenbacher (1865–1928) und Oberlehrer Ferdinand Wilhelm Liebhart (?–1925) werden anlässlich ihrer Versetzung in den dauernden Ruhestand die ersten Ehrenbürger Gramatneusiedls in der Ersten Republik: wegen »ihrer Verdienste, die sich die beiden Herren als langjährige Jugendbildner einerseits und als Gemeindevertreter von Gramatneusiedl für das öffentliche Wohl der Bevölkerung von Gramatneusiedl andrerseits erworben haben« (Sitzungs-Protokoll zur Gemeinde-Ausschuß-Sitzung der Ortsgemeinde Gramatneusiedl am 2. März 1923, S. [7]).

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1923

Am 10. Juni 1923 begeht der »Deutsche Turnverein Gramatneusiedl-Marienthal« unter Leitung des Obmanns »Fritz« Friedrich Albrecht sein zehnjähriges Gründungsfest mit einer großen Feier und einem Bezirksturnen auf der Gramatneusiedler Hutweide, an welchem auch dessen kurz zuvor gegründete »Schüler- und Schülerinnenriege« beteiligt ist. (Siehe Dokument)

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1923

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 21. Juli 1923 wird die Reparatur und Wiederinbetriebnahme der gemeindeeigenen Brückenwaage sowie die Wiederinbetriebnahme der Gemeindeuhr am Schloss Gramatneusiedl beschlossen.

Weiters wird die Bereitstellung von drei Millionen Kronen monatlich aus dem Fürsorgefonds der Gemeinde für Bedürftige beschlossen, was angesichts der hohen Arbeitslosenrate von 42 Prozent in der Freien Gemeinde Gramatneusiedl dringend erforderlich scheint. (Siehe Dokument)

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1923

Gemäß Weisung der Bezirkshauptmannschaft Mödling (Niederösterreich) vom Juli 1923 halten in Gramatneusiedl weiterhin 24 Personen gegen Felddiebstahl Flurwache, wobei deren Organisierung durch die »Landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl« erfolgt.

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1923

Am 5. August 1923 entsteht die Ortsgruppe Marienthal des im Mai 1923 gegründeten »Republikanischen Schutzbundes«, eine paramilitärische Organisation der Sozialdemokratie. Anfangs hat sie mit 120 Mann Kompaniestärke. Folgt man den Gruppenfotos, dürfte die Ortsgruppe zuletzt etwa 150 uniformierte Mitglieder umfasst haben. 1933 wird die Organisation vom Ständestaat-Regime behördlich aufgelöst.

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1923

In einem Schreiben des Obmanns der »Kinderfreunde« Karl Swoboda (1885–?) an die Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 21. August 1923 wird um Unterstützung für das Montessoriheim angesucht, weil die Arbeitslosigkeit einen Erhalt durch die Eltern unmöglich mache; im September 1923 werden fünf Millionen Kronen bewilligt. Seither wird der Kleinkindergarten von der Freien Gemeinde Gramatneusiedl regelmäßig subventioniert, und auch die »Union der Textilarbeiter Österreichs« beteiligt sich an den Personalkosten. (Siehe Dokument)

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1923

Am 23. September 1923 findet eine Begehung des Gemeindegebietes von Gramatneusiedl durch eine bezirksbehördliche Sanitätskommission und den Gemeindearzt Andreas Hauswirth (1885–1975) statt, wobei arge sanitäre Missstände festgestellt werden.

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1923

In der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 24. September 1923 wird dem Bahnhof Gramatneusiedl die Konzession erteilt, eine Funkanlage zu errichten.

Weiters wird dem »Deutschen Turnverein Gramatneusiedl-Marienthal« eine Unterstützung von zweieinhalb Millionen Kronen für den Ankauf von Jugendbüchern und Jugendspielgeräten für die dem Verein angeschlossene »Schüler- und Schülerinnenriege« gewährt.

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1923

Am 29. September 1923 ersucht der »Sportclub Marienthal. Gegründet 1908« die Freie Gemeinde Gramatneusiedl um Überlassung eines kleinen Grundstücks, um den Sportplatz erweitern zu können. Dies wird am 13. November 1923 bewilligt. (Siehe Dokument)

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1923

Am 2. Oktober 1923 ersucht der »Arbeiter-Turn- und Sportverein Marienthal« die Freie Gemeinde Gramatneusiedl um eine Subvention zur Reparatur der Turngeräte, da die Arbeiterschaft angesichts der herrschenden Arbeitslosigkeit dies nicht mehr bezahlen kann. Am 13. November 1923 bewilligt die Gemeinde dafür drei Millionen Kronen. Der damals neu gegründete »Arbeiter-Turn- und Sportverein Marienthal« ist in den 1920er-Jahren der mit Abstand mitgliederstärkste Verein Marienthals, eine Art Dachorganisation, der verschiedene Arbeitersportgruppen angehören, gegliedert in mehrere Sektionen: Bis 1929 entstehen sieben Fußball- und drei Radfahr-Riegen, je eine Geräteturner-, Knaben-Turner-, Mädchen-Turnerinnen-, Faustballer-, Handballer-, Handballerinnen-, Ringer-, Stemmer-, Radball- und Reigen-Radfahr-Riege. Der Verein wird im Zuge des behördlichen Verbots sozialdemokratischer Organisationen 1934 aufgelöst. (Siehe Dokument)

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1923

Am 13. November 1923 ersucht der Inhaber der Bahnhofsrestauration von Karl Wittner (1884–1953), Gramatneusiedl 58 (ab 1961: Bahnstraße 64), die Freie Gemeinde Gramatneusiedl um die Erlaubnis, sein von der Gemeinde gepachtetes Lokal auf eigene Kosten mit elektrischem Licht vom Lagerhaus Gramatneusiedl der »Landwirtschaftlichen Genossenschaft Gramatneusiedl« auszustatten, was ihm genehmigt wird.

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1923

1923 wird die 1920 begonnene Kommassation, also eine Zusammenlegung von Grundstücken, von der Freien Gemeinde Gramatneusiedl abgeschlossen.

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1923

1923 wird der »Burschenverein Gramatneusiedl« als erster ausschließlich Männern vorbehaltener katholischer Verein im Ort gegründet. Obmann ist Franz Schorn (1905–1983), der den Verein 1927 freiwillig auflöst und das Vereinsvermögen der »Freiwilligen Feuerwehr Gramatneusiedl« überlässt.

Der Verein hat allerdings eine stark eingeschränkte Zielsetzung: In seinem Schreiben an die Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 11. Dezember 1923 wird um Unterstützung für die Errichtung eines Kriegerdenkmals angesucht, was in der Sitzung der Gemeindevertretung vom 12. März 1924 positiv erledigt wird. (Siehe Dokument)

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© Reinhard Müller
Graz, im Juni 2009

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