Gramatneusiedl

     

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Große Chronik von Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg

1936 bis 1939

1936

Januar bis Juni 1936 wird die Belegschaft der »Frommengerschen mechanischen Weberei und Schlichterei Kurt Sonnenschein in Mariental« von bisher etwa 100 Beschäftigten deutlich reduziert. Erst in der zweiten Jahreshälfte 1936 kann wieder mit rund 100 Beschäftigten gearbeitet werden. (Siehe Denkbuch Moosbrunn)

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1936

In der Sitzung des Gemeindetages der Ortsgemeinde Gramatneusiedl vom 31. Januar 1936 wird die Grundteilung zwischen der »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal« und dem Kaufmann Josef Boldischar (1914–1965) beschlossen. Dieser erwirbt dabei das Arbeiterwohnhaus Schulhof, Gramatneusiedl 44 (ab 1961: Hauptstraße 66), wo er in der straßenseitig gelegenen einstigen »Waaren-Halle« das für Marienthal wichtige Kaufhaus Boldischar betreibt.

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1936

Im Februar 1936 emigriert Gertrude Wagner (1907–1992), Mitarbeiterin an der Marienthal-Studie, nach Großbritannien. Sie wird erst 1948 nach Wien zurückkehren.

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1936

Pfarrer Leopold Eder (1899–1963) klagt im Februar 1936: »Die Notlage ist groß, doch das Kino in Neu-Reisenberg vollbesetzt, die Faschingsunterhaltungen zahlreich und gut besucht!!« (Siehe Denkbuch Moosbrunn)

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1936

Im März 1936 kommen 50 neue Schrebergärten zwischen Fischa und Mitterndorferstraße an bedürftige Bewohner Marienthals zur Vergabe, wofür die Pfarre Moosbrunn (Niederösterreich) etwa fünf und die Freie Gemeinde Gramatneusiedl rund ein halbes Joch Wiese bereitstellen. (Siehe Denkbuch Moosbrunn)

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1936

In der Vollversammlung der »Landwirtschaftlichen Genossenschaft Gramatneusiedl« vom 24. Mai 1936 wird die Gründung einer Filiale in Himberg (Niederösterreich) beschlossen. Dazu wird die so genannte Raabmühle gepachtet, wo nach Adaptierungsarbeiten 1937 eine Mischfutterproduktion eröffnet wird. Erst im Februar 1951 kann das Gebäude durch die Genossenschaft gekauft werden. Weiters wird beschlossen, in Mannersdorf am Leithagebirge (Niederösterreich) die so genannte Gubiermühle zu pachten, wo noch im selben Jahr der Filialbetrieb aufgenommen wird. Erst im Herbst 1950 wird ein eigenes Filialgebäude am Bahngrund eröffnet.

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1936

Zur Finanzierung des Kindergartens, der ehemaligen Kinderbewahranstalt, wird auf Betreiben von Pfarrer Leopold Eder (1899–1963) der »Verein Jugendhilfe für Gramatneusiedl-Marienthal« gegründet, dessen Statuten mit Bescheid vom 23. Mai 1936 genehmigt werden. Der Verein wird 1938 von den Nationalsozialisten aufgelöst. In der Sitzung des Gemeindetages der Ortsgemeinde Gramatneusiedl vom 4. Juni 1936 wird dem Verein die Erlaubnis zum Betreiben der Kinderbewahranstalt genehmigt und eine Finanzierung durch das Land Niederösterreich angestrebt: Der Erhalt der Kinderbewahranstalt liege im öffentlichen Interesse, weil nunmehr meist beide Elternteile außerhalb des Ortes arbeiten und daher eine ganztägige Beaufsichtigung der Kinder notwendig sei. Im entsprechenden Schreiben des Bürgermeisters Leo Isidor Wiltschke (1876–1945) wird der Wandel Gramatneusiedls in Richtung Pendlergemeinde neuerlich offensichtlich. (Siehe Dokument)

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1936

Das katholisch dominierte Ständestaat-Regime benachteiligt systematisch Personen ohne Glaubensbekenntnis. Einige ehemalige Freidenker treten daher in die katholische Kirche ein, viele schließen sich der evangelischen Kirche oder den Altkatholiken an. Dies trifft besonders auf die einst starke Freidenkerbewegung in Marienthal zu, wie Pfarrer Leopold Eder (1899–1963) beklagt. (Siehe Denkbuch Moosbrunn)

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1936

In der Sitzung des Gemeindetages der Ortsgemeinde Gramatneusiedl vom 23. Juni 1936 werden Adaptierungsarbeiten im Schloss Gramatneusiedl und im ehemaligen Fabrikspital, dem nunmehrigen Gemeindewohnhaus, beschlossen. Die Arbeiten werden bis November 1936 abgeschlossen.

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1936

Die im April 1929 begonnene, jedoch mehrfach unterbrochene Regulierung des Neubachs wird 1936 abgeschlossen.

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1936

In der Sitzung des Gemeindetages der Ortsgemeinde Gramatneusiedl vom 14. September 1936 wird beschlossen, die Regelung der Gemeindegrenzen mit Reisenberg (Niederösterreich), also die beabsichtigte Eingemeindung von Neu-Reisenberg, wie sie schon 1935 beschlossen wurde, erst dann vorzunehmen, wenn auch das ehemalige »k(aiserlich) k(önigliche) Barackenlager Mitterndorf« in ein Eingemeindungsverfahren mit der Gemeinde Mitterndorf an der Fischa (Niederösterreich) einbezogen wird. Eine endgültige Entscheidung fällt allerdings erst im März 1937, und diese betrifft nur Mitterndorf an der Fischa. Neu-Reisenberg bleibt damit bei der Gemeinde Reisenberg und Marienthal weiterhin auf zwei Ortsgemeinden aufgeteilt. (Siehe Dokument)

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1936

Mitte Oktober 1936 wird in der Volks- und Hauptschule auch die Gewerbeschule Gramatneusiedl für Lehrlinge eröffnet, in welcher es an zwei Nachmittagen pro Woche Unterricht gibt; dazu kommt wöchentlich eine Stunde Religionsunterricht.

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1936

In dem im Sommer erweiterten Kindergarten Gramatneusiedl wird von Schwestern der Kongregation »Figlie di Maria Ausiliatrice / Töchter Mariä, Hilfe der Christen« die private Nähschule der Mariahilfschwestern Don Boscos eingerichtet, welche im November 1936 ihre Tätigkeit aufnimmt und bis 1939 in diesen Räumlichkeiten untergebracht bleibt.

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1936

Am Allerseelentag, dem 2. November 1936, wird unter Leitung des Kooperators Anton Kummerer (1908–1990) sowie der Lehrer Viktor Brenner und Wilhelm Kindl »Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes, erneuert« (Uraufführung: Berlin, am 1. Dezember 1911) von Hugo von Hofmannsthal (18741929) im Katholischen Vereins- und Kinderheim durch Kinder und Jugendliche aus Gramatneusiedl aufgeführt. (Siehe Denkbuch Moosbrunn)

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1936

Am 27. November 1936 wird Marie Jahoda (1907–201), Mitarbeiterin an und Hauptautorin der Marienthal-Studie, in Wien wegen des Verdachts auf illegale Betätigung für die »Revolutionären Sozialisten Österreichs« (RSÖ) verhaftet. 1937 wird sie deswegen verurteilt und nach ihrer Haftentlassung zur Emigration gezwungen werden.

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1936

Im Dezember 1936 emigriert Maria Deutsch (1907–1992), Mitarbeiterin an der Marienthal-Studie, nach Spanien. Hier ist sie unter dem Decknamen »Herminia Gonzáles« enge Mitarbeiterin ihres Mannes Julius Deutsch (1884–1968), damals General der Inter-Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg. Maria Deutsch wird 1938 nach Österreich zurückkehren.

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1936

Am 16. Dezember 1936 wird durch einen Beamten der Niederösterreichischen Landeshauptmannschaft die Gebarung (Buchhaltung) der Freien Gemeinde Gramatneusiedl überprüft.

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1937

Angesichts des Umstandes, dass auf dem Gebiet des ehemaligen »k(aiserlich) k(öniglichen) Barackenlagers Mitterndorf« sechs Unternehmen bestehen, die durchwegs mit feuergefährlichem Material arbeiten, wird auf Veranlassung des Sicherheitsdirektors für Niederösterreich am 22. Januar 1937 die »Freiwillige Feuerwehr Mitterndorf an der Fischa« gegründet, welche auch für den Ortsteil Mitterndorf der Freien Gemeinde Gramatneusiedl zuständig ist.

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1937

In der außerordentlichen Sitzung des Gemeindetages der Ortsgemeinde Gramatneusiedl vom 17. Februar 1937 wird die seit Mai 1936 diskutierte Weiterverpachtung des Gemeindegasthauses Nr. 1 im Schloss Gramatneusiedl neuerlich erörtert.

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1937

Der politische Druck, den das Deutsche Reich auf die österreichische Regierung ausübt, zeigt sich unter anderem im Erlass der Bezirkshauptmannschaft Mödling (Niederösterreich) vom 26. Februar 1937 über das Zeigen ausländischer Fahnen, Flaggen, Standarten und Wimpeln in der Öffentlichkeit. (Siehe Dokument)

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1937

Anlässlich der seit September 1936 diskutierten und nun bevorstehenden Eingemeindung des ehemaligen »k(aiserlich) k(öniglichen) Barackenlagers Mitterndorf« nach Mitterndorf an der Fischa (Niederösterreich) wird am 12. März 1937 ein Protokoll darüber aufgenommen. (Siehe Dokument) Als Ergänzung dazu verfertigt das Gemeindeamt Gramatneusiedl am 18. August 1937 ein weiteres Protokoll. (Siehe Dokument) Die beiden Dokumente geben einen guten Einblick in die komplizierte Lage des seit 1919 strittigen Gemeindegebietes. Die Diskussion um die Eingemeindung von Randsiedlungen nach Gramatneusiedl wird erst im April 1955 wieder aufgenommen.

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1937

Zur Osterzeit, im März 1937, spielen 76 Kinder aus Moosbrunn (Niederösterreich) unter Regie des Kooperators Anton Kummerer (1908–1990) das Passionsspiel »Das Leiden des Herrn«, welches in Gramatneusiedl zweimal zur Aufführung kommt.

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1937

Am 28. März 1937 findet eine Fahnenweihe der Pfadfindergruppe Gramatneusiedl des »Österreichischen Pfadfinderkorps St. Georg« statt. Die Weihe im Garten des Katholischen Vereins- und Kinderheims nimmt der Wiener Domkurat zu Sankt Stephan Karl Raphael Dorr (1905–1964) vor. (Siehe Denkbuch Moosbrunn)

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1937

Am 23. Mai 1937 wird der so genannte Altsoldatentag in Gramatneusiedl mit einem Festgottesdienst und anschließender Heldenehrung vor dem Kriegerdenkmal zum letzten Mal begangen.

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1937

Mit Rundschreiben der »Vaterländischen Front«, Bezirk Mödling (Niederösterreich), vom 16. Juni 1937 werden der Freien Gemeinde Gramatneusiedl Maßnahmen zur Sanierung Not leidender Gemeinden vorgeschlagen, von welchen zwei durch den Bürgermeister Leo Isidor Wiltschke (1876–1945) beantragt werden: 1) Entlastung von Krankenverpflegskostenersatz und Beiträgen zum Personalschulaufwand, 2) Streichung der zehnprozentigen Abzüge von den Bundesertragsanteilen zu Gunsten des Landes. (Siehe Dokument)

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1937

1937 nimmt die »Landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl« in der 1936 eröffneten Filiale in Himberg (Niederösterreich) eine Mischfutterproduktion in Betrieb. In Gramatneusiedl selbst werden 1937 beim Lagerhaus Gramatneusiedl am Bahnhof Gramatneusiedl ein nach einer Seite hin offener Schuppen (35 mal 7 Meter) sowie ein Wohnhaus mit darunter gelegener Garage errichtet.

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1937

Mit Erlass der Bezirkshauptmannschaft Mödling (Niederösterreich) vom 1. Juli 1937 wird ein generelles Versammlungsverbot für den Sommer verfügt, von dem nur Wohltätigkeitsveranstaltungen und Aktionen von Vereinen der »Katholischen Aktion Österreichs« ausgeschlossen sind. (Siehe Dokument)

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1937

Im Sommer 1937 kommen englische Quäker (eigentlich »The Religious Society of Friends«), welche seit 1935 jedes Jahr nach Marienthal reisen, ein letztes Mal hierher, wobei es diesmal vorrangig um die Errichtung eines – dann allerdings nie benutzten Kinderbades – beim ehemaligen Isolierspital, Gramatneusiedl 126 (ab 1961: Zur Piesting 11), sowie die Betreuung von Kindern Arbeitsloser geht, welche unter Leitung der englischen Quäkerin Mary Campbell (verheiratete Schicker; ?–2003) erfolgt.

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1937

Am 20. Juli 1937 verlässt der Gramatneusiedler Funktionär der illegalen »Kommunistischen Partei Österreichs« (KPÖ) Josef Forche (1904–1981) Österreich, um im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner zu kämpfen. Er wird am 6. Februar 1938 bei Teruel (Aragón) schwer verwundet, kommt 1939 ins französische Lager Gurs (Pyrénées-Atlantiques) und emigriert im Juli 1939 in die Sowjetunion, wo er in einem Kriegsbetrieb arbeitet. Im Februar 1947 kehrt Josef Forche aus Moskau (Москва) nach Gramatneusiedl zurück, wo er wieder als Parteifunktionär und auch als Gemeinderat tätig sein wird.

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1937

Vom Juli bis Oktober 1937 erfolgt eine umfassende Renovierung der Kirche Sankt Peter und Paul. Im Juli und August werden der Dachstuhl des Kirchturmes ausgebessert, das Dach mit Kupfer verkleidet, Kugel und Kreuz der Kirchturmspitze, welche aus Kupfer sind, vergoldet. Dieser Teil der Renovierung wird mit der Weihe des Turmkreuzes am 15. August 1937 feierlich beendet. Außerdem wird vom August bis Oktober das Innere der Kirche vollständig restauriert: Es werden die Holzverkleidung entfernt, die Mauern trockengelegt, der Boden unter den Sitzbänken betoniert, die Holzteile der beiden Seitenaltäre beinah vollständig erneuert, die Seitenaltarbilder (»Mariahilf« und »hl. Johannes von Nepomuk«) in Wien restauriert, der Hochaltar neu vergoldet, die Gipsstatuen des hl. Leopold (d. i. Leopold III. von Babenberg; 1073–1136) und des hl. Florian (d. i. Florianus; ?–304), welche das Hochaltarbild flankierten, entfernt, die Sitzbänke ausgebessert, die Lichtleitung unter Putz gelegt, die Kreuzwegbilder ins Kirchenschiff verlegt. Die Gesamtkosten betragen 6.500 Schilling für das Dach und 5.416 Schilling für die Innenrenovierung, welche vor allem durch den Kirchenpatron (die Niederösterreichische Landeshauptmannschaft) sowie durch Spenden der Bevölkerung und aus dem Gewinn der Tombola vom 4. Juli 1937 (2.507 Schilling) bestritten werden. (Siehe Denkbuch Moosbrunn)

Im Zuge der Renovierung wird übrigens im August 1937 die Gruft des Müllermeisters Ignaz Osmann (17301778), ein Ziegelgewölbe etwa zwei mal ein Meter und rund 1,30 Meter hoch, erstmals geöffnet. (Siehe Denkbuch Moosbrunn)

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1937

Im September 1937 wird Marie Jahoda (1907–2001), Mitarbeiterin an und Hauptautorin der Marienthal-Studie, gezwungen, nach Großbritannien ins Exil zu gehen. Sie war im November 1936 in Wien wegen des Verdachts auf illegale Betätigung für die »Revolutionären Sozialisten Österreichs« (RSÖ) verhaftet und nach Ablegung eines Teilgeständnisses am 2. Juli 1937 wegen Verbrechens nach § 5 Staatsschutzgesetzes, begangen durch die Einrichtung einer illegalen Poststelle, zu drei Monaten Kerker verurteilt worden. Jahoda wird am 15. Juli 1937 aus der Haft entlassen, allerdings unter der Bedingung, Österreich zu verlassen. Die Freilassung erfolgt vor allem wegen der zahlreichen nationalen und internationalen Proteste, darunter auch jener der englischen Quäkerin Margery Fry (1874–1958). Erst im Juni 1980 wird Marie Jahoda noch ein Mal nach Marienthal zurückkehren.

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1937

Im Oktober 1937 beginnen die Verkaufsverhandlungen zwischen der »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal« und dem Ehepaar Josef Stahl (1896–1959) und Theresia Stahl (1901–2005) über Teile des 1931 aufgelassenen Parks Herrengarten, um hier eine Gärtnerei zu betreiben. Der Kauf wird Anfang Dezember 1937 getätigt. In diesem Teil des ehemaligen Parks richtet Josef Alraun (um 1851–1940) 1938 eine Gärtnerei ein, welche seit 1940 von Erwin Fischer (1903–1961) und seiner Frau Emilie Fischer, geborene Havatin (1904–1973), betrieben wird.

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1937

In der Sitzung des Gemeindetages der Ortsgemeinde Gramatneusiedl vom 15. Oktober 1937 wird die vom »Kaisertreuen Volksverband« betriebene Ernennung von »Kaiser Otto«, das ist Otto Habsburg-Lothringen (geb. 1912), zum Ehrenbürger von Gramatneusiedl bewilligt. Zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft kommt es jedoch aufgrund der politischen Ereignisse der nächsten Monate nicht mehr.

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1937

In den vertraulichen Sitzungen des Gemeindetages der Ortsgemeinde Gramatneusiedl vom 16. und 18. November 1937 wird einstimmig der Einkauf in das »Anna Gartner’s Elite-Ton-Kino Marienthal-Reisenberg« in Neu-Reisenberg durch die Gemeinde beschlossen. Die Betreiberin Anna Gartner, geborene Meindl (1883–1971), behält ihren Anteil, die andere, im Besitz des Wiener Kaufmanns Leopold Pisk befindliche Hälfte des Unternehmens soll von der Gemeinde erworben werden. (Siehe Dokument und Dokument)

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1937

Mit Erkenntnis des Bundesgerichtshofes vom 22. Dezember 1937 wird Kurt Sonnenschein (1906–195?) dazu verurteilt, dem Zahlungsauftrag der Freien Gemeinde Gramatneusiedl nachzukommen. Sonnenschein hatte sich geweigert, die von der Gemeinde vorgeschriebene Arealsteuer für 1936/37 im vollen Ausmaß zu zahlen, weil er sich auf eine entsprechende mündliche Vereinbarung mit Bürgermeister Leo Isidor Wiltschke (1876–1945) berief, die ihn auf zehn Jahre hin von der Landesarealsteuer befreit habe. Tatsächlich musste Sonnenschein für 1934/35 die Arealsteuer nicht abführen. Außerdem wies Sonnenschein darauf hin, dass seine »Frommengersche mechanische Weberei und Schlichterei Kurt Sonnenschein in Mariental« im Jahr 1936 mit reduzierter Belegschaft in Betrieb war.

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1938

Am 31. Dezember 1937 kündigt der langjährige Pächter des Gemeindegasthauses Nr. 1 im Schloss Gramatneusiedl Adalbert Siegl (18951976) aus Groß-Enzersdorf (Niederösterreich) wegen der rheumatischen Erkrankung seinen Ehefrau den Pachtvertrag aus dem Jahr 1935. In der Sitzung des Gemeindetages der Ortsgemeinde Gramatneusiedl vom 10. Januar 1938 wird einstimmig Franz Griesmüller (1894–1956), Gastwirt in Weigelsdorf (heute zu Ebreichsdorf, Niederösterreich), als neuer Pächter ab 1. April 1938 eingesetzt.

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1938

Am 17. Januar 1938 findet die letzte Sitzung des Gemeindetages der Ortsgemeinde Gramatneusiedl vor der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich statt, wobei es ausschließlich um das Gemeindebudget für 1938 geht. Mitglieder des Gemeindetages sind zu diesem Zeitpunkt neben Bürgermeister Leo Isidor Wiltschke (1876–1945), erster Bürgermeisterstellvertreter Matthias Spiegelgraber (1865–1939), zweiter Bürgermeisterstellvertreter Michael Hums (1877–1954) sowie Josef Baron (1887–1959), Karl Geyer (1887–1978), Johann Gröss (1893–1966), Josef Hillinger (um 1895–1949), Ernst Horvath (1908–1970), Georg Pinsky, Johann Pribyl (1894–1956), Franz Rehaček (1891–1967), Michael Reiner, Franz Schorn (1905–1983) und Anton Stoss (1889–1962).

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1938

Am 25. und 26. Januar 1938 kann auch in Gramatneusiedl ein Nordlicht beobachtet werden.

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Deutsches Reich (Nationalsozialismus)

1938

Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich erfolgt am 13. März 1938 der »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich, der mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 13. März 1938 auch formell vollzogen wird: »Artikel 1. Österreich ist ein Land des Deutschen Reiches.« Noch am selben Tag werden der Gemeindetag der Ortsgemeinde Gramatneusiedl aufgelöst, der bisherige Bürgermeister Leo Isidor Wiltschke (1876–1945) ab- und der Eisenbahnbeamte Johann Rathner (1878–1949) als provisorischer Ortsvorsteher eingesetzt, welches Amt er bis November 1938 inne hat.

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1938

Mit Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich vom 16. März 1938 wird am darauf folgenden Tag Österreich dem Geltungsbereich des deutschen Vierjahresplanes unterstellt, damit die Reichsmark an Stelle des Schilling als Währung eingeführt: 1 Reichsmark (RM) = 1,50 Schilling (S).

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1938

Am 22. März 1938 findet die erste ordentliche Ausschusssitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl unter dem provisorischen Ortsvorsteher Johann Rathner (1878–1949) statt. Mitglieder der Gemeindevertretung sind nunmehr neben Johann Rathner, Franz Allinger, Josef Baron (1887–1959), Georg Fensl (1884–1958), Franz Griesmüller (1900–1947), Josef Hums (1906–1946), Gottfried Jirousch (1870–1962), Franz Malíček, Hans Mezera (1895–1960), Alois Müller (1890–1979), Raimund Müller, Anton Pech, Johann Říha (um 1903–1947), Friedrich Röschl (1903–1977), Josef Tögel (1904–1975) und Adolf Wimpissinger.

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1938

Am 10. April 1938 findet in ganz Österreich die Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich statt: »Bist Du mit der am 13. März 1938 vollzogenen Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich einverstanden und stimmst Du für die Liste unseres Führers Adolf Hitler?« Das Ergebnis dieser demokratischen Wahlgrundsätzen zuwiderlaufenden Abstimmung für Gramatneusiedl ist nicht bekannt, doch stimmen in Niederösterreich 99,4 Prozent mit »Ja«, nur 0,6 mit »Nein«. (Siehe Dokument)

Zeitzeugen bestätigen, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung Gramatneusiedls und Marienthals das nationalsozialistische Regime begrüßt. Die ehemals sozialdemokratische Arbeiterschaft Marienthals schließt sich in beachtlichem Umfang dem Nationalsozialismus an. Dies gilt auch für die mittlerweile im Bauerndorf Gramatneusiedl zahlreicher gewordenen Sozialdemokraten, vor allem aber für die dortigen Deutschnationalen und Christlichsozialen, welche sich ebenfalls in bemerkenswerter Anzahl dem Nationalsozialismus anschließen. Der Gramatneusiedler Pfarrer Georg Grausam (1911–1977), der viele Zeitzeugen befragte, stellt in seiner Chronik fest: »Die alten Sozialisten beklagten, daß sich Genossen, auf deren Treue sie gebaut hatten, plötzlich als die strammsten Nationalsozialisten entpuppten.« (Georg Grausam [& Erich Kirch]: Geschichte von Gramatneusiedl. Gramatneusiedl 1977 / 1983], Bl. 55.) Selbst im Widerstand aktive Sozialdemokraten wie der Fabrikarbeiter Leopold Kopecky (1910–1993), später Bürgermeister von Gramatneusiedl, zeigen sich noch Jahrzehnte danach über das Ausmaß der Zustimmung zum neuen Regime – auch innerhalb der Arbeiterschaft – überrascht: »Überhaupt hat es viel mehr Kollaboration mit den Nazis gegeben als wir vermutet hatten.« (Michael Freund & János Marton & Birgit Flos: Marienthal 1930–1980. Wien 1982, Bl. 59.) Lediglich der kommunistische Widerstand scheint geschlossen und einigermaßen gut organisiert gewesen zu sein, wie auch die Verhaftungen 1943 bezeugen. Kaum etwas vermag die Lage der Arbeiterschaft Marienthals besser zu kennzeichnen als die Inbesitznahme zweier Marienthaler Gebäude mit hoher Symbolkraft, welche allerdings schon im Februar 1934 geschlossen und dann von der »Vaterländischen Front« übernommen worden waren, im Jahr 1938: Das Arbeiterheim Marienthal wird Sitz der Lokalorganisation der »Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei« (NSDAP), und das ehemalige Heim der Kinderfreunde wird von der »Hitler-Jugend« (HJ) bezogen.

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1938

Mit Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich vom 20. Mai 1938 werden die »Nürnberger Rassengesetze« im Land Österreich eingeführt. Damit wird die seit dem »Anschluss« tobende Verfolgung von Bürgern jüdischen Glaubens gesetzlich sanktioniert.

In Gramatneusiedl fallen mindestens zwei Familien der nationalsozialistischen Judenverfolgung zum Opfer: Der Schneidermeister Alois Marx wird noch 1938, seine Familie sicherlich vor 1941 aus Gramatneusiedl deportiert, und das Schicksal des Lederers Leopold Pisk ist ungeklärt.

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1938

Mit Verfügung Adolf Hitlers (1889–1945) vom 24. Mai 1938 wird das Land Österreich in sieben Gaue aufgeteilt: Gramatneusiedl, das bislang im Bundesland Niederösterreich lag, wird dem seit 15. Juni 1938 amtlich so bezeichneten Gau Niederdonau zugeordnet.

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1938

Mit Kundmachung vom 18. Juni 1938 zur Durchführung der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden, welche am 21. Juni in Kraft tritt, wird der systematische Raub an jüdischen Bürgern in Österreich gesetzlich legitimiert.

In Gramatneusiedl wird 1939 die »Frommengersche mechanische Weberei und Schlichterei Kurt Sonnenschein in Mariental« von Kurt Sonnenschein (1906–195?) »arisiert«, also geraubt werden.

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1938

Wie viele andere Vereine auch wird am 29. Juni 1938 die »Landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl« durch Neuwahl des gesamten Vorstandes gleichgeschaltet, also von Anhängern des Nationalsozialismus übernommen und den Interessen der Partei unterstellt. Damit ist das wirtschaftlich bedeutendste Unternehmen des Ortes unter nationalsozialistischer Kontrolle.

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1938

Mitte August 1938 fährt im Zuge nationalsozialistischer Propagandaaktionen der »Hilfszug Bayern« in Marienthal vor, nimmt zwischen dem Haupttor beim Portierhaus der ehemaligen Textilfabrik Marienthal und dem Gasthaus Karl Bürgermeister (1895–1961), das einstige Fabrikgasthaus, Aufstellung und verabreicht kostenlos den später berüchtigt gewordenen deutschen Eintopf.

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1938

Am 23. September 1938 stirbt in Gramatneusiedl die Weberin und sozialdemokratische Politikerin Karoline Taschke, geborene Palme (1861–1938), 1919 bis zu ihrer politisch bedingten Amtsenthebung 1934 als erste Frau Mitglied des Gemeinderats Gramatneusiedl, wo sie auch als Alterspräsidentin fungierte.

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1938

Das Jahr 1938 ist auch für viele Mitglieder des Projektteams der Marienthal-Studie ein Schicksalsjahr. Paul Felix Lazarsfeld (1901–1976) ist bereits im September 1933 in die Vereinigten Staaten von Amerika gegangen. Emigriert sind Clara Jahoda (1901–1986) Mitte der 1930er-Jahre, Gertrude Wagner (1907–1992) im Februar 1936 und Marie Jahoda (1907–2001) im September 1937, alle drei nach Großbritannien. Nach dem »Anschluss« setzt die große Flüchtlingswelle ein. Noch im März 1938 emigrieren Hans Zeisel (1905–1992) und seine Schwester Ilse Zeisel (1909–1999) über Großbritannien in die USA, wo beide bleiben werden. Karl Hartl (1909–1979) flüchtet im März 1938 nach Frankreich, wird aber 1949 nach Österreich zurückkehren. Walter Wodak (1908–1974) flüchtet 1938 nach Großbritannien und kehrt 1945 als britischer Soldat nach Österreich zurück, wo er bleiben wird. Im Mai 1938 flüchtet Hedwig E. F. Jahoda (1911–1961) über Großbritannien 1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika und wird nicht mehr nach Österreich heimkehren. Im Juni 1938 emigriert Josefine Stross (1901–1995) als medizinische Betreuerin gemeinsam mit Sigmund Freud (1856–1939), dessen Tochter Anna Freud (1895–1982) und deren Dienstmädchen Paula Fichtl (1902–1982) nach Großbritannien, wo sie sich für immer niederlässt. Maria Deutsch (1884–1973), die bereits im Dezember 1936 nach Spanien emigriert, im Januar 1938 jedoch nach Österreich zurückgekehrt war, wird beim Ausreiseversuch im März 1938 verhaftet, aber nach Intervention britischer sozialistischer Politiker im November 1938 freigelassen. Im Mai 1939 gelingt ihr die Flucht nach Großbritannien, geht 1939 nach Frankreich, kehrt 1940 nach Großbritannien zurück und flüchtet über Kuba 1941 in die Vereinigten Staaten von Amerika; 1946 kehrt sie nach Wien zurück.

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Gramatneusiedl als Bestandteil der Stadt Wien

1938

Im Zuge der Verwaltungsreform im besetzten Österreich wird gemäß Gesetz über Gebietsveränderungen im Lande Österreich vom 1. Oktober 1938 Gramatneusiedl mit 15. Oktober 1938 der Stadt Wien, und zwar dem 13. Bezirk (Schwechat), einverleibt: »In die Stadt Wien werden folgende Gemeinden des ehemals österreichischen Landes Niederösterreich eingegliedert: […] b) vom Verwaltungsbezirk Mödling die Gemeinden des Gerichtsbezirkes Mödling und die Gemeinden Gramatneusiedl, Moosbrunn, Münchendorf und Velm«. Damit gelangt es auch vom Gau Niederdonau zum Gau Groß-Wien. Da Reisenberg (Niederösterreich), und damit die Siedlung Neu-Reisenberg, im Gau Niederdonau verbleibt, ist Marienthal nicht nur auf zwei Gemeinden und zwei Bezirke, sondern auch auf zwei Länder beziehungsweise Gaue aufgeteilt. Gramatneusiedl selbst ist keine eigenständige Gemeinde mehr, Bürgermeister sind nunmehr die Bürgermeister Wiens: Hermann Neubacher (1893–1960), seit 14. Dezember 1940 Philipp Wilhelm Jung (1884–1965) und seit 30. Dezember 1943 Hanns Blaschke (1896–1971), der bis 6. April 1945 dieses Amt bekleidet. Gramatneusiedl erhält zwar im November 1938 eine Amtsstelle der Bezirkshauptmannschaft Schwechat für Gramatneusiedl, Velm (heute zu Himberg, Niederösterreich) und Moosbrunn (Niederösterreich), welche im Schloss Gramatneusiedl untergebracht ist. Hier residiert ab 1. Januar 1939 der Ortsvorsteher. Die tatsächliche Macht liegt jedoch beim so genannten Ortsdreieck, bestehend aus dem Ortsvorsteher (aus Gramatneusiedl), dem Ortsgruppenleiter (aus Velm) und dem Ortsbauernführer (aus Velm). Gramatneusiedl wird – nach einem gescheiterten Versuch im Juni 1946 erst am 1. September 1954 seinen Status als autonome Gemeinde wiedererlangen.

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1938

Am 24. Oktober 1938 findet bei Josef Krenn (1913–1987), seit 1. September 1936 zweiter Kooperator in Moosbrunn (Niederösterreich) und als solcher auch in Gramatneusiedl tätig, eine Hausdurchsuchung durch die Geheime Staatspolizei (GeStaPo) statt, weil er einen Aufruf der österreichischen Bischöfe verlesen hatte. Krenn wird verhaftet und ins berüchtigte Polizeigefängnis in Wien 9., Rossauer Lände, gebracht. Nach neun Monaten wird er ohne Anklageerhebung freigelassen und wirkt danach in Perchtoldsdorf (Niederösterreich) und Hirtenberg (Niederösterreich), zuletzt in Bad Schönau (Niederösterreich). (Siehe Denkbuch Moosbrunn)

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1938

Am 8. November 1938 werden das Katholische Vereins- und Kinderheim gesperrt und der erst 1936 gegründete »Verein Jugendhilfe für Gramatneusiedl-Marienthal« behördlich aufgelöst. (Siehe Denkbuch Moosbrunn) Außerdem werden in der Folge alle katholischen Vereine des Ortes behördlich aufgelöst, darunter 1938 die Pfadfindergruppe Gramatneusiedl des »Österreichischen Pfadfinderkorps St. Georg« und 1939 der »Katholische Mädchenbund«, der »Christliche Frauenverein«, der »Verein ›Frohe Kindheit‹« und der »Katholische Deutsche Burschenverein Gramatneusiedl«.

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1938

Am 9. November 1938 führen Nationalsozialisten ein Pogrom gegen Juden und Jüdinnen aus, die so genannte Reichskristallnacht: Synagogen, jüdische Friedhöfe, Geschäfte und Wohnungen werden zerstört und geplündert, unzählige Juden gefoltert und ermordet.

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1938

Im November 1938 erwirkt die Leitung der »Landwirtschaftlichen Genossenschaft Gramatneusiedl« die Überlassung des von Walter Prade gepachteten, jedoch ungenutzten Spinnerei-Hauptgebäudes der ehemaligen Textilfabrik Marienthal zur Getreidelagerung für die »Reichsstelle für Getreide, Futtermittel und sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse«.

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1938

Mit der Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich vom 28. November 1938 über den Neuaufbau des Reichs wird mit Rechtswirksamkeit ab 1. Januar 1939 die Amtsstelle der Bezirkshauptmannschaft Schwechat in Gramatneusiedl eingerichtet. Zum Ortsvorsteher wird Karl Mayer (1908–1970) ernannt, der dieses Amt bis April 1945 bekleidet (zum Vorgänger siehe 1938).

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1939

Am 15. März 1939 marschiert die Deutsche Wehrmacht in die so genannte Rest-Tschechoslowakei ein und besetzt das Land.

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1939

Im Zuge der nationalsozialistischen Raubpolitik an jüdischem oder so genannt jüdischem Eigentum kommt es auch zur »Arisierung«, also zum Raub, der »Frommengerschen mechanischen Weberei und Schlichterei Kurt Sonnenschein in Mariental« des in Wien lebenden Fabrikanten Kurt Sonnenschein (1906–195?). Der Familie Sonnenschein selbst gelingt zwar Ende Juni 1939 die Flucht nach London, die Fabrik wird jedoch seit April 1939 vom deutschen »Arisierungs-Königs« Fritz Ries (1907–1977) betrieben, nunmehr unter dem Namen »Mechanische Weberei und Appretur Marienthal Dr. Fritz Ries, Wien–Gramatneusiedl«. Im September 1940 wird die Fabrik von Adolf Ahlers (1899–1968) übernommen. Kurt Sonnenschein wird seine Fabrik nach langwierigen Rechtsstreitigkeiten formal erst um 1954 zurückerhalten.

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1939

Im Juni 1939 flüchtet der letzte noch lebende Besitzer der einstigen Textilfabrik Marienthal, Stephan Mautner (1877–1944), mit seiner Familie nach Ungarn, wo er auf einem Landgut bei Szentes (Csongrád Megye) lebt. Im Juli 1944 in Budapest aufgegriffen, wird er mit seiner Familie in das Konzentrationslager Auschwitz (Oświęcim, Polen) deportiert, wo er, seine Frau und seine Kinder ermordet werden. Seiner Schwester, Marie Mautner-Kalbeck (1886–1972), gelingt im Januar 1939 die Flucht nach Großbritannien; sie wird 1947 mit ihrem Sohn Florian Kalbeck (1920–1996) nach Österreich zurückkehren. auch Stephan Mautners ältere Schwester, Katharina Breuer-Mautner (1883–1979), kann sich 1939 ins englische Exil retten, wo sie bis zu ihrem Tod bleiben wird.

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1939

Walter Prade, dessen Pachtvertrag noch bis Ende Juni 1940 geht, wird von der Leitung der »Landwirtschaftlichen Genossenschaft Gramatneusiedl« »bewegt«, die Pacht vorzeitig zu kündigen und auf sein Vorverkaufsrecht zu verzichten. Am 18. April 1939 kauft die »Landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl« den von Walter Prade 1933 gepachteten Teil der ehemaligen Marienthaler Textilfabrik von der »Actien-Gesellschaft der Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal« samt Elektrizitätswerk, kurz darauf auch das Arbeiterwohnhaus Neugebäude, das zu diesem Zeitpunkt 80 Wohnungen beherbergt, samt anschließenden Lagergebäuden (Kistenschuppen und Garnmagazin) und rund 3.000 Quadratmetern Grund. Auf dem einstigen Gelände der Textilfabrik Marienthal bleiben lediglich die von Fritz Ries (1907–1977) »arisierten« Gebäude – der Webereikomplex und das Direktorenwohnhaus Herrenhaus – im Fremdbesitz.

Da es beim Lagerhaus Gramatneusiedl nahe dem Bahnhof Gramatneusiedl keine Ausdehnungsmöglichkeit mehr gibt, verlegt die Genossenschaft zwischen August 1939 und Juli 1940 ihren Hauptbetrieb auf das Areal der ehemaligen Textilfabrik Marienthal ins neue Lagerhaus Marienthal. Im ehemaligen Spinnerei-Hauptgebäude richtet sie Getreidelagerräume, Mehl-, Futtermittel-, Säcke- und Kunstdüngermagazine ein, in den entlang der Fischa gelegenen Gebäuden (von der Karderie bis zum Baumwollmagazin III) werden Kanzleien, Schlosser-, Elektriker- und Tischlerwerkstätten, eine Schroterei, Montagehallen und Lagerräume untergebracht. Die Reparaturwerkstätte für landwirtschaftliche Maschinen und Traktoren wird ausgebaut, weil sie nun auch die nahe gelegenen Schwesterngenossenschaften Guntramsdorf (Niederösterreich), Schwadorf (Niederösterreich) und Ebreichsdorf (Niederösterreich) bedient. Auch das 1890 errichtete Elektrizitätswerk wird grundlegend renoviert und ein neuer Generator aufgestellt. Am Bahnhof Gramatneusiedl verbleibt nur der Mühlenbetrieb, eine Walzmühle für Roggen und Weizen, deren Umbau im Juni 1939 abgeschlossen wird; ihr nächster Umbau wird erst 1968 in Angriff genommen werden. (Siehe Gebäude der Genossenschaft auf dem ehemaligen Fabrikgelände)

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1939

Am 20. April 1939 wird der 50. Geburtstag von Adolf Hitler (1889–1945) wie überall im Deutschen Reich so auch in Gramatneusiedl groß gefeiert, die Amtsstelle Gramatneusiedl im Schloss Gramatneusiedl festlich geschmückt. (Siehe Dokument)

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1939

Am 1. September 1939 beginnt das Deutsche Reich den Zweiten Weltkrieg, doch scheint dieser zunächst von Gramatneusiedl fern zu sein. Allerdings müssen immer mehr Männer zur Deutschen Wehrmacht einrücken, aus Gramatneusiedl insgesamt rund 500.

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1939

Im November 1939 wird der Kindergarten, die ehemalige Kinderbewahranstalt, von den nationalsozialistischen Behörden gesperrt, um dort im Mai 1940 eine Kindertagesstätte der »Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt« (NSV) zu eröffnen. Die drei im einstigen Kindergarten tätigen Schwestern der Kongregation »Figlie di Maria Ausiliatrice / Töchter Mariä, Hilfe der Christen« werden entlassen, können bis August 1942 bei einer Familie im Bauerndorf, Josef Baron (1887–1959), Gramatneusiedl 34 (ab 1961: Oberortsstraße 20), wohnen, wo sie Näharbeiten durchführen und Klavierunterricht erteilen. In diesem Haus wird auch die 1936 gegründete Nähschule der Mariahilfschwestern Don Boscos unter Leitung von Schwester Margarita Hoffmann bis zur endgültigen Schließung 1942 weitergeführt. (Siehe Denkbuch Moosbrunn)

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© Reinhard Müller
Graz, im Juni 2009

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