|
Dokumentarfilm
< vorheriges Kapitel | nächstes Kapitel >
Als die Wirklichkeit laufen lernte...
Filmemacher auf dem Weg vom Dokumentarfilm zum Spielfilm
"Dokumentarfilme haben mich immer besonders angezogen. Sie stellen
eine Form des Filmemachens dar, die einem erlaubt, die Dinge so zu filmen,
wie sie passieren - ohne einzugreifen. Die Kamera liegt auf der Lauer, wie
ein Jäger, und wartet auf Bilder, die die Wirklichkeit produziert. Dann kam
eine Zeit, in der ich das Interesse an dieser Art der Dokumentation, am
cinéma vérité, verlor, weil ich ihre Beschränkungen erkannte. Wenn man
darauf wartet, dass etwas Wichtiges passiert, geschieht entweder gar nichts
oder nur etwas völlig Belangloses. Man kann zwanzig Tage lang hinter seiner
versteckten Kamera lauern, wie ich es für meinen kubanischen Film
GENTE EN LA PLAYA getan habe, und am Ende hat man lediglich die Oberfläche
der Dinge aufgenommen.... Deshalb habe ich mich dem Spielfilm zugewandt,
um eine Geschichte zu erzählen und um mit Schauspielern zu arbeiten. Mit
anderen Worten, ich habe angefangen, die Art von Filmen zu drehen, die ich
als junger Mann verachtet habe." (Nestor Almendros in "A Man with a Camera")
Der letztes Jahr verstorbene Kameramann Nestor Almendros steht
beispielhaft für eine Reihe von Filmemachern, die ihre Karriere mit
Dokumentarfilmen begonnen haben, bevor sie mit Spielfilmen einem
breiten Publikum bekannt wurden. Die im Umgang mit dem Dokumentarfilm
gewonnenen Fähigkeiten kommen ihrer Arbeit mit fiktiven Stoffen hierbei
meist zugute. So zeichnet fast alle Filme von Almendros der sparsame
Umgang mit kameratechnischen Mitteln aus. Wo immer es ging, versuchte er
mit der für den Dokumentarfilm obligatorischen "available light photography"
auszukommen, d.h. die Dinge nach Möglichkeit ohne Hilfe zusätzlicher
Ausleuchtung abzubilden.
Seine wichtigsten Dokumentarfilme drehte Almendros mit dem iranischen
Filmemacher Barbet Schroeder; GENERAL IDI AMIN DADA (1974) und
KOKO, THE TALXING GORILLA (1977). Mit Roberto Rossellini (ROMA,
CITTA APERTA, 1945) drehte er im Auftrag der französischen Regierung
eine Dokumentation über eines der am kontroversesten diskutierten
Gebäude in Paris: LE CENTRE GEORGES POMPIDOU (1977).
Almendros' Kollege, der amerikanische Kameramann Haskell Wexler,
war auf dem Gebiet des Dokumentarfilms noch wesentlich intensiver
tätig (auch als Regisseur), bevor er sich dem Spielfilm zuwandte. Zu seinen
bekanntesten Dokumentationen gehören der halbdokumentarische
MEDIUM COOL (1969), THE BUS (1965) und NEWSREEL (1969). Mit den Filmen
BRAZIL: A REPORT ON TORTURE (1971) und INTERVIEWS WITH MY LAI VETERANS (1971)
verlässt er die Position des Beobachters und bezieht gewollt Stellung.
Zu Haskell Wexlers wichtigsten Spielfilmarbeiten gehören
IN THE HEAT OF THE NIGHT (1967, R.: Norman Jewison),
THE CONVERSATION (1973, R.: Francis Ford Coppola) und
ONE FLEW OVER THE CUCKOO'S NEST (1975, R.: Milos Forman). Für seine
Kameraarbeit zu WHO'S AFRAID OF VIRGINIA WOOLF (1966, R.: Mike Nichols) wurde
er sogar mit dem Oscar ausgezeichnet
Inhalt:
|