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Bürgerkrieg in Oberösterreich

Im Schatten des Bürgerkriegs von 1934


Kein Ereignis der österreichischen und oberösterreichischen Geschichte spaltet die öffentliche Meinung und auch die der Historiker bis heute mehr als der Bürgerkrieg vom 12. bis 15. Februar 1934, der in ganz Österreich etwa 300 Todesopfer forderte. Die Kämpfe wurden auf beiden Seiten mit großer Erbitterung geführt. Die Justiz der Sieger war mehr von Rache als von Vernunft getragen.

Auflösung der Demokratie
Dem offenen Kampf vorausgegangen waren die schrittweise Auflösung der Demokratie und Zunahme der Gewaltbereitschaft in Österreich. In der im Herbst 1929 mit voller Wucht hereingebrochenen Wirtschaftskrise verschärften sich die sozialen und politischen Gegensätze. Militante gab es auf allen Seiten, in der Heimwehr und bei den Christlichsozialen, bei bei den Sozialdemokraten und im Schutzbund, vor allem aber bei den Nationalsozialisten. Mit diktatorischen Modellen war in allen politischen Lagern kokettiert und argumentiert worden. Die Christlichsozialen vermeinten, damit eine Stabilisierung des Landes erreichen zu können, die Sozialdemokraten führten sie als Ausweg in ihren Parteiprogrammen, die Heimwehr hatte sich im Korneuburger Eid darauf eingeschworen und die Nationalsozialisten betrachteten den Weg in das Parlament sowieso nur als Umweg, um die Demokratie zu zerstören.

Engelbert Dollfuß
Der Versuch zur Bildung einer großen Kolalition mit den Sozialdemokraten, wozu Ignaz Seipel im Juni 1931 vom Bundespräsidenten beauftragt worden war, schlug fehl. 1932 wurde Engelbert Dollfuß Bundeskanzler und Außenminister.
Dollfuß war nie Paralmentarier und er polarisiert bis heute: Märtyrer oder Arbeitermörder, Wegbereiter des Untergangs oder erstes Opfer Österreichs im Kampf gegen Hitler, Diktator oder Utopist, Totengräber der Demokratie oder Erfinder der Sozialpartnerschaft, großartiger Redner oder kleiner Faschist?
Er war wohl von allem etwas. Am 4. März 1933 wurde das Parlament durch einen Formalakt ausgeschaltet und der Sozialdemokratie immer mehr die wirtschaftliche und politische Basis entzogen.

Polarisierung der politischen Lager
Dass der Bürgerkrieg ausgerechnet in Oberösterreich ausgelöst wurde, ist eigentlich überraschend. Denn Oberösterreich war jenes Bundesland, das bis 1934 am ehesten von einem Weg des Konsenses und der Kooperation der großen politischen Lager gekennzeichnet gewesen war.
1927 waren innerhalb eines halben Jahres die beiden großen, auf Ausgleich bedachten Landespolitiker gestorben, der langjährige christlichsoziale Landeshauptmann Prälat Johann Nepomuk Hauser und der sozialdemokratische Linzer Bürgermeister Josef Dametz. Auch Hausers Nachfolger als Landeshauptmann Dr. Josef Schlegel war ein entschiedener Vertreter der Demokratie. Noch am 30. November 1933 war das Landesbudget für 1934 von allen Parteien einstimmig beschlossen worden. Am 14. Dezember 1933 trat der Landtag zum letzten Mal in der demokratisch gewählten Zusammensetzung zusammen.

Doch die Polarisierung der politischen Lager war auch in Oberösterreich nicht aufzuhalten. Das Vorgehen der Heimwehr und der von Wien aus gelenkten Polizei gegen Institutionen der Sozialdemokratie wurde immer schärfer. Richard Bernaschek, der Führer des Republikanischen Schutzbundes in Oberösterreich und stellvertretender Landesparteisekretär, wollte dies nicht weiter hinnehmen. Ohne Wissen des Landesparteivorstandes, wohl aber nach brieflicher Verständigung der Wiener Parteiführung, gab er am 11. Februar den Beschluss zum gewaltsamen Widerstand im Falle einer Waffensuche oder Verhaftung von Vertrauensleuten der Partei oder des Schutzbundes aus. Die Wiener Parteiführung war entsetzt und befahl, den Einsatzplan aufzuschieben. Der entsprechende Telefonspruch wurde abgehört. Als daher am nächsten Morgen eine Hausdurchsuchung der Polizei in der sozialdemokratischen Parteizentrale im Hotel Schiff angesetzt war, begann der Kampf. Bernaschek wurde mit einem Großteil der Führungsgarnitur verhaftet. Ein MG-Schütze des Schutzbundes eröffnete das Feuer.

Der Kampf des Schutzbundes war von vornherein aussichtslos. Die Kräfteverhältnisse waren zu ungleich. Der Schutzbund überschätzte seine eigene Schlagkraft und rechnete vor allem nicht mit dem Eingreifen des Heeres. Etwa 6000 bis 8000 Schutzbündlern und Sympathisanten, von denen sich nur ein kleiner Teil aktiv am Kampf beteiligte, standen in Oberösterreich etwa 14.000 Mann aus Bundesheer, Polizei, Gendarmerie und Heimwehr gegenüber.

Schauplätze in Oberösterreich
Die Linzer Hauptschauplätze waren neben dem Hotel Schiff das Parkbad, die Eisenbahnbrücke, der Jägermayrhof, die Spatenbrotwerke, der Städtische Wirtschaftshof, die Feuerwehrschule, die Polizeikaserne am Kaplanhof, das Gaswerk, das Südbahnhofgelände und die Diesterwegschule. Neben Linz waren Steyr und das Hausruck-Kohlenrevier die Zentren des Aufstands. Kaum gekämpft wurde im Salzkammergut, wo man an sich mit einem großen Widerstand gerechnet hatte. Überhaupt nicht gekämpft wurde im Mühlviertel und in Wels.

Der Großteil der Kämpfe war an einem Tag vorbei. Die Zahl der Todesopfer variiert je nach Zählung: In Oberösterreich gab es 60 Tote, davon auf Seiten des Schutzbundes 34 (inklusive der zwei standrechtlich hingerichteten und der vier in Holzleithen ohne Urteil auf einer Theaterbühne erschossenen Personen). 26 Todesopfer gab es bei Bundesheer, Polizei, Gendarmerie und Heimwehr. Ca. 200 Personen wurden verwundet.

Schreckliche Übergriffe
Auf beiden Seiten passierten schreckliche Übergriffe: in Holzleithen die wilde, quasi-standrechtliche Erschießung von vier Schutzbundangehörigen auf der Bühne des Arbeiterheimes durch Heimwehrangehörige, in Steyr die Erschießung des Direktors der Steyr-Werke Dr. Herbst im fahrenden Auto und der wohl privat motivierte Mord an Johann Zehetner und Josefine Nagelseder, für den Josef Ahrer in einem recht willkürlich geführten Standrechtsverfahren zum Tode verurteilt wurde. Auch der Tod der drei Bundesheerangehörigen auf dem Polygon-, heute Bulgariplatz, in Linz hat wenig mit Kampfhandlungen gemein.

In den Standgerichtsverfahren wurden vier Todesurteile verhängt, von denen zwei, an dem Linzer Anton Bulgari und dem Steyrer Josef Ahrer, auch vollstreckt wurden. Ein trauriges Kapitel sind die Begründungen, mit denen Justizminister Kurt Schuschnigg eine Begnadigung verweigerte, nämlich die Notwendigkeit, ein Exempel zu statuieren, obwohl die beiden keinesfalls zweifelsfrei als Haupttäter überführt waren.

Die Ereignisse auf dem Bulgariplatz

Der Linzer Bulgariplatz gilt aufgrund seines Namens als eines der Hauptsymbole des Bürgerkriegs. Etwa 200 bis 300 Angehörige des Schutzbundes hatten am damaligen Polygonplatz in den Vormittagsstunden des 12. Februar 1934 eine Barrikade errichtet. Als sich um etwa 15 Uhr 45 ein Zivilauto mit vier Angehörigen des Bundesheers und dem zivilen Fahrer näherte, kam es zum blutigen Eklat. Auf das Auto wurden 50 bis 100 Schüsse aus Karabinern und einem Maschinengewehr abgefeuert. Drei Bundesheerangehörige waren tot, die beiden anderen Autoinsassen schwer verwundet. Der Kommandant wies zudem tiefe Kopf- und Gesichtsverletzungen auf, die von den drei obduzierenden Ärzten eindeutig nicht als Schusswunden, sondern nur als Folgen einer „Einwirkung mit einer enormen stumpfen Gewalt“ oder einer Explosion identifiziert werden konnten.

Der Linzer Bulgariplatz gilt aufgrund seines Namens als eines der Hauptsymbole des Bürgerkriegs. Etwa 200 bis 300 Angehörige des Schutzbundes hatten am damaligen Polygonplatz in den Vormittagsstunden des 12. Februar 1934 eine Barrikade errichtet. Als sich um etwa 15 Uhr 45 ein Zivilauto mit vier Angehörigen des Bundesheers und dem zivilen Fahrer näherte, kam es zum blutigen Eklat. Auf das Auto wurden 50 bis 100 Schüsse aus Karabinern und einem Maschinengewehr abgefeuert. Drei Bundesheerangehörige waren tot, die beiden anderen Autoinsassen schwer verwundet. Der Kommandant wies zudem tiefe Kopf- und Gesichtsverletzungen auf, die von den drei obduzierenden Ärzten eindeutig nicht als Schusswunden, sondern nur als Folgen einer „Einwirkung mit einer enormen stumpfen Gewalt“ oder einer Explosion identifiziert werden konnten.

Der Hergang ist bis heute sehr mangelhaft und unwissenschaftlich erforscht. Das 25 Seiten umfassende schriftliche Urteil des Standgerichts samt ausführlicher Begründung, das im Oberösterreichischen Landesarchiv aufliegt, ist bislang überhaupt noch nicht herangezogen worden. Stattdessen stützen sich die Darstellungen neben Zeitungsberichten vornehmlich auf die mehr als 50 Jahre nach dem Ereignis geführten Interviews mit einem der Hauptbeteiligten, der aber 1934 deswegen freigesprochen worden war, weil er für das Gericht glaubwürdig nachgewiesen hatte, erst nach der Schießerei auf den Polygonplatz gekommen zu sein. Wer geschossen hat und ob die Insassen des Autos angesichts der enormen Übermacht des Schutzbundes tatsächlich zuerst oder überhaupt geschossen haben, wird sich nie klären lassen.

Auf Schutzbundseite wurde jedenfalls niemand verletzt. Dass Alkohol im Spiel war, der an die Brauereiarbeiter schon frühmorgens in großer Menge ausgegeben worden sein soll, wird von Helmut Fiereder nicht ausgeschlossen.

In der Standgerichtsverhandlung am 21. Februar wurden drei Beteiligte zum Tode verurteilt. Das Todesurteil an Anton Bulgari, der keineswegs der Hauptschuldige war, wurde vollstreckt.

Es wäre angebracht, auf dem Bulgariplatz neben der Gedenktafel für Anton Bulgari auch an die drei toten Heeresangehörigen Oberleutnant Heinrich Nader, Korporal Karl Eiselsberg und Alpenjäger Josef Mangl sowie die beiden Schwerverletzten, den Wehrmann Josef Pötzlberger und den zivilen Chauffeur Johann Mayr, zu erinnern.


Die Linzer Führer Ludwig Bernaschek, Ferdinand Hüttner und Arthur Bonyhadi, ebenso Josef Höller und Ferdinand Fageth, die Bergarbeiterführer des Hausruckreviers, wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Von den Nationalsozialisten aus dem Gefängnis befreit, fand Bernaschek im nationalsozialistischen Deutschland Zuflucht, wo er sich zu einem recht unklugen Lob für die Beschäftigungspolitik des Nationalsozialismus und eine Entschuldigung für das nationalsozialistische Vorgehen gegen die Juden und die Kirchen hinreißen ließ. Noch vor dem nationalsozialistischen Juliputsch 1934 reiste Bernaschek von Deutschland nach Moskau. Er spekulierte auf ein Zusammengehen von Nationalsozialisten, Sozialdemokraten und Kommunisten zu einer „Überpartei“, die die Macht in Österreich übernehmen könnte.

Landeshauptmann Gleißner
Die Niederlage der Sozialdemokratie war der Startschuss, auch in Oberösterreich die autoritäre Verfassung voll durchzusetzen. Am 17. Februar 1934 wurde Landeshauptmann Schlegel von Starhemberg und Dollfuß zum Rücktritt gezwungen. Der am 26. Februar ohne die 15 sozialdemokratischen Mandatare wieder zusammengetretene Landtag beschloss am 27. Februar 1934 seine Selbstentmachtung und wählte in seiner letzten Sitzung am 1. März den oberösterreichischen Landesleiter der Vaterländischen Front Dr. Heinrich Gleißner zum neuen Landeshauptmann.

Dollfuß und der von ihm geschaffene Ständestaat sind gescheitert. Die Diktatur war ein Irrweg. Daran ändert nichts, dass die Regierungen Dollfuß und Schuschnigg einen verzweifelten Kampf gegen den Nationalsozialismus führten. Denn gleichzeitig trieben sie viele Sozialdemokraten und Großdeutsche den Nationalsozialisten in die Arme.

Bürgerkriege erscheinen deswegen noch um vieles unmenschlicher, weil sie mit besonderer Erbitterung geführt werden, sich die Gegner nicht selten persönlich kennen, man die Schuld im eigenen Hause suchen und auch nachher wieder weiter zusammenleben muss. 75 Jahre nach dem Bürgerkrieg vom Februar 1934 ist es zweifellos an der Zeit, die Gräben zuzuschütten und beiden Seiten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Eine unvoreingenommene wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschehnisse ist ein dringendes Desiderat.

Zeittafel  
12. Jänner Nationalrat Dr. Edmund Aigner tritt von der Leitung des Katholischen Volksvereins für Oberösterreich (Christlichsoziale Partei) zurück.
16. Jänner Bölleranschlag gegen das Landesregierungsgebäude am Pestalozziplatz in Linz und in anderen Teilen Oberösterreichs
28. Jänner Sieben Sprengkörper werden in Linz zur Explosion gebracht.
6. Februar Der oberösterreichische Heimatschutz fordert von Landeshauptmann Dr. Josef Schlegel die Umgestaltung der Landesregierung.
8. Februar Vorsprache der sozialdemokratischen Parteivertretung unter Richard Bernaschek bei Dr. Josef Schlegel
11. Februar Ludwig Bernaschek entschließt sich eigenmächtig, den Befehl zum Widerstand auszugeben.
12. Februar Beginn der Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern des Republikanischen Schutzbundes und der Exekutive in Linz, Attnang und Steyr. Der Sicherheitsdirektor verhängt das Standrecht für das Bundesland Oberösterreich.
13. Februar Fortsetzung der blutigen Kämpfe in Linz, Steyr, Stadl-Paura und im Hausruck-Revier
14. Februar Nur noch vereinzelte Kämpfe; Wiederaufnahme der Arbeit im Kohlenrevier
17. Februar Begräbnis der Gefallenen der Exekutive in Linz. Standgerichtsverhandlung in Steyr: Todesurteil für Josef Ahrer, der hingerichtet wird
19. Februar Dr. Josef Schlegel tritt als Landeshauptmann zurück.
21. Februar Standrecht ab 7 Uhr früh aufgehoben. Linzer Standgerichtsprozess: Todesstrafe für Anton Bulgari, Franz Gschwandtner und Ludwig Schwinghammer
22. Februar Anton Bulgari wird hingerichtet; Franz Gschwandtner und Ludwig Schwinghammer werden zu lebenslänglichem Kerker begnadigt.
27. Februar Der Landtag beschließt mit den Stimmen der Christlichsozialen ein Ermächtigungsgesetz für die Landesregierung.
1. März Dr. Heinrich Gleißner wird zum Landeshauptmann gewählt.
2. April Richard Bernaschek und weitere vier Mithäftlinge sowie ein Aufseher flüchten mit nationalsozialistischer Hilfe aus dem Gefangenenhaus nach Deutschland.
1. Mai Verkündung der Ständisch-autoritären Verfassung
9. August Richard Bernaschek, der frühere Landtagsabgeordnete Strasser und der Steyrer Betriebsrat Gustl Moser sind in Moskau.


Literatur:

Fiereder, Helmut: Der Republikanische Schutzbund in Linz und die Kampfhandlungen im Februar 1934. Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1978 (1979) - Siehe Periodika - Historisches Jahrbuch der Stadt Linz

Kammerstätter, Peter: Der Aufstand des Republikanischen Schutzbundes am 12. Februar 1934 in Oberösterreich. Eine Sammlung von Materialien, Dokumenten und Aussagen von Beteiligten. Linz 1983 (Manuskript im OÖ. Landesarchiv)

Weidenholzer, Josef - Perfahl, Brigitte - Hummer, Hubert: Es wird nicht mehr verhandelt. Der 12. Februar 1934 in Oberösterreich. Linz 1984.

Weinzierl, Erika, Der Februar 1934 und die Folgen für Österreich. Picus Verlag, Wien 1994.

Literarische Verarbeitung des Themas:

Franzobel: Hunt oder der totale Februar. Weitra 2007.

Kain, Franz: Die Lawine. Erzählungen. Wien, Linz, Weitra 1994.


Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 7. Februar 2009

   

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