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Literatur in der NS-Zeit

Hymnen auf Reich und Führer


Heimat und Volk, Ehre und Kampf. Die Mythen der NS-Ideologie betörten nicht nur schlichte Geister, sondern – zumindest vorübergehend – auch manch einen Autor von Rang. Auch in Oberösterreich schrieb man dort und da mit brauner Tinte.

„Bund deutscher Schriftsteller Österreichs“
Im Jahr 1936 wurde unter der Präsidentschaft von Max Mell der „Bund deutscher Schriftsteller Österreichs“ gegründet. Offiziell durften sich dessen Mitglieder vorerst nicht zum Nationalsozialismus bekennen, aber im März 1938 war die Zeit des Versteckspiels vorbei. Den Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich feierte der „Bund deutscher Schriftsteller Österreichs“ mit dem Bekenntnisbuch österreichischer Dichter. Unter den 71 Bekennern findet man auch Namen mit Oberösterreich-Bezug: Franz Tumler, Gertrud Fussenegger, Arthur Fischer-Colbrie, Julius Zerzer, Egmont Colerus, Richard Billinger, Carl Hans Watzinger.

Manche taten sich nun mit typischer Blut- und Boden-Literatur hervor: deutsche Scholle und arischer Bauernstolz, männliche Kraft und weibliche Keuschheit, Wallung des Blutes, Sippe, Vorsehung. (Was halt so anfällt in einem deutschen Männerleben.) Auch antisemitische Zwischentöne fehlen nicht. Über solche Autoren, die ohnedies kaum ihr regionales Wirkungsfeld verlassen haben, ist die Literaturgeschichte mittlerweile hinweggegangen.

Braune Grenzlandträume
Anders liegt die Sache bei den Namen Franz Tumler und Gertrud Fussenegger, deren Stellenwert in der Literatur nach 1945 unbestritten ist. Fussenegger und Tumler haben einige Gemeinsamkeiten: Beide wurden im Jahr 1912 geboren. Fusseneggers Vater kam aus Vorarlberg, die Mutter aus dem Sudetenland. Tumlers Mutter war eine gebürtige Innviertlerin, der Vater war Südtiroler. Beide hatten also starke familiäre Bindungen an deutschsprachige Grenzregionen, in denen die Nationalitätenfrage geschichtsbestimmend war. Das erklärt zumindest teilweise ihre Anfälligkeit für nationale Reichsmythen. Gertrud Fussenegger und Franz Tumler lernten einander in den 1930er Jahren kennen (und lieben) und blieben einander trotz Hindernissen – Gertrud Fussenegger war schon verheiratet – zehn Jahre lang innig verbunden.

Dichter und Soldat
Nach dem frühen Tod seines Vaters kam der in Gries bei Bozen geborene Tumler mit seiner Mutter nach Oberösterreich, zuerst nach Ried im Innkreis, dann nach Linz. Er war ausgebildeter Volksschullehrer, gab aber den Beruf bald zugunsten des Schreibens auf. Regelmäßige Besuche bei der Südtiroler Verwandtschaft brachten ihm Land und Leute näher. In der Erzählung Das Tal von Lausa und Duron, mit der Tumler 1935 sehr erfolgreich war, behandelt der Autor die Lebenssituation der Südtiroler Bevölkerung.
Obwohl dieses Werk nicht als Propagandaliteratur, sondern eher als national grundierte Heimatliteratur interpretiert werden kann, fand es in nationalsozialistischen Kreisen begeisterte Aufnahme. Und in den Folgejahren entwickelte sich Tumler selbst zum enthusiastischen Nationalsozialisten. Sein Roman Der Soldateneid wurde 1940 mit dem Berliner Literaturpreis ausgezeichnet, Tumler trat der NSDAP bei, wurde landauf landab zu Lesungen eingeladen und übernahm Schreibaufträge der Partei für nationalsozialistische Medien.

Man kann Franz Tumler zugute halten, dass er kein bloßer Maulheld war. Obwohl er „u.k.“ (unabkömmlich) gestellt war, meldete er sich 1941 freiwillig zum Kriegsdienst, zutiefst überzeugt von einer Sache, für die er seinen Kopf hinhalten wollte, weil er deren Scheußlichkeit nicht sehen konnte oder wollte. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches kam Tumler nach Oberösterreich zurück und lebte einige Jahre in Hagenberg. Dem Schloss Hagenberg setzte er im Roman Ein Schloß in Österreich (1952) ein literarisches Denkmal.

Man hat Tumler vorgeworfen, er habe sich nach 1945 nicht schnell und eindeutig genug vom Nationalsozialismus distanziert. Beschäftigt man sich mit diesen Jahren in seinem Leben genauer, so entsteht ein anderes Bild. Seinem Roman Heimfahrt (1950) – literarisch betrachtet ein eher schwacher Text – kann man entnehmen, wie schwer es für den Protagonisten ist, die alte Vorstellungs- und Wertewelt hinter sich zu lassen. Franz Tumler war ein gründlicher Schriftsteller. Er brauchte einige Anläufe, um sich schreibend von seiner weltanschaulichen Vergangenheit zu lösen. Dass er es geschafft hat, zeigt sein weiterer Werdegang: in den 1950er Jahren Hanser- und Suhrkamp-Autor, angesehen im Umfeld der Gruppe 47, Mitbegründer einer modernen Erzählästhetik, 1967 Direktor der Abteilung Literatur der deutschen Akademie der Künste.

Dichterin und Mutter
Gertrud Fussenegger kam erst 1961 nach Oberösterreich, wo sie bis zu ihrem Tod 2009 lebte. Ihre Verstrickung in den Nationalsozialismus lag zu diesem Zeitpunkt schon Jahre zurück. Ähnlich wie Tumler stammte die in Pilsen geborene Fussenegger aus einem Grenzbereich mit hohem nationalem Konfliktpotential. Ihr Vater war k.u.k. Offizier, jeder Art von Demokratie stand man fern. Gertrud Fussenegger studierte in Innsbruck und München Geschichte, Kunstgeschichte, Deutsch und Philosophie. Aufgrund ihres Erfolgs mit dem historischen Roman Geschlecht im Advent (1937) wurde die damals Fünfundzwanzigjährige von den Nationalsozialisten als begabte Jungautorin gefördert.
So ganz auf Linie war sie aber zu dieser Zeit offensichtlich noch nicht. Ihre Geschichte Das Mohrenkind wurde von der für „Rassefragen“ zuständigen Behörde kritisiert. In der Folgezeit passte aber Fussenegger ihre Schreibweise den Erwartungen an. Das NSDAP-Mitglied stand zwar dem eher gemäßigten Literatenkreis um die Zeitschrift Das innere Reich nahe, veröffentlichte aber auch im Völkischen Beobachter und anderen Parteiblättern.

In ihren autobiografischen Werken Ein Spiegelbild mit Feuersäule (1979) bzw. So gut ich es konnte. Erinnerungen 1912-1948 (2007) verschweigt Gertrud Fussenegger ihre vorübergehende Nähe zum Nationalsozialismus nicht. Ihre Erklärung, dass sie in einer Lebensphase, in der die katholische Bildwelt für sie kraftlos wurde, nach anderen Mythen gesucht habe, wirkt überzeugend: Hitler statt Jesus, Deutsches Reich statt Reich Christi. Politischer, religiöser und poetischer Kitsch gehen ja oft verhängnisvolle Koalitionen ein.
Gertrud Fusseneggers Kritiker sind allerdings nicht so ganz zufrieden mit der politischen Selbstreflexion der Autorin. So detailreich die Darstellung des Alltagslebens einer vierfachen Mutter in der Autobiografie sei, meinen sie, so spärlich gehe die Autorin mit Details zu ihrer politischen Biografie um.


--> Mehr zur Literatur unter dem Nationalsozialismus


Autor: Christian Schacherreiter

Oberösterreichische Nachrichten, 7. März 2009

Anmerkung: Der Text wurde vom „forum oö geschichte“ nach dem Tod von Gertrud Fussenegger am 19. März 2009 geringfügig verändert.

 

   

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